| Titel: | Ueber den Einfluss der Anlasstemperatur auf die Festigkeit und Constitution des Stahles; von A. Jarolimek in Hainburg a. d. Donau. | 
| Autor: | A. Jarolimek | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 1 | 
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                        Ueber den Einfluſs der Anlaſstemperatur auf die
                           								Festigkeit und Constitution des Stahles; von A. Jarolimek in Hainburg a. d. Donau.
                        A. Jarolimek, zum Härten des Stahles.
                        
                     
                        
                           Es ist bemerkenswerth, daſs der Stahl, heute unser wichtigstes Constructionsmaterial,
                              									in mancher physikalischen Beziehung noch recht dürftig
                              									untersucht erscheint. Man hat zwar viele Mühe und Arbeit darauf verwendet, zu
                              									erkennen, wie die verschiedene chemische
                              									Zusammensetzung des Stahles auf dessen Eigenschaften zurückwirkt, und hierbei wohl
                              									auch versucht, auf die molekulare Beschaffenheit dieses noch vielfache Räthsel
                              									darbietenden Materials Schlüsse zu ziehen- aber man hat nicht nur in letzterer
                              									Hinsicht die Wirkung gewisser mechanischer Processe und jene der mittleren Wärmegrade fast unberührt gelassen, sondern
                              									kaum noch erforscht, welchen Einfluſs diese Faktoren auch nur auf die unmittelbar
                              									meſsbaren physikalischen Zustände, namentlich also auf das specifische Volumen des Stahles äuſsern. Und doch sollte man glauben, daſs
                              									Untersuchungen in dieser Richtung, welche nicht einmal besondere Schwierigkeiten
                              									darbieten, ebenso wohl wissenschaftliches Interesse beanspruchen, als auch
                              									vielleicht eine auſserordentlich praktische Wichtigkeit besitzen müſsten.
                           Ich bezwecke in den nachfolgenden Zeilen nur anzudeuten, was man meiner Ansicht nach
                              									in dieser Hinsicht versäumte, indem ich hauptsächlich auf ein merkwürdiges
                              									physikalisches Verhalten des Stahles hinweise, welches ich vor 4 Jahren ganz
                              									zufällig entdeckte und dessen technische Bedeutung ich durch eine Reihe sehr
                              									einfacher Versuche feststellte.
                           Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand dieser Mittheilung eingehe, möchte ich noch
                              									daran erinnern, daſs ich seinerzeit in Bezug auf das Verhalten des Stahles beim Härten und Anlassen (vgl.
                              									1876 221 436. 518) im Gegensatze zu den gebräuchlichen
                              									Ansichten folgendes feststellte:
                           1) Der. Stahl ist nicht nur in kaltem, sondern auch in siedendem Wasser, in Wasser
                              									von 150° Temperatur und mehr, in siedendem Oel, heiſsflüssigem Blei, Zinn und selbst
                              									Zink, also einer Abkühlungsflüssigkeit von etwa 400° härtbar, so daſs die Härte des
                              									Stahles hauptsächlich nur
                              									von der Geschwindigkeit abhängt, mit welcher der
                              									glühende Stahl bis zu einer gewissen, bei etwa 500°
                                 										liegenden kritischen Temperatur abgekühlt wird.
                           2) Das Anlassen des Stahles wird hingegen von dem dauernden Aussetzen einer innerhalb anderer Grenzen
                              									liegenden Temperatur bedingt.
                           Daſs das Anlassen nicht nur innerhalb der gewöhnlich angenommenen engen
                              									Temperaturgrenzen, sondern auch bei weit darunter liegenden Temperaturen erfolgt,
                              									hat V. Strouhal durch bemerkenswerthe Versuche
                              									dargethan, wie er auch das thermo-elektrische
                              									Verhalten, dann den galvanischen LeitungswiderstandUeber Anlassen des Stahles und Messung seines Härtezustandes; von V. Strouhal und C.
                                       												Barus. (Würzburg 1880.) und die MagnetisirbarkeitUeber den Einfluſs der Härte des Stahles auf dessen Magnetisirbarkeit u.
                                    											dgl.; von V. Strouhal und C. Barus. (Würzburg 1882.)
                              									verschieden angelassener Stahldrähte eingehenden Untersuchungen unterzogen hat, ohne
                              									natürlich diesen Gegenstand zu erschöpfen. Strouhal hat
                              									eben den physikalischen Zustand, den seine Drähte schon
                              										vor der Behandlung besaſsen, unberücksichtigt
                              									gelassen und ich werde bald zeigen, wie irrig es ist, zu glauben, daſs eine erhöhte
                              									(Anlaſs-) Temperatur die Härte, oder, richtiger gesagt, die Festigkeit des Stahles
                              									immer nur herabziehen müsse, indem es im Gegentheile thatsächlich vorkommt, daſs die
                              									gleiche Temperaturerhöhung auf die Festigkeit des Stahles das eine Mal mindernd, das andere Mal hingegen nicht unwesentlich
                              										fördernd einwirkt.
                           Ich will nun zunächst die diesen Punkt betreffenden Thatsachen mittheilen. Ich habe
                              									bei meinen den Stahlschnurtrieb (vgl. 1880 238 * 1)
                              									betreffenden Arbeiten vielfache Versuche mit Schrauben- oder so genannten
                              									Spiralfedern der verschiedensten Abmessungen angestellt und dabei zunächst ein sehr
                              									einfaches und höchst empfindliches Mittel aufgefunden, die Festigkeit und namentlich
                              									die Gleichmäſsigkeit der Härte von Stahldrähten zu
                              									untersuchen. Dieses Mittel besteht darin, daſs längere
                                 										Stücke der zu prüfenden Drähte zu Schraubenfedern versponnen und letztere sodann
                                 										gestreckt werden. Jede in dem Drahte vorhandene weichere oder härtere
                              									Stelle tritt beim Strecken der Feder sehr augenfällig hervor, indem die
                              									Schraubenwindungen derselben an den weichen Stellen eine gröſsere, an den härteren
                              									eine geringere Ganghöhe annehmen. Meine Versuche bekräftigten nun selbstverständlich
                              									auch die von Uchatius (1877 223 242), Bauschinger (1877 224 1), Thurston (1877 225 233) u.a. mitgetheilte Thatsache, daſs die Belastung
                              										„über die Elasticitätsgrenze“ die Elasticität steigert. So zeigt eine
                              									dicht gesponnene und darauf auf eine gewisse Ganghöhe h
                              									gestreckte Feder eine viel höhere Elasticitätsgrenze als eine Feder, welche von Haus
                              									aus mit der Ganghöhe h gesponnen wurde.
                           Ich habe aber im Verlaufe meiner Arbeiten noch eine andere und, wie mir scheint, noch
                              									nicht bekannte Thatsache aufgedeckt, nämlich die, daſs die Elasticitätsgrenze
                                 										der Federn, bezieh. jene des einer stärkeren Spannung oder Formänderung schon
                                 										unterworfenen Stahles auch noch auf einem anderen Wege: dem der bloſsen
                                 										Erwärmung, gesteigert werden kann, und ich habe diese Thatsache durch die
                              									nachfolgend skizzirten, zwar nur primitiven, doch aber überzeugenden Versuche, wie
                              									ich glaube, vollkommen sicher gestellt. Zur Erzielung eines passenden
                              									Vergleichsmaſsstabes wählte ich Stahldrähte von genau 1mm Stärke, welche ich auf einer Spindel von 3mm Dicke zu Federn verspann und deren Festigkeits- oder Härtegrade ich
                              									dann sehr einfach nach der Anzahl der Windungen bestimmte, welche auf ein Centimeter
                              									Feder gingen, nachdem diese mit einem Gewichte von 12k belastet worden war. Eine ganz harte
                              									Feder gibt bei dieser Belastung nicht nach und hat somit den Härtegrad 10; eine ganz
                              									weiche gäbe den ideellen Härtegrad 0, und alle zwischenliegenden Härtegrade müssen
                              									zwischen die Nummern 0 bis 10 fallen.
                           Ich untersuchte nun zunächst:
                           A) Gehärteten und darauf
                                 										angelassenen Stahldraht.
                           a) Die hieraus gesponnenen Federn würden auf 200 bis 300° erwärmt
                              									und ergaben vor und nach der Erwärmung folgende Härtegrade:
                           
                              
                                 Versuch:
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 6
                                 
                              
                                 Härte vor dem
                                    											Erwärmen:
                                 3
                                 3,1
                                 3,1
                                 3,25
                                 3
                                 2,8
                                 
                              
                                 nach dem Erwärmen
                                    											auf:
                                 200
                                 220
                                 240
                                 260
                                 280
                                 300°
                                 
                              
                                 1.
                                 Probe
                                 
                                 6
                                   6,75
                                 7
                                   7,5
                                 6
                                 7,0
                                 
                              
                                 2.
                                 „
                                 
                                 5
                                   5,5
                                 7
                                   7
                                    6,2
                                 6,5
                                 
                              
                                 3.
                                 „
                                 
                                    5,5
                                   6
                                 7
                                   7
                                 6
                                  6,5.
                                 
                              
                           b) Hierbei zeigte es sich gleichgültig, ob die Erwärmung
                              									wiederholt wurde oder nicht und:
                           c) ob sie durch 1 oder 5 Minuten anhielt, sowie es:
                           d) keinen merkbaren Unterschied machte, ob die Federn nach der
                              									Erwärmung langsam oder rasch abgekühlt wurden.
                           B) Versuch mit nicht gehärtetem
                                 										Stahldraht.
                           e) Härtegrad bezogen auf die gleichen Federabmessungen wie zuvor,
                              										jedoch auf eine Belastung von nur 6k:
                           
                              
                                 Versuch:
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 
                              
                                 Härte vor dem
                                    											Erwärmen:
                                 3,7
                                 3,5
                                 3,6
                                 3,4
                                 4
                                 
                              
                                 nach dem Erwärmen
                                    											auf:
                                 220
                                 240
                                 260
                                 280
                                 300°
                                 
                              
                                 1.
                                 Probe
                                 
                                 4
                                   4,5
                                   5,5
                                 4,5
                                   6,5
                                 
                              
                                 2.
                                 „
                                 
                                 4
                                   4
                                   5
                                 4,3
                                 6.
                                 
                              
                           f) Nun habe ich eine Feder nach dem
                                 										Spinnen gehärtet und angelassen. Die
                              									nachfolgende Erwärmung zeigte keine Zunahme der
                              									Festigkeit.
                           g) Sodann wurde die eben gehärtete und angelassene Feder bis zu
                              									einem gewissen Grade gestreckt und darauf erst erwärmt. Hier
                                 										erfolgte aus der Erwärmung abermals eine wenn auch weniger bedeutende Erhöhung
                                 										der Tragkraft.
                           h) Ebenso ergab eine aus gehärtetem Drahte gesponnene und dann
                              									erwärmte Feder, nachdem dieselbe gestreckt worden war, durch nochmaliges Erhitzen
                              										eine zweite Steigerung der Elasticitätsgrenze.
                           Aus alledem läſst sich somit der Schluſs ziehen, daſs, wenn der Stahl über die
                              									Elasticitätsgrenze beansprucht wurde, sich seine Elasticitätsgrenze durch Erhitzen
                              									bis etwa 300° nochmals steigern lasse und, wenn dieser Stahl hierauf durch
                              									mechanische Einwirkung bezieh. Belastung abermals gestreckt wird, seine Tragkraft
                              									durch nachfolgendes Erhitzen auch wieder weiter gesteigert werden kann.
                           Ich konnte die Sache mit meinen Federn nicht viel weiter verfolgen
                              									und blieb darauf
                              									beschränkt, die Festigkeit der Federn etwa durch diese 5 Behandlungen zu steigern:
                              									1) Erhitzen des Drahtes, 2) Spinnen des Drahtes, 3) Erhitzen der gesponnenen Feder,
                              									4) Strecken der gesponnenen Feder, 5) Erhitzen der gestreckten Feder.
                           Da das Strecken der Federn bald seine
                              									Grenze findet und, wenn es von erheblicher Wirkung sein soll, schon das erste Mal
                              									ziemlich weit gehen muſs, so konnte ich das Verfahren nicht weiter wiederholen. Es
                              									lieſse sich dasselbe aber leicht dadurch genauer erforschen, wenn man Stahldrähte
                              									oder Stäbe wiederholt abwechselnd entsprechend belasten und darauf erwärmen und die
                              									Elasticitätsgrenze nach jeder Behandlung bestimmen würde, was allerdings nur mit
                              									Hilfe geeigneter Festigkeitsprüfungsapparate möglich ist.
                           In dieser Absicht habe ich am 9. September 1880 den General Uchatius, bei welchem ich ein besonderes Interesse für
                              									diesen Gegenstand voraussetzen durfte, zur Vornahme einiger einschlägiger Versuche
                              									eingeladen und empfing von ihm folgenden vom 8. Oktober 1880 datirten Bericht:
                              										„Ein Stäbchen von Neuberger Bessemerstahl, im cylindrischen Theile 75mm lang, im Querschnitte 0qc,5 dick, dessen Elasticitätsgrenze bei 1800
                                 											k/qc
                                 										eintrat, wurde von Null ansteigend nach und nach bis 1500k belastet; das ansteigende Belasten dauerte
                                 										etwa 30 Minuten. Das Stäbchen blieb 3 × 24 Stunden unter Belastung; täglich 4mal
                                 										wurde die Belastung abgehoben und erneuert von 0 auf 3000k ansteigend aufgelegt. Ert nachdem dieser
                                 										Vorgang zum 12. Male ausgeführt war, hatte das Stäbchen die Elasticitätsgrenze
                                 										von 3000 k/qc
                                 										erhalten. Die bleibende Streckung desselben betrug genau 1 Procent seiner Länge,
                                 										also 0mm,75.
                           
                              Das gestreckte Stäbchen wurde nun durch 2 Minuten in ein
                                 										Zinnbad von 300° mittels einer Holzkluppe untergetaucht und dann auf trockenem
                                 										Holze liegend an der Luft dem Abkühlen überlassen.
                              
                           
                              Neuerdings der langsam ansteigenden Belastung unterzogen,
                                 										zeigte es ganz dieselbe Elasticitätsgrenze wie vor dem Erwärmen, nämlich 3000
                                 											k/qc.
                              
                           
                              Der Versuch lehrt, daſs Stahl, dessen Elasticität durch
                                 										andauerndes Belasten und Strecken künstlich erhöht worden ist, auf 300° erhitzt
                                 										und langsam abgekühlt, nichts an Elasticität verliert. Wenn Sie unter gleichen
                                 										Umständen eine Steigerung der Elasticität wahrgenommen haben, so muſs irgend
                                 										eine mir nicht bekannte Nebenursache mitwirken.“
                              
                           Es liegt nun auf der Hand, daſs der vorstehend beschriebene Versuch nur so viel
                              									beweist, daſs, wenn die Elasticitätsgrenze des Stahles durch systematische Belastung
                              										bis zu dem auf diesem Wege erzielbaren Höchstbetrag
                                 										gesteigert wurde, dieselbe auch durch Erwärmung nicht mehr erhöht werden
                              									kann.
                           Es müſste demnach der Versuch so angestellt werden, daſs die
                              									Belastung nicht bis zur äuſsersten Grenze getrieben, sondern unterbrochen wird,
                              									sobald das Stäbchen eine Elasticitätsgrenze von etwa 2400k ausweist. Die Frage ist, ob die
                              									Elasticitätsgrenze auch des also behandelten Stahles durch nachfolgendes Erwärmen
                              									nicht gesteigert werden kann? Meine Versuche, welche mit Drähten ausgeführt wurden,
                              									welche nur durch Ziehen, Spinnen oder Strecken, also stets, wenn auch stark, doch
                              									nur plötzlich über die Elasticitätsgrenze beansprucht
                              									wurden, scheinen anzudeuten, daſs die die Maximal-Elasticitätsgrenze bedingende
                              									Lagerung der Stahlmoleküle ebenso wohl durch das der Ueberlastung nachfolgende
                              									Erwärmen, als wie durch die lang andauernde gesteigerte Belastung gefördert wird.
                              									Ist diese günstigste Molekularanordnung einmal erreicht, so kann natürlich weder
                              									eine längere Belastung, noch das folgende Erwärmen daran etwas ändern.
                           Indessen kann hier auch der Umstand nicht unbeachtet bleiben, daſs
                              									meine eigenen Versuche den gröſsten Zuwachs an Elasticität durch Erwärmung bei
                              									vorher gehärteten und angelassenen und darauf über die Elasticitätsgrenze beanspruchten Drähten
                              									ergaben. Aber ich fand eine Zunahme an Elasticität durch Erwärmung stets und in
                              									ziemlichem Grade auch bei nicht gehärteten Drähten, wenn diese vorher einer
                              									erheblichen Formänderung unterlagen.
                           Sollte das Erwärmen auf langsam belastete Stahlstäbe, auch nachdem
                              									deren Elasticitätsgrenze nur um einen Theil des zulässigen Betrages gesteigert
                              									wurde, ohne Einfluſs
                              									bleiben, so könnte ich bloſs den Schluſs ziehen, daſs ein solcher Einfluſs eben nur
                              									nach vorheriger gewaltsamer Formänderung (wie Ziehen, Spinnen u.a.) statthat, nicht
                              									aber nach einer allmählichen Streckung.
                           Gerade um die Entscheidung dieser Frage handelte es sich mir aber;
                              									doch konnte ich hierzu die Hilfe des General v.
                                 										Uchatius nicht ferner beanspruchen, da er zu jener Zeit diesen Gegenstand
                              									nicht mehr verfolgen konnte und der Tod bald darauf, wie bekannt, seine Thätigkeit
                              									gänzlich abschloſs.
                           Es sind mir dann wohl auch von anderer Seite Versuche in dieser
                              									Richtung bereitwillig in Aussicht gestellt worden. Da es jedoch verschiedener
                              									Zufälligkeiten halber bis jetzt nicht zur That kam und ich selbst wegen geänderter
                              									Stellung nichts mehr in der Sache thun kann, so gebe ich die von mir gemachten
                              									Erfahrungen, so mangelhaft sie in ihren Ergebnissen blieben, bekannt, indem ich
                              									hoffe, daſs meine Mittheilungen zu weiteren Versuchen anregen und vielleicht zu
                              									besserer Erkenntniſs der Natur des Stahles Veranlassung bieten werden.
                           Inwiefern eine auf die hier aufgedeckte Eigenthümlichkeit des Stahles gegründete
                              									Behandlung dieses Materials technische Bedeutung zu erlangen verspricht, möge aus
                              									den Ergebnissen folgender Versuche ermessen werden:
                           1) Eine dmm dicke Stahlschnur (Spiralfeder) aus nicht gehärtetem, sondern nur hart
                              									gezogenem Seildraht von Feiten und Guilleaume trug an
                              									der Elasticitätsgrenze P = 1,12d2 Kilogramm bei einer Federung von f = 8,4 Proc.
                           2) Wurde derselbe Draht vor dem Spinnen auf 300° erwärmt, so trug
                              									die davon erzeugte Schnur gleicher Abmessung P =
                              										1,22d2, bei einer
                              									Federung von f = 9,5 Proc.
                           3) Wurde aber die Feder als solche auf 300° erwärmt, so trug
                              									dieselbe P = 1,40d2, bei einer Federung von f = 10,2 Proc.
                           Der Arbeitsmodul (P × f)
                              									stellt sich demnach im 3. Falle auf 14,28 gegen jenen im 2. Falle mit 11,59 bezieh.
                              									9,40 im 1. Falle und erscheint demnach durch das bloſse Anlassen des Drahtes um 23
                              									Proc. und durch das Erwärmen der Schnur gar um 52 Proc. gesteigert. Ich will nun
                              									jene Gründe erwähnen, welche mir Untersuchungen über die Veränderungen des specifischen Gewichtes von Stahl, nachdem dieser
                              									ähnlichen Prozessen unterworfen wurde, wünschenswerth erscheinen lassen.
                           Ich sendete am 3. Mai 1881 Hrn. Dr. V.
                                 										Strouhal 8 Proben von aus 1mm starkem
                              									Stahldraht erzeugten, 5mm dicken Spiralfedern mit
                              									dem Ersuchen, deren specifischen Leitungswiderstand zu bestimmen.
                           Sämmtliche 8 Proben waren einem
                              									Stücke vorher gehärtetem, jedoch gut angelassenem Stahle entnommen, Probe 1 bis 6
                              									nur durch Ueberlastung gestreckt, Nr. 7 und 8 zuvor noch durch Erwärmung gehärtet. Die nachfolgende Tabelle gibt die Belastungen an
                              									der Elasticitätsgrenze nebst den elastischen Streckungen und dem Arbeitsmodul (in
                              									Verhältniſszahlen), dann in der letzten Spalte den von Strouhal zufolge Bericht vom 17. Mai 1881 bei diesen Proben gefundenen
                              									galvanischen Leitungswiderstand:
                           
                              
                                 Probe Nr.
                                 Tragkraftk
                                 Federung
                                 Verhältniſs-zahlen fürden
                                    											Arbeits-modul
                                 SpecifischerLeitungs-widerstand s
                                 
                              
                                 in % derLänge
                                 im Verhält-nisse d.
                                    											Feder-gewichtes
                                 
                              
                                 123456
                                   7  8  9101112
                                    52,9   54,8   51,8  
                                    											42,9   31,0   20,2
                                   56,5  66,0  76,7  87,6  96,9106,3
                                   395  528  690  87610651275
                                 0,4000,4080,4020,4030,4020,393
                                 
                              
                                 78
                                 1214
                                    42,920
                                   99,8114,3
                                 11971600
                                 0,3930,379
                                 
                              
                           
                           Läſst man die ersten und letzten Ziffern sprechen (s = 0,408 bis 0,379), so erkennt man, daſs hier der specifische Leitungswiderstand mit zunehmender
                                 										Festigkeit abnimmt, wogegen Strouhal bei allen
                              									seinen früheren Versuchen den specifischen Leitungswiderstand durchwegs mit
                              									steigender Härte oder Festigkeit zunehmend fand. Man
                              									sieht also, daſs es in Bezug auf den galvanischen Leitungswiderstand nicht von
                              									gleicher, ja geradezu von entgegengesetzter Wirkung ist, wenn ein gewisser Härtegrad
                              									bloſs auf dem Wege des Härtens und Anlassens, oder aber zugleich durch Ueberlastung
                              									bezieh. durch diese und die darauf folgende Erwärmung des Stahles herbeigeführt
                              									wurde.
                           Dieser Versuch scheint demnach zu beweisen, daſs von dem galvanischen
                              									Leitungswiderstand und dem thermo-elektrischen Verhalten des Stahles nicht immer auf
                              									die Härte oder Festigkeit desselben, sondern vielleicht allgemeiner auf dessen
                              									specifisches Volumen geschlossen werden kann.
                           Daſs das specifische Volumen bezieh. auch der Kohlenstoffgehalt
                              									des Stahles hierbei eine Rolle spielen, deuten schon die hohen Ziffern in der
                              									letzten Spalte der obigen Tabelle an, die auch Strouhal
                              									auffielen. Dieser fand nämlich für den specifischen Leitungswiderstand verschieden
                              									harter Drähte durchschnittlich folgende Ziffern:
                           
                              
                                 Stahl
                                 Mit dem Durchschnitts-volumen nach Fromme
                                 SpecifischerLeitungswiderstand
                                 
                              
                                 Roh
                                 1,000
                                 –
                                 
                              
                                 Glashart
                                 1,012
                                 0,417 
                                 
                              
                                 Gelb
                                 angelassen
                                 1,006
                                 0,295 
                                 
                              
                                 Blau
                                 „
                                 1,002
                                 0,205 
                                 
                              
                                 Grau
                                 „
                                 1,000
                                 0,193 
                                 
                              
                                 Ausgeglüht
                                 1,003
                                  0,171.
                                 
                              
                           Da meine an Hrn. Dr. Strouhal
                              									gesendeten Drähte als gut blau angelassen zu schätzen sind, so muſs es in der That
                              									auffallen, daſs dieselben einen doppelt so hohen
                              									specifischen Leitungswiderstand, nämlich s = 0,4,
                              									ausweisen als Strouhal's früher untersuchte blau
                              									angelassene Drähte, welche laut vorstehender Tabelle nur einen Leitungswiderstand
                              									von s = 0,2 zeigten, und da drängt sich eben sehr
                              									zwingend die Vermuthung auf, daſs dieser Unterschied mit dem specifischen Gewichte zusammenhängen mag, welches sich hinwieder mit dem
                              										Kohlenstoffgehalte des Stahles bekanntlich
                              									wesentlich ändert.
                           Nach Metcalf und Langley beträgt bei einem Kohlenstoffgehalte des
                              									Stahles von 0,529 bezieh. 1,079 Proc. das specifische Gewicht des gewalzten bezieh.
                              									des stark gehärteten Stahles 7,844 und 7,825 bezieh. 7,814 und 7,741. Dies gibt eine
                              									Abweichung beim glasharten Stahle von 0,9 Proc., welche also ebenso groſs ist wie
                              									der Unterschied im specifischen Gewichte von glashartem und
                                 										ausgeglühtem Stahle desselben Kohlenstoff geholtes.
                           Ohne Zweifel dürften also Drähte verschiedenen Kohlenstoffgehaltes
                              									einen sehr bedeutenden Unterschied auch im galvanischen Leitungswiderstande
                              									ausweisen und Strouhal gab mir denn auch zu, „daſs
                                 										das Verhalten des Stahles in seinen verschiedenen Härtegraden wesentlich
                                 										verschieden sein müsse, je nachdem die Härte durch einen chemischen oder durch
                                 										einen mechanischen Prozeſs dem Stahle ertheilt wurde.“„Sie haben ganz Recht“, so schrieb mir Hr. Dr. Strouhal am 5. Juni 1881, „daſs man nach den Zahlen der
                                       												specifischen Leitungswiderstände gar keinen Schluſs über einen
                                       												Zusammenhang ziehen kann.“
                           Ohne nun vielleicht haltlose Theorien über die molekularen Veränderungen des Stahles
                              									bei verschiedenartiger Bearbeitung und Behandlung desselben aufstellen zu wollen,
                              									möchte ich doch behaupten, daſs durch eine bessere Erkenntniſs aller durch diese
                              									Prozesse herbeigeführten Veränderungen der physikalischen Beschaffenheit und
                              									namentlich also des
                              									specifischen Volumens des Stahles leicht möglich wichtige Aufschlüsse über die Natur
                              									und Constitution des Stahles und damit wohl auch festere., vortheilhafte Regeln zur
                              									Behandlung dieses Materials gewonnen werden könnten. Allem Anscheine nach wird der
                              									Stahl durch ruhige Belastung ebenso wohl, wie durch Hämmern und Strecken verdichtet.
                              									Vermuthlich bringt das Anlassen des Stahles nach erlittener Formänderung, indem es
                              									dessen Festigkeit steigert, gleichfalls eine Verdichtung hervor und, dies zu wissen,
                              									wäre sicherlich von Nutzen. Sollte man bei eindringlicher Verfolgung dieses
                              									Gegenstandes nicht einen Standpunkt zu erreichen vermögen, von welchem aus sich die
                              									Beurtheilung der die Festigkeit und alle wichtigen Eigenschaften des Stahles
                              									bestimmenden Faktoren einfacher, natürlicher, als es bis jetzt der Fall ist,
                              									gestalten würde?
                           Frid. ReiserDas Härten des Stahles. (Leipzig
                                    										1881.) unterscheidet zuerst eine Streckhärte und eine Löschhärte; sodann
                              									zwischen Glashärte, Naturhärte und Anlaſshärte. Nach meiner Entdeckung gäbe es dann noch
                              									eine combinirte Streckanlaſshärte. Ich glaube aber
                              									nicht, daſs die Wissenschaft durch Schaffung solcher Namen gewinnen könnte, und ich
                              									möchte es für einfacher und der Natur der Sache angemessener halten, wenn man dabei
                              									bliebe, die Härte des Stahles nur nach ihrem höheren
                              									oder geringeren Grade zu unterscheiden. Mag es auch seine Richtigkeit haben, daſs
                              									die Härte, welche der glühende Stahl durch Ablöschen
                              									erlangt, zum Theile auf anderen Ursachen, als die durch bloſse Verdichtung erlangte
                              									Härte beruht. Nach Tunner sind es die
                              									Kohleneisenkrystalle (das Viertelcarburet), welche hierbei eine Rolle spielen.
                              									Allein daſs auch bei der „Löschhärte“ die Verdichtung mitwirkt, haben nicht
                              									nur Caron und Akermann,
                              									wie dies Reiser anführt, schon hervorgehoben, sondern
                              									es erscheint auch durch die Untersuchungen von W.
                                 										Lorenz in Karlsruhe, auf welche ich noch zu sprechen kommen werde, klar
                              									erwiesen; überhaupt wird der Begriff der Härte nur zu
                              									oft mit jenem der Festigkeit verwechselt. Es sind denn
                              									auch die Festigkeit und die Zähigkeit jene Eigenschaften des Stahles, deren Bedeutung in der Technik
                              									obenan steht und deren Zusammenhang mit dem specifischen Volumen ich vornehmlich
                              									ergründet sehen möchte.
                           Nachdem der Stahl ebenso wohl durch die mit einer Volumenzunahme verbundene
                              									eigentliche Härtung, als wie durch die mit einer Volumenabnahme verbundene
                              									Verdichtung an Festigkeit gewinnt, so wäre man versucht, zu schlieſsen, daſs die Festigkeit des Stahles überhaupt durch Erhöhung sowohl,
                              									als auch durch Verminderung des dem gegossenen Stahle ursprünglich zukommenden
                              									specifischen Volumens gesteigert werden könne; nachdem die Zähigkeit des Stahles gewöhnlich mit steigender Festigkeit abnimmt, so
                              									könnte man glauben, daſs die Zähigkeit überhaupt um so weniger, beeinträchtigt wird, je weniger
                              									das specifische Volumen des Stahles nach der erlittenen Behandlung von dem
                              									ursprünglichen Betrage desselben, also dem Normalvolumen, bei welchem die Moleküle
                              									ihre natürlichste Lage annehmen, abweicht.
                           Beide Schlüsse sind aber zum mindesten verfrüht und begegnen wichtigen Einwänden.
                              									Erstlich müssen in dem gehärteten Stahle Schichten von sehr verschiedenen
                              									specifischen Volumen vorausgesetzt werden und kann daher von dem durchschnittlichen Volumen desselben nicht so ohne
                              									weiteres auf seine Beschaffenheit geschlossen werden. Andererseits hat Uchatius bekanntlich Stahl von gleichzeitig sehr
                              									bedeutender Festigkeit und sehr groſser Zähigkeit dargestellt und, da dieser Stahl
                              									nicht vorher gehärtet war, so muſs man das specifische Gewicht desselben trotz
                              									seiner bedeutenden Zähigkeit als weit über dem specifischen Gewichte des rohen
                              									Stahles voraussetzen, wenn man nicht annehmen will, daſs das specifische Gewicht
                              									dieses Stahles durch die Behandlung, welche in einer lang andauernden Belastung über
                              									die Elasticitätsgrenze bestand, herabgezogen wurde.
                           Die obigen zwei Sätze sind also schwer zu vereinigen und es fehlt in diesen Dingen
                              									sowie über den Einfluſs der nach einer Formänderung vorgenommenen Erwärmung des Stahles auf dessen specifisches Volumen
                              									noch jede Klarheit, Wenn ich nun auch nicht den gründlichen Untersuchungen Anderer
                              									vorzugreifen wünsche, so will ich doch meine schlieſsliche Vermuthung nicht
                              									unausgesprochen lassen, welche dahin geht, daſs es nur
                                 										allein die Compression, die dichtere Aneinanderlagerung der Moleküle sein
                              									mag, was die Festigkeit des Stahles fördert. Zum mindesten kann man sagen, daſs die
                              									Verdichtung, mag sie auf welchem Wege immer erreicht worden sein, stets mit einer
                              									Zunahme an Festigkeit einhergeht und daſs der letzte Grund davon in dem Hervorrufen
                              									gewisser Spannungen im Stahle gesucht werden muſs.
                           Daſs der Stahl auch durch die einer Ueberlastung nachfolgende Erwärmung an Festigkeit
                              									gewinnt, steht mit dieser Ansicht nicht im Widerspruche; denn es ist leicht denkbar,
                              									daſs die durch die vorangegangene Verdichtung hervorgerufenen Spannungen durch die
                              									Wirkung der Wärme mehr gleich gerichtet werden, was ihre Einwirkung steigert bezieh.
                              									die bessere Aneinanderlagerung der Moleküle auch wieder fördert. Ein Gleiches mag
                              									auch bei der lang andauernden Belastung des Stahles über die Elasticitätsgrenze
                              										statthaben.Der bedeutende Einfluſs, welchen die Anlaſstemperattir auf die auch im
                                    											ungehärteten Stahle bestehenden Molekularspannungen ausübt, wird u.a. in
                                    											sehr deutlicher Weise durch folgende Thatsache bekräftigt: Ich habe nämlich
                                    											gefunden, daſs gekrümmter Stahldraht, auf etwa 300° erwärmt und dabei nur kurze Zeit über die Elasticitätsgrenze
                                       												belastet, nach dieser Behandlung vollkommen
                                       												gerade erscheint, und es ist meiner Meinung nach kaum möglich, steifen Draht, ohne denselben auszuglühen, nach
                                    											einer anderen als der eben angegebenen Methode in so vollkommener Weise
                                    											gerade zu richten. Es ist die Möglichkeit nicht  ausgeschlossen, daſs
                                    											die Bearbeitung des Stahles in bis zur Anlaſstemperatur erwärmtem Zustande
                                    											sich für manche Zwecke sehr nützlich erweisen könnte. In der
                                    											nordamerikanischen Patentschrift von C. H.
                                       												Morgan (Forming and Tempering Wire,
                                    											Nr. 207201 vom 20. August 1878) finde ich auch folgende Stelle: „Ich habe
                                       												durch Versuche gefunden, daſs Eisen- oder Stahlstücke, welche einer
                                       												Formänderung unterzogen wurden, während dieselben noch der Anlaſshitze
                                       												ausgesetzt waren, die ihnen hierbei ertheilte Form stets beibehalten,
                                       												wogegen in kaltem Zustande geformte federnde Metalle immer das Bestreben
                                       												haben, jene Form wieder anzunehmen, welche sie vor der Formänderung
                                       												besaſsen.“
                           
                           Die Zähigkeit hingegen erachte ich nur als von der Gleichmäſsigkeit der im Stahle bestehenden Spannungen
                              									abhängig, was ja beim Glase und anderen Materialien nicht anders vorausgesetzt wird.
                              									Die bei dieser Anschauung von der Sache der Wärme zugetheilte Rolle steht keineswegs
                              									im Gegensatze zu der beim eigentlichen Anlassen
                              									vorausgesetzten Wirkung derselben. Auch dort wirkt die Wärme ausgleichend, daher nebstbei die Zähigkeit fördernd; aber bei gehärtetem
                              									Stahle zieht diese Ausgleichung die Spannungen in manchen (äuſseren) Schichten so
                              									wesentlich herab, daſs die Festigkeit des Gesammtkörpers dadurch eine Einbuſse
                              									erleidet.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)