| Titel: | Beiträge zur Geschichte, Theorie und Praxis der Zeicheninstrumente, insbesondere der Ellipsographen; von Prof. Ernst Fischer. | 
| Autor: | Ernst Fischer | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 188 | 
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                        Beiträge zur Geschichte, Theorie und Praxis der
                           								Zeicheninstrumente, insbesondere der Ellipsographen; von Prof. Ernst Fischer.Nach einem im Münchener Architekten- und Ingenieurverein gehaltenen
                                 									Vortrage.
                           							
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									14 und 20.
                        Ernst Fischer, über Zeicheninstrumente.
                        
                     
                        
                           Um eine umfassende Geschichte der Zeicheninstrumente zu schreiben, dürften die Kräfte
                              									eines Einzelnen wohl kaum ausreichen. Bei der Massenhaftigkeit des einschlägigen
                              									Stoffes, welcher zudem erst in neuester Zeit einigermaſsen zusammengetragen und
                              									geordnet ist, wozu insbesondere verschiedene AusstellungenVgl. Bericht über die Ausstellung wissenschaftlicher
                                       												Apparate im South Kensington Museum zu London 1876. Zugleich
                                    											vollständiger und beschreibender Katalog der Ausstellung. Im Auftrage des
                                    											kgl. groſsbritannischen Erziehungsrathes zusammengestellt von Dr. Rud. Biedermann. (London 1877.) – Bericht über die wissenschaftlichen Apparate auf der
                                       												Londoner internationalen Ausstellung 1876, herausgegeben von A. W. Hofmann. (Braunschweig 1878. Vieweg und Sohn.) – Internationale Ausstellung in
                                       												London 1876. Handbuch u.s.w. von R.
                                       												Biedermann. (London 1876.) beigetragen haben, kann sich
                              									daher auch der Verfasser des vorliegenden Berichtes nur darauf beschränken, ein
                              									ziemlich unvollständiges Bild dessen zu geben, was der obige Titel dieser Abhandlung
                              									zu versprechen scheint. Freilich lag auch die Versuchung nahe, gleich die Geschichte
                              									der Recheninstrumente mit in den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen- denn:
                              										„Lineal und Zirkel“, es ist das Losungswort, wenn wir zurückschauen bis
                              									zu den Anfängen der Kunst und der Technik; und wie nahe steht dem Lineale der
                              									Maſsstab und es dient der Zirkel nicht bloſs zum Beschreiben von Kreisen, sondern
                              									auch zum Messen von Längen. Wo also soll man die Grenze ziehen, zwischen einer
                              									Beschreibung von Zeichenapparaten und einer solchen von Recheninstrumenten? Was die
                              									letzteren betrifft, so denke man nur an die verschiedenen Formen von Rechenschiebern, welche
                              									sich an die Betrachtung der Maſsstäbe schon deshalb anschlieſsen, weil sie selbst
                              									nichts anderes sind, als an einander verschiebbare, je nach den besonderen Zwecken
                              									getheilte Stäbe; dann erst die vielen Rechentafeln und Diagramme, der Abakus und die
                              									Rechenmaschinen, die KreistheilungUeber die Geschichte der Kreistheilung vgl. Klügel's mathematisches Wörterbuch.
                                    											(Leipzig 1803/36.) u.s.w., für welche Gegenstände sich reichlich
                              									historischer Stoff bietet, so daſs diese Aufgabe gewiſs eine dankbare wäre.
                           Lineal und Zirkel – die beiden hauptsächlichsten Instrumente für geometrisches
                              									Zeichnen und Construiren – stammen aus dem fernsten Alterthume. Wahrscheinlich war
                              									eine gespannte Schnur, wie dieselbe noch heutzutage bei den Zimmerleuten in Gebrauch
                              									ist, die Urform der Vorrichtung, um eine gerade Linie zu erlangen, und eine an einem
                              									Pflocke befestigte Schnur (eine Einrichtung, die von den Gärtnern zum Abstecken
                              									kreisrunder Beete noch heute benutzt wird) gewährte zuerst das Mittel, einen Kreis
                              									zu beschreiben. Zirkel, wie wir dieselben jetzt benutzen, und zwar einige von sehr
                              									verschiedenen Formen, sind bei den Ausgrabungen von Pompeji gefunden worden.
                              									Wahrscheinlich ist jedoch, daſs die Anwendung des Zirkels, welche jetzt allgemein
                              									ist, Längen mit Genauigkeit von einem Maſsstäbe auf eine Zeichnung oder von einer
                              									Zeichnung auf eine andere zu übertragen, schwerlich im Alterthume ausgeübt wurde.
                              									Wäre diese Anwendung im Gebrauche gewesen., so ist schwer einzusehen, warum dieselbe
                              									nicht das zweite und dritte Problem des Euklid, in
                              									welchen Längen durch wirkliches Schlagen von Kreisen übertragen werden, bei Seite
                              									geschoben hat.
                           Was nun die Geschichte der Zeicheninstrumente betrifft, so zeigt sich dieselbe schon,
                              									wenn man nur das wirklich Vorhandene in Betracht zieht. Die Figuren 1 bis 3 Taf. 14
                              									dürften wohl das ältest Vorhandene auf dem vorliegenden Gebiete darstellen; es sind
                              									Gegenstände, welche sich bei den Ausgrabungen von Pompeji vorgefunden haben.Vgl. J. Overbeck: Pompeji (Leipzig 1866) Bd. 2
                                    											S. 87. Wollten wir den bildlichen Stoff für diesen Gegenstand aus
                              									Gemälden entnehmenVgl. Perrot et Chipiez: Histoire de
                                       										l'Art., so würden wir hier eine sehr bedeutende Reihe vorführen
                              									können, welche, bei den Schreibmaterialien beginnend, bis zu den Werkzeugen
                              									eigentlicher Kunst aufsteigen würde. Doch wir wollen uns nur auf das wirklich
                              									Vorhandene beschränken. Vollständig aufgefunden sind die Werkzeuge hervorragender
                              									Bildhauer und Steinmetzen, welche in allem Wesentlichen durchaus dieselben sind, wie
                              									man sich ihrer noch heute bedient. Nur einen Zirkel,
                              									welcher bei der Bildhauerei diente, theilen wir unter der kleinen Auswahl von
                              									pompejanischen Meſsgeräthen mit, welche in Fig. 1 bis 3 Taf. 14 wiedergegeben
                              									sind, und der dem heutigen so ähnlich ist, wie ein Ei dem anderen, was übrigens das
                              									Interesse an diesen
                              									Gegenständen nicht vermindern kann. Wir finden in Fig. 3 einen zusammenlegbaren Maſsstab von einem römischen Fuſs,
                              									welcher durch Punkte auf der einen Seitenfläche in 12 Uncien, durch Punkte auf der
                              									unteren Kante in 16 Digiti, die beiden gewöhnlichen Eintheilungen des Fuſses,
                              									getheilt ist. Den kleinen Halter, durch welchen der aus einander gelegte Maſsstab
                              									gesteift wird, bemerkt und versteht man wohl sofort aus der Zeichnung. In Fig. 1 ist ein
                              										Halbirungszirkel dargestellt, innerhalb dessen
                              									Schenkeln wir ein Bleigewicht (Senkblei, Loth, perpendiculum) gröſseren Kalibers, sowie zwischen den Schenkeln des.
                              									Zirkels Fig. 2
                              									ein solches kleineren Kalibers und von zierlicherer Gestalt gezeichnet haben. Der
                              									aus der Bildhauerwerkstätte stammende Zirkel
                              									Fig. 3 hat
                              									gebogene Spitzen, von denen die eine lose ist, und diente zur Messung von krummen
                              									Flächen und zwar mit nach innen gekehrten Spitzen zur Messung convexer, mit nach
                              									auſsen gekehrten Spitzen zur Messung concaver Gegenstände. Zum Verständnisse der
                              									Anwendung müssen wir noch bemerken, daſs die beiden Schenkel wie die Schneiden einer
                              									Schere neben einander liegen, so daſs der jetzt rechts befindliche Schenkel links,
                              									der sich links befindende rechts stehen konnte, in welcher Stellung sodann durch
                              									Umdrehen der einen Spitze die beiden Spitzen einander zugekehrt waren. – Dieselbe
                              									Einrichtung der Lage zweier Schenkel in zwei Ebenen zeigt die Seitenansicht des
                              									Halbirungszirkels Fig. 1, über den wir nur noch bemerken wollen, daſs derselbe in jeder
                              									Weite durch eine Stellschraube festgestellt werden konnte.
                           Was die folgende Gruppe von Figuren 4 bis 8 Taf. 14
                              									betrifft, so haben wir dieselben nach den im kgl. Antiquarium zu München
                              									befindlichen antiken Zirkeln und Senkeln angefertigt. Einer dieser Zirkel (Fig. 6) bietet
                              									besonderes Interesse, sowohl durch seine Gestalt, als auch durch seine Ausstattung.
                              									Dieser Zirkel wurde schon im J. 1867 in Carl's Repertorium, Bd. 3 S. 65 Taf. V, doch nicht mit der
                              									nöthigen Sorgfalt abgebildet; aber der ungenannte Berichterstatter bleibt auch
                              									insofern zurückhaltend, als er den Zirkel in seinem zerbrochenen Zustande darstellt
                              									und es dem Beschauer überläſst, sich den abgebrochenen Theil als solchen, oder als
                              									Constructionseigenheit zu denken; ferner wird dort nur mitgetheilt, daſs besagter
                              									Zirkel durch Prof. Brunn aus Rom mitgebracht und an das
                              									hiesige Antiquarium verkauft wurde und daſs derselbe gewiſs groſses historisches
                              									Interesse erwecke. – Wir waren nun anfänglich auch der Meinung., daſs der später von
                              									uns als abgebrochen erkannte Theil besonderen Zwecken
                              									gedient habe: allenfalls die Halbirungsrichtung eines aufgetragenen oder
                              									abgegriffenen Winkels zu geben; allein wir kamen von dieser Idee wieder ab, nachdem
                              									wir die vorhandenen Bruchflächen erkannt hatten, und gelangten zu der Ueberzeugung,
                              									daſs hier nur ein einfacher Zirkel vorliege und daſs man zur Zeit, als dieser Zirkel
                              									construirt wurde, eben den gelenkartigen Theil desselben nur durch Anlöthen eines
                              									besonderen Stückes herzustellen vermochte.
                           
                           Auch die übrigen Stücke aus dem kgl. Antiquarium zeichnen sich durch eine fein
                              									empfundene Ornamentirung aus, insbesondere noch ein Zirkel Fig. 4 und der gröſsere
                              									Senkel Fig. 8,
                              									dessen Profil auch deshalb dargestellt wurde, um noch die eigenartige Bohrung des
                              									Kopfes zu zeigen. Bemerkenswerth bei diesem Senkel ist besonders die Profillinie des
                              									Mantels, dem griechischen Echinus ähnlich gestaltet.
                           Im kgl. Antiquarium haben wir auch die verschiedensten Griffel und Stäbchen gesehen;
                              									dieselben, aus Bronze hergestellt, sind meist hübsch verziert, ähnlich unseren
                              									gedrechselten Federhaltern; die gebrauchten Enden sind häufig abgebrochen; unter den
                              									noch erhaltenen Griffeln sind solche mit etwa 5mm
                              									breiten Schneiden, deren Zweck wahrscheinlich darin bestand, in der fein quadrirten
                              									Wachsfläche Mauer- und Pilasterstärken für Grundschnitte sanft einzudrücken; auch
                              									ist es nicht unwahrscheinlich, daſs die Kantenbreite je nach der Wahl des Maſsstabes
                              									der Zeichnung 1 Modul oder 1 Partes entsprach. Andere derartige Griffel, von uns
                              									Schaber genannt, schienen uns anfänglich, ähnlich den heutigen Falzbeinen, zum
                              									Glätten der auf den Wachstafeln falsch dargestellten Linien gedient zu haben; durch
                              									deren gröſsere Aehnlichkeit aber mit unseren Bossirhölzern haben wir uns der Ansicht
                              									zugeneigt, daſs diese Gegenstände aus Bildhauerwerkstätten stammen. Der
                              									altgriechischen Sage nach wurden ohnedies Zeichnung und Plastik zugleich erfunden
                              									und als die erste Zeichnerin wird die Tochter des Dibutades genannt, welche den Schatten des Profiles ihres scheidenden
                              									Gemahles an der Wand umschrieb, den der Vater dann ausschnitt und in Thon
                              									modellirte. Ardices und Telephanes, wahrscheinlich erdichtete Namen, sollen es gewesen sein, die
                              									durch Schraffirung die Rundung der Körper auszudrücken suchten. Philokles und Kleanthes
                              									erfanden die Monochromen, d. s. die einfachen farbigen Zeichnungen, bei welchen die
                              									Farben durch Beigabe von Weiſs verschiedene Töne erhielten. Die Griechen waren sehr
                              									streng beim Unterrichte im Zeichnen; Pamphilus, der
                              									Lehrer des Apelles, verlangte, daſs seine Schüler zehn
                              									Jahre bei ihm lernten. Die Linearzeichnung wurde bei den Griechen zur höchsten
                              									Vollkommenheit gebracht und bekannt ist der Wettstreit des Apelles und Protogenes in solchen mit
                              									ungemeiner Zartheit hingeworfenen linearen Figuren.
                           Zu den Griffeln zählen auch ferner die pinselartigen Formen, wie dieselben sich
                              									bereits auf alten egyptischen Darstellungen finden, wie es überhaupt bei den alten
                              									Völkern beliebt war, ihre Meister auf Bildern und Reliefs mit deren Handwerkszeug,
                              									arbeitend, darzustellen. Unter allen Stiften fand der Röthel, besonders bei den
                              									Griechen, frühzeitig die meiste Anwendung; mit demselben läſst sich bekanntlich
                              									besonders auf Marmor gut zeichnen.
                           Die vorangehende Betrachtung führt uns übrigens von selbst auf einige Mittheilungen,
                              									welche, im engen Zusammenhange mit unserem Thema stehend, über das zur Herstellung der Zeichnungen
                              									gebrauchte Material zu machen sind. So weit unsere Forschungen reichen, waren es die
                              									Phönizier, welche kurz vor dem Solon'schen Zeitalter
                              									damit anfingen, die Töne des Gesprochenen aufzuzeichnen, im Gegensatze zur
                              									Hieroglyphie. Zu beiden gehörten aber schon eigene Stifte oder Stäbchen, als die ersten
                              									Werkzeuge, um Zeichnungen festzulegen. Der Sage nach soll Kadmus dieses Verfahren von den Phöniziern zu den Griechen gebracht haben,
                              									von welchen es wieder die Etrusker und die Römer sich aneigneten. Als Zeichenfläche
                              									diente anfangs Stein, Thon, Metall, Wachs, Baumrinde. Die äuſserst genauen
                              									Tempelzeichnungen der Griechen wurden gewiſs mit scharfen Bronzestiften in
                              									Metallflächen oder auf polirtem Stein in Gravur ausgeführt. Von den Zeichnungen zu
                              									egyptischen Tempeln fehlen uns alle Anhaltspunkte. Im 3. Jahrhunderte v. Chr. tritt
                              									der egyptische Papyrus, dann Thierhaut, zu Pergament verarbeitet, auf; im 8.
                              									Jahrhunderte n. Chr. das Baumwollpapier und seit dem 14. Jahrhunderte das Leinen-
                              									und Lumpenpapier. Auſser den Meiſseln, Griffeln und Sticheln der Griechen und Römer
                              									tritt dann allmählich der Pinsel, das Rohr und später die starke Flügelfeder
                              									gröſserer Vögel auf, bis endlich die Stahlfeder auch diese auf ein enges
                              									Anwendungsgebiet beschränkte. Als ganz neu dürfen die aus Glas hergestellten
                              									Schreib- und Zeichenfedern betrachtet werden; dieselben sind zu Spitzen fein
                              									ausgezogene Glasröhrchen, welche dann abgebrochen und auf den gewünschten
                              									Durchmesser fein abgeschliffen werden. Man füllt diese Federn mit leichtflüssiger
                              									reiner Tinte oder mit körnerfreier Tusche und kann dann damit ein paar Stunden
                              									schreiben oder zeichnen, wobei der gleichmäſsige Strich, beispielsweise von hohem
                              									Werthe beim Zeichnen von Horizontalcurven, beachtenswerth ist. Diese Federn dürften
                              									sich auch für Registrirapparate, welche eine schräge oder senkrechte Lage des
                              									Stiftes gestatten, empfehlen.
                           An die vorausgehende Betrachtung lieſse sich am besten die Aufzählung der
                              									verschiedenen Reiſszeuge anreihen; doch darf dieser Gegenstand, als zu allgemein
                              									bekannt, nur kurz berührt werden. Von besonderem historischem Interesse ist dabei
                              									zunächst die im J. 1876 auf der Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Apparate
                              									vorgeführte, dem Fürsten v. Pleſs gehörige Sammlung
                              									mathematischer Instrumente für geometrisches und Fortifications-Zeichnen, aus den
                              									ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts stammend, ausgezeichnet durch
                              									auſserordentliche Sauberkeit und vorzügliche Erhaltung. Diese Sammlung besteht aus
                              									134 Stücken: 11 Zirkel mit 11 zugehörigen Theilen, 28 Lineale und Maſsstäbe, 2
                              									desgleichen zum Fortificationszeichnen, mit 2 Schlüsseln, 8 Dreiecke und
                              									Winkelhacken, 10 Winkelmesser, 2 Storchschnäbel und 52 sonstige Apparate. Gehen wir
                              									gleich auf die neue Zeit über, so sind besonders die Leistungen des Kern'schen Institutes in Aarau (Schweiz) als
                              									bahnbrechend hervorzuheben.
                           
                           Unter den allgemein gebräuchlichen Reiſsfedern sind drei besondere Gattungen zu
                              									erwähnen: Die im Griffe feststellbaren, federnden, dann die nicht federnden und
                              									endlich die im Griffe drehbaren, die sogen. Curvenfedern. Der Zweck der Curvenziehfedern ist lediglich der, jede
                              									krumme Linie genau ausführen zu können. Eine solche Feder ist von Ed. Sprenger in Berlin construirt und näher im B. p. J. 1878 227 * 529
                              									beschrieben; bei derselben hat man nur nöthig, den Griff der Feder (nachdem dieselbe
                              									mit Tusche oder Tinte wie jede gewöhnliche Reiſsfeder gefüllt ist) genau senkrecht
                              									zu führen; der Stiel ist unbedingt ganz fest zu halten, da der untere Theil der
                              									Feder von selbst jeder Bewegung des Stieles entsprechend sich in der Richtung der zu
                              									ziehenden Curve einstellt. Um die Curvenfeder als gewöhnliche Reiſsfeder (also nur
                              									zu geraden Linien) gebrauchen zu können, genügt es einfach, eine kleine Schraube,
                              									die sich am Ende des geraden Halters befindet, festzuziehen, in Folge dessen die
                              									Drehbarkeit der Feder aufgehoben wird.
                           Unter den Curvenlinealen gehören die von Kern in Aarau aus Bein, noch besser aus Hörn, sowie die
                              									von Preiſsinger in München angefertigten Heindl'schen zu den empfehlenswerthen; alle übrigen uns
                              									bekannt gewordenen Formen sind zu verwerfen, indem nur die genannten die Elemente
                              									der cyclischen Curven sowohl, als auch der Voluten und der Kegelschnitte geben.
                           An neueren Verbesserungen geometrischer Apparate sind anzuführen:
                           1) Der Proportionalitäts- oder Reductionszirkel, welcher es ermöglicht, eine gegebene Länge, welche von
                              									einer Zeichnung auf eine andere übertragen werden soll, in einem bestimmten
                              									Verhältnisse zu vergröſsern oder zu verkleinern, um eine der gegebenen ähnliche
                              									Figur zu erhalten;
                           2) der Dreispitzzirkel, durch welchen die Lage von drei
                              									ein Dreieck bildenden Punkten von einer Zeichnung auf eine andere übertragen werden
                              									kann und welcher somit zum Uebertragen von Winkeln geeignet ist; 3) der Stangenzirkel, bestehend aus einer mit sehr genauer
                              									Theilung versehenen Stange oder Schiene, an welcher entlang die beiden Spitzen des
                              									Instrumentes vor- und rückwärts bewegt werden können. Der Abstand derselben kann
                              									mittels einer Mikrometerschraube mit groſser Genauigkeit eingestellt werden. In der
                              									Allgemeinheit seiner Anwendung für geometrisches Planzeichnen folgt zunächst der in
                              									gleiche Theile getheilte Maſsstab. Man theile ein Paar gegenüber liegende Seiten
                              									eines Rechteckes z.B. in 10 gleiche Theile und beziffere die Theilpunkte mit 1, 2,
                              									3,.... 9, ziehe hierauf die Linien 1-1, 2-2, 3-3,.... 9-9 parallel den Seiten des
                              									Rechteckes; das andere Paar von gegenüber stehenden Seiten des Rechteckes sei in
                              									ähnlicher Weise in 10 gleiche Theile getheilt, die Theilpunkte seien aber in
                              									schräger Richtung durch die Parallelen 0-1, 1-2, 2-3... mit einander verbunden; man
                              									wird dann linden, daſs die erste Gruppe von Parallelen durch die zweite in Hundertel
                              									getheilt wird. Ein solcher Diagonalmaſsstab ist auf
                              									jedem sogen.
                              									Zeichenmaſsstabe aufgetragen und dient dazu, einen der ursprünglichen Theile in
                              									Hundertel zu theilen. Mit einem feinen Zirkel läſst sich von dem Maſsstabe jede
                              									verlangte Länge abgreifen, mit einem Fehler, der ein 1/500 der Grundtheilung nicht
                              									überschreitet.
                           Schleicher und Schüll in Düren
                              									liefern in neuester Zeit Transversalmaſsstäbe in 24 verschiedenen Theilungen in
                              									bisher nicht erreichter Genauigkeit auf Papier gedruckt. (Der Preis ist 15 Pf. das
                              									Stück.) Das dazu verwendete Papier ist nicht dehnbar, eine Veränderung daher
                              									ausgeschlossen. Rühmlichst bekannt sind die von Beck und
                                 										Nestler in Lahr aus Holz und Bein hergestellten Maſsstäbe, besonders
                              									empfehlenswerth jene mit linsenförmigem Querschnitte. An dieser Stelle möge die
                              									Bemerkung eingeschaltet werden, wie überraschend es ist, daſs keine Maſsstabfabrik
                              									prismatische Maſsstabe herstellt, bei denen die Theilungen auf beiden Seiten mit
                              									entgengesetzten Bezifferungen beginnen, welche Einrichtung doch besondere
                              									Bequemlichkeiten bietet. Beck und Nestler liefern auch
                              									sogen. Stellschienen, sowohl mit einfachem, als auch
                              									mit doppeltem Anschlage und auch zum Verstellen mittels Kreisbogen.
                           Eine weiter durchgebildete Reiſsschiene mit Winkelmesser und
                                 										Neigungsskala hat Hotop construirt; dieselbe
                              									ist im D. p. J. 1876 222 *
                              									534 beschrieben, daher hier nur darauf hingewiesen sei.
                           Zur besten und bequemsten Lösung der Aufgabe: Einen Winkel zu
                                 										construiren, welcher einem gegebenen Winkel gleicht, nehmen wir getheilte
                              									Kreise oder Theile von Kreisen zu Hilfe, wie sie als Kreis-,
                                 										Halbkreis- oder Quadranten-Uebertrager bekannt
                              									sind. Die einfacheren Uebertrager sind jene von Kern in
                              									Aarau, mit Arm und Nonius; die vollendetsten sind die vom Privatdocenten Dr. Otto Decher in München construirten, welche derselbe
                              									mit dem Namen Distanzentransporteur oder Polarcoordinatograph bezeichnet hat. Dieser in Fig. 9 Taf. 14
                              									dargestellte Apparat dient zum gleichzeitigen Auftragen von Winkeln und wagerechten
                              									Entfernungen (Polarcoordinaten), wie sie durch tachymetrische Aufnahmen erhalten
                              									werden, gleichviel mit welcher Art von Universalinstrumenten, diese ausgeführt sind.
                              									Der Distanzentransporteur bildet somit eine nothwendige Ergänzung der Meſsapparate
                              									letzterer Art zum Zwecke der graphischen Darstellung der Aufnahmen.
                           Der Auftrageapparat, kurz Auftrager
                              									genannt, besteht aus einem gewöhnlichen Halbkreistransporteur mit doppelt
                              									bezifferter Kreistheilung von 10cm Radius und
                              									einem Lineale von 28cm Länge mit ebenso langer
                              									Zunge, die in nuthartiger Vertiefung genau eingepaſst und gerade geführt ist.
                              									Halbkreis und Lineal sind in ihrer Mitte durch flache, ringartige Ansätze so
                              									verbunden, daſs ihre gegenseitige Bewegung genau und doch leicht um eine
                              									gemeinschaftliche Achse ermöglicht ist. Die Lage dieser Drehachse auf der
                              									Auftragebene (Zeichenfläche) ist in der Durchbrechung der Ansätze durch ein
                              									durchsichtiges Horn- oder Gelatinplättchen mit aufgerissenem Centrum sichtbar
                              									gemacht.
                           Das Lineal trägt an einem Ende einen in der Ebene der
                              									Kreistheilung liegenden, dieser angepaſsten Nonius von 1 Minute Angabe, der frei
                              									über die Zeichenebene hinweggleitet. Mit diesem Nonius werden gegebene Richtungen
                              									und Winkel eingestellt. Zum Auftragen der wagerechten Entfernungen dient die Zunge
                              									mit der auf dieselbe aufgesetzten Punktirvorrichtung. Die Spitze der letzteren liegt
                              									mit dem Nullstriche des vorgenannten Nonius auf einem Durchmesser, so daſs das
                              									Centrum stets zwischen beide fällt. Diesem Durchmesser genau parallel ist die gerade
                              									Bewegungsrichtung der Zunge. Oberfläche von Lineal und Zunge liegen in einer Ebene;
                              									die einander gegenüber liegenden Flächenstreifen beider dienen zur Auftheilung
                              									gewünschter Längenmaſse nach verschiedenen Maſsstäben. Der Nullpunkt der Theilung ist der Fuſspunkt einer
                              									Senkrechten von der Spitze des Punktirstiftes auf die Theillinie. Die Theilung der
                              									Zunge selbst erstreckt sich für Metermaſs auf eine Länge von 25cm; ihre Fortsetzung für ausnahmsweise gröſsere
                              									Längen liegt auf dem Lineale. Zur genauen Einstellung gegebener Längen dienen zwei
                              									Nonien, deren Angabe 0mm,1 beträgt. Der Nullstrich
                              									des gewöhnlich zu benutzenden Nonius auf dem Lineale ist der Fuſspunkt einer
                              									Senkrechten vom Centrum auf die Theillinie. Die Entfernung des Centrums vom
                              									Punktirstifte wird demnach durch Einstellen der Zungentheilung gegen diesen
                              									Nullstrich bestimmt. Für gröſsere Längen als 25cm
                              									kommt der am linken Ende der Zunge liegende Nonius mit der Theilung auf dem Lineale
                              									zur Verwendung, indem als Index der letzte Theilstrich der Zungentheilung (zugleich
                              									Nullstrich des Nonius, im Originale der Theilstrich „25“) gebraucht und auf
                              									die Linealtheilung eingestellt wird. Diese reicht bis 36cm eine Länge, welche selbst im Maſsstabe 1 : 500 noch 180m wagerechter Entfernung entspricht.
                           Am Auftrager befinden sich 3 Schräubchen: das eine klemmt die
                              									Hülse des Punktirstiftes fest und läſst sonach diesen verschieden hoch stellen. Das
                              									zweite Schräubchen mit ränderirtem Kopfe liegt im Durchmesser von Punktirspitze und
                              									Nullstrich des Alhidadennonius, endigt in eine feine Spitze, die sich beim
                              									Vorwärtsdrehen des Kopfes ins Papier sticht und in Verbindung mit jener des
                              									niedergelassenen Punktirstiftes die Alhidade sammt Lineal und Zunge auf dem Papiere
                              									festhält, während gleichzeitig der Halbkreis wenig gehoben wird und unter dem
                              									Lineale gedreht werden kann. Das dritte Schräubchen mit versenktem Kopfe, über
                              									welchen beim Drehen das Lineal hinweggeht, bei den Ziffern 90 bezieh. 270 der
                              									Sexagesimalkreistheilung, endigt ebenfalls in eine feine Spitze, die sich mit Hilfe
                              									eines Schraubenziehers ins Papier drehen läſst; dieses Schräubchen dient dazu, rasch
                              									und sicher eine einmal gegebene Lage des Ganzen in Bezug auf einen Bildpunkt
                              									herbeizuführen. Endlich ist die Nulllinie der Kreistheilung, die Anfangsrichtung der
                              									Winkelzählung, gegen das Centrum hin auf den abgeschrägten kleinen Flächen noch
                              									dreifach durch auf einem Radius liegende Marken bezeichnet, damit die Lage des
                              									Auftragers auf einer gezeichneten Richtung immer leicht beurtheilt werden kann.
                           Der Gebrauch des Auftragers ist
                              									folgender: Die Originalaufschreibungen einer tachymetrischen Aufnahme werden meist
                              									nicht unmittelbar zum Auftragen zu verwenden sein, sondern es müssen einmal die
                              									abgelesenen Richtungen auf eine Anfangsrichtung umgerechnet werden, sofern nicht ein
                              									Repetitionstheodolit zur Verwendung kam, welcher die Nullablesung für die
                              									Anfangsstellung der Visirlinie einzustellen gestattet; sodann sind erst die
                              									Distanzen, sowie ihre Horizontal- und Vertikalprojectionen (am schnellsten mit dem
                              										RechenschieberRechenschieber für Berechnung tachymetrischer und barometrischer Aufnahmen
                                    											nach Decher's Angaben liefert die
                                    											Maſsstabfabrik von Beck und Nestler zu Lahr in
                                    											Baden für etwa 15 M.) zu rechnen.
                           An die auf dem Zeichenblatte gegebene Anfangsrichtung legt man nun
                              									zum Auftragen den Distanzentransporteur so nach einer Seite an, daſs sein
                              									Mittelpunkt das Bild des gegebenen Stationspunktes deckt und daſs die Marken in die
                              									Nullrichtung fallen. Der Punktirstift kommt in die gegebene Richtung, während der
                              									Nullstrich des Alhidadennonius, sowie die Spitze des dortigen Schräubchens in deren
                              									rückwärtiger Verlängerung zeigen, wenn auf Null der Kreistheilung eingestellt wird.
                              									Sodann zieht man das Schräubchen bei 90° mit einem Schraubenzieher an, bis seine
                              									Spitze ins Papier dringt; tritt nun im ferneren Gebrauche eine zufällige
                              									Verschiebung ein, so kann diese allein eine Drehung um diese Spitze sein; man
                              									braucht demnach nur die Deckung des Centrums mit dem Bildpunkte durch Zurückdrehen
                              									wieder herbeizuführen, um sofort wieder die richtige Lage zu erhalten.
                           Es erscheint nun zweckmäſsig, beim ferneren Gebrauche zuerst die Entfernungen und dann die Winkel einzustellen. Ersteres geschieht durch einen leichten
                              									Seitendruck auf die Hülse des Punktirstiftes mit der rechten Hand., bis der Nonius
                              									die einzustellende Entfernung zeigt, während die linke Hand den Transporteur aufs Papier
                              									drückt; letzteres, indem man das Lineal leicht am rechtseitigen Ende anfaſst und so
                              									lange dreht, bis der Nonius am Kreise die gewünschte Stellung hat, worauf ein
                              									rascher Druck auf den Kopf des federnden Punktirstiftes die Lage des gegebenen
                              									Punktes auf das Papier sticht. (Sollte diese in Blei gezeichnet, statt punktirt
                              									werden, so läſst sich statt des Punktirstiftes ein Zeichenstift einsetzen und ebenso
                              									verwenden.)
                           Zur Vermeidung der Umrechnung der Kreisablesungen auf eine
                              									Nullrichtung kann folgendermaſsen vorgegangen werden: Nachdem vor dem Gebrauche alle
                              									3 Spitzen zurückgezogen sind, bringt man das Centrum mit dem gegebenen Bildpunkte
                              									zur Deckung und den Punktirstift in die gegebene Anfangsrichtung, löst das
                              									Klemmschräubchen des Punktirstiftes und drückt diesen ins Papier; sodann wird das
                              									zweite Schräubchen am Alhidadennonius angezogen, bis seine Spitze fest im Papiere
                              									sitzt. Hierdurch erhält der Halbkreis hinreichend Spielraum, so daſs man denselben
                              									drehen und auf jene Ablesung einstellen kann, welche für die Anfangsrichtung gegeben
                              									ist. Endlich wird das dritte Schräubchen ebenfalls angezogen, bis seine Spitze im
                              									Papiere festsitzt, die beiden ersteren Schräubchen werden zurückgedreht und man hat
                              									nun unmittelbar die bei der Aufnahme erhaltenen Ablesungen am Kreise auf dem
                              									Auftrager einzustellen, um die Richtungen in ihrer gegenseitigen Lage auf dem
                              									Papiere zu erhalten.
                           Sind sämmtliche auf eine Hälfte des Kreisumfanges treffenden
                              									Richtungen und Punkte aufgetragen, so wird das Instrument umgelegt, indem dasselbe
                              									auf die andere Seite der Anfangsrichtung mit vertauschter Lage für Punktirstift und
                              									Nonius angelegt wird und sodann die zweite Bezifferung der Kreistheilung zu benutzen
                              									ist. Im Allgemeinen ist es vortheilhaft, die Zeichenebene so vor sich zu legen, daſs
                              									die Anfangsrichtung als Senkrechte erscheint, an welcher der Auftrager links liegt,
                              									während die rechte Seite zur Ausarbeitung gelangt.Der Auftrager aus Neusilber mit Sexagesimal- oder Centesimalkreistheilung und
                                    											beliebiger Längentheilung ist um den Preis von etwa 90 M. vom Reichenbach'schen mathematisch-mechanischen
                                    											Institute, Firma T. Ertel und Sohn in München
                                    											zu beziehen.
                           Zu dem Kapitel „Lineal und Zirkel“ gehören, auſser den verschiedenen Formen
                              									von Dreiecken mit 45°, 60° und 30°, auch jene mit Neigungen von ½-maliger,
                              									1½-maliger und ¾-maliger Böschung, wie man sich dieselben zur Zeichnung vieler Damm-
                              									oder Einschnittsprofile beim Entwürfe von Erdbauwerken herstellen läſst. Ferner muſs
                              									hier eines Dreieckes gedacht werden, das unter den Hunderten von Lösungen für die
                              									graphische Quadratur des Kreises wohl die beste und empfehlenswertheste geben
                              									dürfte. Das Instrument, von J. Schröder in Darmstadt in
                              									zwei Gröſsen zu beziehen, ist nach seinem Erfinder der Bing'sche Kreiswinkel benannt und hat das
                              									Aussehen eines gewöhnlichen Winkeldreieckes.
                           Die Aufgabe, die Abwickelung eines Kreisumfanges auf eine gerade Linie oder die
                              									Verwandlung einer Kreisfläche in ein gleich groſses Quadrat durch eine einfache
                              									Construction ohne Rechnung genau vorzunehmen, hat seit undenklichen Zeiten als
                              									unlösbar gegolten und ist es gewissermaſsen bis heute noch. Das Bedürfniſs einer
                              									solchen einfachen Verwandlungsconstruction tritt in neuerer Zeit noch mehr in den
                              									Vordergrund, da die graphische Darstellung in vielen technischen Zweigen die bisher
                              									meist übliche analytische Methode verdrängt, indem erstere meist weniger
                              									theoretische Vorkenntnisse erfordert und zugleich ein übersichtliches Ergebniſs liefert. Die
                              									Genauigkeit der graphischen Darstellung hängt freilich von der mehr oder weniger
                              									scharf ausgeführten Zeichnung und gleichzeitig von der Güte der angewendeten
                              									Instrumente (Zirkel, Winkel u. dgl.) ab.
                           Ed. Bing, technischer Direktor der russisch-baltischen
                              									Waggonfabrik zu Riga, hat nun zu seiner Lösung der vorhin genannten Aufgaben, auſser
                              									Reiſschiene (oder Anlegewinkel) und Kreiszirkel, nur einen einfachen Winkel (Dreieck
                              										Fig. 10
                              									Taf. 14) nöthig, bei welchem Winkel β = 90° und Winkel
                              										α = 27°35'49'',636 ist, oder mit anderen Worten: Es
                              									muſs cos α = ¼π sein. (Es
                              									läſst sich dieser Winkel a auch aus seiner Tangente
                              									construiren, welche fast genau = 23/44 ist.) Wenn die nachfolgende Constructionsmethode
                              									erst in weiten Kreisen bekannt sein wird, so werden solche Winkel, welche sich
                              									fabrikmäſsig ja fast mit mathematischer Genauigkeit herstellen lassen, überall in
                              									verschiedenen Gröſsen im Handel zu haben sein. In Folgendem geben wir die mit dem
                              									Kreiswinkel zu lösenden Aufgaben nebst Beweisen.
                           1a) Der Durchmesser d eines Kreises
                              									ist gegeben- man soll den Umfang u construiren.
                           Lösung: Auf Linie AE (Fig. 11 Taf. 14) trage
                              									man AD = 2d auf, lege die
                              									Hypothenuse des Kreiswinkels an die Reiſsschiene und ziehe mit der langen Kathete
                              										AC, mit der kurzen DC,
                              									kehre den Kreiswinkel um und ziehe mit demselben durch C die Linie CB, so schneidet diese den Umfang
                              										u = AB auf der Linie AE ab.
                           Beweis: Ziehe die Höhe HC, so ist
                              										A\,C\,:\,A\,D=cos\,\alpha=\sqrt{1/4\,\pi}; ferner
                              										A\,H\,:\,A\,C=cos\,\alpha=\sqrt{1/4\,\pi}. Multiplicirt man
                              									diese beiden Gleichungen mit einander, so entsteht: AC
                              									: AD × AH : AC = ¼π oder AH : AD = ¼π oder 4AH = AD × π. Da nun AD = 2d und 2AH = AB ist, so
                              									folgt: 2AB = 2dπ oder AB = dπ; somit ist AB = u
                              									der gesuchte Umfang.
                           1b) Der Umfang u eines Kreises ist
                              									gegeben, man soll den Durchmesser d construiren.
                           Lösung: Trage in Fig. 13 Taf. 14 AB = u auf, ziehe AC und
                              										BC mit dem Kreiswinkel, sodann aus dem
                              									Durchschnittspunkte C die Linie CD ebenfalls mit dem Kreiswinkel, so schneidet diese AD = 2d auf der Linie AB ab. Will man ohne Zirkeltheilung das einfache d finden, so ziehe man DF
                              									ebenfalls mit dem Kreiswinkel, fälle vom Durchschnittspunkte F ein Perpendikel auf AB, welches AG = d auf der Linie AB
                              									abschneidet.
                           Der Beweis ist ganz ähnlich wie vorhin zu führen.
                           2a) Es ist ein Kreis bezieh. dessen Durchmesser d gegeben; es soll die Seite S des Quadrates construirt werden, welches gleich groſse Fläche wie der
                              									Kreis hat.
                           Lösung: Man lege die kurze Kathete des Kreiswinkels an die
                              									Reiſsschiene und ziehe im Kreise (Fig. 12 Taf. 14) den
                              									Durchmesser AB mit der Hypothenuse des Kreiswinkels,
                              									sodann mit der langen Kathete AC, so ist dies die
                              									gesuchte Quadratseite S.
                           Beweis: Vollende das rechtwinklige Dreieck ABC, so ist A\,C\,:\,A\,B=A\,C\,:\,d=cos\,\alpha
                                 										=\sqrt{1/4\,\pi} also:
                              										A\,C=d\,\times\,\sqrt{1/4\,\pi}. Quadrirt man diese
                              									Gleichung, so entsteht AC2 = ¼πd2
                              									; also ist AC = S die
                              									gesuchte Quadratseite.
                           2b) Es ist die Quadratseite S gegeben
                              									und es soll der Durchmesser d oder der Halbmesser r des Kreises construirt werden, dessen Fläche = S2 ist.
                           Lösung: Man mache AC (Fig. 14 Taf. 14) gleich
                              									der Bekannten S, ziehe von A und C mit dem Kreiswinkel zwei Linien AO und CO, so ist deren
                              									Durchschnitt O der Kreismittelpunkt und AO = CO = r gleich dem gewünschten Halbmesser.
                           
                           Beweis: Ziehe OH senkrecht AC, so ist AH = HC = ½S; ferner ist:
                              										1/2\,S\,:\,A\,O=cos\,\alpha=\sqrt{1/4\,\alpha}=1/2\,\sqrt{\pi}
                              									oder S:AO=\sqrt\pi oder S=AO\times \sqrt\pi.
                              									Quadrirt man letztere Gleichung, so ergibt sich:
                              										S^2=\overline{A\,O^2}\,\times\,\pi; folglich ist AO gleich dem gesuchten Halbmesser r.
                           Wie leicht einzusehen, lassen sich die vier Aufgaben mittels des Kreiswinkels auch
                              									auf andere Art lösen und beweisen; doch sind hier die einfachsten Lösungen und
                              									Beweise gewählt. Die Lösungen, mit Ausnahme des Falles 2a erfordern nicht einmal
                              									einen Kreiszirkel. Es ist ferner klar, daſs sich auf ähnliche Weise alle die
                              									Aufgaben, welche Berechnungen mit Faktoren wie π, √π, π2 erfordern, wie
                              									z.B. Flächenermittelung der Ellipse, mittels des Kreiswinkels lösen lassen.
                           Die Lösung der anfangs erwähnten, scheinbar höchst schwierigen Probleme ist somit
                              									eine überraschend einfache und jedenfalls nicht umständlicher als das Nachschlagen
                              									der betreffenden Zahlen in Tabellen. Bing zweifelt
                              									deshalb nicht daran, daſs sein Kreiswinkel, welcher ja auch als gewöhnlicher
                              									Zeichenwinkel zu gebrauchen ist, bald auf jedem Zeichentische zu finden sein
                              									wird.
                           Es lassen sich die eben angegebenen Lösungen auch mittels eines anderen Instrumentes
                              									auf noch einfachere Art und Weise finden und zwar durch einen Proportionalzirkel (Fig. 16 Taf. 14), dessen
                              									Schenkel das Verhältniſs a\,:\,b=1\,:\,\sqrt{1/4\,\pi} haben
                              									(annähernd = 879 : 779). Die Handhabung eines solchen Zirkels ist einfach.
                           1a) Stelle die Zirkelseite a auf den
                              									gegebenen Durchmesser d, steche sodann
                              										b=d\,\sqrt{1/4\,\pi} auf dem Papiere ab, stelle dann die
                              									Zirkelseite a auf diese gefundene Gröſse
                              										d\,\sqrt{1/4\,\pi}, so steht b
                              									auf d\,\sqrt{1/4\,\pi}\,\times\,\sqrt{1/4\,\pi}=1/4\,\pi\,d;
                              									trägt man nun b viermal auf dem Papiere auf, so ist
                              									dies gleich dπ, d, i. der gesuchte Umfang u.
                           1b) Ist in umgekehrter Richtung wie la vorzunehmen.
                           2a) Stelle die Zirkelseite a auf den
                              									gegebenen Durchmesser d, so ist die Zirkelseite
                              										b=d\,\sqrt{1/4\,\pi} gleich der gesuchten Quadratseite S.
                           2b) Stelle die Zirkelseite b auf die
                              									gegebene Quadratseite S, so ist
                              										a=S\,:\,\sqrt{1/4\,\pi} gleich dem gesuchten Durchmesser d.
                           Wenngleich die Lösungen mit dem Proportionalzirkel einfacher als mit dem
                              										Kreiswinkel„Bing's Kreiswinkel“ werden in zwei
                                    											Gröſsen, sowohl in Holz als in Hartgummi, von J.
                                       												Schröder in Darmstadt geliefert. sind, so werden doch
                              									die Anschaffungskosten des ersteren, sowie die durch unvermeidliches Nachschleifen
                              									entstehenden Ungenauigkeiten seiner allgemeinen Einführung etwas hinderlich sein,
                              									während die Richtigstellung des Kreiswinkels ohne jede Schwierigkeit jederzeit
                              									vorgenommen werden kann.
                           Schlieſslich möge noch bemerkt werden, wie die Construction des goldenen Schnittes mittels des Winkels von 30° und des Kreiswinkels
                              									vorgenommen werden kann.
                           Die Theilung einer Linie ab (Fig. 15 Taf.
                              									14) in zwei Theile derart, daſs der gröſsere Theil ad
                              									die mittlere Proportionale zwischen dem kleineren Theile db und der ganzen Linie ab ist, d.h. die
                              									Theilung nach dem goldenen Schnitte, kann auf folgende Weise geschehen: Man zieht
                              										ac mit einem Winkel von 30°, die Linie bc mit dem Kreiswinkel, alsdann von dem Schnittpunkte
                              										c die Linie cd
                              									ebenfalls mit dem Kreiswinkel, so schneidet diese die ganze Linie ab im goldenen Schnitt. Die trigonometrische Probe
                              									ergibt einen Fehler von 0,000568 = 1/1761 der ganzen Linie, ein Fehler, der so
                              									geringfügig ist, daſs derselbe für das Ergebniſs ganz unwesentlich erscheint, und
                              									welcher bei der bekannten üblichen umständlicheren Construction selbst bei feinster
                              									Ausführung der Zeichnung nicht vermieden werden kann.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               
