| Titel: | Ueber Verwendung der Elektricität im Münzwesen. | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 249 | 
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                        Ueber Verwendung der Elektricität im
                           								Münzwesen.
                        Mit Abbildungen.
                        Ueber Verwendung der Elektricität im Münzwesen.
                        
                     
                        
                           Seit einiger Zeit macht man im Münzwesen von der Elektricität Anwendung zum Justiren
                              									der Münzplättchen, worüber H. v. Jüptner in der Zeitschrift für Elektrotechnik, 1884 * S. 136 nach den
                              										Annual Reports of the Deputy Master of the Mint (in
                              									London) und nach Mittheilungen C. v. Ernst (vgl. Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen,
                              									1881 S. 376) berichtet.
                           Trotz aller Vervollkommnungen der Münzmaschinen fallen eine nicht
                              									unbeträchtliche Menge der Münzplättchen zu schwer oder zu leicht aus. Letztere
                              									müssen nochmals eingeschmolzen, erstere aber justirt,
                              									d.h. auf das richtige Gewicht gebracht werden. Gewöhnlich geschieht nun dieses
                              									Justiren durch Feilen, Hobeln oder Schaben (vgl. Seyß
                              									1882 245 * 61) – Arbeiten, welche leicht Verluste an
                              									Edelmetall, zu bedeutende Verringerung des Gewichtes der Plättchen, unvollkommene
                              									Prägung in Folge zu tiefer Schabstreifen und andere Nachtheile mit sich bringen
                              									können.
                           Zur Vermeidung dieser Uebelstände wurde schon im J. 1859 von C. L. Dierick, Direktor der Pariser Münze,
                              									vorgeschlagen, die zu schweren Münzplättchen in ein entsprechend zusammengesetztes
                              									Säurebad zu tauchen und so den Metallüberschuſs wegzulösen (vgl. 1860 157 281). Für Goldplatten empfahl er ein Gemenge aus 5
                              									Th. Salpetersäure, 20 Th. Salzsäure und 15 bis 20 Th. Wasser, je nachdem die
                              									Auflösung schneller oder langsamer verlaufen sollte. Nach Dierick's Angaben kann diese Arbeit im Sommer bei gewöhnlicher Temperatur
                              									vorgenommen werden, während im Winter die Säuremischung auf 20 bis 30° erwärmt
                              									werden muſs. Um ein gleichmäſsiges Anätzen der einzelnen Plättchen hervorzurufen,
                              									brachte Dierick die Platten (bis 10000) in eine Art
                              									durchlöcherte Trommel (aus Kautschuk, Guttapercha, Porzellan u. dgl.), die von Hand
                              									oder mittels Kraftbetriebes um ihre Achse gedreht werden konnte. Schlieſslich wurden
                              									die Platten mit Wasser abgespült und getrocknet, das in Säure und Waschwasser
                              									gelöste Gold aber durch Fällen mit Eisenvitriol wiedergewonnen. Da dieses Verfahren
                              									keine weitere Verbreitung fand, müssen sich der praktischen Durchführung Hindernisse
                              									entgegengestellt haben.
                           Im J. 1870 schlug W. F. Ch. Roberts,
                              									Chemiker der kgl. Münze in London, vor, die in Rollen an einander gereihten
                              									Münzplättchen durch Anwendung eines durch einen galvanischen Strom unterstützten
                              									Lösungsmittels zu justiren. Seine Versuche ergaben, daſs die Menge des in Lösung
                              									gehenden Metalles, gleiche Stromstärke vorausgesetzt, genau der Zeit der Einwirkung
                              									proportional sei, daſs daher die Entfernung des Uebergewichtes mit vollkommener
                              									Sicherheit und Hegelmäſsigkeit bewerkstelligt werden könne. Leider konnte das
                              									Verfahren an der Londoner Münze aus dem Grunde keinen Eingang finden, weil nach den
                              									dort bestehenden Gesetzen sowohl zu schwere, als zu leichte Münzplättchen wieder
                              									eingeschmolzen werden müssen.
                           Dafür wurde diese Justirmethode in der Münze zu Bombay im J. 1873
                              									von W. L. G. Hynes bei Anwendung einer Säure als
                              									Lösungsmittel versucht. F. W. Peterson setzte diese
                              									Versuche fort und gegenwärtig wird diese Behandlung an den Münzen zu Bombay und
                              									Calcutta in nachstehend beschriebener Methode im Groſsen ausgeführt.
                           Der verwendete Justirapparat Fig. 1 und 2 besteht aus einem festen Holzbehälter a, in welchem die Münzplatten b derart neben einander aufgestellt werden, daſs sie sich gegenseitig
                              									berühren. Dieser Rahmen wird, nachdem derselbe mit Plättchen beschickt ist, in einen
                              									mit einer Cyankaliumlösung gefüllten Behälter gesenkt. Von der Elektricitätsquelle
                              									führt ein Leitungsdraht zu der einen durch einen angebrachten Silberstreifen d leitend gemachten Rahmen wand; der zweite Pol
                              									(ebenfalls ein Silberstreifen) taucht frei in die Cyankaliumlösung. Als
                              									Elektricitätsquelle dient in den indischen Münzen eine Siemens'sche dynamoelektrische Maschine. Wenn man die Vorsicht gebraucht,
                              									daſs nur Fig. 1., Plättchen von nahe ganz gleichem
                              									Gewichte auf einmal justirt werden, was ja so wie so geschehen muſs, so kann man
                              									auch noch leicht eine Vorrichtung anbringen, durch welche der Auflösungsprozeſs
                              									selbstthätig unterbrochen wird, indem man den Rahmen an einen Wagebalken anhängt,
                              									auf dessen einer Schale so viel Gewichte angebracht sind, daſs der Rahmen sammt den
                              									darin befindlichen Münzplättchen, wenn letztere justirt sind, in der
                              									Cyankaliumlösung eintauchend, sich genau im Gleichgewichte befindet. Wird das
                              									Gewicht um etwas geringer, so hebt sich der Arm des Wagbalkens, an welchem der
                              									Rahmen aufgehängt ist, und der Strom wird unterbrochen.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 255, S. 250
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 255, S. 250
                              
                           Dieselbe Methode hat Roberts auch noch zur Justirung zu leichter Münzplättchen empfohlen, also jener
                              									Plättchen, welche bisher sämmtlich eingeschmolzen werden muſsten, indem auf
                              									dieselben mit Hilfe des galvanischen Stromes das aufgelöste Silber niedergeschlagen
                              									wird. Dieses Verfahren wird in den indischen Münzanstalten folgendermaſsen
                              									ausgeführt. Es werden, wie aus Fig. 3 zu ersehen,
                              									zwei ähnliche Apparate Fig. 3. wie der oben
                              									beschriebene über einander gestellt, jedoch so, daſs sich die Silberplatten d und d1 derselben nicht berühren. Der obere Apparat,
                              									dessen Silberplatte d durch den Leitungsdraht c mit dem positiven Pole des Elektricitätserregers
                              									verbunden ist, enthält die zu schweren Münzplatten b, der untere, dessen Silberplatte d1 durch den
                              									Leitungsdraht c1 mit
                              									dem negativen Pole verbunden ist, die zu leichten Platten b1. Beide werden in ein Gefäſs mit
                              									concentrirter Cyankaliumlösung gestellt. Am positiven Pole gehen die Metalle als
                              									Doppelcyanverbindungen in Lösung, während sie sich am negativen bei genügender
                              									Stromstärke (bei zu schwachem Strome wird ein Metall nach dem anderen ausgeschieden)
                              									aus dieser Lösung wieder niederschlagen.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 255, S. 250
                              
                           Natürlich könnte auch hier ein selbstthätiger Stromunterbrecher, ganz ähnlich dem
                              									oben beschriebenen, der gegebenen Falles auch ein Läutewerk in Thätigkeit setzen
                              									könnte, in der Art angewendet werden, daſs an demselben der obere Rahmen aufgehängt
                              									wird.
                           Diese neue Justirmethode ist in Indien zu einer gebräuchlichen Münzbehandlung
                              									geworden; welcher Nutzen durch dieselbe gestiftet wird, geht daraus hervor, daſs
                              									in der Bombayer Münzstätte im J, 1879 1320800k
                              									Silber vermünzt und nicht weniger als 5000000 Münzplättchen auf diese Weise justirt
                              									wurden, wobei man 28000 M. durch Anwendung des neuen Verfahrens ersparte, sowie
                              									daraus, daſs die zu leichten und die zu schweren Münzplättchen in der Londoner Münze
                              									20 Procent der erzeugten Plättchen betragen.
                           Auch J. Müller berichtet in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1884 S. 438 über
                              									Versuche zu elektrolytischer Justirung der Münzen und zwar insbesondere der zu leichten, was derselbe für wichtiger hält, da zum
                              									Justiren zu schwerer Münzen mechanische Hilfsmittel von groſser Leistungsfähigkeit
                              									zu Gebote stehen.
                           Es wurden zu leichte Münzplatten für Einguldenstücke gewählt,
                              									welche durchschnittlich 12g,221 wogen, während
                              									diese sogen, schwarzen Platten 12g,3555 und mit
                              									dem sogen. Remedium 12g,3061 betragen soll. Das
                              									gesetzliche Gewicht der weiſs gesottenen, zum Prägen vorgerichteten Einguldenplatten
                              									ist 12g,345679; es muſste daher bei den leichten
                              									Platten das fehlende Gewicht galvanisch niedergeschlagen werden; viel gröſsere
                              									Gewichtsunterschiede kommen höchst selten und nur bei einzelnen fehlerhaften oder
                              									verunstalteten Stücken vor, welche ohnehin unbrauchbar sind. Um die Grenze des
                              									Leichtgewichtes der Münzplatten zu erfahren, bis zu welcher herab diese Methode noch
                              									anwendbar ist, benutzt man die Formel: x = G (1000 – f) : (1000 – f'), worin G das
                              									gesetzliche Gewicht der Münze, f den Feinhalt, welchen
                              									die fertige Münze erhalten soll, f' den Feinhalt der zu
                              									behandelnden Münzplatte bedeuten. Für Einguldenstücke ist x = 12,345679 (1000 – f) : (1000 – f') und es ergibt sich aus der Formel z.B., daſs, wenn
                              									der Feinhalt der zu behandelnden schwarzen Platten 898 Tausendtheile wäre und die
                              									daraus erzeugten Guldenstücke 0,900 Feinsilber enthalten sollen, dann x = 12g,1 ist, d.h.
                              									daſs Münzplättchen unter diesem Mindestgewichte nicht mehr zu verwenden sind.
                              									Zugleich ist zu ersehen, daſs das fehlende Metall nicht mehr Legirung, sondern Feinsilber sein müsse; der galvanische Niederschlag
                              									entspricht hier der Feinsilberschicht der weiſs gesottenen Münzen.
                           Unter Verwendung von 2 Leclanché-Elementen und einer pneumatischen Wanne, welche mit
                              									einer Lösung von 15g Chlorsilber in 1l Cyankaliumlösung gefüllt war, diente als Anode
                              									ein Silberband, während an der Kathode ein zusammengerollter Draht befestigt war, um
                              									die Münzplättchen bequem eintauchen zu können. Die entfetteten Münzplättchen wurden
                              									nun eine ihren Fehlgewichten entsprechende Zeit hindurch eingetaucht, sodann
                              									herausgenommen, mit Wasser abgespült und getrocknet. Die Abwäge derselben ergab bei
                              									allen mit verschwindend kleinen Abweichungen das erwartete gesetzliche Normalgewicht
                              									von 12g,345. Der Silberüberzug der Münzplatten ist
                              									gleichförmig, zeigt selbst unter der Lupe keine Lücken und scheint dichter zu sein
                              									als die beim Weiſssieden durch Wegbeizen des Kupferoxydes aufgelockerte
                              									Feinsilberschicht, ist also wahrscheinlich auch viel dauerhafter, was wohl eine
                              									besondere Beachtung verdient. Die bisherige Behandlung des Weiſssiedens der Münzen
                              									entfällt selbstverständlich bei dieser Methode vollständig.
                           Die so behandelten gewichtsrechten Münzplatten wurden schlieſslich geprägt und
                              									zeigten nun eine schöne glänzende Oberfläche, deren reine silberweiſse Farbe sich
                              									merklich vortheilhaft von den nach dem Weiſssude geprägten Münzen unterschied;
                              									der Silberüberzug haftete auf der Münzplatte, wie aufs Innigste mit derselben
                              									verschmolzen, fest und vollkommen. Der Feingehalt der Münze betrug 899,4
                              									Tausendtheile, war also befriedigend.
                           Zur Justirung leichter Münzplatten im Groſsen kann man die jetzt gebräuchlichen
                              									galvanischen Apparate für den Groſsbetrieb benutzen, in welchen die Münzplatten,
                              									nach ihrem Gewichte mittels Sortirmaschinen geschieden, eingelegt werden und während
                              									der entsprechenden Zeitabschnitte verbleiben; oder man benutzt den schon oben
                              									erwähnten Wiegeapparat, bei welchem, wenn das verlangte Gewicht des
                              									Silberniederschlages erreicht ist, die Wage sofort ausgelöst wird und eine
                              									Unterbrechung der Strom Wirkung eintritt.
                           In den österreichischen Punzirungsämtern hat man neuestens von einem ähnlichen
                              									Verfahren Gebrauch gemacht. Es handelt sich nämlich häufig darum, den Goldgehalt (Feingehalt) eines
                                 										Gegenstandes zu bestimmen, der auſsen mit Feingold (nahezu chemisch reinem
                              									Golde) überzogen ist. Ist es nun schon bei massigen Gegenständen umständlich, diese
                              									Feingoldschicht durch Abschaben zu entfernen, so ist dies bei dünnen (besonders
                              									feinen Draht-) Gegenständen, wie es beispielsweise viele Farbgold-Damenuhrketten
                              									deutschen Ursprunges sind, geradezu unmöglich. Aus diesem Grunde schlug im J. 1881
                              									der Punzenschläger des Filial-Punzirungsamtes, Rudolf,
                              									vor, diese Feingoldschicht durch Auflösen in Cyankaliumlösung zu entfernen. Später
                              									führte Wardein Knies die galvanische Entgoldung ein,
                              									d.h. er unterstützte die Auflösung des Feingoldes mittels Anwendung eines
                              									galvanischen Stromes. Endlich hat E. Priwoznik die
                              									Anwendung des elektrischen Stromes zur Reduction des bei der Gay-Lussac'schen Silberprobe abfallenden Chlorsilbers empfohlen und einen
                              									hierzu geeigneten Apparat angegeben (vgl. 1880 235 *
                              									117), welcher gegenwärtig im General-Probiramte, im k. k. Wiener Münzamte und bei
                              									den österreichischen Punzirungsämtern mit Vortheil in Verwendung steht.