| Titel: | Fortschritte auf dem Gebiete der Soda-Industrie. | 
| Autor: | N. | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 168 | 
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                        Fortschritte auf dem Gebiete der
                           								Soda-Industrie.
                        Weldon, über Fortschritte in der Sodaindustrie.
                        
                     
                        
                           Die Ausdehnung der Ammoniaksodafabrikation macht sich auch in England immer mehr
                              									bemerkbar und hätte jedenfalls die Auſserbetriebsetzung vieler Leblanc-Sodafabriken
                              									zur Folge gehabt, wenn letztere nicht vereinbart hätten, ihre Erzeugung
                              									herabzusetzen, um auf diese Weise den Markt zu beeinflussen und namentlich den Preis
                              									des Chlorkalkes zu erhöhen. Die Zukunft dieser Sodafabriken ist sehr düster (vgl.
                              									1884 254 221). Der einzige Umstand, welcher den Leblanc'schen Prozeſs immer noch am Leben erhielt, ist
                              									die Darstellung von Chlorkalk, welcher sonst auf so billigem Wege nicht zu erzielen ist.
                              									Wie aber W. Weldon in seinem an der Jahresversammlung
                              									der Society of Chemical Industry in Newcastle
                              									gehaltenen Vortrage (vgl. deren Journal, 1884 S. 387)
                              									zeigt, wird dies wohl kaum auf längere Zeit hinaus der Fall sein, da in dieser
                              									Richtung verschiedene, wie es scheint, sehr bedeutende und folgewichtige
                              									Entdeckungen gemacht worden sind.
                           Um das bis jetzt bei der Ammoniaksoda-Erzeugung als Chlorcalcium verloren gehende
                              									Chlor zu gewinnen, hat L. Mond (vgl. 1884 253 350) folgendes Verfahren patentirt erhalten. Die
                              									Chlorammoniumlaugen werden eingedampft. Das zuerst destillirende Ammoniumcarbonat
                              									wird verdichtet und das sich ausscheidende Kochsalz ausgefischt. Das trockene
                              									Ammoniumchlorid wird zur Austreibung der Salzsäure mit so viel Schwefelsäure
                              									erwärmt, als nothwendig ist, um NH4HSO4 zu bilden. Aus diesem sauren Ammoniumsulfat wird
                              									dann durch Einwirkung von Ammoniak gewöhnliches schwefelsaures Ammoniak für den
                              									Verkauf dargestellt, oder es wird anstatt freier Schwefelsäure zum Aufschlieſsen von
                              									Phosphat verwendet. Da die Ammoniaksodafabrik Brunner, Mond
                                 										und Co. jährlich etwa 50000t Soda
                              									liefert, so müſste sie bei Anwendung dieses Prozesses mindestens jährlich 128000t Ammoniumsulfat auf den Markt bringen, was einem
                              									Verbrauche von mehr als ⅓ Ammoniak mehr entspricht, als jährlich in Groſsbritannien
                              									erzeugt wird. Sollte die gewaltige Menge Ammoniumbisulfat zum Aufschlieſsen von
                              									Calciumphosphat verwendet werden, so würden jährlich mindestens 350000t Dünger dargestellt. Diese Betrachtungen zeigen
                              									die Unmöglichkeit der Anwendung dieses Verfahrens in irgend bedeutenderem
                              									Maſsstabe.
                           Eine andere Idee, Salzsäure in Verbindung mit dem Ammoniaksoda-Verfahren zu erhalten,
                              									welche vielleicht mehr Aufmerksamkeit erfahren hat, als sie verdient, besteht darin,
                              									Kochsalz zuerst, wie beim Leblanc-Prozesse mit Schwefelsäure zu zersetzen und das
                              									erhaltene Sulfat durch Ammoniak und Kohlensäure in Natriumbicarbonat und
                              									schwefelsaures Ammoniak umzuwandeln. Viele Versuche zeigten, daſs die Zersetzung von
                              									schwefelsaurem Natrium durch Ammoniak und Kohlensäure ohne besondere Schwierigkeiten
                              									vor sich geht. Da die Löslichkeit von Natriumsulfat bei gewöhnlicher Temperatur
                              									gering ist, so wird die Sättigung mit Ammoniak und Kohlensäure bei 34° vorgenommen,
                              									wo die Löslichkeit gröſser ist als die von Kochsalz. Anstatt die Natriumsulfatlösung
                              									zuerst mit Ammoniak und dann mit Kohlensäure zu sättigen, kann auch von vorn herein
                              									Ammoniumbicarbonat verwendet werden.
                           Da der eigentliche Kostenpunkt bei der Leblanc-Sodafabrikation in der Darstellung der
                              									Schwefelsäure und des Sulfates selbst liegt, hat die Zersetzung des letzteren durch
                              									den Ammoniakprozeſs für sich gar keinen Werth. Durch
                              									die von F. Carey, H. Gaskell und F. Hurter in Widnes patentirte Erfindung gestaltet sich
                              									dies freilich ganz anders. Danach wird schwefelsaures Ammoniak beim Erhitzen mit
                              									Natriumsulfat vollständig unter Bildung von freiem Ammoniak und Natriumbisulfat zersetzt. Aus letzterem kann
                              									durch unmittelbare Einwirkung von Kochsalz wieder Natriumsulfat dargestellt werden,
                              									so daſs theoretisch gar kein Verlust an Schwefelsäure stattfindet. Es treten beim
                              									Einschlagen dieses Weges folgende Arbeiten zu dem gewöhnlichen
                              									Ammoniaksoda-Verfahren hinzu: Eindampfen der Natrium- und Ammoniumsulfat
                              									enthaltenden Laugen zur Trockne, dann das Erhitzen des Rückstandes nach Zugabe von
                              									Natriumsulfat, schlieſslich das Zersetzen von frischem Kochsalz mit
                              									Natriumbisulfat.
                           Die Menge Wasser, welche bei der ersten Arbeit verdampft werden muſs, wird für 1t Soda etwa 5t,5
                              									betragen, was einem Verbrauche von etwa 1t Kohle
                              									entspricht. Für die dritte Arbeit sollte 0t,5
                              									Kohle genügend sein, so daſs die Kosten dieser beiden Behandlungen für Arbeit und
                              									Brennmaterial kaum 11 bis 12 M. übersteigen werden. Der Werth der Salzsäure, welche
                              									für 1t Leblanc-Soda erhalten wird, ist nach Weldon's Ansicht auf etwa 48 M. anzusetzen. Wenn die
                              									Kosten der beiden obengenannten Behandlungen zusammen 12 M. ausmachen, so bleiben
                              									für die Durchführung der eigentlichen Reaction noch 36 M., so daſs sicher noch ein
                              									bedeutender Gewinn erzielt werden kann.
                           Weldon glaubt, daſs diesem Prozesse eine bedeutende
                              									Zukunft bevorstünde, wenn nicht erneute Versuche, aus Chlorammonium mit Magnesia
                              									freies Ammoniak und Chlormagnesium zu erhalten und aus letzterem Chlor und Salzsäure
                              									darzustellen, sich erfolgreich gezeigt hätten. Nach langjährigen Versuchen über
                              									Zersetzung von Metallchloriden kam Weldon im J. 1881
                              									auf die Idee, letztere mit Metalloxyden zu mischen und der Einwirkung von Luft bei
                              									höherer Temperatur auszusetzen. Seit 1882 ist die Firma Pechiney und Comp. in Salindres beschäftigt, diese Idee besonders bei
                              									Magnesium- und Manganchlorid technisch zu verwerthen. In Salindres ausgeführte
                              									Versuche lassen keinen Zweifel, daſs beim Erhitzen des durch Zufügen von Magnesia zu
                              									Magnesiumchlorid erhaltenen Magnesiumoxychlorides bei Luftzutritt mindestens die Hälfte des Chlores im Chlormagnesium als
                              									freies, natürlich mit Stickstoff verdünntes Chlorgas und die andere Hälfte als
                              									Salzsäure erhalten wird. Der Ammoniaksodafabrikant hätte also, um das Chlor aus dem
                              									Chlorammonium zu erhalten, für 1t Soda etwa 5t,5 Wasser zu verdampfen und dann eine Mischung
                              									von 940k Magnesiumchlorid mit ungefähr 400k Magnesia bei Luftzutritt zu erhitzen, um Chlor
                              									für fast 1t Chlorkalk und dazu mehr als 1t Salzsäure (27procentig) zu erhalten. Weldon glaubt, daſs nach alle diesem die Tage der
                              									Leblanc-Sodafabrikation wohl gezählt sein werden.
                           Weldon bespricht in seinem Vortrage weiter neue Prozesse
                              									zur Darstellung von Chlor aus Salzsäure. Das jetzige
                              										Weldon'sche Verfahren gibt auch unter den besten
                              									Umständen nur ⅓ des Chlores der Salzsäure als freies Chlor; das andere geht als
                              									Calciumchlorid verloren. Eine Methode, welche alles Chlor der Salzsäure nutzbar
                              									machen soll, ist
                              									ebenfalls bei Pechiney und Comp. in Salindres in
                              									Ausarbeitung begriffen. Wie beim gewöhnlichen Weldon
                              									sehen Prozesse wird zuerst Manganhyperoxyd mit Salzsäure behandelt, so daſs man
                              									freies Chlor und eine Lösung von Manganchlorid erhält- dieselbe wird zur Trockne
                              									verdampft und in Berührung mit Luft erhitzt. Das Chlor des Manganchlorides wird als
                              									verdünntes Chlor erhalten und der Rückstand besteht aus regenerirtem
                              									Mangansuperoxyd. Man erhält also hierbei dieselbe Menge concentrirtes Chlorgas wie
                              									beim alten Weldon'schen Verfahren und dazu noch die
                              									doppelte Menge verdünntes Gas (vgl. Weldon 1884 253 * 156). Die
                              									Kosten des Chlores für 1t nach dem alten Verfahren
                              									dargestellten Chlorkalk belaufen sich nach Weldon's
                              									Berechnungen auf etwa 115 M.; der neue Prozeſs liefert 1t Chlorkalk aus weniger als 1t,5
                              									27procentiger Salzsäure. Wenn der Werth dieser Säure auf 30 M. veranschlagt wird, so
                              									bleiben 119 – 30 = 89 M., um die Kosten des Eindampfens einer Chlormanganlösung,
                              									welche etwa 1t,75 Wasser enthält, und das Erhitzen
                              									einer Mischung von 0t,75 Chlormangan mit einer
                              									bestimmten Menge Mangansuperoxyd bei Luftzutritt zu decken. Es muſs ferner erwähnt
                              									werden, daſs bei diesem Regenerirungsverfahren gar kein Kalk gebraucht wird und der
                              									Verlust an Mangansuperoxyd wahrscheinlich noch geringer ist als beim alten
                              									Verfahren. Die Zersetzung des Chlormangans durch Sauerstoff geht erst dann
                              									zufriedenstellend vor sich, wenn letzteres über den Schmelzpunkt erhitzt ist. Um
                              									jedoch eigentliches Schmelzen zu verhindern und die Substanz in möglichst feiner
                              									Vertheilung auf die Luft einwirken zu lassen, wird dieselbe mit Mangansuperoxyd
                              									gemischt; letzteres wirkt also nur als mechanisches Vertheilungsmittel. Weldon glaubt, daſs Pechiney die zuerst sehr groſsen Schwierigkeiten vollkommen überwunden
                              									hat, um diese Darstellung zu einer wirklich technisch
                              									ausführbaren zu gestalten.
                           Alle hier besprochenen Verfahren haben schon von vorn herein dem alten Leblanc'schen Prozesse gegenüber den groſsen Vortheil,
                              									daſs sie gar keine Nebenproducte irgend welcher Art liefern.
                           Die unzähligen Versuche, aus dem lästigen Sodarückstande
                              									den Schwefel zu regeneriren, sind alle ohne durchschlagenden Erfolg geblieben. Erst
                              									jetzt, wo der Leblanc'sche Prozeſs vielleicht seinem
                              									Ende zugeht, scheint ein Verfahren gefunden zu sein, bei welchem sowohl der
                              									Schwefel, als auch der Kalk regenerirt wird.
                           Das Calciumsulfid im Sodarückstande wird durch Behandlung mit Schwefelwasserstoff und
                              									Wasser als Calciumsulfhydrat in Lösung gebracht. Diese Lösung wird gekocht, wobei
                              									reiner Schwefelwasserstoff entweicht und Calciumhydrat kristallinisch ausfällt:
                              										CaH2S2 + 2H2O = CaO2H2 + 2H2S (vgl. H. v. Miller und Opl 1884
                              										253 350). Der Schwefelwasserstoff wird nach
                              									Zumischung der richtigen Menge Luft zu Schwefel verbrannt, Ueber diese letzte
                              									Behandlung wurden in der Fabrik von Chance Versuche
                              									angestellt. Der Apparat war von Claus in London
                              									construirt und bestand
                              									aus einem mit porösem Materiale gefüllten Schachtofen, in welchem die Verbrennung
                              									der Mischung von Luft und Schwefelwasserstoff vorgenommen wurde. Die Gewinnung des
                              									Calciumsulfhydrates durch Behandeln des Sodarückstandes mit Schwefelwasserstoff ist
                              									in Rassuen in Südfrankreich in Verbindung mit Lombard's
                              									Methode zur Fällung von Dicalciumphosphat aus einer Lösung von Calciumphosphat in
                              									Salzsäure mit Calciumsulfhydrat in Anwendung. Weldon
                              									glaubt, daſs, wenn das krystallinische Kalkhydrat an Stelle gewöhnlichen Kalkes
                              									verwendet werden könne und die Umwandlung von Schwefelwasserstoff in Schwefel
                              									vollkommen gelinge, die Aufgabe, den Sodarückstand nutzbar zu machen, völlig gelöst
                              									sei.
                           Nach Ansicht des Referenten ist es jedoch kaum anzunehmen, daſs diese Erwartungen in
                              									Erfüllung gehen werden. H. v. Miller (Englisches Patent
                              									1884 Nr. 7847) hat einen zweiten Vorschlag gemacht, nach welchem die Zersetzung der
                              									Calciumsulfhydratlösung, anstatt durch Kochen, mit Kohlensäure vorgenommen werden
                              									solle. Wie es scheint, wäre dieses Patent, wenn das erste wirklich
                              									zufriedenstellende Erfolge gäbe, kaum nothwendig, da an Stelle des werthvolleren
                              									Calciumhydrates nur Carbonat erhalten wird und das Schwefelwasserstoffgas jedenfalls
                              									mit Kohlensäure verunreinigt sein wird. Ausführliche Versuche des Referenten haben
                              									gezeigt, daſs selbst nach sehr langem Kochen von Calciumsulfhydrat mit Wasser immer
                              									ein bedeutender Theil unzersetzt bleibt.
                           
                              
                                 N.