| Titel: | Deutsche Industrie während des letzten Jahrzehnts. | 
| Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 177 | 
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                        Deutsche Industrie während des letzten
                           								Jahrzehnts.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 14.
                        Bach, Deutsche Industrie während des letzten
                           								Jahrzehnts.
                        
                     
                        
                           Ein über diesen Gegenstand am 6. März 1884 von Prof. C.
                                    										Bach in Stuttgart am Polytechnikum gehaltener Festvortrag
                              									(Königsgeburtstag) brachte Darstellungen, welche auch für weitere Kreise von
                              									Interesse sein dürften. Der Redner hatte sich die Aufgabe gestellt, darzuthun, daſs
                              									die Fortschritte, welche die deutsche Industrie seit dem Hereinbrechen der
                              									wirthschaftlichen Krisis gemacht hat, zu einem groſsen Theile den eigenen
                              									Anstrengungen der industriellen Kreise zu danken sind, unter gleichzeitiger
                              									Hervorhebung der bedeutenden Unterstützung, welche die neue Wirthschaftspolitik,
                              									neue Einrichtungen, wie z.B. das Patentgesetz, die durch die Leistungen der Armee
                              									und durch die Reichsregierung geschaffene Sicherheit der politischen Verhältnisse,
                              									die Fürsorge der einzelnen Landesregierungen u. dgl. gewährten und noch gewähren. In
                              									Verfolgung dieses Zweckes wurden mehrere Industriezweige herausgegriffen und
                              									graphische Darstellungen benutzt, die zu einem Theile auf Taf. 14 wiedergegeben
                              									sind.
                           Kohlenbergbau. Die Ordinaten des Linienzuges
                              										Fig. 1 stellen dar die Tonnen Steinkohlen,
                              									welche jährlich in den preussischen Kohlenbergwerken
                              									gefördert worden sind, beginnend mit dem J. 1867 und endigend 1882. Im Allgemeinen
                              									zeigt die Curve eine fortgesetzte Zunahme der Production: 21 Millionen auf 47
                              									Millionen Tonnen. (Letztere Zahl ist ungefähr 90 Mal so groſs als der jährliche
                              									Kohlen verbrauch Württembergs.) In der Masse der Förderung läſst sich hiernach der
                              									groſse Einfluſs der wirthschaftlichen Krisis nicht erkennen.
                           Wesentlich anders verhält sich der Linienzug Fig. 2,
                              									welcher die Verkaufswerthe der gesammten Jahresförderung angibt. Hier markirt sich
                              									deutlich die im J. 1871 beginnende rapide Preissteigerung. Aber schon nach 1873
                              									sinkt der Preis und zwar bis 1879, um dann wieder stetig zu steigen.
                           Die Curve Fig. 3,
                              									welche die Veränderlichkeit des Tonnenpreises der Steinkohle darstellt, bringt
                              									dieselbe Erscheinung zum Ausdrucke, welche der Linienzug Fig. 2
                              									erkennen lieſs. Weiter findet sich, daſs der Preis für die Tonne seit 3 Jahren
                              									ziemlich constant geblieben und zwar um ein Erkleckliches niedriger ist als zu Ende
                              									der 60 er Jahre.
                           Die Curve Fig. 4
                              									zeigt, daſs der Verdienst der Arbeiter (Durchschnittslohn für 8 stündige Schicht)
                              									trotz des gleichbleibenden Verkaufspreises seit 1881 gestiegen ist. Woher dies
                              									kommt, spricht der Linienzug Fig. 5 aus:
                              									Die Leistung des Arbeiters in Tonnen geförderter Kohle hat sich bedeutend gehoben.
                              									Während sie in den J. 1868 bis 1870 durchschnittlich 216t jährlich betrug, sank sie während des Zeitraumes 1871 bis 1874 auf durchschnittlich
                              										205t herab.Es liegt nahe, dieses Zurückgehen der Leistung einem Erschlaffen der Arbeiter
                                    											zuzuschreiben. Dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daſs nach 1870 die
                                    											Arbeiterzahl rasch vergröſsert wurde. Unter den Neueingestellten werden sich
                                    											Viele befunden haben, welche Lehrlinge waren. Von 1874 an ist
                              									dieselbe gestiegen bis auf 275t, also fast um ein
                              									Drittel der früheren Leistung. Dieses Mehr im Vereine mit der fortgesetzten Zunahme
                              									der Förderung (Fig. 1) und
                              									der Zunahme der Arbeiterzahl (Fig. 6) legt
                              									Zeugniſs ab von der Energie, mit welcher die Techniker des Bergbaues, unterstützt
                              									durch die Maschinentechnik, an der Hebung des Kohlenbergbaues im letzten Jahrzehnte
                              									gearbeitet haben.
                           Trotzdem bleibt noch Manches zu thun. Namentlich gilt dies gegenüber den zahlreichen
                              									Unfällen, welche sich im Steinkohlenbergbaue ereignen. Der Linienzug Fig. 7 zeigt
                              									das Wachsen der Verunglückungen mit tödtlichem Ausgange und Fig. 8,
                              									welche die Anzahl der tödtlich Verunglückten auf 1000 Arbeiter, also pro Mille
                              									darstellt, läſst erkennen, mit welcher Beharrlichkeit der Tod seine Opfer fordert.
                              									Es schwankt die Anzahl der tödtlich Verletzten während der 16 Jahre, für welche die
                              									Darstellung gilt, um 3 pro Mille auf und nieder. Summirt man die bei Ausübung ihres
                              									Berufes getödteten Kohlenbergleute während der genannten Zeit, so ergibt sich die
                              									Zahl 6796, d.h. die Beschaffung der Steinkohlen allein kostete im preuſsischen
                              									Staate in den J. 1867 bis 1882 gegen 6800 gewaltsam vernichtete Menschenleben, also
                              									bedeutend mehr als das Doppelte des Verlustes, welchen die deutschen Armeen in der
                              									Schlacht bei Sedan an Todten, tödtlich Verwundeten und Vermiſsten erlitten. Dazu
                              									kommt dann noch die weit gröſsere Zahl derjenigen, welche durch die Unfälle zwar
                              									nicht getödtet wurden, aber solche Verletzungen erfuhren, daſs sie dauernd oder
                              									vorübergehend erwerbsunfähig wurden. Die Anzahl derselben beträgt etwa vier Mal
                              									mehr, wobei solche Verletzte, welche weniger als einen Monat erwerbsunfähig wurden,
                              									nicht mitgerechnet sind. Nicht bloſs die Verteidigung des Vaterlandes, die
                              									Aufrechterhaltung der nationalen Selbstständigkeit fordert Menschenleben; auch die
                              									Schaffung und Aufrechterhaltung des nationalen Wohlstandes, die blühende Industrie
                              									verlangt solche in ganz bedeutender Anzahl. Der Vortragende gedachte hierbei der
                              									Rückwirkung dieser Verhältnisse auf die Anforderungen, welche an die den Betrieb
                              									leitenden Techniker und damit auch an die Erziehung der letzteren zu stellen
                              									sind.
                           Im Kohlenbergbaue wie in der Eisenindustrie steht Deutschland auf dem Continente oben
                              									an (voran gehen überhaupt nur Groſsbritannien und die Vereinigten Staaten
                              									Nordamerikas).
                           Eisenindustrie. Im Linienzuge Fig. 9,
                              									welche die Jahreserzeugung an Roheisen der im preuſsischen Staate gelegenen Werke
                              									zur Anschauung bringt, zeigt sich deutlich der Einfluſs der wirthschaftlichen Krisis
                              									durch rasches Abfallen im J. 1874. Aber schon von 1876 an wächst die Production wieder bedeutend und
                              									zwar derart, daſs dieselbe im J. 1882 mehr als das Doppelte wie in dem als normal
                              									anzusehenden Jahre 1869 beträgt. Noch viel entschiedener markirt sich die Krankheit
                              									der wirthschaftlichen Verhältnisse, wenn die Jahreserzeugung nicht dem Gewichte
                              									nach, sondern wie in Fig. 10 in
                              									Mark ausgedrückt wird. Obgleich die heutige Production fast doppelt so groſs ist wie
                              									1873, so erreicht deren jetziger Geldwerth doch noch lange nicht die Summe, welche
                              									sich für 1873 ergibt. Dies wird begreiflich durch einen Blick auf die Curve Fig.
                                 										11, welche die Durchschnittspreise der Tonne Roheisen darstellt und die
                              									auch erkennen läſst, daſs heute 1t Roheisen weit
                              									billiger verkauft wird als in den 60er Jahren. Das Steigen des Verdienstes der
                              									Arbeiter deutet der Linienzug Fig. 12
                              									(Jahreslohn) an. Nimmt man hierzu die Erfolge, welche die deutsche Eisenindustrie –
                              									also nicht bloſs die Roheisendarstellung – sonst zu verzeichnen hat, namentlich auch
                              									in Bezug auf die Qualität der Erzeugnisse, so bedingt dies volle Anerkennung für die
                              									in der Eisenindustrie thätigen Kräfte.
                           Im Anschlüsse an die Eisenindustrie wurde kurz des Maschinenbaues gedacht. Der beste Gasmotor, welcher besteht, ist ein
                              									Erzeugniſs des deutschen Maschinenbaues im verflossenen Jahrzehnte. Während früher
                              									die Reichsregierung Panzer- überhaupt Kriegsschiffe vom Auslande beziehen muſste,
                              									lassen jetzt fremde Nationen Kriegsschiffe in Deutschland bauen. Greift man selbst
                              									eine der bekanntesten Maschinenanlagen heraus, die uns alltäglich entgegentritt, so
                              									finden sich seit einem Jahrzehnte Fortschritte, die geradezu überraschend sind. Zu
                              									Anfang der 70er Jahre galt die Leistung einer Pferdestärke mit 2k guter Steinkohle für die Stunde als
                              									auſserordentlich befriedigend. Im J. 1877 baute – um ein Beispiel aus der
                              									württembergischen Industrie anzuführen – die Maschinenfabrik von G. Kuhn in Stuttgart-Berg die Maschinenanlage für die
                              									Wasserversorgung Eſslingens und leistete die Pferdestärke mit 1k,4 Steinkohle, im J. 1881 die Maschinenanlage für
                              									das Wasserwerk Darmstadt (vgl. 1882 245 350) und brauchte
                              									bei derselben für die Pferdestärke nur 1k,15
                              									Steinkohle; im J. 1882 wurde die Maschinenanlage der neuen Wasserversorgung
                              									Stuttgarts vollendet (vgl. 1882 246 445) und durch diese
                              									1 Pferdestärke mit 0k,91 Steinkohle geleistet.
                              									Aehnliche Resultate hat auch die Maschinenfabrik der Gebrüder Decker und Comp. (jetzt Maschinenfabrik
                                 										Eſslingen) u.a. zu verzeichnen. Welche Bedeutung solche Fortschritte für
                              									ein Land wie Württemberg haben, in welchem jährlich 10 bis 11 Mill. Mark für Kohlen
                              									(einschlieſslich Fracht) zu verausgaben sind, springt in die Augen.
                           Die deutsche Rübenzuckerindustrie ist die erste
                              									der Welt geworden. Der Linienzug Fig. 13
                              									gibt die Zunahme der Production (nach Angaben des Zuckerfabrik-Direktors L. Franke); diese steigt von 186 Mill. Kilogramm im J.
                              									1871/72 auf 850 Mill. Kilogramm im J. 1882/83 bei fallendem Verkaufspreise, wie
                              									Curve Fig. 14 erkennen läſst. Bis 1875 wird weniger Zucker in Deutschland erzeugt, als verzehrt;
                              									die Einfuhr Fig. 15
                              									überwiegt die Ausfuhr Fig. 16.
                              									Erst von 1875 an ändert sich dieses Verhältniſs, in eine geradezu groſsartige
                              									Zunahme der Ausfuhr übergehend. Allerdings wirkt hier die Ausfuhrvergütung ein; aber
                              									es darf nicht auſser Acht bleiben, daſs diese erst wirksam werden konnte, nachdem
                              									die Fabrikation bedeutende Vervollkommnungen erfahren hatte. Die Rückwirkung dieser
                              									Entwickelung auf die Landwirthschaft liegt klar zu Tage.
                           Hieran schlössen sich Mittheilungen über den groſsartigen Aufschwung der deutschen
                              										Papierfabrikation, über welche nähere Belegzahlen
                              									vorgeführt wurden.
                           Von einer Erörterung des künstlerischen Gewerbfleiſses
                              									war abgesehen worden, da dessen bedeutsame Fortschritte wohl allgemein zur Genüge
                              									gewürdigt und Ziffern hier schwer zu beschaffen sind.
                           Im letzten Theile des Vortrages hob der Redner zunächst hervor, wie mit der
                              									Anerkennung, welche auszusprechen gewesen, durchaus nicht gesagt sein solle, daſs
                              									wir nicht noch sehr viel zu verbessern, nicht noch viel Neues zu schaffen hätten; es
                              									solle auch nicht unerwähnt bleiben, daſs die Verhältnisse für das Kleingewerbe im
                              									Allgemeinen nicht so günstig liegen. Frage man nach den Gründen dieser Erscheinung,
                              									so seien es zum Theile unabänderliche, zum Theile sehr wohl zu beseitigende
                              									Ursachen. Zu den letzteren müsse namentlich die Fernhaltung tüchtiger Kräfte von dem
                              									Kleingewerbe, die Scheu vor physischer Arbeit, das Drängen der heranwachsenden
                              									Generation zum Studiren, zu den gelehrten Berufen gezählt werden. Als ob ein
                              									tüchtiger Kleinindustrieller nicht ein ebenso werthvolles Glied der menschlichen
                              									Gesellschaft sei, nicht ebenso befriedigt von seiner Thätigkeit durch das Leben
                              									gehen könne – und darauf komme es an – als ein Professor, ein Jurist, ein Kaufmann
                              									u. dgl. Diese Frage sei für unsere Verhältnisse in Deutschland von gröſster
                              									Bedeutung.
                           Sodann bemerkte der Vortragende, wie er sich bei Vorführung des Bildes der
                              									industriellen Entwickelung nicht habe verhehlen können, daſs vielleicht der eine und
                              									der andere der Zuhörer noch etwas vermissen werde, nämlich den Nachweis dafür, daſs
                              									die gemachten Fortschritte nicht auf Kosten des Magens der Arbeiterbevölkerung vor
                              									sich gegangen seien. Diesen Nachweis wolle er noch in der Art liefern, daſs er den
                              									industriellsten Theil Deutschlands, das Königreich Sachsen, herausgreife und zeige,
                              									daſs sich hier thatsächlich das Wohlbefinden, der Wohlstand der groſsen Masse der
                              									Bevölkerung nicht bloſs nicht erniedrigt, sondern wesentlich gehoben habe.
                           Der Linienzug Fig. 17
                              									stellt den Fleischverbrauch der sächsischen
                              									Bevölkerung auf den Kopf dar, vom J. 1840 beginnend bis 1881. Wie ersichtlich, ist
                              									derselbe von 1870 an bedeutend gestiegen und zwar fortdauernd, mit Ausnahme des J.
                              									1877. Der Fleischverbrauch auf den Kopf, ein zuverlässiger Maſsstab für das mehr oder minder
                              									gute Leben, für die Fähigkeit eines Volkes, seine Bedürfnisse mehr oder minder
                              									vollständig zu befriedigen, zeigt uns eine wesentliche Erhöhung des „standart of life“ des Fuſses, auf welchem die
                              									Bevölkerung Sachsens lebt, seit das Deutsche Reich erstanden ist. Diese Bevölkerung,
                              									die durchaus auf die Industrie angewiesen ist, welche so dicht zusammengedrängt
                              									lebt, wie kein zweiter deutscher Volksstamm, und die nichts weniger als die
                              									wohlhabendste Deutschlands ist, diese Bevölkerung erhält sich selbst während der
                              									intensiven wirthschaftlichen Krisis mit ihrem Fleischverbrauche oberhalb der
                              									höchsten Werthe, welche früher zu verzeichnen waren. Sie erhält sich so hoch,
                              									obgleich sie seit dem J. 1867 auch die Opfer mit aufzubringen hat, welche die
                              									Selbstständigkeit Deutschlands fordert. Diese Thatsache legt den Schluſs nahe, daſs
                              									die höhere Achtung, welche Deutschland seit 1870 genieſst, den Bewohnern desselben
                              									ermöglicht, besser zu leben als vorher: Die Rückwirkung der politischen Stellung auf
                              									die wirthschaftliche!
                           Aber nicht bloſs der Fleischverbrauch spricht dies aus, auch die Verhältnisse der
                              									sächsischen Sparkassen weisen darauf hin.
                              									Verfolgt man den Linienzug Fig. 19,
                              									welcher die jährlichen Einzahlungen in die sächsischen
                              									Sparkassen seit 1849 bis 1880 darstellt, so erkennt man, wie auſserordentlich rasch
                              									dieselben von 1870 an wachsen; dann macht sich vom J. 1874 die wirthschaftliche
                              									Krankheit bemerklich, allein bei weitem nicht so einschneidend, als man erwarten
                              									könnte. Um etwa 12 Proc. fallen die Einzahlungen bis 1877 und steigen dann
                              										fortgesetzt.Im Vortrage wurde noch auf den Zusammenhang der Fleischverbrauch-Curve Fig.
                                       												17 mit Sparkassen-Curven, namentlich Fig.
                                       												19 hingewiesen. Die Kriegsjahre 1855 (Krim), 1859 (Italien), 1870,
                                    											1877 zeichnen sich durch untere Culminationspunkte aus. 1866 besitzt nur bei
                                    											der Sparkassen-Curve einen tiefsten Punkt; im Fleischverbrauche trat ein
                                    											solcher nicht ein, da der Bedarf an Fleisch durch die preuſsischen Truppen,
                                    											welche über Sachsen nach Oesterreich marschirten bezieh. Sachsen besetzt
                                    											hielten, eine besondere Steigerung erfuhr. Im J. 1880 sind sie
                              									höher als 1874. Wird sodann die Curve Fig. 18 ins
                              									Auge gefaſst, welche das Gesammtguthaben der
                              									Sparkasseneinleger darstellt, so findet sich seit 1870 ein auſserordentlich rasches
                              									Steigen dieser Curve. Im J. 1870 betrug das Guthaben sämmtlicher Einleger 116 Mill.
                              									Mark, 10 Jahre später 339 Mill., also fast drei Mal so
                              									viel. Dem Einwände, daſs auch die Bevölkerung in dieser Zeit stark gewachsen, wird
                              									der Linienzug Fig. 21
                              									gerecht, welcher das Guthaben auf den Kopf der Bevölkerung darstellt. Hier aber
                              									zeigt sich die gleiche Erscheinung: Starkes Ansteigen der Curve vom J. 1870 an bis
                              									1876, dann geringes Anwachsen, von 1879 an wieder stärkere Zunahme. Dazu kommt noch,
                              									daſs die in der zweiten Hälfte der 70 er Jahre geschaffene 3procentige sächsische
                              									Rente den Sparkassen Concurrenz macht, in Folge dessen diese nicht mehr den Zugang
                              									an Ersparnissen der groſsen Masse des Volkes in dem Maſse aufweisen wie vorher. Im J. 1880
                              									kommt auf jeden Kopf der sächsischen Bevölkerung ein Sparkassenguthaben von 114 M.
                              									und auf ungefähr jeden dritten Kopf der Bevölkerung ein Sparkassenbuch.
                           Von hervorragendem Interesse ist schlieſslich noch der Linienzug Fig. 20,
                              									welcher die Rückzahlungen in den einzelnen Jahren
                              									darstellt. Wie ersichtlich, überschreitet die Curve der Rückzahlungen selbst während
                              									der wirthschaftlichen Krisis niemals diejenige der Einzahlungen. Man erkennt aber
                              									auch weiter, wie in den Jahren des guten Verdienstes, bis gegen 1876 hin, die
                              									Einzahlungen die Rückzahlungen um Beträge überschreiten, wie vorher nie (vgl. die
                              									Gröſse der schraffirten Flächen). Wir finden also, daſs die Arbeiterbevölkerung in
                              									guten Jahren doch nicht Alles verschwendet, was sie mehr einnimmt, daſs sie auch
                              									gespart hat und zwar nicht unbedeutend. In den 3 Jahren 1872 bis 1874 beträgt diese
                              									Ersparniſs über 100 Mill. Mark. Auf ganz Deutschland ausgedehnt (im Verhältnisse der
                              									Bevölkerung), gäbe dies über 1500 Mill. M. in 3 Jahren. Dies ist eine Thatsache,
                              									welche uns Achtung vor unserer Arbeiterbevölkerung einflöſsen muſs und Veranlassung
                              									geben sollte, mit dem sehr leicht ausgesprochenen Vorwurfe, der Arbeiter verschwende
                              									sofort etwaigen Mehrverdienst, zurückzuhalten.
                           Der Vortragende zog aus dem vorgeführten Materiale, das in Folge der zeitlichen
                              									Beschränkung, welche er sich aufzuerlegen hatte, nicht vermehrt werden konnte, den
                              									Schluſs, daſs die deutsche Industrie zwar noch sehr viel zu arbeiten habe, aber doch
                              									mit Ehren aus der wirthschaftlichen Krisis hervorgegangen sei, daſs sie hierbei
                              									Eigenschaften an den Tag gelegt habe, welche uns mit Vertrauen und Zuversicht auf
                              									die Zukunft erfüllen dürfen, auch gegenüber den Gefahren der Ueberproduction, welche
                              									sich bei einer so groſsartig entwickelten Gewerbthätigkeit niemals werden vermeiden
                              									lassen. So lange sich der Deutsche auf das Werthvollste, was er besitze, auf seine
                              									Arbeitskraft verlasse und sie gebrauche, so lange werde Deutschland den Rang, den es
                              									in politischer und nun auch in industrieller Beziehung einnehme, sich zu erhalten im
                              									Stande sein.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
