| Titel: | Eine allgemein anwendbare Methode zur Untersuchung der Fette; von Baron Hübl, k. k. österr. Hauptmann. | 
| Autor: | Hübl | 
| Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 281 | 
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                        Eine allgemein anwendbare Methode zur
                           								Untersuchung der Fette; von Baron Hübl, k. k. österr. Hauptmann.
                        Hübl's Methode zur Untersuchung der Fette.
                        
                     
                        
                           Wer sich mit der Untersuchung der Fette eingehend beschäftigt, wird gewiſs das
                              									Geständniſs ablegen, daſs bisher nicht nur eine allgemein verwendbare rationelle
                              									Untersuchungsmethode dieser Körperklasse fehlt, sondern daſs eine groſse Zahl jener
                              									Reactionen, die sich in Handbüchern und Zeitschriften vorfinden, viel mehr geeignet
                              									sind, den Untersuchenden irre zu führen, als ihn bei der Lösung seiner Aufgabe zu
                              									unterstützen.
                           Mit den gröſsten Schwierigkeiten hat man namentlich bei der Untersuchung der fetten
                              									Oele zu kämpfen. Abgesehen davon, daſs es ganz unmöglich ist, eine annähernde
                              									quantitative Bestimmung der Bestandtheile der einfachsten Mischung durchzuführen,
                              									selbst die Erkennung eines Oeles, die Prüfung auf seine Reinheit, ist eine derartig
                              									zweifelhafte, daſs die einfache Kostprobe des Kenners in ihrem Werthe oft höher
                              									steht als alle Laboratoriumsuntersuchungen. Wie irrationell und unbrauchbar die
                              									Mehrzahl der sogen. Oelreactionen ist, erhellt schon aus der Betrachtung des ihnen
                              									zu Grunde liegenden Prinzipes.
                           Die Fette besitzen nämlich eine nahezu gleiche qualitative Zusammensetzung, oder im
                              									Falle dieselbe verschieden ist, sind doch die Bestandtheile chemisch und
                              									physikalisch einander so ähnlich, daſs eine einfache Unterscheidung derselben nur
                              									selten möglich ist. Man war daher meist gezwungen, von der Constitution des Fettes
                              									ganz abzusehen und jenen Bestandtheilen das Hauptaugenmerk zuzuwenden, welche in der
                              									Natur als Begleiter der Fette vorkommen und denselben auch nach der Isolirung in
                              									gröſserer oder geringerer Menge anhaften. Solche das Fett begleitende Körper sind:
                              									Farbstoffe, Harze, Eiweiſskörper u. dgl. Je nach der Art der Fettgewinnung, der
                              									Reife der hierzu verwendeten Samen oder Früchte, dem Alter des Fettes, der Art der
                              									Raffinirung u.s.w. wird offenbar die Menge und zum Theile auch die Natur dieser in
                              									das Fett übergehenden Substanzen eine verschiedene sein und dementsprechend werden
                              									auch die Reactionen, welche auf die Gegenwart dieser Stoffe gegründet sind, sehr
                              									verschieden ausfallen. Es ist daher gar nicht zu verwundern, wenn der Chemiker kaum
                              									jemals einem Fette begegnet, welches all die Reactionen bei Behandlung mit
                              									verschiedenen Reagentien zeigt, die sich in der bezüglichen Literatur vorfinden,
                              									oder wenn ein Oel nach mehrwöchentlicher Belichtung seine chemischen Reactionen
                              									derart geändert hat, daſs es an diesen gewiſs nicht wieder erkannt werden
                              									könnte.
                           Derartig unsichere Methoden, welche auf den Nachweis nebensächlicher, in ihrer Menge
                              									wechselnder, unbeständiger Bestandtheile gegründet sind, lassen bestimmt keine
                              									gewissenhaft ergründende Schluſsfolgerung bezüglich des eigentlichen, bei der
                              									Reaction sich meist indifferent verhaltenden Fettkörpers zu. Als rationell und
                              									allgemein anwendbar können vielmehr nur jene Methoden bezeichnet werden, denen die
                              									chemische Constitution der Fette als Grundlage dient. Es soll damit jedoch nicht
                              									gesagt sein, daſs die sogen, chemischen Reactionen vollkommen unbrauchbar seien. Ist
                              									man durch rationelle Untersuchungsmethoden auf den richtigen Weg geleitet, ist die
                              									Zahl der vorhandenen Möglichkeiten eingeschränkt, oder bedarf man nurmehr der
                              									Bestätigung eines Ergebnisses, dann verdienen diese Reactionen gewiſs die vollste
                              									Beachtung, ja sie sind bei dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungsmethoden
                              									schlechterdings ganz unentbehrlich. Für sich allein aber angewendet, sind sie nur in
                              									höchst seltenen Fällen geeignet, die einzelnen Fette neben einander, niemals aber in
                              									Mischungen mit Sicherheit zu erkennen.
                           Eine Reaction, welcher zweifelsohne die chemische Constitution der Fette zu Grunde
                              									liegt, ist nur die Eläidinreaction; dieselbe beruht auf dem verschiedenen Verhalten
                              									der Oelsäure und Leinölsäure gegen Salpetrigsäure und sie wird dort, wo es sich um
                              									die Unterscheidung eines trocknenden Oeles von einem nicht trocknenden handelt,
                              									gewiſs vorzügliche Dienste leisten. Will man aber bei dieser Prüfungsmethode
                              									Unterschiede bezüglich Zeit der Eläidinbildung, Consistenz und Farbe der Masse u.
                              									dgl. mit in Rechnung ziehen, so ist man den gröbsten Täuschungen ausgesetzt. Die
                              									Entwickelungsart der salpetrigen Säure, die Innigkeit der Mischung mit dem Fette,
                              									die Form des Gefäſses, besonders aber die Temperatur bedingen oft die seltsamsten
                              									Erscheinungen. Auch ist zu berücksichtigen, daſs das Alter des Oeles, sowie die Art
                              									seiner Aufbewahrung einen ganz bedeutenden Einfluſs ausüben.
                           Bei dem Umstände nun, daſs der Nachweis von Nebenbestandtheilen nur von sehr
                              									beschränkter Anwendbarkeit ist und daſs andererseits allen Fetten eine sehr ähnliche
                              									qualitative Zusammensetzung zukommt, können nur jene Untersuchungsmethoden
                              									allgemeine brauchbare Resultate liefern, denen eine Quantitätsbestimmung, sei diese
                              									nun chemischer oder physikalischer Natur, zu Grunde liegt. Es muſs aus der
                              									quantitativen Bestimmung der physikalischen Eigenschaften des eigentlichen
                              									Fettkörpers, oder aus dem quantitativen Verhalten desselben bei einer chemischen
                              									Reaction der Schluſs auf Natur und Reinheit des Fettes gezogen werden.
                           Derartige Untersuchungsmethoden, welche man als „quantitative Reactionen“
                              									bezeichnen könnte, sind vorläufig als einzig rationell zu betrachten, da sie
                              									offenbar mit der chemischen Constitution der Fette in innigem Zusammenhange stehen.
                              									Sie müssen die Wegweiser bei der Untersuchung bilden; die qualitative Reaction
                              									entscheidet nur in zweifelhaften Fällen, oder bestätigt die Richtigkeit eines
                              									Befundes.
                           Es möge gestattet sein, die bisher bekannten wichtigsten Methoden, welche obigen
                              									Bedingungen entsprechen, kurz zu skizziren, nachdem dieselben im Vereine mit einer
                              									neuen, in dieser Abhandlung zu beschreibenden Methode benutzt wurden, um ein
                              									allgemein verwendbares Verfahren zur Prüfung und Untersuchung der Fette
                              									auszuarbeiten.
                           
                           Zu den Untersuchungsmethoden physikalischer Natur gehören folgende:
                           1) Dichtebestimmungen. Diese sind wegen der geringen
                              									Unterschiede bei den flüssigen Fetten von nur untergeordnetem Werthe. – Bei der
                              									Untersuchung starrer Fette, sowie Fett und Wachs ähnlicher Körper bieten sie jedoch
                              									werthvolle Anhaltspunkte.
                           2) Erstarrungs- und Schmelzpunkte geben bei flüssigen
                              									Fetten wegen der Schwierigkeiten, die sich einer genauen Beobachtung
                              									entgegenstellen, nur selten brauchbare Ergebnisse. Bei hochschmelzenden Fetten und
                              									wachsartigen Körpern ist der Schmelzpunkt ein ganz geeignetes Hilfsmittel der
                              									Untersuchung. Der genauen Bestimmung des Schmelz- und Erstarrungspunktes stehen
                              									dreierlei Hindernisse im Wege: a) Wechselt der Schmelzpunkt bei demselben Fette oft
                              									sehr erheblich, je nach Abstammung, Gewinnung, Alter u. dgl. b) Erhält man je nach
                              									der eingeschlagenen Methode sehr verschiedene Resultate und es hat fast jeder
                              									Chemiker seine eigene Beobachtungsart, c) Tritt durch Ueberhitzen des Fettes oft
                              									eine Verschiebung dieser Punkte ein. Ungleich zweckmäſsiger ist es, statt des
                              									Schmelzpunktes des Fettes jenen der abgeschiedenen Fettsäure als Charakteristik für
                              									Art und Reinheit zu benutzen.
                           3) Die verschiedene Löslichkeit der Fette in Eisessig
                              									wurde in jüngster Zeit von Valenta (vgl. 1884 252 296) eingehend studirt und als Unterscheidungsmittel
                              									benutzt. Diese einfache Methode gibt in Verbindung mit anderen Verfahren sehr
                              									brauchbare Resultate. Zu erwähnen ist hier ferner die Alkohollöslichkeit des
                              									Ricinus- und des Olivenkernöles, sowie die Prüfung der Löslichkeit der Fettsäuren in
                              									einem Alkohol-Essigsäuregemische.
                           Ein Nachtheil aller auf Löslichkeits Verhältnisse gegründeten Prüfungsmethoden ist
                              									der Umstand, daſs ein an und für sich unlösliches Fett bei Gegenwart eines löslichen
                              									gleichfalls in Lösung übergeht. Eine Folge dieses Umstandes ist, daſs das
                              									Vorhandensein freier Oelsäure bei ranzigen sauren Oelen zu bedeutenden Differenzen
                              									Veranlassung gibt.
                           Den chemischen Untersuchungsmethoden liegt entweder die
                              									direkte analytische Bestimmung einzelner Fettbestandtheile zu Grunde, oder es wird
                              									das quantitative Verhalten eines Fettes bei einem glatt ablaufenden chemischen
                              									Prozesse untersucht. Ersterem Gedanken folgt die Butterprüfung von Hehner, dann die Glycerin- oder Oelsäure-Bestimmung der
                              									Fette. Bei den sogen. Verseifungsproben wird dagegen die Menge KOH bestimmt, welche
                              									zum Verseifen eines Fettes erforderlich ist. Diese Methode liefert bei Butter, Wachs
                              									und einigen starren Pflanzenfetten vorzügliche Resultate. Bei fetten Oelen
                              									erscheinen zwar die Zahlenunterschiede weniger deutlich; doch gibt dieses Verfahren
                              									auch hier sehr werthvolle Untersuchungsdaten. Bemerkenswerth ist es, daſs die
                              									Alkalimenge, wegen des hohen Molekulargewichtes der Fettkörper, eine kleine ist,
                              									daſs daher nur bei sehr genauer Arbeit richtige Verseifungszahlen erhalten
                              									werden.
                           
                           In diese Gruppe von quantitativen Reactionen gehört auch die nun zu beschreibende
                              									neue Untersuchungsmethode, welche man passend als „Jodadditionsmethode“
                              									bezeichnen kann und als Resultat folgender Erwägungen anzusehen ist: Fast alle Fette
                              									enthalten Glieder aus drei verschiedenen Gruppen von Fettsäuren: Säuren von der Form
                              										„Essigsäure“ (Stearin-Palmitinsäure), von der Form „Acrylsäure“
                              									(Oel-Erucasäure) und von der Form „Tetrolsäure“ (Leinölsäure). Es ist
                              									wahrscheinlich, daſs die relative Menge jeder dieser Säuren in einem Fette eine
                              									innerhalb gewisser Grenzen bestimmte, in verschiedenen Fetten eine verschiedene ist
                              									und daſs durch das gegenseitige Verhältniſs derselben ein groſser Theil jener
                              									charakteristischen Eigenschaften bestimmt wird, welche die Brauchbarkeit der Fette
                              									bei den verschiedenen Verwendungen bedingen. Vom chemischen Standpunkte aus
                              									betrachtet, zeigen aber diese drei Gruppen von fetten Säuren einen sehr
                              									charakteristischen Unterschied in ihrem Verhalten gegen Haloïde. Während die erste
                              									Gruppe sich unter gewöhnlichen Verhältnissen gegen diese Körperklasse indifferent
                              									verhält, addirt die zweite Gruppe leicht 2 Atome, die dritte Gruppe 4 Atome eines
                              									Haloïdes. Man bezeichnet dem entsprechend Glieder der ersten Gruppe als
                              										„gesättigte“, jene der zweiten und dritten Gruppe als
                              										„ungesättigte“ fette Säuren.
                           Gelingt es daher an ein Fett eine Haloïdaddition unter Umständen herbeizuführen,
                              									welche eine Substitution ausschlieſsen, ist es ferner möglich, die addirte
                              									Haloïdmenge sicher zu bestimmen, so muſs eine für jedes Fett fast constante Zahl
                              									gewonnen werden, deren Gröſse von der Art und relativen Menge ungesättigter Säuren
                              									abhängt, somit im innigsten Zusammenhange mit der Constitution des Fettes steht. Da
                              									überdies die Molekulargröſse der natürlich vorkommenden ungesättigten fetten Säuren
                              									eine verschiedene ist, so muſs auch aus diesem Grunde die Menge des addirten
                              									Haloides bei verschiedenen Fetten ungleich groſs ausfallen.
                           Theoretisch sollen die in den Fetten vorkommenden ungesättigten Säuren folgende
                              									Mengen Jod addiren:
                           
                              
                                 Namen der fettenSäuren
                                 Formel
                                 Zahl der doppeltenBindungen
                                 100g der
                                    											Säurenaddiren Jod
                                 
                              
                                 Hypogäsäure
                                 C16H30O2
                                 1
                                   100,00g
                                 
                              
                                 Oelsäure
                                 C18H34O2
                                 1
                                   90,07
                                 
                              
                                 Erucasäure
                                 C22H42O2
                                 1
                                   75,15
                                 
                              
                                 Ricinölsäure
                                 C18H34O3
                                 1
                                   85,24
                                 
                              
                                 Leinölsäure
                                 C16H28O2
                                 2
                                 201,59
                                 
                              
                           Von den Haloïden wäre die Verwendung von Jod für den genannten Zweck aus zahlreichen
                              									Gründen unbedingt bequemer und passender als jene von Brom oder Chlor. Versuche
                              									zeigten jedoch bald, daſs Jod bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr träge auf Fette einwirkt, bei hoher Temperatur aber in seinen
                              									Wirkungen höchst ungleichmäſsig und eine glatte Reaction in oben angedeutetem Sinne
                              									unter diesen Umständen nicht herbeizuführen ist. Eine in jeder Beziehung
                              									zufriedenstellende Wirkung zeigt aber eine alkoholische Jodlösung bei Gegenwart von
                              									Quecksilberchlorid. Dieses Gemisch reagirt schon bei gewöhnlicher Temperatur auf die
                              									ungesättigten Fettsäuren unter Bildung von Chlor-Jod-Additionsproducten und läſst
                              									gleichzeitig anwesende gesättigte Säuren vollständig unverändert. Das Gemisch wirkt
                              									in gleicher Weise auf die freien Fettsäuren wie auf die Glyceride, ein Umstand,
                              									welcher im Vereine mit der leichten maſsanalytischen Jodbestimmung diese
                              									Untersuchungsmethode zu einer äuſserst einfachen gestaltet.
                           Man hat daher zur Bestimmung der Jodmenge, welche ein Fett zu addiren vermag, eine
                              									abgewogene Probe mit einer gemessenen überschüssigen Menge einer alkoholischen
                              									Jod-Quecksilberchlorid-Lösung von bekanntem Gehalte zu behandeln, nach Ablauf der
                              									Reaction mit Wasser zu verdünnen und unter Zusatz von Jodkalium das im Ueberschusse
                              									vorhandene Jod maſsanalytisch zu bestimmen. Es ist vom praktischen Standpunkte ganz
                              									gleich, ob nur Jod, oder ob Jod und Chlor und in welchem Verhältnisse beide in die
                              									Verbindung eingetreten sind, da bei der maſsanalytisehen Bestimmung unter obigen
                              									Umständen beide Elemente ganz gleichwerthig sind.
                           Das durch Schwefelkohlenstoff ausgezogene Product, welches bei der Reaction der
                              									Jod-Quecksilberchlorid-Lösung auf reine Oelsäure gebildet wurde, stellt eine
                              									farblose Verbindung von schmalzartiger Zähigkeit dar, welche sich bald unter
                              									Jodabscheidung bräunt. Die Bestimmung der Chlor- und Jodmenge, sowie das
                              									Sättigungsverhältniſs bezüglich Aetzkali lieſsen die Verbindung als
                              									Chlorjodstearinsäure erkennen, welcher die Formel C18H34O2JCl
                              									zukommt. Die Producte, welche bei der Einwirkung obiger Lösung auf Fette entstehen,
                              									sind dickflüssige oder firniſsartige farblose Massen, welche im Allgemeinen ein
                              									ähnliches Verhalten zeigen wie das ursprüngliche Fett.
                           Versuche haben ergeben, daſs, um die Wirkung des gesammten Jodes auszunützen, auf je
                              									2 Atome desselben mindestens 1 Mol. Quecksilberchlorid nöthig ist. Da die meisten
                              									Fette in Alkohol schwer löslich sind, so gibt man, um die Reaction zu erleichtern,
                              									zweckmäſsig einen Zusatz von Chloroform, welcher sich gegen die Jodlösung vollkommen
                              									indifferent verhält.
                           Die alkoholische Jod-Quecksilberchlorid-Lösung besitzt leider die unangenehme
                              									Eigenschaft einer nur geringen Beständigkeit. Offenbar wirkt das Jod unter diesen
                              									Bedingungen zwar sehr träge, aber doch auf den Alkohol ein. Eine frisch bereitete
                              									Lösung zeigte den Titer 1cc = 0g,01900 Jod, nach 10 Tagen 0,01715, nach 20 Tagen
                              									0,01552, nach 30 Tagen 0,01451, endlich nach 40 Tagen 0g,01410. Der Jodgehalt sinkt somit allmählich, jedoch nicht proportional
                              									der Zeit, sondern im Anfange rasch, dann nur sehr langsam. In Folge dieses Umstandes
                              									ist es nöthig, mit jeder Versuchsreihe auch eine Titerstellung zu verbinden.
                           Zur Durchführung der Versuche sind erforderlich: 1) Jod-Quecksilberchlorid-Lösung.
                              									 Es werden einerseits
                              									etwa 25g Jod in 500cc, andererseits 30g Quecksilberchlorid
                              									in der gleichen Menge 95procentigen fuselfreien Alkohol gelöst, letztere Lösung,
                              									wenn nöthig, filtrirt und sodann beide Flüssigkeiten vereint. Wegen der anfangs
                              									stattfindenden raschen Aenderung des Titers, welche wahrscheinlich durch fremde
                              									Stoffe im Alkohol bedingt wird, kann die Flüssigkeit erst nach 6 bis 12 stündigem
                              									Stehen in Gebrauch genommen werden. Diese Lösung soll in der Folge der Einfachheit
                              									halber als „Jodlösung“ bezeichnet werden. – 2)
                              										Natriumhyposulfitlösung. Man verwendet zweckmäſsig
                              									eine Lösung von etwa 24g des Salzes in 1l Wasser. Der Titer wird mit reinem sublimirtem
                              									Jod bestimmt. Die Lösung ist bekanntlich als haltbar zu betrachten, sobald es nicht
                              									auf äuſserst genaue Bestimmungen ankommt, was hier durchaus nicht der Fall ist. – 3)
                              										Chloroform, welches vor seiner Verwendung auf die
                              									Reinheit geprüft werden muſs, wozu man etwa 10cc
                              									desselben mit 10cc der Jodlösung versetzt und nach
                              									2 bis 3 Stunden die Jodmenge sowohl in dieser Flüssigkeit, als auch in 10cc der Vorrathslösung maſsanalytisch bestimmt.
                              									Erhält man in beiden Fällen vollkommen übereinstimmende Zahlen, so ist das
                              									Chloroform brauchbar. – 4) Jodkaliumlösung und zwar
                              									eine wässerige Lösung im Verhältnisse 1 : 10. – 5) Stärkelösung, d.h. ein frischer 1 procentiger Kleister.
                           Das Abwägen des Fettes geschieht am besten in einem kleineren leichten Glase. Man
                              									entleert das Fett wenn nöthig nach dem Schmelzen in eine etwa 200cc fassende, mit Glasstopfen versehene Flasche und
                              									wägt das Gläschen nochmals sammt dem noch anhaftenden Fette. Die Gröſse der Probe
                              									richtet sich nach der voraussichtlichen Jodabsorption. Man wählt von trocknenden
                              									Oelen 0,2 bis 0,3, von nicht trocknenden 0,3 bis 0,4 bezieh. von festen Fetten 0,8
                              									bis 1g,0. Das Fett wird sodann in etwa 10cc Chloroform gelöst, worauf man 20cc
                              									„Jodlösung“ zuflieſsen läſst. Sollte die Flüssigkeit nach dem Umschwenken
                              									nicht vollkommen klar sein, so wird noch etwas Chloroform zugesetzt. Tritt binnen
                              									kurzer Zeit eine fast vollkommene Entfärbung der Flüssigkeit ein, so wäre dies ein
                              									Zeichen, daſs keine genügende Menge Jod vorhanden ist; man hat in diesem Falle
                              									mittels einer Pipette noch 5 oder 10cc Jodlösung
                              									zuflieſsen zu lassen. Die Jodmenge muſs so groſs sein, daſs die Flüssigkeit nach 1½
                              									bis 2 Stunden noch stark braun gefärbt erscheint.
                           Nach der angegebenen Zeit ist die Reaction vollendet und es wird nun die Menge des
                              									noch freien Jodes bestimmt. Man versetzt daher das Reactionsproduct mit 10 bis 15cc Jodkaliumlösung, schwenkt um und verdünnt mit
                              									etwa 150cc Wasser. Ein Theil des Jodes ist in der
                              									wässerigen Flüssigkeit, ein anderer im Chloroform, welches sich beim Verdünnen
                              									abgeschieden und das jodirte Oel gelöst hat, enthalten. Man läſst jetzt aus einer in
                              										0cc,1 getheilten Bürette unter oftmaligem
                              									Umschwenken so lange Natronlösung zuflieſsen, bis die wässerige Flüssigkeit sowie
                              									die Chloroformschicht nur mehr schwach gefärbt erscheinen. Nun wird etwas Stärkekleister
                              									zugesetzt und die Operation durch vorsichtigen Natronzusatz und öfteres Schütteln
                              									bei geschlossener Flasche vollendet. Unmittelbar vor oder nach der Operation werden
                              									10 oder 20cc der Jodlösung unter Zusatz von
                              									Jodkalium und Stärkekleister in bekannter Weise titrirt. Die Unterschiede dieser
                              									beiden Bestimmungen geben bei Berücksichtigung des Titers der Natronlösung die vom
                              									Fette gebundene Jodmenge. Man gibt die gefundene Jodmenge zweckmäſsig in Procent des
                              									Fettes an und es soll diese Zahl der Einfachheit halber als „Jodzahl“ bezeichnet werden.
                           Die in nachstehender Tabelle I verzeichneten Versuche sind einer gröſseren Reihe von
                              									Proben entnommen, welche den Zweck hatten, einerseits festzustellen, ob die Zahlen
                              									im Systeme richtig sind, andererseits den Einfluſs, welchen verschiedene
                              									Unregelmäſsigkeiten auf die Resultate ausüben, kennen zu lernen.
                           Tabelle I.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 253, S. 287
                              Name des Fettes; Gewicht der Probe;
                                 										Dauer der Einwirkung; Jodlösung; Verbrauchte Natronlösung; 1cc Jodlösung entspricht Natronlösung; Jodzahl;
                                 										Anmerkung; Chemisch reine Oelsäure; Der Theorie entspricht die Jodabsorption
                                 										90,07; Cottonöl; Folge eines zu geringen Jodüberschusses; Dalmatiner Baumöl; Die
                                 										Lösung enthielt die doppelte Menge HgCl2;
                                 										Groſser Jodüberschuſs;  Starke Jodlösung; Starke Jodlösung; 0g,97 Baumöl mit Jodlösung und Chloroform aus
                                 											100cc gebracht. Für jeden Versuch 20cc der Mischung verwendet; Dieser Vers.
                                 										bezweckte, die zur Jodirung erforderliche Zeit festzustellen
                              
                           Während daher bei den freien Fettsäuren selbst bei sehr geringem Jodüberschusse die
                              									Jodirung eine vollkommene ist, muſs bei Fetten die Jodlösung unbedingt in genügendem
                              									Ueberschusse vorhanden sein, da sonst zu niedrige Zahlen erhalten werden. Ist jedoch
                              									Jod in genügender Menge anwesend, so sind die Ergebnisse unabhängig von der
                              									Concentration der Lösung und einem etwaigen Ueberschusse an Quecksilberchlorid; sie
                              									bleiben auch dieselben, wenn die Titrirung innerhalb 2 bis 48 Stunden vorgenommen
                              									wird.
                           Umstehende Tabelle II enthält die bei der Jodirung einer Anzahl reiner Fette
                              									gewonnenen Ergebnisse. Gleichzeitig wurde bei der Mehrzahl der Oelproben die
                              									Abscheidung der fetten Säuren und Bestimmung
                           
                           Tabelle II.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 253, S. 288
                              Name und Herkunft des Fettes;
                                 										Jodzahl; Die Fettsäure schmilzt bei, erstarrt bei; Leinöle; 15 Jahre altes Oel;
                                 										Oberösterreich I; Schlesien; Oberösterreich II; aus dem ungarischen Handel;
                                 										Hanföl aus dem ungarischen Handel; Nuſsöl; in Wien gepreſst; aus Bayern bezogen;
                                 										Mohnöle; von Gounelle (Marseille); aus Deutschland bezogen I; Rüllöl aus Ungarn
                                 										bezogen; Kürbiskernöl; rohes Oel, ungarischer Herkunft ;Sesamöle; aus dem Wiener
                                 										Handel I; Arachisöle; von J. Stettner in Triest;
                                 										Cottnöle; von Marseille bezogen; von J. Stettner
                                 										bezogen; von Hull bezogen; Rüböle; aus dem Wiener Handel III; rohes Rüböl,
                                 										Ungarn; rohes Rapsöl Ungarn; rohes Hederichöl, Ungarn; Aprikosenkernöl; von J. Stettner (Triest); aus der k. k. Hofapotheke:
                                 										frisch gepreſst, in Wien gepreſst; Mandelöle; aus süſsen Barimandeln; aus süſsen
                                 										Avolamandeln; aus bitteren Candiamandeln; Ricinusöle; aus italienischem Samen;
                                 										aus Italien bezogen farblos; aus Italien bezogen gelblich
                              
                           
                           Tabelle II.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 253, S. 289
                              Name und Herkunft des Fettes;
                                 										Jodzahl; Die Fettsäure schmilzt bei, erstarrt bei; Olivenöle; Speiseöl Nizza
                                 										;Speiseöl Livorno; Speiseöl Südfrankreich; Baumöl Dalmatien I; Baumöl Dalmatien
                                 										II; Speiseöl von J. Stettner; Speiseöl von Lucca;
                                 										Baumöl Durazzo; Speiseöl Bari; Baumöl Dalmatien III; Baumöl Jaffa; Speiseöl
                                 										Dalmatien; Baumöl Dalmatien IV; Baumöl Candia; Baumöl Valona; Olivenkernöl aus
                                 										Italien bezogen; Knochenöle ; Ochsenfuſsöl; aus dem Wiener Handel;
                                 										Schweineschmalz; im Laboratorium ausgeschmolzen; Kunstbutter von Sarg in Liesing; Palmfett; aus der Brünner
                                 										Kerzenfabrik; Lorbeeröl von Triest bezogen; Talg; Preſstalg; Rognolatotalg;
                                 										Wollschweiſsfett; Cacaobutter von J. Stettner
                                 										(Triest); Muskatbutter; Butterfett; 1 Jahr alte Butter (sehr ranzig); Wiener
                                 										Marktbutter I; Wiener Marktbutter II; Schlesische Butter I; Schlesische Butter
                                 										II; Schlesische Butter III; aus der Wiener Molkerei; sehr harte Butter;
                                 										Cocosnuſsfett, frisch; Japanwachs
                              
                           
                           ihres Schmelz- und Erstarrungspunktes vorgenommen, da diese im
                              									Vereine mit den Jodzahlen oft werthvolle Aufschlüsse über die Natur eines Fettes
                              									geben. Zur Bestimmung des Schmelz- und Erstarrungspunktes wurde die Substanz in ein
                              									etwa 7mm weites Proberöhrchen gebracht und mit
                              									Hilfe eines eingesenkten, sanft hin und her bewegten Thermometers jene Temperatüren
                              									beobachtet, bei welchen einerseits die Masse vollkommen klar wurde, andererseits die
                              									Bildung einer wolkigen Trübung eintrat.
                           Wie ersichtlich, geben die trocknenden Oele die höchsten Jodzahlen, dann folgen die
                              									unbestimmten und nicht trocknenden Pflanzenöle, weiter die flüssigen und
                              									schmalzartigen Thierfette, endlich die festen Fette. Aus der Jodzahl darf jedoch
                              									selbstverständlich kein unbedingter Schluſs auf die Trocknungsfähigkeit eines Oeles
                              									gezogen werden, da einerseits die relative Menge der festen Fettsäure, andererseits
                              									auch das Molekulargewicht der ungesättigten Säuren bei Oelen verschiedener
                              									Abstammung verschieden ist. Im Allgemeinen aber nimmt mit der Jodzahl auch die
                              									Trocknungsfähigkeit zu und die Fähigkeit ab, Elaïdin zu bilden.
                           Die Zusammenstellung in Tabelle III gibt eine Uebersicht der Fette
                           Tabelle III.
                           
                              
                                 CharakterdesFettes
                                 Name des Fettes
                                 Jod-zahl
                                 GefundeneGrenzwerthefür die
                                    											Jodzahl
                                 die Fett-säure
                                 Verseifungs-werthe
                                 Lösung ingleichen
                                    											Th.Eisessig(1,0562)trübt sich bei
                                 
                              
                                 schmilztbei
                                 erstarrtbei
                                 
                              
                                 I trocknend
                                 Leinöl
                                 158
                                 156    bis 160
                                   17,0°
                                   13,3°
                                 194,3
                                 –
                                 
                              
                                 IItrocknend
                                 HanfölNuſsölMohnölRüllölKürbiskernöl
                                 143143136133121
                                           –142    bis 144135      „  
                                    											137          –          –
                                 19,020,020,520,028,0
                                 15,016,016,515,724,5
                                 193,1196,0194,6186,0189,5
                                 –––  110°108
                                 
                              
                                 IIIunbestimmt
                                 SesamölCottonölArachisölRüböl
                                 106106103100
                                 105    bis 108105      „   108101      „   105  97      „  
                                    											105
                                 26,027,727,720,1
                                 22,330,523,812,2
                                 190,0195,0191,3177,0
                                 107110112unlöslich
                                 
                              
                                 IVnichttrocknend
                                 AprikosenkernölMandelölRicinusölOlivenölOlivenkernöl
                                 100  98,4  84,4  82,8  81,8
                                   99    bis 102  97,5   „     98,9  84,0   „    
                                    											84,7  81,6   „     84,5          –
                                   4,514,013,026,0–
                                   0,0  5,0  3,021,2–
                                 192,9195,4181,0191,7188,5
                                 114110kalt löslich85 bis 111kalt
                                    											löslich
                                 
                              
                                 V
                                 KnochenölSchweineschmalzKunstbutter
                                   68,0  59,0  55,3
                                   66,0 bis   70,0  57,6   „     60,0          –
                                 30,0–42,0
                                 28,0–39,8
                                 –195,9–
                                 –––
                                 
                              
                                 VI
                                 PalmfettLorbeerölTalgWollschweiſsfettCacaobutterMuskatbutterButterfett
                                   51,5  49,0  40,0  36,0  34,0  31,0  31,0
                                   50,4 bis  
                                    											52,4          –          –          –          –          –  26,0
                                    											bis   35,1
                                 47,827,045,041,852,042,538,0
                                 42,722,043,040,051,040,035,8
                                 202,2–196,0170,0––227,0
                                   23    26,5  95–105  27–
                                 
                              
                                 VII
                                 CocosnuſsölJapanwachs
                                     8,9    4,2
                                           –          –
                                 24,6–
                                 20,4–
                                 261,3222,0
                                   40–
                                 
                              
                           
                           nach der Gröſse ihrer Jodzahlen in Gruppen getheilt. Als
                              									Jodzahlen, Schmelz- und Erstarrungspunkte sind die von mir bestimmten mittleren
                              									Werthe angeführt, während Verseifungszahl und Essigsäurelöslichkeit den von E. Valenta (1883 249 271.
                              									1884 252 297) veröffentlichten Arbeiten entnommen
                              									sind.
                           Folgerungen aus den Versuchsergebnissen. Alle dem
                              									Pflanzenreiche entstammenden Oele zeigen das höchst bemerkenswerthe Verhalten, daſs
                              									die eingetretene Jodmenge nicht den in gewöhnlicher Weise (durch Aetherauszug der
                              									Bleiseife) bestimmten Oelsäure-Procenten entspricht, sondern ganz bedeutend höher
                              									liegt. Insbesondere ist das Verhalten der Cruciferenöle merkwürdig, da die
                              									Jodabsorption der Erucasäure nur 75,15 beträgt, während die Rüböle 100 Jod
                              									aufnehmen. Diese vermehrte Jodabsorption kann nicht durch zufällige, nebensächliche
                              									Bestandtheile bewirkt werden, sondern sie muſs wegen der Constanz der Jodzahlen ihre
                              									Ursache in der Constitution des Fettkörpers selbst haben. Da nun im Allgemeinen mit
                              									der Jodzahl die Trocknungsfähigkeit der Oele zunimmt, so ist es wahrscheinlich, daſs
                              									die vermehrte Jodabsorption von Gliedern aus der Reihe der Leinölsäure stammt.
                           Die Schwankungen der Jodzahlen bei derselben Gattung von Oelen dürften in erster
                              									Linie durch die etwas wechselnde Menge ungesättigter Fettsäuren bedingt sein. Da nun
                              									andererseits der Schmelzpunkt der aus dem Oele abgeschiedenen fetten Säuren von der
                              									verhältniſsmäſsigen Menge der flüssigen Fettsäure abhängig ist, so muſs derselbe in
                              									einem gewissen Zusammenhange mit den Jodzahlen stehen. Thatsächlich zeigt sich auch
                              									meistens mit Zunahme der Jodzahl ein Sinken des Fettsäure-Schmelzpunktes; doch ist
                              									es immerhin leicht möglich, daſs dieser Zusammenhang durch geringe Mengen zufälliger
                              									Verunreinigungen, sowie durch Schwankungen des Glyceringehaltes verdeckt wird. Der
                              									Zusatz eines Mineralöles muſs bei allen Fetten ein Sinken der Jodzahl bedingen,
                              									welches im Einklänge mit dem Fallen der Verseifungszahl stehen muſs.
                           Aus obiger Zusammenstellung lassen sich weiters nachstehende Schlußfolgerungen ziehen.
                           Das Leinöl steht mit seiner hohen Jodzahl völlig
                              									vereinzelt da. Jeder Zusatz eines fremden Oeles muſs eine Abnahme in der
                              									Jodabsorption bedingen. Eine vielleicht mögliche Verfälschung mit Cottonöl oder
                              									einem Mineralöle wäre bei etwa 10 bezieh. 5 Proc. sicher nachzuweisen. Ein zu
                              									Firniſs gekochtes Leinöl zeigt eine etwas geringere Absorption, während der
                              									Schmelzpunkt der Fettsäuren etwas höher liegt. Ein Leinöl von der Jodzahl 156 gab
                              									nach der Umwandlung in Firniſs 148, während der Fettsäure-Schmelz- und
                              									Erstarrungspunkt auf 17,5 bezieh. 23 stieg. Als Verseifungswerth wurde 186
                              									erhalten.
                           Die in der Gruppe II liegenden Oele weisen bezüglich ihrer Jodaufnahme entweder
                              									keine, oder nur kleine Unterschiede auf. Eine Zumischung von 5 bis 10 Procent eines
                              									Oeles aus der III. oder IV. Gruppe wäre im Mohn- und Nuſsöle leicht anzugeben; hingegen
                              									würden sich erst etwa 20 Proc. Leinöl sicher erkennen lassen.
                           Cotton-, Sesam- und Arachis-Oel geben fast dieselben
                              									Jodzahlen; deren Unterscheidung ist durch verschiedene chemische Reactionen,
                              									besonders durch die Salzsäure-Zucker- und die Salpetersäure-Reaction, dann durch den
                              									Schmelzpunkt der Fettsäure, den Geschmack u. dgl. leicht möglich. Die Fettsäuren des
                              									Cottonöles besitzen von allen Pflanzenölen den höchsten Schmelzpunkt und es ist
                              									dieser Umstand bei Nachweisung dieses Fettes von groſsem Werthe.
                           Rüböle zeigen nach den verschiedenen zur Oelgewinnung
                              									gebauten Repsarten einige Verschiedenheit in ihren Jodzahlen. Auch die Art der
                              									Raffinirung dürfte nicht ganz ohne Einfluſs sein. Die raffinirten Oele titriren
                              									gewöhnlich um 2 bis 3 niederer als das Rohproduct. Eine Verfälschung mit etwa 15
                              									Proc. Leinöl lieſse sich noch sicher erkennen. Sehr charakteristisch für die Rüböle
                              									sind ihre niedrigen Verseifungszahlen, worin ein gutes Mittel nicht nur zu ihrer
                              									Erkennung, sondern auch zum Nachweise derselben in Gemischen gegeben ist.
                           Mandelöl unterscheidet sich von allen Oelen der III. und
                              									IV. Gruppe (mit Ausnahme des Ricinusöles) durch den sehr niederen Schmelz- und
                              									Erstarrungspunkt seiner Fettsäuren. Dieser Umstand, im Vereine mit der
                              									charakteristischen Jodzahl und den bekannten chemischen Reaktionen, dürfte jede
                              									Verfälschung leicht nachweisbar machen.
                           Ricinusöl gab eine sehr constante Jodzahl, nämlich 84,0
                              									bis 84,7, und unterscheidet sich durch den Erstarrungs- und Schmelzpunkt seiner
                              									Fettsäuren, seinen Verseifungswerth und die Alkohol- und Essigsäure-Löslichkeit ganz
                              									wesentlich von allen Oelen. Es ist daher nicht nur jede Verfälschung leicht
                              									nachweisbar, sondern auch dieses Oel in jedem anderen ziemlich leicht zu
                              									erkennen.
                           Der Gruppe der Olivenöle wurde wegen der groſsen
                              									Wichtigkeit eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 20 thunlichst verschiedene
                              									Proben zeigten bezüglich ihrer Jodzahlen eine ganz gute Uebereinstimmung, indem
                              									dieselben nur innerhalb 3 Proc. schwankten. Es gelingt daher etwa 5 Procent eines
                              									trockenen Oeles oder 15 Proc. Cotton-, Sesam-, Arachis- und Rüböl mit Sicherheit
                              									nachzuweisen. – Olivenkernöl stimmt mit dem Olivenöle
                              									bezüglich der Jodabsorption überein, unterscheidet sich von diesem durch seine
                              									dunkle grünlichbraune Farbe und die Löslichkeit in 95 procentigem Alkohol und
                              									Eisessig. Letztere Reaction zeigen auch Gemische von Olivenöl mit gröſseren Mengen
                              									Kernöl. Das Oel gibt eine sehr feste Elaïdinmasse.
                           Die aus Preſsrückständen mittels Schwefelkohlenstoff ausgezogenen Sulfuröle charakterisiren sich durch dunkle Farbe,
                              									unangenehmen Geruch; sie theilen mit dem Kernöle die Löslichkeit, geben aber
                              									gewöhnlich kein festes Elaïdin; dieselben jodiren sich mit 79 bis 80, also etwas
                              									tiefer als Olivenöl.
                           
                           In der V. Gruppe ist nur das erste Glied, das Knochenöl,
                              									flüssig, während alle folgenden Fette schon von schmalzartiger Beschaffenheit sind.
                              									Das Knochenöl unterscheidet sich von allen Pflanzenölen durch die geringe
                              									Jodabsorption; es dürfte jedoch seiner Darstellung entsprechend ziemlich groſse
                              									Schwankungen der Jodzahlen zeigen, wie dies auch schon bei den zwei untersuchten
                              									Proben der Fall ist. Im Allgemeinen dürfte sich jedoch ein Zusatz von etwa 10 bis 15
                              									Proc. Rüböl oder Cottonöl u. dgl. erkennen lassen.
                           In ähnlicher Weise dürften auch alle anderen Fette der V. und VI. Gruppe meist
                              									gröſsere Schwankungen zeigen als die flüssigen Oele. Insbesondere gilt dies von den
                              									thierischen Fetten, welche, wie bekannt, in ihrer Consistenz, daher auch in ihrem
                              									Oelsäuregehalte wechselnd auftreten, Alter und Gattung des Thieres, Fütterung und
                              									sonstige Verhältnisse beeinflussen die Zusammensetzung dieser Fette ganz
                              									wesentlich.
                           Sehr deutlich treten diese Verhältnisse bei der Butter
                              									hervor, deren Jodzahlen zwischen den Grenzen 26 bis 35 schwanken und welche mit
                              									ihrer Consistenz in innigem Zusammenhange stehen. Sehr harte Butter von
                              									Talgconsistenz gab als Jodzahl 25, Butter von der Zähigkeit eines sehr weichen
                              									Schmalzes 35. Die Jodzahlen der Butter liegen daher 15 bis 20 niedriger als Talg-
                              									und Schmalzgemenge derselben Consistenz. Die Ursache dieses Verhältnisses liegt
                              									offenbar in der Gegenwart von flüssigen Fettsäuren der Essigsäuregruppe, von welchen
                              									in der Butter etwa 7 bis 8 Proc. enthalten sind, während sie in den Buttersurrogaten
                              									fehlen.
                           Die Fette der VI. Gruppe zeigen derart geringe Unterschiede in ihren Jodzahlen, daſs
                              									mit Berücksichtigung der schon erwähnten wahrscheinlichen Schwankungen durch diese
                              									Zahlen kaum eine Unterscheidung der Glieder unter einander möglich sein dürfte. Eine
                              									rationelle Untersuchungsmethode dieser Fette lieſse sich wahrscheinlich auf eine
                              									gleichzeitige Bestimmung der Jodabsorption und des Schmelzpunktes der abgeschiedenen
                              									Fettsäuren gründen, wobei es nöthig wäre, durch eine gröſsere Zahl von Versuchen den
                              									charakteristischen Zusammenhang beider Zahlen für jedes Fett aufzufinden.
                           Schlieſslich möge noch bemerkt werden, daſs eine Verfälschung eines starren oder
                              									halbflüssigen Fettes (besonders Butter, Schweineschmalz und Talg) mit einem
                              									Pflanzenöle oder dem in neuerer Zeit häufig in Anwendung kommenden Baumwollstearin
                              									(dem aus dem Cottonöle sich absetzenden festen Fette) sich wegen der voraussichtlich
                              									sehr hohen Jod zahl dieses Körpers leicht nachweisen lassen dürfte. Die Fette der
                              									letzten Gruppe sind durch die sehr geringe Jodabsorption ausgezeichnet, lassen sich
                              									deshalb von allen anderen leicht unterscheiden und ist auch jeder Zusatz eines
                              									fremden Fettes durch Wachsen der Jodzahl erkennbar.
                           Was nun die Anwendbarkeit des beschriebenen Verfahrens
                              									betrifft, so ermöglicht es die Jodadditionsmethode, die Natur eines Fettes zu
                              									erkennen;  sie gibt ein
                              									Kennzeichen für die Reinheit desselben an die Hand und läſst über die qualitative
                              									Zusammensetzung einer Mischung einen Schluſs zu; ja sie macht zuweilen selbst eine
                              									annähernde quantitative Analyse einer Mischung zweier Fette möglich. Handelt es sich
                              									nur um das Erkennen eines Fettes, so wird durch die
                              									Jodzahl die entsprechende Gruppe angegeben und es unterliegt meist keinen
                              									Schwierigkeiten zwischen der geringen Zahl von Gruppengliedern passende
                              									Unterscheidungsmittel zu wählen. Jedoch ist zu erwähnen, daſs es immerhin möglich
                              									und auch wahrscheinlich ist, daſs es Fette gibt, deren Jodzahlen nicht innerhalb der
                              									angegebenen Grenzen fallen; denn es sind ja diese aus einer nur beschränkten Zahl
                              									von Proben abgeleitet. In diesem Falle wird besonders der schon erwähnte
                              									Zusammenhang der Jodzahl mit dem Schmelzpunkte der fetten Säuren einen Anhaltspunkt
                              									für die Beurtheilung des Fettes bieten. Liegt eine Mischung zweier Fette vor, von
                              									welcher ein Bestandtheil unbekannt ist, wie dies bei Verfälschungen vorkommt, oder ist die Natur beider fraglich, dann müssen
                              									selbstverständlich alle Mittel herangezogen werden, welche geeignet sind,
                              									Anhaltspunkte über die Qualität dieser Körper zu gewinnen. Den ersten Aufschluſs
                              									gibt auch hier die Jodzahl; weitere Folgerungen erlauben der Schmelzpunkt der
                              									Fettsäure, die Verseifungszahl, die Löslichkeitsverhältnisse und endlich die
                              									chemischen Reactionen.
                           Ist die Natur zweier Fette in einer Mischung bekannt, oder ist es gelungen, dieselbe
                              									zu erkennen und gehören beide verschiedenen Gruppen an, so läſst sich aus der
                              									Jodzahl ihr gegenseitiges Verhältniſs annähernd berechnen. Bezeichnet x den Procentgehalt eines Fettes in der Mischung mit
                              										y Theile eines anderen Fettes, ist also x + y = 100 und hat man die Jodzahl m für das Fett x bestimmt,
                              									die Jodzahl n für das Fett y, ist ferner die für die Mischung gefundene Zahl J, so ergibt sich: x=\frac{100\,(J-n)}{m-n}.
                           Folgendes Beispiel möge zeigen, wie leicht oft die Lösung von scheinbar schwierigen
                              									Aufgaben möglich ist: Ein Olivenöl des Handels ergab
                              									als Jodzahl 97; es muſste daher auf eine bedeutende Zumischung eines fremden Oeles
                              									geschlossen werden. Mandelöl, Ricinusöl und Knochenöle sind, abgesehen von den
                              									Preisverhältnissen, schon durch die hohe Jodzahl ausgeschlossen; es ist somit nur
                              									ein Zusatz eines Oeles der drei ersten Gruppen möglich. Der Schmelzpunkt der
                              									abgeschiedenen Fettsäuren lag bei 30°, welcher Umstand ohne Zweifel für die
                              									Gegenwart von Cottonöl spricht. Die Menge der Zumischung berechnete sich nach obiger
                              									Formel auf etwa 60 Proc. Chemische Reactionen bestätigten das Resultat.
                           Das Alter des Fettes ist auf die Jodzahl ohne merkbaren Einfluſs, so lange nicht tief
                              									eingreifende Veränderungen in der Zusammensetzung stattgefunden haben. Wie aus den
                              									Versuchen zu entnehmen ist, geben selbst 15 Jahre alte Proben Leinöl und Rüböl noch
                              									ganz richtige Werthe. Ist jedoch ein Oel durch lange Einwirkung von Licht und Luft dickflüssig und stark
                              									ranzig geworden, dann gibt es auch viel zu niedere Zahlen. Ein derartig verändertes
                              									Leinöl gab die Zahl 130, ein Baumöl 75. Derartige Oele charakterisiren sich durch
                              									ihre Löslichkeit in kalter Essigsäure und ihren abnormen hohen Gehalt an freier
                              									Säure.
                           Die Jodadditionsmethode wird ferner auch dort Anwendung finden können, wo es sich um
                              									die Bestimmung von Olein neben den Glyceriden gesättigter Fettsäuren handelt.
                              									Bedingung hierbei ist, daſs keine Stoffe zugegen sind, welche unter den gegebenen
                              									Verhältnissen Jod absorbiren, daher auch keine Säure aus der Gruppe Leinölsäure.
                              									Diese Verhältnisse treffen bei den festen thierischen Fetten zu. Nachdem dies aber
                              									gerade jene Rohstoffe sind, welche bezüglich ihrer Zusammensetzung ziemliche
                              									Schwankungen zeigen, so dürfte sich die in der Technik der Seifen- und
                              									Kerzenfabrikation stets auftretende Frage nach dem Gehalte der festen Fettsäuren
                              									durch eine Jodirung einfach und leicht lösen lassen. Doch wäre in dieser Hinsicht
                              									jedenfalls noch eine Reihe von Versuchen nöthig, um den Einfluſs etwa vorhandener
                              									Verunreinigungen festzustellen.
                           Auch bei der Untersuchung der Seifen kann diese Methode
                              									gute Dienste leisten, indem dieselbe es möglich macht, aus der Jodzahl der
                              									abgeschiedenen fetten Säuren die Natur des verarbeiteten Fettes mit groſser
                              									Wahrscheinlichkeit festzustellen.
                           Die Methode erlaubt endlich einen beiläufigen Schluſs auf die Constitution eines noch
                              									gar nicht, oder doch nur wenig untersuchten Fettes; sie ermöglicht eine rasche
                              									Beurtheilung desselben bezüglich seiner Brauchbarkeit für die verschiedenen Zweige
                              									der Technik.
                           Da die ätherischen Oele in ganz ähnlicher Weise auf die Quecksilberchlorid-Jodlösung
                              									wirken wie die ungesättigten fetten Säuren, so liegt der Gedanke nahe, die
                              									beschriebene Methode auch auf diese Körperklasse auszudehnen. Terpene, Eugenol a.
                              									dgl. nehmen sehr leicht und groſse Mengen Chlor-Jod auf, während die gesättigten
                              									Verbindungen (Kohlenwasserstoffe, Säuren, Phenole u. dgl.) unverändert bleiben,
                              									wodurch bei verschiedenen zusammengesetzten ätherischen Oelen bedeutende
                              									Unterschiede in den Jodzahlen zu Tage treten müssen.
                           Die diesbezüglichen Versuche haben auch gezeigt, daſs diese Zahlen im innigen
                              									Zusammenhange mit den wichtigsten Eigenschaften, besonders der optischen Drehung der
                              									ätherischen Oele, stehen.
                           Die alkoholische Quecksilberchlorid-Jodlösung dürfte endlich auch ein in der
                              									synthetischen Chemie brauchbares Reagens sein, indem es einerseits die Zahl der
                              									Doppelbindungen leicht und rasch festzustellen gestattet, andererseits eine leichte
                              									Umwandlung ungesättigter Verbindungen in die Chlor-Jod-Additionsproducte unter
                              									Umständen ermöglicht, welche eine Substitution ausschlieſsen.
                           Wien, im Juni 1884.