| Titel: | Ueber chemische Veränderungen von Sodarückständen. | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 388 | 
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                        Ueber chemische Veränderungen von
                           								Sodarückständen.
                        Divers, über chemische Veränderungen von
                           								Sodarückständen.
                        
                     
                        
                           E. Divers bespricht im Journal
                                       										of the Society of Chemical Industry, 1884 S. 550 die für die
                              									Schwefelregeneration wichtigen chemischen Reactionen von Sodarückständen. Dieselben
                              									lassen sich wesentlich auf Hydration und Oxydation zurückführen. Es ist als
                              									Thatsache zu betrachten, daſs, wenn feuchter Sodarückstand der Luft ausgesetzt wird,
                              									zuerst wesentlich nur Hydration des Calciumsulfides stattfindet, Die wichtigsten
                              									dieser hydrirten Verbindungen sind erst in letzter Zeit vom Verfasser näher
                              									untersucht und rein dargestellt worden.
                           Das Calciumhydrosulfid ist ein farbloses
                              									krystallinisches Salz, welches sich an der Luft schnell zu Calciumhydroxyd und
                              									Calciumhydroxyhydrosulfid zersetzt.
                           Calciumhydroxyhydrosulfid, CaSH.OH.3aq, fällt aus einer
                              									Lösung von Calciumsulfhydrat, welche mit Kalk- und Zuckerlösung versetzt ist. Die
                              									Verbindung entsteht ebenfalls, wenn festes Kalkhydrat in eine Lösung von
                              									Calciumsulfhydrat gebracht wird und wenn man Kalkhydrat mit Schwefelwasserstoff
                              									behandelt. In Lösung zersetzt sich die Verbindung bald unter Abscheidung von
                              									Kalkhydrat. In einer concentrirten Lösung von Calciumsulfhydrat ist die Verbindung unlöslich und wird
                              									dann nicht durch Wasser zersetzt.
                           Das Calciumsulfid im Sodarückstande geht zuerst in Calciumhydroxyhydrosulfid über und
                              									dieses ist die Quelle von Calciumsulfhydrat. Da erstere Verbindung in
                              									Calciumsulfhydratlösung unlöslich ist, so können bei der Auslaugung von
                              									Sodarückstand nur verdünnte Lösungen erhalten werden. Concentrirte Sulfhydratlaugen
                              									entwickeln mit Leichtigkeit Schwefelwasserstoff unter Bildung von
                              									Calciumhydroxyhydrosulfid. Letztere beiden Thatsachen haben bis jetzt alle Versuche,
                              									den gröſsten Theil des Schwefels im Sodarückstande auf billige Weise durch Auslaugen
                              									in Lösung zu bringen, vereitelt.
                           Wenn Calciumsulfhydratlösung gekocht wird, zersetzt sich dieselbe theilweise zu
                              									Kalkhydrat unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff. Auf diese Reaction haben Opl und H. v. Miller ein
                              									Verfahren gegründet, welches kaum groſsen Erfolg verspricht (vgl. 1884 253 350. 1885 255 171). Divers glaubt, das beste Verfahren, den Schwefel aus
                              									dem Sodarückstande als Schwefelwasserstoff zu gewinnen, sei, den Rückstand in
                              									ungefähr 4 Gefäſsen nach und nach mit Dampf zu behandeln.
                           Durch allmähliche Oxydation und Auslaugung von
                              									Sodarückstand erhält man eine Mischung von Calciumpolysulfid und Thiosulfat. Früher
                              									glaubte man, es entstehe Bisulfid; in Wirklichkeit aber bildet sich Tetra- und
                              									Pentasulfid.
                           Wie oben gesagt, geht allen Veränderungen von Sodarückstand Hydration von
                              									Calciumsulfid voran. Diese Hydration ist aber ein hydrolytischer Prozeſs, so daſs
                              									folgende Gleichungen die verschiedenen Zeiten der Einwirkung von Wasser auf
                              									Rückstand darstellen:
                           CaS + H2O = Ca.SH.OH.    Ca.SH.OH
                              									+ H2O = CaO2H2 + H2S.
                           Ca.SH.OH + H2S = CaS2H2 + H2O.
                           Nasser, in bedeckten Haufen liegender Rückstand wird daher,
                              									neben unverändertem Calciumsulfid, Calciumhydroxyhydrosulfid, Calciumhydrat und freien Schwefelwasserstoff enthalten.
                           Diese Ansicht, obschon sie mit den landläufigen Begriffen von Säuren und Basen im
                              									Widerspruche steht, hat groſse Wahrscheinlichkeit, namentlich auch, weil inaktive Gase, durch Sodarückstand geleitet, bedeutende
                              									Mengen Schwefelwasserstoff wegführen. Der Sauerstoff wirkt bei der Oxydation von Rückstand auf den freien, sich immer weiter bildenden Schwefelwasserstoff. Wie schon lange
                              									bekannt, oxydirt sich Schwefelwasserstoff, wenn auch langsam, doch mit Leichtigkeit.
                              									Versuche von Divers zeigen, daſs die unmittelbare
                              									Oxydation von Calciumsulfhydrat durch Luft ungemein langsam vor sich geht. Verfasser
                              									zieht daher den Schluſs, daſs nur der freie
                                 										Schwefelwasserstoff, nicht aber die Calciumverbindungen im Sodarückstande
                              									durch Luft oxydirt werden.
                           Die Erklärung der Thiosulfat- wie auch Pentasulfid-Bildung bei der Oxydation von
                              									Sodarückstand ist nach den alten Ansichten keineswegs auf zufriedenstellende Weise
                              									möglich. Wenn man jedoch annimmt, daſs der Wasserstoff im Schwefelwasserstoffe sich
                              									oxydirt und Schwefel sich bildet, welcher auf freies Kalkhydrat einwirkt, so
                              									gestaltet sich die Sache sehr einfach. Wie allgemein bekannt, gibt Schwefel mit Kalk
                              									gekocht Calciumpentasulfid und Thiosulfat: 3CaO2H2 + 12S = CaS2O3 + 2Ca2S5 + 3H2O. Es ist
                              									jedenfalls anzunehmen, daſs, wenn diese Reaction mit fertig gebildetem Schwefel in
                              									der Siedehitze vor sich geht, sie auch in der Kälte bei der Oxydation von
                              									Sodarückstand mit in Entstehung befindlichem Schwefel eintritt.
                           Die Chemie der Oxydation von Sodarückstand ist dadurch bedeutend einfacher geworden.
                              									Die Endproducte der Hydrolyse von Calciumsulfid sind Kalkhydrat und
                              									Schwefelwasserstoff; letzterer wird durch Luft zu freiem Schwefel oxydirt, welcher
                              									mit Kalkhydrat, Pentasulfid und Thiosulfat bildet.