| Titel: | Ueber Anwendung des gasförmigen Chlores als Aetzmittel in der Druckerei; von Albert Scheurer. | 
| Autor: | Albert Scheurer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 208 | 
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                        Ueber Anwendung des gasförmigen Chlores als
                           								Aetzmittel in der Druckerei; von Albert Scheurer.Nach dem Bulletin de la Société industrielle de
                                    											Mulhouse, 1884 S. 364.
                           							
                        A. Scheurer, gasförmiges Chlor als Aetzmittel.
                        
                     
                        
                           Schon J. Persoz hat in seinem Handbuche des
                              									Baumwolldruckes auf die Möglichkeit des Aetzens von gefärbtem Indigoblau mittels
                              									gasförmigen Chlores hingewiesen; dieser Stoff greift den Indigo im trockenen
                              									Zustande nur langsam an; in Gegenwart von Wasser hingegen ist die Zerstörung des
                              									Farbstoffes eine rasche. Eine neue Reihe von Aetzfarben könnte demnach
                              									hervorgebracht werden mit Hilfe einer Einrichtung, welche gestatten würde, das
                              									Gewebe unmittelbar nach dem Drucke, in noch feuchtem Zustande, einer Atmosphäre von Chlor
                              									auszusetzen. So könnte Weiſs auf Küpenblau erzeugt
                              									werden durch Aufdruck von bloſsem, auf irgend eine Art verdicktem Wasser; Roth durch Aufdruck eines Aluminiumsalzes, welches nach
                              									stattgehabter Einwirkung des Chlores degummirt und in Alizarin ausgefärbt würde.
                              									Durch Verbindung der beiden Farben lieſse sich auf Küpenblau Roth-Weiſs erzeugen und würde man endlich in dritter Linie ein Bleisalz,
                              									z.B. Bleizucker, aufdrucken, so könnte gleichzeitig auch Gelb erhalten werden, wenn man das gebildete Chlorblei schlieſslich durch
                              									Ausfärben in Chromat in chromsaures Blei überführen würde. Das beschriebene
                              									Verfahren wäre in Hinsicht auf die Reinheit, in welcher die betreffenden Beizen
                              									verbleiben würden, ein empfehlenswerthes.
                           Weiſsätzung auf Indigoblau mit gleichzeitiger Thonerdebeizung läſst sich in
                              									verschiedener Weise ausführen, so z.B.: 1) durch Aufdrucken von stark angesäuerter
                              									oxalsaurer Thonerde auf mit Kaliumbichromat vorbereitetes indigoblaues Gewebe; 2)
                              									durch Aufdruck eines Gemenges von kaustischem Natron und Natriumaluminat auf mit
                              									Ferricyankalium vorbereitetes indigoblaues Gewebe. – Im ersteren Falle bleibt mit
                              									der Thonerde eine gewisse Menge Chromoxyd gemengt, welche wegzuschaffen unmöglich
                              									ist; im zweiten Falle hält die Thonerde Eisenoxyd zurück, dessen nachherige
                              									Entfernung ebenfalls unausführbar ist. Das auf Anwendung von gasförmigem Chlor
                              									gegründete Verfahren würde also zweifelsohne gegenüber den beiden genannten Methoden
                              									wirkliche Vortheile bieten. Eine wesentliche Bedingung, welche bei jenem sich
                              									übrigens noch im Stadium des Laboratoriumsversuches
                              									befindlichen Verfahren eingehalten werden muſs, ist die gröſstmöglichste
                              									Beschränkung der Zeitdauer der Chloreinwirkung. Zum Zwecke einer raschen Aetzung
                              									sollten die Farben in einer an Chlor möglichst reichen Atmosphäre verweilen.
                           Die Wirkungen, welche fast reines gasförmiges Chlor ausübt, sind folgende. Auf trockenes indigogefärbtes Gewebe: Sehr merkliche
                              									Schwächung nach 5 Minuten. Auf getränktes und ausgedrücktes
                                 										Gewebe: Vollständige Entfärbung in 2 ½ Minuten. Freilich haben die
                              									trockenen Stellen nach Verfluſs jener Zeit an Intensität eingebüſst; das Blau ist
                              									verblaſst und hat einen grünlichen Ton angenommen.
                           Die Gegenwart von Salzen ist nicht ohne Einfluſs auf die Schnelligkeit der
                              									Entfärbung; die essigsauren Alkalien beschleunigen sie einigermaſsen. Die anderen
                              									Metallacetate haben geringe oder keine Einwirkung. Die Mineralsäuren verzögern die
                              									Entfärbung.
                           Aus diesen Versuchen geht hervor, daſs das von J. Persoz
                              									vorgeschlagene Verfahren aus dem Grunde keine Verwendung finden könnte, als der
                              									Aufenthalt im Chlor wenigstens 2 Minuten dauern müſste und während dieser Zeit auch
                              									das trockene Blau einen zu merklichen Angriff erleiden würde.
                           
                           Folgendes ist ein Mittel, die Dauer der Chloreinwirkung bedeutend zu verringern: Ein
                              									mit schwacher Natronlauge getränkter indigoblauer Stoffabschnitt wird in der
                              									Chloratmosphäre in 10 Secunden vollständig entfärbt. Am besten eignet sich
                              									kaustisches Natron von 16 bis 17° B. In dieser Weise bewirkt man die kräftigste
                              									Oxydation, welche man auszuführen im Stande ist; kein Farbstoff widersteht
                              									derselben. Das Türkischroth wird in 20 Secunden bis auf Gelb, in 50 Secunden bis auf
                              									Weiſs entfärbt. Das Anilinschwarz wird fast augenblicklich zerstört. Ein Gemisch von
                              									Anilinöl und Natronlauge, welches man auf Gewebe bringt und der Einwirkung des
                              									Chlores aussetzt, gibt auf der Stelle zur Bildung von intensiv schwarzen Chlor
                              									haltigen Verbindungen Anlaſs, während die Lösung eines Anilinsalzes unter denselben
                              									Umständen einen lebhaften chamoisgelben und sehr widerstandsfähigen Farbstoff
                              									erzeugt, welcher durch verlängertes Aussetzen in Chlor nicht zerstört wird. Bringt
                              									man hingegen auf diesen Farbstoff einen Tropfen Natronlauge und setzt wiederum dem
                              									Chlore aus, so findet an der betreffenden Stelle Entfärbung statt.
                           Die unterchlorigsauren Salze bringen, selbst im concentrirten Zustande, auf
                              									Indigoblau keine rasche Aetzung hervor. Die freie unterchlorige Säure allein wirkt
                              									in Gegenwart von Natron in ähnlicher Weise wie das Chlor. Diese Säure kann sich
                              									jedoch in den beschriebenen Reactionen nicht in freiem Zustande entwickeln, da ja
                              									freies Alkali vorhanden. In der That zeigen die durch Chlor in Gegenwart von Natron
                              									entfärbten Küpenblauabschnitte nach der Zerstörung des Farbstoffes noch stark
                              									alkalische Reaction. Das zerstörende Mittel, welches ins Spiel tritt, ist
                              									wahrscheinlich Sauerstoff oder Hydroxyl OH, gebildet bei der Umwandlung von
                              									kaustischem Natron in Chlornatrium: 2NaOH + 2Cl = 2NaCl
                              									+ 2OH bezieh. 2OH = H2O + O.
                           Durch das beschriebene Verfahren kann Aetzung von Küpenblau mit gleichzeitiger
                              									Thonerdebeizung ausgeführt werden, wenn man das Natron, gemischt mit Thonerdenatron,
                              									anwendet, Chromgelbätzung läſst sich jedoch nur auf Umwegen hervorbringen.
                              									Bleioxydnatron gibt nämlich unter dem Einflüsse des Chlores braunes Bleisuperoxyd,
                              									welches ziemlich schwer in Bleichromat verwandelt werden kann. Fügt man hingegen zum
                              									Bleioxydnatron eine gewisse Menge eines Chromoxydsalzes, welches sich im ersteren
                              									löst und setzt dann der Einwirkung des Chlores aus, so entsteht auf der Stelle
                              									Bleichromat, welches innig mit der Faser verbunden bleibt. Unter denselben Umständen
                              									gibt Chromoxyd, in Natron gelöst, chromsaures Natron. Die letztere Reaction ähnelt
                              									der bekannten Umwandlung von Chromoxyd in chromsauren Kalk unter dem Einflüsse des
                              									Chlorkalkes; aber sie weicht in so fern von letzterer ab, als das bei derselben ins
                              									Spiel tretende oxydirende Mittel ungleich heftiger wirkt und höchst wahrscheinlicher
                              									Weise nicht aus einem Hypochlorit besteht.
                           Bromdämpfe geben in derselben Weise zur Aetzung Anlaſs wie gasförmiges Chlor; mit
                              									Joddämpfen hingegen gelangt man nur zu einer theilweisen Entfärbung.