| Titel: | Versuche über die Zersetzung von schwefelsaurem Ammoniak mittels Natriumsulfat; von G. Blattner. | 
| Autor: | G. Blattner | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 252 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Versuche über die Zersetzung von schwefelsaurem
                           								Ammoniak mittels Natriumsulfat; von G. Blattner.
                        Blattner, über Zersetzung von schwefelsaurem Ammoniak.
                        
                     
                        
                           E. Carey und F. Hurter in
                              									Widnes haben für ein Verfahren zur Gewinnung von Ammoniak aus Ammoniumsulfat mit
                              									gleichzeitiger Verwerthung der darin enthaltenen Schwefelsäure Patente erhoben;
                              									dasselbe besteht in der Zersetzung des schwefelsauren Ammoniums durch Natriumsulfat
                              									in der Hitze, wobei das Ammoniak frei gemacht werden, als solches entweichen und
                              									andererseits saures schwefelsaures Natrium zurück bleiben soll, welches dann, mit
                              									Kochsalz gemischt und erhitzt, Salzsäure und wiederum neutrales Natriumsulfat geben
                              									würde. Dieser Prozeſs
                              									schien mir eine gewisse Wichtigkeit zu haben, da er vielleicht sich eine Zukunft
                              									verschaffen könnte; ich wollte daher dessen Grundreaction: (NH4)2SO4 + Na2SO4 = 2NaHSO4 + 2NH3 prüfen.Vgl. S. 169 d. Bd., ferner * D. R. P. Kl. 75 Nr. 30198 vom 26. April
                                    											1884.Red.
                           Vor der Hand wurden einige Versuche angestellt, um zu erfahren, ob in dem sich
                              									bildenden Natriumbisulfate noch bedeutende Mengen Ammoniak zurück bleiben, oder ob
                              									fast alles ausgetrieben werden kann. Bei jedem Versuche löste man eine bestimmte
                              									Menge krystallisirtes reines Ammoniumsulfat in wenig Wasser auf, dampfte es in einer
                              									offenen Eisenschale bis zur Dicke eines dünnen Syrups ein, fügte dann ein wenig mehr
                              									als die äquivalente Menge von calcinirtem Natriumsulfat zu, mischte und erhitzte nun
                              									weiter, bis man keine entweichenden Ammoniakdämpfe mehr nachweisen konnte. Beim
                              									Erhitzen der Mischung der beiden Sulfate geht zuerst das noch vorhandene Wasser
                              									fort- dann wird sie fest und erst bei fortgesetztem Erhitzen wieder flüssig, in
                              									welchem Zustande der Rückstand bis zu Ende der Reaction verbleibt. Bei dieser
                              									Behandlung beobachtet man gleichzeitig ein Entweichen von weiſsen Dämpfen. Auf
                              									angegebene Weise wurden die folgenden 4 Versuche ausgeführt:
                           1. Versuch: Es wurden angewendet 20g Ammoniumsulfat mit 25g calcinirtem
                              									Natriumsulfat von 95 bis 97 Proc. Nach beendigter Behandlung bestimmte man das im
                              									Natriumbisulfate zurückgebliebene Ammoniak durch Destillation mit Natronlauge und
                              									fand 0g,255 NH3
                              									oder 5 Procent des angewendeten Ammoniaks.
                           2. Versuch: 10g schwefelsaures
                              									Ammonium mit 13g Natriumsulfat wurden derselben
                              									Behandlung unterworfen, wobei sich als zurückgebliebenes NH3 0g,175 oder 6,8
                              									Procent des angewendeten Ammoniaks ergab.
                           3. Versuch: 40g Ammoniumsulfat
                              									wurden mit 50g Natriumsulfat behandelt unter
                              									Anwendung einer etwas gröſseren Hitze als in den vorhergehenden Versuchen. Man fand
                              									als gebliebenes NH3 0g,157 oder 1,5 Proc. des angewendeten.
                           4. Versuch: Ganz derselbe Versuch wiederholt, wobei in dem
                              									entstandenen Natriumbisulfate noch 0g,123 NH3 oder 1,2 Procent des angewendeten gefunden
                              									wurden.
                           Der Grund, warum in den beiden ersten Versuchen bedeutend mehr Ammoniak im
                              									Natriumbisulfate verblieb, erklärt sich aus der später genauer erwähnten Thatsache,
                              									daſs sich am Rande der Eisenschale eine Ammoniakverbindung bildete, während in den
                              									beiden letzten Versuchen diese Verbindung durch die gröſsere Hitze verjagt
                              									wurde.
                           Nun drängte sich die Frage auf, ob dies überhaupt der einzige Ammoniakverlust sei,
                              									welcher bei dieser Reaction stattfinde, oder ob zu diesem noch andere hinzukommen,
                              									von welchem Umstände die technische Verwendung der Reaction abhängig sein muſs. Um
                              									diese Frage zu entscheiden, wurde eine weitere, gröſsere Anzahl von Versuchen in
                              									einer anderen Weise angestellt. Die Substanzen, theils in Lösung, theils fest,
                              									brachte man in eine Retorte; dieselbe war mit zwei Erlenmeyer'schen Kolben verbunden, in welchen sich Schwefelsäure befand,
                              									immer in genügendem Ueberschusse, um alles Ammoniak zu absorbiren.
                           
                           Die beiden Kolben waren unter sich durch eine zweifach
                              									rechtwinklig gebogene Glasröhre verbunden, welche in beiden bis auf den Boden
                              									reichte, um ein etwaiges Zurücksteigen der Flüssigkeit in die Retorte zu vermeiden.
                              									Am Schlüsse jedes Versuches wurde noch eine Zeitlang Luft durchgeblasen, um das
                              									allenfalls noch in der Retorte als Gas vorhandene Ammoniak in die Schwefelsäure zu
                              									treiben. Alle Bestimmungen des Ammoniaks wurden durch Destillation mit Natronlauge
                              									und Auffangen in Normalschwefelsäure ausgeführt. Folgende Tabelle gibt die Ziffern,
                              									sowie die näheren Bedingungen der einzelnen Versuche an. Die Tabelle enthält: I) die
                              									Menge NH3, welche wirklich als solches entwickelt
                              									und in den Erlenmeyer'schen Kolben verflüssigt wurde;
                              									II) die Menge NH3, welche im entstandenen
                              									Natriumbisulfat zurückblieb, zuzüglich derjenigen Menge, welche sich im oberen
                              									Theile der Retorte sowie
                           
                              
                                 Nr. der Versuche
                                 Bedingungen der einzelnenVersuche
                                 Zum Versuche alsSulfat
                                    												angewendetesNH3
                                 I
                                 II
                                 III
                                 I
                                 II
                                 III
                                 
                              
                                 In Gramm gefundeneMengen
                                 In Proc. des angewende-ten
                                    											Ammoniaks
                                 
                              
                                 Als solchesentwickeltesNH3
                                 Zurück-gebliebenesund subli-mirtes
                                    												NH3
                                 VerlorenesNH3
                                 Als solchesentwickeltesNH3
                                 Zurück-gebliebenesund subli-mirtes
                                    												NH3
                                 VerlorenesNH3
                                 
                              
                                   1
                                 10g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    15g
                                    												Na2SO4†
                                   2,55
                                 1,49
                                 0,69
                                 0,37
                                 58,5
                                 27,1
                                 14,4
                                 
                              
                                   2
                                 10g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    13g
                                    												Na2SO4
                                   2,55
                                 1,77
                                 0,36
                                 0,42
                                 69,4
                                 14,2
                                 16,4
                                 
                              
                                   3
                                 10g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    13g
                                    												Na2SO4
                                   2,55
                                 1,72
                                 0,43
                                 0,40
                                 67,8
                                 17,0
                                 15,2
                                 
                              
                                   4
                                 40g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    60g
                                    												Na2SO4
                                 10,20
                                 6,70
                                 2,12
                                 1,38
                                 65,7
                                 20,6
                                 13,7
                                 
                              
                                   5
                                 20g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    50g
                                    												Na2SO4;
                                    											also mit der    doppelten Aequivalenmenge    von
                                    											Natriumsulfat
                                   5,10
                                 2,55
                                 1,89
                                 0,66
                                 50,0
                                 37,0
                                 13,0
                                 
                              
                                   6
                                 20g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    25g
                                    												Na2SO4;
                                    											zuerst langsam    erhitzt u. nur ganz allmählich    stärker bis
                                    											zur Verflüssigung
                                   5,10
                                 2,87
                                 1,30
                                 0,93
                                 56,3
                                 25,5
                                 18,2
                                 
                              
                                   7
                                 20g festes (NH4)2SO4 mit 25g    Na2SO4, zuvor
                                    											in einem    Mörser gemischt, dann die    Mischung in die Retorte
                                    											ein-    getragen und rasch erhitzt
                                   5,00
                                 3,33
                                 0,82
                                 0,85
                                 66,6
                                 16,4
                                 17,0
                                 
                              
                                   8
                                 20g festes (NH4)2SO4 mit 25g    Na2SO4,
                                    											gemischt, langsam so    erhitzt, daſs die Temperatur    nicht über
                                    											400° gestiegen ist.    Die Mischung kam nie voll-    ständig in
                                    											Fluſs
                                   5,00
                                 0,77
                                 3,03
                                 1,20
                                 15,4
                                 60,6
                                 24,0
                                 
                              
                                   9
                                 20g festes (NH4)2SO4 mit 35g    Na2SO4; mit
                                    											Wasser an-    gefeuchtet und rasch erhitzt
                                   5,00
                                 2,93
                                 1,15
                                 0,92
                                 58,5
                                 23,0
                                 18,5
                                 
                              
                                 10
                                 20g (NH4)2SO4 in Lösung mit    23g
                                    												Na2SO4,
                                    											also fast genau    der äquivalenten Menge,    stark erhitzt
                                   5,10
                                 3,48
                                 0,77
                                 0,85
                                 68,2
                                 15,1
                                 16,7
                                 
                              
                                 11
                                 20g (NH4)2SO4 in Lösung, für    sich selbst, ohne Zusatz
                                    												von    Na2SO4 auf dieselbe Weise    wie die
                                    											Mischung in der    Retorte erhitzt
                                   5,10
                                 1,17
                                 3,35
                                 0,58
                                 23,1
                                 65,7
                                 11,2
                                 
                              
                                 12
                                 20g (NH4)2SO4 in Lösung, mit    25g
                                    												Na2SO4
                                    											langsam auf    dem Sandbade erhitzt in der    Weise, daſs die
                                    											Temperatur    400° nicht überstiegen hat
                                   5,00
                                 1,40
                                 2,89
                                 0,79
                                 28,0
                                 57,8
                                 14,2
                                 
                              
                           † Bei allen Versuchen 95 bis 97procentig, also erheblich
                              									mehr als die äquivalente Menge.
                           
                           im Retortenhalse als krystallinisches Sublimat gröſstentheils
                              									in der Form von Ammoniumbisulfit condensirt hatte, und III) die Menge NH3, welche auf irgend eine Weise verloren ging,
                              									wahrscheinlich in Form von Stickstoff; sie berechnete sich immer aus dem
                              									Unterschiede zwischen der als Sulfat angewendeten Menge NH3 und den beiden Mengen I und II. Bei allen Versuchen trat Entwickelung
                              									von Schwefligsäure in nicht unbedeutender Menge auf, wahrscheinlich durch Zersetzung
                              									von gebildetem Ammoniumbisulfit.
                           Aus diesen Versuchen geht hervor, daſs nur 65 bis 70 Procent des als Sulfat zur
                              									Reaction verwendeten Ammoniaks als solches frei gemacht werden und entweichen; die
                              									übrigen 35 bis 30 Proc. vertheilen sich ungefähr zu gleichen Theilen einerseits auf
                              									zurückgebliebenes und in Form von Bisulfit sublimirtes NH3 und andererseits auf wirklich durch irgend welche Zersetzung verlorenes
                              										NH3.
                           Betrachten wir hauptsächlich die Versuche Nr. 2, 3, 4, 7 und 10, welche fast unter
                              									denselben Bedingungen ausgeführt wurden und den besten Erfolg ergeben haben; bei
                              									diesen ist weitaus die gröſste Menge des unter II angegebenen NH3 in Form von Bisulfit sublimirt; im Natriumbisulfat
                              									können hier nur ganz geringe Mengen zurückgeblieben sein und es scheint beinahe, als
                              									ob der wirkliche Verlust an NH3 abhängig sei von der
                              									Menge des sich bildenden Ammoniumbisulfites und dessen nachheriger Zersetzung durch
                              									die Hitze. Die übrigen Versuche wurden in der Absicht unternommen, um vielleicht
                              									günstigere Endzahlen zu erhalten durch Abänderung verschiedener Bedingungen bei der
                              									Ausführung derselben, wie gröſsere Zugabe von Natriumsulfat (Versuch 5 und 9),
                              									Festhalten an einer niederen Temperatur (Versuch 8 und 12), allmählich langsames
                              									Erhitzen (Versuch 6) u. dgl.; es hat sich aber überall das Gregentheil gezeigt.
                              									Versuch 11 zeigt das Verhalten des Ammoniumsulfates allein ohne Zusatz von
                              									Natriumsulfat, ausgeführt unter denselben Bedingungen wie die Versuche 2, 3, 4, 7
                              									und 10. Aus diesen Versuchen kann man schlieſsen, daſs das Verfahren wegen des
                              									Ammoniakverlustes unbrauchbar für die Praxis ist, wenn nicht die Erfinder eine bis
                              									jetzt nicht genauer beschriebene Abänderung desselben besitzen, in welcher jene
                              									Verluste vermieden werden.
                           Nachschrift. Als diese Mittheilungen bereits dem Drucke
                              									übergeben waren, wurde mir bekannt, daſs die Erfinder die Zersetzung des
                              									schwefelsauren Ammoniaks in einem Strome von
                                 										Wasserdampf vornehmen, indem sie solchen über oder durch die Mischung der
                              									Salze jagen, sobald die Temperatur genügend hoch gestiegen ist, daſs sich dieser
                              									nicht mehr verflüssigen kann. Bei Anwendung dieses Hilfsmittels ist es vielleicht
                              									möglich, die Verluste an Ammoniak zu vermeiden oder doch bis auf geringe Mengen zu
                              									beschränken, was weitere Versuche in dieser Richtung entscheiden werden. Die oben
                              									beschriebenen Versuche zeigen jedoch genau das Verhalten des Ammoniumsulfates zu
                              									schwefelsaurem Natrium ohne Anwendung von Wasserdampf, wobei die Hauptreaction höchst unvollständig ist,
                              									was die Erfinder auch selbst zugeben.