| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 337 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        (Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes Bd.
                           								254 S. 110.)
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									24.
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           Th. Nordenfelt in London und V.
                                    										A. Meurling in Christianstad, Schweden (D. R. P. Nr. 30676 vom 21. August
                                 									1884) haben ein Verfahren zur Herstellung eines Baumwolle
                                 										haltigen Schiefspulvers angegeben: Vor Allem wird eine kohlige Substanz aus
                              									Baumwolle, Holzfaser o. dgl. erzeugt, indem letztere in lockerem Zustande in ein
                              									Gefäſs gebracht und ein Strom Chlorwasserstoffgas hindurchgeleitet wird, wodurch die
                              									Faser bald brüchig wird; schlieſslich treibt man den Chlorwasserstoff durch einen
                              									Luftstrom aus. Der Schwefel wird unter gelinder Erwärmung auf dem Wasserbade in
                              									Schwefelkohlenstoff bis zur Sättigung gelöst, wobei, eine Wasserschicht auf
                              									letzterem die Verdunstung hindert. Mit dieser Schwefellösung wird die gepulverte
                              									Faserkohle in einem geschlossenen Gefäſse mit Rührvorrichtung innig vermengt und der
                              									Schwefelkohlenstoff durch Abdampfen und Abkühlen verjagt und wiedergewonnen. Die so
                              									vom Schwefel gänzlich durchdrungene Faserkohle kann ohne Gefahr fein vermählen,
                              									sodann mit in Wasser gelöstem Salpeter durch eine Rührvorrichtung vermengt und
                              									schlieſslich das Wasser verdampft werden, worauf das Pulver in der gewöhnlichen Weise weiter
                              									verarbeitet wird.
                           Nordenfelt und Meurling's
                              									Vorschlag ist ein Schritt weiter in dem Bestreben der Neuzeit, die Bestandtheile des
                              									Schieſspulvers als Lösungen zu verarbeiten; ob jedoch dieses Verfahren im Groſsen
                              									ausführbar sein wird, ist fraglich. Abgesehen von der Gesundheitsschädlichkeit und
                              									hohen Feuersgefahr ist die Mengung eine sehr kostspielige, nachdem viel
                              									Schwefelkohlenstoff in die Luft gehen wird; es ist auch wahrscheinlich, daſs sich
                              									Chlorwasserstoffgas mit dem Wassergehalte der Pflanzenfaser zu flüssiger Salzsäure
                              									verbinden wird, was eine umständliche Reinigung der kohligen Substanz zur Folge
                              									haben muſs, wenn nicht das Pulver einen hohen Grad von Gefährlichkeit erhalten soll.
                              									Die Verkohlung bezieh. Zerkleinerung der Faser durch Chlorwasserstoff ist von
                              									Interesse, wenngleich sie nur eine Veränderung des auch bei Herstellung der
                              									Nitrohydrocellulose angewendeten Girard'schen
                              									Verfahrens der Behandlung von Baumwolle mit Schwefelsäure ist, bei welchem
                              									gleichfalls die Baumwolle verkohlt, ein in diesem Falle unliebsamer Umstand, den man
                              									möglichst zu verhindern sucht.
                           Zu den vielen Stoffen, hauptsächlich organischen Ursprunges, deren Nitrirung schon
                              									versucht wurde, ist nun ein neuer hinzugekommen. Friedr. W.
                                    										Gilles in Köln (D. R. P. Nr. 27969 vom 14. April 1883) will nämlich
                              									Nitromelasse durch Nitrirung der gewöhnlichen Melasse und der Rückstände nach der
                              									Entzuckerung der Melasse herstellen und zwar in zwei Formen: als feste und als flüssige
                                 										Nitromelasse. In beiden Fällen ist das Mischungsverhältniſs ungefähr
                              									dasselbe wie bei der Nitroglycerin-Erzeugung, nämlich 380g Melasse, 1000g
                              									rauchende Salpetersäure und 2000g concentrirte
                              									Schwefelsäure.
                           Für die feste Nitromelasse wird die Melasse ohne weitere Vorbereitung mit den Säuren
                              									vermischt, das Ganze in Wasser geworfen und erst kalt, dann warm ausgewaschen; es
                              									entsteht ein Niederschlag von grauer, gelber oder weiſslicher Farbe, welcher
                              									unvermittelt als Sprengstoff benutzt werden kann. – Zur Herstellung flüssiger
                              									Nitromelasse bedarf die Melasse besonderer Vorbereitungen. Gilles gibt nämlich an, daſs die feuchte
                              									Melasse für die Verarbeitung zu Nitromelasse so zusammengesetzt sein soll, daſs das
                              									Verhältniſs zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff (den
                                 										Sauerstoff des Wassers mitgerechnet) annähernd 2: 3 betrage, die Melasse
                              									also eine Zusammensetzung von etwa 34 Th. Kohlenstoff, 54 Th. Sauerstoff und 12 Th.
                              									Wasserstoff, Stickstoff und Salzen habe. Da nun die Melassen fast nie von gleicher
                              									Zusammensetzung sind, so wird gewöhnlich, nach vorhergegangener chemischer
                              									Untersuchung, eine Verbesserung derselben vorzunehmen sein. Enthält die Melasse zu
                              									wenig sowohl von Kohlenstoff, wie von Sauerstoff, so wird sie in offenen Gefäſsen
                              									mit Bleisuperoxyd und Schwefelkohlenstoff gemischt und soll dann unter zeitweiligem
                              									Umrühren gähren, wobei die Temperatur 130° nicht überschreiten darf. Nach beendigter
                              									Gährung, welche bei 50 bis 70° Wärme 20 bis 24 Stunden dauern soll, zapft man die
                              									überstehende flüssige Masse ab und nitrirt dieselbe; der feste Rückstand soll nach
                              									dem Auswaschen Bleiglanz liefern. Die Mengen des verwendeten Bleisuperoxydes und
                              									Schwefelkohlenstoffes richten sich natürlich nach dem Betrage der zu ersetzenden
                              									Stoffe. Fehlt Sauerstoff allein, so ist um so viel mehr Bleisuperoxyd zu nehmen, als
                              									nöthig ist, um das Verhältniſs zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff richtig zu
                              									stellen; es kann jedoch auch der Sauerstoff ohne Anwendung von Schwefelkohlenstoff
                              									unmittelbar zugeführt werden, indem der Sauerstoff, auf bekannte Weise entwickelt,
                              									bei 0,14 bis 3at Druck in die Melasse geleitet
                              									wird, welche sich in geschlossenen Behältern befindet. Die flüssige Nitromelasse ist
                              									– alles nach Gilles' Angabe – gelb, siedet, langsam erwärmt, bei 180 bis 200°, detonirt
                              									zwischen 220 bis 250° und kann von allen bekannten Saugstoffen aufgenommen
                              									werden.
                           S. R. Divine in Loch-Sheldrake, Nordamerika (D. R. P.
                                 									Nr. 29665 vom 5. December 1883) tränkt trockenes chlorsaures Kali, das in Patronen
                              									von Tuch, Papier oder ähnlichen porösen Stoffen gefüllt ist, mit dem Schweröle des
                              									Kohlentheeres in solchem Verhältnisse, daſs hierdurch ein Sprengstoff entsteht. Da jedoch die Menge des Schweröles allein nicht
                              									genügend ist, um die Saugfähigkeit des chlorsauren Kalis vollständig in Anspruch zu
                              									nehmen, so setzt Divine dem Schweröle vorher
                              									Schwefelkohlenstoff oder eine andere leicht flüchtige Flüssigkeit in genügender
                              									Menge hinzu und läſst nach erfolgter Aufsaugung den Schwefelkohlenstoff an der Luft
                              									verdunsten. Um den Sprengstoff empfindlicher zu machen, fügt er noch 1 bis 3 Procent
                              									vom chlorsauren Kali fein gepulverten Schwefel hinzu, welcher in dem
                              									Schwefelkohlenstoffe vorher gelöst wurde.
                           Die Absicht, den Schwefel in Gestalt einer Lösung in Schwefelkohlenstoff dem Pulver
                              									beizubringen, tritt jetzt mehrfach auf; jedoch ist das Arbeiten mit so leicht
                              									flüchtigen und entzündlichen Körpern stets sehr
                                 										gefährlich, besonders, wenn – wie Divine es
                              									denkt – chlorsaures Kali und Schweröl (Schwefel-Schwefelkohlenstoff-Bad) getrennt
                              									versendet und die Patronen am Verwendungsorte hergestellt werden sollen.
                           Ein Apparat zur Darstellung von Nitroglycerin von Dr.
                              										C. D. A. Schroeder in Dresden-Neustadt (* D. R. P.
                                 									Nr. 29130 vom 28. December 1883) besteht aus einem Behälter G1 (Fig. 1 Taf. 24), aus
                              									welchem abgemessene Mengen Glycerin in das Gefäſs G2 flieſsen; das Glycerin läuft nach Abschluſs des
                              									Zufluſshahnes h – durch beim Hahne h1 eintretende
                              									gepreſste Luft beschleunigt – durch Hahn h2 und einen Rohransatz in ein weiteres Rohr r, welches am Boden einer umgestürzten Flasche N aus Glas o. dgl. ausmündet. Durch dasselbe Rohr r tritt auch gepreſste Luft ein, welche das Glycerin
                              									zerstäubt und mit letzterem gemischt durch das mit dem Trichter T in das Rohr R
                              									eingegossene Säuregemisch aufsteigt. Die Säuredämpfe entweichen durch dasselbe Rohr R in die Thonrohrleitung V, von wo die Dämpfe
                              									abgesaugt und zur Verdichtung in einen Thurm geleitet werden. Das Nitrirgefäſs N steht in einem blechernen Kühlschiff K, dem aus einem Behälter W stetig mit Eis gekühltes Wasser zuflieſst. Das Gefäſs N ist in Fig. 1 mit einem
                              									eingeschliffenen Glashahne geschlossen, in Fig. 2 aber mit
                              									Kautschukschlauch S und Klemme O, über welcher eine kurze Quecksilbersäule Q
                              									die Zerstörung durch die Säure verhindert.
                           Der Apparat bietet wenig Neues. Die Zuführung des Glycerins von unten, zerstäubt
                              									durch gepreſste Luft, ist von C. Kurtz schon früher
                              									(vgl. 1879 234 * 389) angegeben worden. Die Verwendung
                              									von Glasgefäſsen hat manche Uebelstände im Gefolge.
                           Von unterrichteter Seite erhielt Referent einige Mittheilungen über das Himly-Pulver (vgl. 1883 248
                              									510), wonach ein und derselben Sendung solchen Sprengpulvers Proben entnommen und
                              									von 3 Chemikern untersucht wurden; es enthielt dasselbe in 100 Th. nach:
                           
                              
                                 
                                 
                                    Emmerling
                                    
                                 
                                    P. Lohmann
                                    
                                 3. Chemiker
                                 
                              
                                 Chlorsaures Kali
                                 45,50
                                 33,50
                                 62,50
                                 
                              
                                 Salpetersaures Kali
                                 34,38
                                 48,78
                                 25,00
                                 
                              
                                 Steinkohlenpech
                                 20,12
                                 17,72
                                 12,50
                                 
                              
                           Diese Ungleichheit in der Zusammensetzung dürfte jedenfalls
                              									darin ihren Ursprung haben, daſs bei der Erzeugung des Himly-Pulvers durch das
                              									Steinkohlenpech sich Klumpen bilden, welche mit den übrigen Bestandtheilen sich
                              									begreiflicherweise nicht innig vermengen. In neuerer Zeit werden die meisten direkt
                              									explodirbaren Stoffe, welche nur zu Sprengzwecken dienen sollen, nicht so sorgfältig
                              									gemengt, als dies beim Schwarzpulver der Fall ist. Man entschuldigt diese
                              									hauptsächlich wegen der Billigkeit beliebte Erzeugungsweise damit, daſs ja im
                              									Bohrloche stets gröſsere Mengen (von 100g
                              									aufwärts) verwendet werden und daſs eine nicht ganz gleiche Zusammensetzung sich
                              									durch die groſse Masse hindurch ausgleiche, – mit Unrecht; denn zweifellos würden
                              									diese Sprengmittel durch eine innigere Mengung bedeutend gewinnen. Das Himly-Pulver
                              									soll etwa um die Hälfte stärker als Schwarzpulver – eine Folge des hohen Gehaltes an
                              									chlorsaurem Kali – und trotzdem ziemlich sicher zu handhaben sein, was von einer
                              									Commission von Fachleuten bestätigt wurde; immerhin muſs betont werden, daſs auch
                              									dieses wie jedes Pulver durch Hammerschläge detoniren
                              									wird.
                           In der Pulverfabrik von F. C. Dickson und Comp. in
                              									Blackbeck fand am 26. Juli 1884 die Explosion durch
                                 										Blitzschlag eines Körnhauses statt.
                           Auch in diesem Falle (vgl. 1884 251
                              									121) kam der Blitz ohne vorherige Anzeichen, schlug zuerst in eine 800m entfernte Lärche, sodann in eine 230m entfernte Eiche und entlud sich schlieſslich im
                              									Körnhause. Dieses war aus Holz erbaut, hatte ein Wellblechdach und war mit einem
                              									Blitzableiter versehen, welcher aus zwei Auffangstangen bestand, die mit einem
                              									Kupferseile unter einander und mit der Erdplatte verbunden waren. Oberst A. Ford, welcher die Untersuchung pflegte und eifrig
                              									den Standpunkt der Londoner Blitzableiter-Conferenz vertritt, hatte viele Mühe, um
                              									diesen Fall zu erklären. Er fand, daſs das Kupferseil in scharfen Ecken, statt in Bögen
                              									gekrümmt war, daſs ein Verbindungsseil von der Maschine weg mit dem Hauptseile nicht
                              									zusammengelöthet, sondern dessen Enden nur herumgewickelt wurden, daſs die Leitung
                              									nur auf dem Dache lag und nicht genügend damit verbunden war und daſs die Erdplatte
                              									zu kleine Abmessungen hatte. Ford meint nun, daſs,
                              									nachdem auf dem Wege von der Eiche zum Körnhause keine Blitzspur gefunden wurde,
                              									nachdem nicht anzunehmen ist, daſs ein Blitzschlag von solcher Kraft, um eine groſse
                              									Eiche zu fällen, von einem zweiten gefolgt wurde, der so unbedeutend war, daſs an
                              									den Bäumen und der Erde ringsum kein Schaden geschah, die Explosion nur durch einen
                              										„Rückschlag“ zu erklären sei. Die nicht durch Löthung hergestellte
                              									Verbindung habe den elektrischen Strom nicht vollständig weiter leiten können, die
                              									Maschine sei allmählich wie ein Condensator geladen worden, bis die Explosion
                              									entstand; – oder durch den Widerstand in der unvollkommenen Verbindung sei ein Funke
                              									übergesprungen, welcher den feinen Pulverstaub in der Luft des Körnhauses
                              									entzündete. Die letztere Annahme ist wahrscheinlicher; es ist aber nicht nothwendig,
                              									daſs der Funke gerade an dieser Stelle entstanden sei, da ja ein in der Nähe der
                              									Leitung befindlicher Nagel auch einen Funken erzeugen kann. Wir haben schon einmal
                              									erklärt, daſs der Franklin'sche Blitzableiter in seiner
                              									gegenwärtigen Verwendungsweise für Explosivstofffabriken geradezu Gefahren mit sich
                              									bringt und es ist durch die bisherigen Erfahrungen die Annahme berechtigt, daſs
                              									dieses Körnhaus ohne Blitzableiter selbst mit dem Blechdache eher der Gefahr
                              									entgangen wäre, da die ringsum dicht stehenden hohen Bäume ihren alten Ruf als gute
                              									Blitzableiter bewährt haben. So lange man nicht im Stande ist, jeden kleinsten Theil
                              									eines Gebäudes verläſslich mit der Leitung zu verbinden und diese selbst unter allen
                              									Umständen wirksam zu machen, in so lange ist – nach Ansicht des Referenten – der
                              									gesetzliche Blitzableiter-Zwang, wie er in England besteht, unklug. Vielleicht
                              									werden die Zenger'schen Blitzschutzvorrichtungen,
                              									welche Hauptmann Heß bei Versuchen im Kleinen als sehr
                              									zweckentsprechend fand, für die Anwendung im Groſsen brauchbar werden.
                           In der Pulverfabrik von Shortridge und Wright in
                              									Worsborough Dale explodirte am 15. Oktober 1884 eine Kollermühle, wobei der
                              									Vorarbeiter seinen Tod fand.
                           In dieser Fabrik war es üblich, daſs nach beendigter Incorporirung
                              									der Arbeiter durch zwei Glockenschläge dem Maschinisten das „Achtung“-Zeichen
                              									gab, welcher die Maschine abstellte, wenn der Arbeiter noch einen Glockenschlag
                              									führte; in der Zwischenzeit ging der Arbeiter in die Mühle, kehrte mit einer Bürste
                              									die Beschickung während des Ganges zusammen und machte
                              									so einen zusammenhängenden „Kuchen“. Kollermühlen arbeiten nur dann
                              									verhältniſsmäſsig ungefährlich, wenn die Pulverschicht, über welche die Läufer
                              									gehen, möglichst gleichmäßig ist und das Heben und
                              									Auffallen der schweren Läufer vermieden werden kann. Es ist zweifellos, daſs durch
                              									das Zusammenkehren des Pulvers, während die Mühle in Gang ist, die Läufer
                              									wellenförmige Bewegungen machen müssen, welche unter Umständen stark genug sein
                              									können, um Explosionen hervorzurufen, wie dies thatsächlich auch hier der Fall
                              									war.
                           Prof. Hanns Hoefer in Leoben hat die Leistung der Häuer beim Handbohren zum Gegenstande
                              									eingehender, jedoch nicht beendeter Untersuchungen gemacht, über welche in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen, 1884 S. 603 ff. berichtet ist.
                           Es hängt bekanntlich die Arbeit des Häuers wesentlich davon ab, in welcher Richtung
                              									das Bohrloch getrieben wird, und naturgemäſs wird die Leistung bei senkrecht abwärts
                              									gerichteten Löchern am gröſsten, bei senkrecht aufwärts gerichteten am kleinsten
                              									sein. Angenommen nun, es werden mehrere Bohrlöcher in demselben Gesteine, unter
                              									denselben Schichtenverhältnissen, mit gleichen Werkzeugen getrieben, so wird es jedenfalls
                              									zweckmäſsiger sein, die Arbeit des Häuers unmittelbar zu messen, statt dies an der
                              									Wirkung im Gesteine zu thun; dies wird aber zur Notwendigkeit, sobald die
                              									Gesteinsverhältnisse auch nur einigermaſsen wechseln.
                           Hoefer hat nun einen sogen. Schlagindicalor hergestellt, dessen Anordnung aus Fig. 3 und 4 Taf. 24 ersichtlich ist.
                              									Eine Bufferfeder B im Gehäuse C ist mit einer Eisenplatte D geschlossen,
                              									hat nach abwärts eine gut geführte Stange E, nach oben
                              									einen Ambos F, in dessen Mitte sich eine Vertiefung
                              									befindet; in dieser Oeffnung ist ein Zapfen leicht drehbar, der an Stelle des
                              									Meiſsels das untere Ende der Bohrerstange G bildet.
                              									Unter dem Ambosse greift ein bei H gelagerter
                              									ungleicharmiger Hebel J ein, welcher eine Führung K und K1 und an dieser einen Stift L aus Blei befestigt hat; dieser schreibt senkrechte Linien auf einem
                              									Streifen Papier M, welcher sich zwischen zwei
                              									stehenden, mit Drahtschnurtrieb verbundenen Walzen N
                              									und N1, wovon der eine
                              									nach jedem Schlage mit Handkurbel gedreht wird, ab- und aufwickelt. Durch
                              									Fallenlassen von Gewichten aus 1m Höhe auf die
                              									Bohrerstange erhält man einen nach Meter-Kilogramm eingetheilten Maſsstab. Wird nun
                              									das Maſs der Häuerschläge durch ihre Anzahl in der Minute getheilt, so erhält man
                              									die thatsächliche Häuerleistung für die Secunde. Je nachdem das Bohlenstück A, auf welchem der Indicator ruht, verschiedene Neigung
                              									erhält, kann die Häuerleistung bei den verschiedensten Bohrerneigungen bemessen
                              									werden.
                           Aus den mit diesem Schlagindicator angestellten Versuchen ergab sich, daſs ein
                              									mittelguter Häuer mit einem 2k,42 schweren Fäustel
                              									bei jedem Schlage 4mk,24 und in jeder Secunde 6mk,28 Arbeit verrichtete, wenn das Bohrloch senkrecht nach abwärts gerichtet war. In den
                              									verschiedenen Neigungen leistete ein Häuer:
                           
                              
                                 Bohrerneigung
                                 Nach abwärts
                                 Nach aufwärts
                                 
                              
                                 Grad
                                 90
                                 60
                                 30
                                 0
                                 15
                                 30
                                 
                              
                                 Secundliche Leistung Proc.
                                 100
                                 76,1
                                 61,6
                                 49,7
                                 37,6
                                 32,2
                                 
                              
                           Aus diesen Ergebnissen berechnet Hoefer auch, daſs die
                              									Arbeit mit stoſsenden Handbohrmaschinen nicht vortheilhaft sei, nachdem die Leistung
                              									an denselben, nach Abzug der Wirkungsverluste, jedoch ungerechnet die
                              									Aufstellungszeit, beim senkrechten Abwärtsbohren nur 6mk,4 in der Secunde gegenüber 6mk,28 des
                              									Häuers beträgt und bei der durchschnittlichen Bohrerneigung von 40° 4mk,15 des Häuers ihr gegenüber stehen, wobei die
                              									Mehrleistung durch die Nebenarbeiten groſsentheils aufgewogen werde.
                           Eine weitere Versuchsreihe ergab, daſs zum Abbohren von je 1cm in der festen, feinkörnigen Grauwacke im
                              									Heiligenberger Schachte von Przibram, wo die Versuche stattfanden, bei 24mm mittlerer Meiſselschneide ein Arbeitsaufwand
                              									von 255mk,1, an der Bohrerbahn zur Wirkung
                              									gelangt, nothwendig war und zu einer anderen, bekannt festen Grauwacke im
                              									Franz-Josef-Schachte 504mk,5 erforderlich
                              									wurden.
                           
                           Man beschäftigt sich noch zu wenig mit der wissenschaftlichen Prüfung der innig
                              									zusammenhängenden Bohr- und Sprengarbeit beim Bergbaue. Eine vernunftgemäſse
                              									Beobachtung aller Erscheinungen würde wesentlich zur ordentlichen Regelung der
                              									Lohnverhältnisse und damit zur besseren Ertragsfähigkeit der Gruben beitragen. Prof.
                              										Hoefer bemüht sich seit längerer Zeit in dieser
                              									Richtung, allein zur vollständigen Lösung solcher Fragen bedarf es viel Zeit und
                              									Geld, welche dem Staate leichter zur Verfügung stehen als Privaten.
                           Auch Prof. R. v. Rziha hat in einem jüngst gehaltenen,
                              									in der Wochenschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und
                                 										Architektenvereins, 1884 S. 331 abgedruckten Vortrage über die bedauerliche
                              									Thatsache gesprochen, daſs man in Bezug auf die Gewinnungsarbeiten des Gesteines sich in vieler Hinsicht noch rein auf dem
                              									Standpunkte des Handwerkes befinde und daſs dem groſsen Umfange dieser Arbeiten ein
                              									sehr spärliches wissenschaftliches Erkennen gegenüber stehe. Der Vortragende
                              									versuchte, in die Frage einiges Licht zu bringen, welchen Widerstand die Erdarten
                              									und Gesteine ihrem Abbruche entgegensetzen, und hält als richtigen Maſsstab hierfür
                              									die zur Lösung des Gesteines aufgewendete Arbeit, deren Kenntniſs eine
                              									wissenschaftliche Beurtheilung der Gewinnungsarbeiten, Anregung zum Studium der
                              									menschlichen Arbeitsmaschine, Beziehungen zu den Festigkeitsuntersuchungen und in
                              									praktischer Hinsicht einen Fortschritt im Baue von Arbeitsmaschinen für die
                              									Gesteinslösung, sowie hinsichtlich der Erzeugung von Sprengmitteln als Gewinn
                              									brächte.
                           Für die Schlagarbeit findet Rziha bei einer gröſsten
                              									Hubhöhe von 2m als äuſserste Grenze eine
                              									Endgeschwindigkeit von 8m,9. Es ist nämlich die
                              									Schlagarbeit nicht nur das Product aus Fäustelgewicht und Hubhöhe, sondern es kommt
                              									hierzu die vom Arbeiter dem Fäustel mitgetheilte lebendige Kraft. Die Schlagwirkung
                              									muſs sonach mit 2Qh ausgedrückt werden, wobei Q das Fäustelgewicht, h
                              									die Hubhöhe ist und angenommen wird, daſs der Arbeiter beim Niederschlage die
                              									gleiche Arbeit leistet wie beim Heben, da er ja das Fäustel nicht einfach fallen
                              									läſst, sondern demselben noch eine gewisse Kraft verleiht.
                           Die durchschnittliche tägliche Arbeitsleistung eines Menschen nimmt Rziha mit 130000mk
                              									an, die Lösungsarbeit für solches Material, bei welchem Trockenbagger verwendet
                              									werden können, mit 65000 bis 100000mk auf 1cbm, die Leistung von 1k Pulver mit 35000mk und von 1k Dynamit mit 100000mk (Roux und Sarraux fanden als theoretische Wirkung 242335 bezieh.
                              										547250mk). Hieraus wird gefolgert, daſs unter
                              									Umständen die Gewinnungsarbeit im Tunnel- und
                                 										Stollenbaue vortheilhafter durch maschinelle Ausbohrung zu bewerkstelligen
                              									sei. Rziha hat zu diesem Zwecke eine Maschine geplant,
                              									welche einen Stollen von 2m,1 Durchmesser ausbohrt
                              									und durch Wasserdruck betrieben werden soll. Bekanntlich wurde auch bei den
                              									Versuchsarbeiten im unterseeischen Tunnel zwischen Calais und Dover eine Tunnelbohrmaschine
                              									mit Luftdruck in der Kreide verwendet (vgl. 1883 247 471.
                              										249 * 77) und zur Herstellung von sogen. Ueberhauen
                              									sind in Deutschland gleichfalls Kernbohrmaschinen gebraucht.
                           Für die verschiedenen Bodenarten gibt Rziha nachstehende
                              									Annahme als Gewinnungsfestigkeit: Stichboden 10000, Hackboden 20000, gebräches
                              									Gestein 65000, Sprenggestein 1. Kategorie 113000, 2. Kategorie 185000, 3. Kategorie
                              										257000mk auf 1cbm. Nach dem Vortragenden sollen die Messungsergebnisse beim Bohren nicht
                              									auf je 1cc Bohrloch, sondern auf je 1qc Bohrlochsfläche bezogen werden; er nimmt nun
                              									an, daſs die mittlere Bohrfestigkeit auf 1qc von
                              									Sprenggestein 1. Kategorie 2000, 2. Kategorie 5000, 3. Kategorie 8000mk beträgt. Sowohl Hoefer, der die erstere Ansicht vertritt, als auch Rziha, dürfte entgegengehalten werden können, daſs mit der wachsenden
                              									Breite der Bohrerschneide die Schlagwirkung um so weniger zur Geltung kommen wird,
                              									je weiter das getroffene Gestein vom Schlagmittelpunkte entfernt ist; also wird
                              									stets die Leistung nach Cubikcentimeter Bohrloch im
                                 										Vergleiche zur Bohrlochsfläche entscheidend sein müssen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
