| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 70 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        (Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes Bd.
                           								252 S. 152.)
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           In neuerer Zeit wird, insbesondere in den Tagesblättern, viel Lärm mit einem von Eug. Turpin in Carrière St. Denis (D. R. P. Nr. 26936
                                 									vom 4. August 1882) erfundenen Sprengstoffe gemacht, welcher unter dem Namen Panclastite allenthalben versucht wird, und hierbei
                              									nicht mit dem schon früher erwähnten Panclastite (vgl. 1884 252 153) zu verwechseln ist. Turpin's Verfahren
                              									beruht auf der Verwendung von Untersalpetersäure, die
                              									mit flüssigen Kohlenwasserstoffen (Erdöl, Theer und deren Derivate, Petroleumäther,
                              									Toluol, Xylol, Benzol, Naphtol), Stickstoffverbindungen der Theerderivate
                              									(Nitrobenzol, Nitroxylol, salpetersaures Anilin, Nitranilin) und verschiedenen
                              									Fetten (Schmalz, Butter, Leinöl) gemischt explosive Substanzen ergibt. Die fetten
                              									Körper müssen vorher mit Untersalpetersäure nitrirt und die Verbindung im Wasserbade
                              									erwärmt werden, um die gebildete salpetrige Säure auszutreiben. Diesem nitrirten
                              									Fettkörper oder den nicht nitrirten anderen Stoffen wird Untersalpetersäure in 1 bis
                              									2facher Menge beigemischt, um sodann den Explosivstoff zu erhalten; letzteren läſst
                              									man wie Nitroglycerin von einem porösen Körper aufsaugen und schlieſst ihn luftdicht
                              									in Patronen aus Metall oder Glas ein. Wie die meisten indirekt explodirbaren Stoffe
                              									verbrennt auch Panclastite, wenn angezündet, ruhig und detonirt bei Anwendung eines
                              									Initialimpulses. Ferner soll durch Beigabe von Schwefelkohlenstoff die Mischung
                              									leichter explosiv und durch Vermehrung der Untersalpetersäure sprengkräftiger
                              									werden. Als Beispiele führt die Patentschrift an: 1 Th. Erdöl von 0,72 Dichtigkeit,
                              									mit 1½ Th. Untersalpetersäure gemischt; ferner 8 Vol. Erdöl mit 2 Vol.
                              									Schwefelkohlenstoff und 10 Vol. Untersalpetersäure; 1 Vol. Erdöl oder eines
                              									Gemisches von Erdöl und Schwefelkohlenstoff und 2 Vol. Untersalpetersäure. Auch die
                              									Herstellung der Untersalpetersäure ist, wenngleich nur flüchtig und fast
                              									übereinstimmend mit den Angaben in Muspratt's Chemie,
                              									beschrieben.
                           Versuche, welche mit Panclastite angestellt wurden, sind in der Zeitschrift La Nature kürzlich beschrieben worden. Nach denselben
                              									soll flüssiges Panclastite unter einem Eisengewichte von 6k bei einer Fallhöhe von 4m nicht explodiren und 10g Panclastite sollen, auf einen Bleicylinder frei
                              									aufgelegt (nach den beigefügten Abbildungen zu urtheilen), mindestens doppelt so
                              									starke Wirkung ausüben, als 20g
                              									Gelatine-Dynamit.
                           Es ist nothwendig, daſs an dieser Stelle gegenüber der mächtigen, dem Panclastite
                              									bereiteten Reclame ein nüchternes Urtheil erscheine; wollte man sich von den
                              									fortwährend mit groſsen Ansprüchen auftretenden Sprengmitteln so leicht erregen
                              									lassen, so wäre die Sprengstoff-Industrie selbst in ihrer Entwickelung vollständig
                              									aufgehalten.
                           Panclastite erscheint gegenüber ruhiger Prüfung nur als eine Variation des Sprengel'schen Patentes (vgl. 1874 212 323), das schon vor 10 Jahren in England genommen und
                              									von H. Sprengel selbst als in der Anwendung
                              									aussichtslos bezeichnet wurde. An und für sich ist es zwar interessant, die
                              									Salpetersäure durch Untersalpetersäure zu ersetzen; allein wer das nächstbeste
                              									chemische Werk über Untersalpetersäure zu Rathe zieht, wird finden müssen, daſs sie
                              									zur Erzeugung von Explosivstoffen absolut ungeeignet ist. Die Praxis verlangt, daſs
                              									dieselben mit ihren explosiven Eigenschaften genügende Stabilität und Sicherheit in
                              									der Handhabung bieten. Beide kann das Panclastite niemals erfüllen; denn
                              									Untersalpetersäure siedet
                              									bei + 22°, zerfällt bei Zutritt von Wasser in Salpetersäure und salpetrige Säure,
                              									kein Patronenmaterial (mit Ausnahme von Glas) kann demselben auf die Dauer
                              									widerstehen und die Handhabung eines Sprengstoffes, dessen Hälfte mindestens
                              									Untersalpetersäure ist, gehört zu den praktischen Unmöglichkeiten. Verschiedene
                              									kleinere Bedenken, wie die Nothwendigkeit, für jedes Bohrloch die Ladung besonders
                              									herzurichten, die bei normalen Temperaturen unvermeidlichen Dämpfe, die
                              									Unmöglichkeit mit Zündhütchen zu arbeiten, die schlechten Gase, welche bei der
                              									Explosion entstehen müssen u.s.w., seien nur gestreift. Wie stellt man sich denn
                              									dies aber in der Praxis vor – wie es Turpin und s. Z.
                              									auch Sprengel wünschten –, daſs der Sprengstoff an Ort
                              									und Stelle in der Grube erzeugt und sofort verwendet werde? Freilich nimmt es sich
                              									sehr schön aus, wenn man sagt, zwei ganz ungefährliche Stoffe werden besonders
                              									verfrachtet, im gegebenen Augenblicke zusammengeschüttet und ein unübertreffliches
                              									Sprengmittel ist fertig. Turpin, indem er die
                              									Herstellung am Verbrauchsorte wünscht, ist sich dessen offenbar bewuſst, daſs das
                              									fertige Panclastite ein so unstabiles und gefährliches Product ist, daſs keine
                              									Behörde hierfür eine Transport- oder Aufbewahrungs-Bewilligung geben würde. Nun soll
                              									der Arbeiter in der Grube, der ohnedies die Neigung hat, mit Sprengmitteln
                              									leichtsinnig umzugehen, mit seinen schwieligen Händen bei einer Lampe so leicht
                              									flüchtige Stoffe, wie Erdöl und Untersalpetersäure, abmessen, mischen, in Patronen
                              									füllen, dicht vermachen, zur Zündung zurichten u.s.w. Dies muſs schon an dem
                              									Kostenpunkte und der Unlust der Arbeiter scheitern, heiſst aber auch, wie Trauzl im Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten
                              									vereine bei einem ähnlichen Falle bemerkte, die sonst seltenen Unglücksfälle an den
                              									Gebrauchsorten verhundertfachen.Turpin ist, wie der Bericht der englischen
                                    											Explosivstoff-Inspectoren meldet, im vorigen Jahre wegen verbotener
                                    											Erzeugung von Panclastite angehalten worden, und heuer wieder geschah es
                                    											ihm, daſs er von seinen Sprengmitteln Einiges im Reisekoffer mitnahm und als
                                    											Attentäter verhaftet wurde. Ob diese Unannehmlichkeiten im Verhältnisse zum
                                    											Sprengmittel stehen, wagt Referent nicht zu entscheiden. Aber zieht man die
                                    											obigen Ausführungen in Betracht und ist die Ansicht richtig, daſs die oben
                                    											erwähnten Versuche offenbare Unkenntniſs anderer Sprengmittel verrathen und
                                    											ihre Richtigkeit demnach stark in Zweifel zu ziehen ist, so wird man die
                                    											praktische Werthlosigkeit des Panclastite ohne weiteres
                                    									zugeben.
                           Die Vereinigten rheinisch-westfälischen
                                 										Pulverfabriken haben in ihrer Fabrik zu Hamm a. d. Sieg seit dem Ende des
                              									vorigen Jahres die elektrische Beleuchtung
                              									eingerichtet. Die Betriebsdampfmaschine hat 25e
                              									und einen sehr empfindlichen Regulator von Chaieux und
                                 										Comp. in Aachen (vgl. 1883 247 * 315). Eine
                              									Dynamomaschine, System Gülcher, von 130 Ampère und 65
                              									Volt liefert den elektrischen Strom, dessen geringe Spannung diesem Systeme
                              									eigenthümlich ist. Zur Platzbeleuchtung dienen zwei Bogenlampen, welche von den
                              									gefährlichen Gebäuden in gröſserer Entfernung aufgestellt sind. Die Beleuchtung der
                              									Fabriksgebäude geschieht durch 114 Glühlampen von Gebrüder
                                 										Siemens und Comp. in Charlottenburg; bei den gefährlichen Gebäuden haben
                              									dieselben 16 bis 18, in den Maschinenräumen von 8 und 32 Kerzen Stärke. Die
                              									Glühlampen sind paarweise in tragbaren Laternen mit Chinasilber-Hohlspiegel von
                              									doppeltem Brennpunkte aufgehängt. Der Boden der Laterne enthält drei Contacte, mit denen
                              									man den Strom öffnen oder schlieſsen kann, entweder nur für ein Licht oder für beide
                              									zugleich. Vor den Fenstern der gefährlichen Gebäude sind eiserne Behälter befestigt,
                              									in welchen isolirte Leitungsschrauben zum genauen Aufsetzen der Laterne befestigt
                              									sind. Die Leitungsschrauben sind mit zwei Zungen für jede Lampe versehen, jedoch so,
                              									daſs der Strom nur geöffnet werden kann, wenn die Laterne genau eingepaſst ist. Die
                              									Leitungsdrähte bestehen aus dreifach isolirten und vulkanisirten Kautschukdrähten,
                              									welche auf hölzernen Isolatoren von einander entgegengesetzten Seiten zur Laterne
                              									geführt sind, damit unter keinerlei Umständen eine Berührung der Drähte stattfinden
                              									könne. Die gesammte Einrichtung, welche die Arbeiter sehr befriedigt, ist von B. Berghausen und Comp. in Ehrenfeld-Köln hergestellt
                              									worden.
                           In Cerbère (Frankreich) fand in einem nächst dem Bahnhofe
                              									befindlichen Steinbruche eine Explosion einer bereits abgethanen Mine statt. – Diese bestand nach dem
                              										Portefeuille économique des Machines, 1884 S. 87
                              									aus einem lothrechten Schachte, in hartem Schiefer bis auf 8m Tiefe getrieben, wo der Schiefer sich schon
                              									blätterig zeigte. Daselbst wurden nun zwei Seitenstrecken hergestellt, so daſs das
                              									Ganze die Form eines ⊥ hatte, und in die Seitenstrecken 660k Dynamit vertheilt. Die Zündung erfolgte durch
                              									einen sogen. Frictionszünder und hatte nur geringe Wirkung; man schrieb sie auf
                              									Rechnung des blätterigen Gefüges des Minenherdes. Dies war im Januar d. J. Am 18.
                              									April wurden in der Umgebung dieser Mine wieder Sprengungen vorgenommen und da fand
                              									denn in dieser alten Mine, glücklicherweise ohne Menschen zu beschädigen, eine
                              									heftige Explosion statt, welche die noch von der ersten Sprengung stehen gebliebene
                              									dünne Gesteinswand auf die Waarenschuppen des 80m
                              									entfernten Bahnhofes warf und damit eine Anzahl von Eisenbahnwagen zerstörte.
                              									Zweifellos war bei der ersten Sprengung ein Theil der Ladung nicht zur Explosion
                              									gelangt, wahrscheinlich deshalb, weil bei den räumlich entfernten 2 Ladungen die
                              									eine Zündung versagte. Als nun in der Nachbarschaft des Minenherdes Sprengungen
                              									vorgenommen wurden, waren die dadurch erzeugten Schwingungen genügend stark, um die
                              									Explosion auf das durch ein Steinmittel getrennte Dynamit zu übertragen. Groſse
                              									Minen sollen stets elektrisch gezündet und womöglich noch eine zweite Zündung
                              									vorgesehen werden, da bei solchen die Mehrkosten verschwinden. Auſserdem ist es eine
                              									nicht genügend gewürdigte Nothwendigkeit, daſs nach jeder Sprengung der Minenherd
                              									sorgfältig untersucht werde; denn wenn auch nur ein minder starkes Zündhütchen
                              									genommen wurde, so ist das Stehenbleiben eines Theiles der Ladung sehr leicht
                              									möglich.
                           H. D. Windsor in New-York hat im Vereine mit mehreren
                              									Fachgenossen eine „Dynamit-Kanone“ entworfen und eine Commission der Vereinigten
                              									Staaten unter Lieutenant E. L. Zalinski macht damit
                              									Versuche. Die Idee zu einer solchen ist nicht neu. Hauptmann Trauzl hat vor 15 Jahren schon ein auf denselben Prinzipien beruhendes
                              									Geschütz angegeben (damals erschien die Sache freilich noch abenteuerlich) und Engels in Kalk hat sich vor einigen Jahren ein
                              									Sprenggeschütz patentiren lassen, welches durch mechanische Mittel Dynamit auf
                              									Gestein wirft und dasselbe sprengt.
                           Windsor's Dynamitkanone ist im Scientific American, 1884 Bd. 50 S. 214 abgebildet.
                              									Dieselbe besteht aus einer 12m,2 langen, 5cm im Lichten weiten und 6mm,5 starken Stahlröhre, die auf einem leichten
                              									stählernen Träger ruht; dieser ist auf einem guſseisernen Ständer drehbar so
                              									aufgehängt, daſs durch Verlängerung von Gelenkstangen oder Drehen eines am Gestelle
                              									befestigten kleinen Zahnrades die Kanone in lothrechter oder wagerechter Richtung
                              									bewegt werden kann. Es wird gepreſste Luft durch das Gestelle in das eine hohle
                              									Zapfenlager, von hier durch ein an der Seite befindliches Rohr in ein Ventil am
                              									hinteren Ende der Kanone so eingelassen, daſs, nachdem das Geschoſs eingeführt ist,
                              									durch Umlegen eines Hebels das Ventil geöffnet wird, welches durch einen selbstthätigen
                              									Regulator die Luft zuerst langsam eintreten läſst, bis die Ruhe des Geschosses
                              									überwunden ist, sodann vollen Druck gibt und schlieſslich, wenn es die Kanone
                              									verlassen hat, sofort absperrt.
                           Das Geschoſs besteht aus zwei Theilen. Der rückwärtige Theil ist
                              									aus Holz und erweitert sich allmählich auf die Gröſse der Rohrseele. Dieser
                              										„Stöpsel“ trägt eine dünne Metallhülse mit der Dynamitladung; auf dieser
                              									befindet sich eine weiche Masse, in welche ein Zündspiegel eingebettet ist. Eine
                              									conische Kappe mit einem darin befestigten Stifte stöſst beim Aufschlagen des
                              									Geschosses in den Zündspiegel und bringt so die Ladung zur Explosion.
                           Bei den bisherigen Versuchen soll unter einem Drucke von 31 k/qc aus der
                              									2zölligen Kanone das Geschoſs 2000m weit geworfen
                              									worden sein. Das Geschoſs selbst soll in Folge seiner eigenthümlichen Form durch
                              									Seitenwind nicht aus seiner Flugbahn gebracht werden.
                           Die Dynamitkanone kann wohl hauptsächlich nur zur
                              									Küstenvertheidigung bestimmt sein, da dort oder in Festungen, Forts u. dgl.
                              									Preſsluft leicht beschafft werden kann; doch wäre auch ihre Verwendung auf
                              									Kriegsschiffen im Belagerungskriege nicht ausgeschlossen. Vorläufig müssen noch
                              									weitere Versuche, insbesondere in der Richtung abgewartet werden, ob der
                              									Geschoſsmechanismus unter allen Umständen, auch bei schrägem Auftreffen, sicher
                              									arbeitet.
                           Der 8. Bericht der englischen Explosivstoff-Inspectoren für das J. 1883 gibt abermals
                              									ein sehr anschauliches Bild der betreffenden englischen
                                 										Industrie (vgl. 1883 250 184).
                           Zu Ende des J. 1883 bestanden (auſser den
                              									Spielzeug-Feuerwerk-Laboratorien) 104 Fabriken für Explosivstoffe; 5 waren neu
                              									hinzugekommen, 1 hat zu bestehen aufgehört, der Zuwachs beträgt sonach 4. Der Stand
                              									der Spielzeug-Feuerwerkfabriken ist 13 geblieben. An Zusatzlicenzen wurden in diesem
                              									Jahre 35 ertheilt, Magazine bestanden 329 (um 9 mehr als im J. 1882, nachdem 17
                              									concessionirt, 8 aufgelassen wurden); hierzu kommt noch ein Magazin, welches von den
                              									Explosivstoff-Inspectoren im Vereine mit der Londoner Polizei für die Aufbewahrung
                              									mit Beschlag belegter Explosivstoffe errichtet wurde. Die Anzahl der Lager (kleine
                              									Magazine bis zu 1815k Pulver oder zur Hälfte
                              									Dynamit u. dgl.) am 1. April 1883 war 2108 (Zuwachs 63), die der eingeschriebenen
                              									Verkaufsläden dagegen 19386 (Zuwachs 3717 gegen das J. 1880). 99 Eisenbahn- und 106
                              									Kanalgesellschaften verfrachten Explosivstoffe, 14 bezieh. 11 nicht. 133 Häfen und
                              									Docks gestatten unter gewissen Vorschriften den Verkehr in Explosivstoffen, 23 haben
                              									denselben auf 13k,6 eingeschränkt, 69 ganz
                              									verboten und 47 haben angezeigt, daſs bei ihnen keine Aussicht auf solchen Verkehr
                              									sei. Eingeführt wurden: 582967k Pulver (+ 119540),
                              										871207k Dynamit (+ 413956), 4627k Knallquecksilber (– 998), 6770k Sprengkapseln (– 480850). Von Pulver wurden
                              										7293358k ausgeführt.
                           Die 3 Inspectoren haben 1391 verschiedene Besuche gemacht, der
                              									ihnen zur Seite stehende Chemiker A. Dupré 233 Analysen
                              									ausgeführt; der Chef-Inspector, Oberst Majendie, hat
                              									den gröſsten Theil des Jahres mit der Sammlung von Material für ein neues
                              									Mineralöl-Gesetz, sowie mit dem Besuche deutsch-österreichischer Dynamitfabriken
                              									verbracht und alle Inspectoren waren durch die vielen wirklichen und vermeinten
                              									Attentate sehr stark in Anspruch genommen. In 9 Fällen muſsten die Inspektoren, in
                              									49 Fällen die Ortsbehörden strafweise vorgehen.
                           Insgesammt haben 172 Unglücksfälle stattgefunden, welche mit 39
                              									Tödtungen und 109 Verletzungen verbunden waren; hierin sind aber 48 Explosionen
                              									einzelner Sprengkapseln und fast ausschlieſslich harmloser Natur enthalten, wie sie
                              									bei deren Erzeugung nahezu täglich vorkommen; dagegen sind Explosionen von Pulver
                              									nicht eingerechnet, welche in Bergwerken vorfielen und ohne Beschädigung verliefen.
                              									Von den Unglücksfällen ereigneten sich mit:
                           
                              
                                 
                                 bei Erzeugung
                                 Aufbewahrg.
                                 Gebrauch u. dgl.
                                 Versand
                                 Summe
                                 
                              
                                 Schieſspulver
                                 26
                                 1
                                 26
                                 1
                                 54
                                 
                              
                                 Dynamit
                                   2
                                 –
                                 22
                                 –
                                 24
                                 
                              
                                 Schieſswolle
                                   6
                                 –
                                   9
                                 –
                                 15
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 
                                 bei Erzeugung
                                 Aufbewahrg.
                                 Gebrauch u. dgl.
                                 Versand
                                 Summe
                                 
                              
                                 Knallquecksilber
                                   1
                                 –
                                 –
                                 –
                                   1
                                 
                              
                                 Munition
                                 66Davon 48 Sprengkapseln.
                                 –
                                 4
                                 –
                                 70
                                 
                              
                                 Feuerwerkskörper
                                   5
                                 –
                                 1
                                 –
                                   6
                                 
                              
                                 Verschiedene Stoffe
                                 –
                                 –
                                 2
                                 –
                                   2
                                 
                              
                           Neu concessionirt wurden: E. C.
                                 										Dynamit, identisch mit dem Nobel'schen
                              									Kieselguhr-Dynamit, und metallische Sprengzünder,
                              									bestehend aus mit Pulver gefüllten Bleiröhrchen. Der Bericht erwähnt, daſs die
                              									Hindernisse, welche der Erzeugung von Sprenggelatine
                              									bisher im Wege standen (Wärmeprobe) demnächst überwunden sein werden, daſs Espir's Pulver (vgl. 1883
                              										249 455) allmählich auſser Gebrauch kommt, E. C. Jagd-Pulver und Schultzen's Pulver (vgl. 1883 249 455) immer
                              									beliebter werden.
                           Von wichtigeren Unglücksfällen (vgl.
                              									1884 252 157) sind folgende zu erwähnen: Von den 26
                              									Unglücksfällen in Schießpulverfabriken waren 19
                              									Explosionen in Kollermühlen, wobei nur ein Mann
                              									Brandwunden erhielt. Der bisher einzige Unglücksfall mit Sprengmitteln beim Versand entstand dadurch, daſs ein Junge in Papier
                              									gepacktes Pulver auf der Gasse verstreute und ein Taubstummer ein brennendes
                              									Zündhölzchen hinein warf.
                           Von den im Vereine mit F. Abel und
                              										A. Dupré angestellten Versuchen ist folgendes bemerkenswerth: 136 Muster von heimischem und
                              									fremdem Dynamit wurden geprüft und kein Einziges
                                 										beanstandet. Es wurden Versuche darüber angestellt, ob auch die für
                              									Maschinen- und schnellfeuernde Geschütze verwendeten Metallpatronen durch die Detonation einer Patrone nicht alle mit entladen
                              									werden, wie dies für die Kleingewehr-Hinterladerpatronen bereits festgestellt ist.
                              									Die Versuche haben ergeben, daſs die Patronen für die einzölligen Nordenfeldt'schen Mitrailleusen gegen Massendetonation
                              									sicher sind, die der 6pfündigen Schnellfeuerkanonen von Nordenfeldt, Hotchkiss und Armstrong aber die
                              									Entladung auf einander übertragen. Die Sache wird erklärlich, wenn man erfährt, daſs
                              									die Ladung der einzölligen Nordenfeldt'schen Patronen
                              									nur 40g,5, die der schnellfeuernden Kanonen aber
                              									1,247 bezieh. 0,886 und 0k,964 beträgt.
                           Andere Versuche sollten feststellen, welche Zündmassen auſser
                              									Knallquecksilber geeignet sind, Dynamit bezieh. das zu
                              									den Attentaten verwendete Cellulose haltige Dynamit
                              									(vgl. 1884 252 157) zur Detonation zu bringen. Es wurden
                              									folgende je 6g,5 schwere Knallsätze verwendet:
                           a) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Schwefelantimon,
                           b) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker,
                           c) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker, 0,4 Th. Realgar,
                           d) 4 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker, 1 Th. Realgar,
                           e) 2 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Bleieisencyanür (trocken
                              									gemischt),
                           f) ein gewöhnliches 3faches Zündhütchen mit 4g,9 Ladung.
                           Die Knallsätze a und c hatten in manchen Fällen, die
                              									von d und e stets vollständige Detonation zur Folge. Der Satz b erwies sich als
                              									werthlos; nur in einem Falle konnte er das Dynamit entzünden. Dieselben Sätze beim
                              									Attentatdynamit benutzt, ergaben das etwas überraschende Resultat, daſs der Satz a
                              									keine, dagegen alle übrigen (auch b) vollkommene Entladung erzielten.
                           Versucht wurde ferner, aus Anlaſs eines Falles in einer
                              									Feuerwerkfabrik, ob eine Zeit lang aufbewahrte Holzkohle zu freiwilliger Entzündung
                              									neigt, wenn man sie, feucht geworden, wieder trocknet. Trotz wiederholter
                              									sorgfältigster Versuche konnte eine Temperaturerhöhung nicht gefunden werden.
                           Es wurde weiters untersucht, ob Schießpulver, in trockener oder feuchter Luft mit
                                 										Eisen bei Temperaturen bis zu 100° in Berührung
                                 										gebracht, sich entzünden könne. Alle Versuche lassen eine solche
                              									Möglichkeit entschieden verneinen. Diese Thatsache ist für gewisse
                              									Sprengstoff-Fabriken von Wichtigkeit, bei welchen es hauptsächlich um rasches,
                              									vollständiges Trocknen sich handelt, eine möglichst hohe Temperatur dabei also von
                              									bedeutendem ökonomischen Vortheile ist.
                           
                              Oscar Gattmann.
                              
                           Elektrische Sprengungen und Beleuchtung beim
                                 										Steinbruchsbetriebe, Für die Wasserversorgung Liverpools ist nach dem Engineer, 1884 Bd. 57 S. 417 ein etwa 113km entferntes Thal in den Welsh Hills durch eine
                              									mächtige Steinmauer abgeschlossen und so durch Aufstauung des Flusses Vyrnwy in
                              									einen groſsen See verwandelt worden. Die Steine zu dieser Mauer wurden in einem etwa
                              										1km,6 entfernten Steinbruche gebrochen und auf
                              									einer zweigeleisigen schmalspurigen Eisenbahn mit gleichmäſsiger Steigung von 1 : 30
                              									und einigen sehr scharfen Curven herbeigeschafft.
                           Die Steine gehören der unteren silurischen Gruppe an und besitzen
                              									etwa 30° Fall nach West in Schichten von 2 bis 3m,
                              									welche nach und nach abgebaut werden. Etwa 600 Mann arbeiten im Bruche; Tag und
                              									Nacht wird der Betrieb nicht unterbrochen, so daſs über 300t Bruchsteine täglich geliefert werden. Trotz des
                              									anfänglichen heftigen Widerstrebens der Arbeiter wurde eine elektrische Sprengung
                              									eingerichtet. Unter der Leitung des Ingenieurs wurde ein Mann und ein Bursche auf
                              									die Anfertigung der Zünder und auf das Abfeuern der Schüsse eingeübt. Die
                              									Elektricität liefert ein Siemens'scher
                              									Dynamo-Minenzünder für hohe Spannung mit einem beigegebenen Condensator aus Glimmer
                              									und Zinnfolie. Die im Condensator aufgespeicherte Elektricität wird nach der dritten
                              									Umdrehung der Kurbel des Minenzünders entladen und feuert die sämmtlichen
                              									Schieſslöcher zugleich ab. 50 Löcher könnten zugleich abgeschossen werden; doch
                              									läſst die Schwierigkeit der Isolirung so vieler Löcher es gerathen erscheinen, nicht
                              									mehr als 30 zugleich abzufeuern. Die Löcher sind 2m,7 tief, 31mm weit, 0m,9 von einander entfernt und 2m,7 vom Rande des Felsens der Schicht abstehend.
                              									30 solcher Locher bringen 585t Gestein in Blöcken
                              									von 3 bis 5 und 10t nieder, von denen die von 3
                              									bis 7t die nutzbarsten sind, während die
                              									schwereren von den beim Baue benutzten Krahnen nicht gehoben werden können. Um den
                              									durch Absprengen zu groſser Blöcke, die sich nicht gut und vortheilhaft in kleinere
                              									brechen lassen, entstehenden Verlust zu verhüten, müssen die Schieſslöcher sehr mit
                              									Ueberlegung angesetzt werden; nach vielen Versuchen haben sich die eben angegebenen
                              									Gröſsen der Löcher als zweckmäſsig herausgestellt.
                           Die benutzten Zünder sind die Abel'schen für hohe Spannung; sie bestehen aus zwei mit Guttapercha
                              									überzogenen Eisendrähten von 0m,9 Länge, welche
                              									zusammengedreht sind. Das eine Ende derselben ist in eine kleine Holzkapsel
                              									eingeschlossen und in dieser stehen sich die beiden zugespitzten Enden mit einem
                              									Zwischenräume von 0mm,8 gegenüber, welcher mit dem
                              									Zündsatze ausgefüllt ist. Der überspringende Funke entzündet den Zündsatz und dieser
                              									dann die Patrone. Gewöhnlich sind diese Zünder nur mit einigen Centimeter isolirten
                              									Drahtes versehen; eine gröſsere Länge des Drahtes wird angeknüpft und die
                              									Bindestellen in dem Loche untergebracht und verborgen. Dies war aber die Ursache
                              									vieler Versager und wurden deshalb die Zünder mit 0m,9 langen Drähten versehen, welche vom Pulver bis zur Mitte der
                              									Entfernung vom nächsten Zünder reichen; über die entblöſsten Bindestellen wurde ein
                              									Stück Kautschukrohr behufs der Isolirung geschoben und festgebunden. Die Sprengung
                              									so vieler Löcher auf einmal bietet besonders bei Nacht ein prächtiges
                              									Schauspiel.
                           Da im vorhergehenden Winter der Bau der Steinmauer bei
                              									elektrischem Lichte fortgesetzt worden war, so entschloſs man sich im Sommer 1883,
                              									den folgenden Winter auch den Steinbruch elektrisch zu beleuchten und zwar unter
                              									Belassung der Maschinen bei der Mauer und Führung des Stromes auf einer
                              									oberirdischen Leitung nach dem Steinbruche. Die Dynamomaschinen bestanden aus vier
                              									3000-Kerzen-Maschinen von Siemens mit besonderer
                              									Erregungsmaschine; letztere wurde aber nicht benutzt, vielmehr die Dynamomaschinen
                              									hinter einander geschaltet und selbsterregend gemacht; dieselben laufen mit 750
                              									Umdrehungen in der Minute. Die Leitungsdrähte wurden auf die Spitzen von 9m hohen und in 73m Entfernung von einander stehenden Stangen gelegt und zwar auf weiſse
                              									Isolatorglocken an den Enden eines Querstückes nahe an der Stangenspitze. Der Leiter
                              									ist eine Litze aus 5 Kupferdrähten Nr. 16 (1mm,6
                              									dick) und hat auf seiner
                              									ganzen Länge etwa 5 Ohm Widerstand. Die Steinbruchfläche wurde in drei möglichst
                              									gleiche Abtheilungen getheilt und in jeder ein 24m
                              									hoher Mast aufgestellt, woran je eine Siemens'sche
                              									Differentiallampe in passender Höhe aufgehängt wurde. Jede Lampe hat zwei Paar
                              									Kohlenstäbe, welche abwechselnd etwa 14 Stunden brennen und dann erneuert werden.
                              									Falls eine Lampe während der Nacht versagt, wird an ihrer Stelle ein derselben
                              									gleicher Widerstand von 5 Ohm eingeschaltet, damit die Drähte in den Maschinen sich
                              									nicht zu stark erhitzen.
                           Diese Beleuchtungsanlage eines Steinbruches in Wales hat die
                              									Beleuchtung der vielen im Tagebau und unterirdisch betriebenen dortigen
                              									Schiefer-Steinbrüche in Anregung gebracht sowie der dazu gehörigen
                              									Bearbeitungsräume, welche von 300 bis 600qm Fläche
                              									unter einem Dache einnehmen und die Triebkraft ohnedies schon besitzen.