| Titel: | Kaolinlager der südwestlichen Provinzen Russlands in geologischer und chemischer Beziehung; von Dr. Alexander M. Weinberg, | 
| Autor: | Alexander M. Weinberg | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 480 | 
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                        Kaolinlager der südwestlichen Provinzen Ruſslands
                           								in geologischer und chemischer Beziehung; von Dr. Alexander M. Weinberg,
                        Leiter des Chemisch-Technischen Laboratoriums in
                           								Warschau.
                        Weinberg, über Kaolinlager Südwest-Ruſslands.
                        
                     
                        
                           Im Gouvernement Wolynien, dessen groſser Mineralreichthum bis jetzt weder genau
                              									erforscht, noch entsprechend ausgebeutet wurde., begegnen wir beim Dorf Sudilkowo
                              									(Bahnstation Szepietowka der Brest-Kiewer Eisenbahnlinie) den ersten Zeichen des
                              									Vorkommens eines Kaolinthones, welche wir ununterbrochen gegen Nordost durch Korec,
                              									Gorodnice bis Olewsk, gegen Südwest durch Zaslaw bis Alt-Konstantinow verfolgen
                              									können. Entlang der Bahnlinie erstreckt sich obiges Gebilde bis Station Polonna, von
                              									da gegen Nordost zwischen Czudnow, der Umgegend von Zytomierz, entlang der Straſse
                              									Zytomierz-Iskorosc bis zur Stadt Owrucz.
                           Auf obiger Fläche, welche eine Länge von etwa 150km
                              									und eine Breite von etwa 80km hat, wurde bisher
                              									auf Hunderten von Stellen Kaolinthon vorgefunden. Sämmtliche Bauernhütten sind dort
                              									mit Kaolinthon weiſs angestrichen, dessen Gehalt an Glimmer die Wände an der Sonne
                              									funkelnd macht. Die Gesteinsarten, welche wir am häufigsten auf diesem Gebiete antreffen,
                              									gehören den Azoischen Formationen an und bestehen aus Quarziten (manchmal mit
                              									eingesprengten Graphitadern), Gneisen, am häufigsten aber aus viel Feldspath
                              									haltigen Graniten, welche an manchen Stellen in reinen Feldspath übergehen.
                              									Kaolinthon, soweit erforscht, wird in unbedeutender Tiefe angetroffen, zumeist
                              									unmittelbar unter einer Schicht Ackererde. Die durchschnittliche Mächtigkeit des
                              									Lagers ist von 8 bis 10m, stellenweise jedoch
                              									bedeutend mehr; wie viel, ist bis jetzt unbekannt, da tiefere Bohrungen nicht
                              									vorgenommen wurden, so daſs man noch in Unklarem ist, ob wir eine Anzahl kleiner
                              									Becken, oder, was bedeutend wahrscheinlicher ist, ein gewaltiges Becken auf der
                              									ganzen Fläche besitzen. Das Vorkommen des Kaolins in obiger Gegend ist, gestützt auf
                              									geologische Untersuchungen von Ossowski und Lubienski leicht erklärlich, wenn wir die Gegend als
                              									den Gipfel der mächtigen Ekaterinischen Granitkette betrachten, welche hier aus
                              									einer an Feldspath reichen Abart gebildet, durch atmosphärische Einflüsse der
                              									Verwitterung unterlag.
                           Auf obigem Gebiete werden hauptsächlich zwei Sorten Kaolin vorgefunden: Eine, weiſs
                              									von bröckelig-pulveriger Beschaffenheit, zwischen den Fingern zerreiblich, sich
                              									fett, talgartig anfühlend, gemengt mit groben grauweiſsen Quarzkörnern und feinem
                              									halb verwittertem Glimmer. Der Gehalt an reiner Thonsubstanz erreicht, wie unten
                              									folgende Analysen beweisen, 45 Procent der Gesammtmasse. Die Schlämmproducte brennen
                              									sich rein weiſs, besitzen eine genügende Bildsamkeit und enthalten kaum merkliche
                              									Spuren Eisen. Die zweite Sorte kommt in halbfester Form vor, ist von perlengrauer
                              									Farbe mit einem Stiche ins Olivengrüne, enthält nur 33 Proc. Thonsubstanz; die
                              									Schlämmproducte brennen sich gelblich und enthalten 1,8 Proc. Eisenoxyd. Die rein
                              									weiſsen Kaoline sind ihrem ganzen Gefüge nach als auf ihrer ursprünglichen
                              									Lagerstätte ruhendes Gebilde anzusehen, dagegen die grauen, welche an manchen
                              									Stellen die Oberschicht der weiſsen bilden, als aufgeschwemmt zu betrachten
                              									sind.
                           Es folgen hier die Endzahlen der Gesammt-, Rationellen und Schlämmanalysen von 4
                              									Mustern obiger Kaoline- zwei derselben, eine weiſse und eine graue Probe, wurden an
                              									der westlichen Grenzlinie des Kaolinlagers beim Dorf Sudilkowo entnommen; die zwei
                              									anderen, ebenfalls ein weiſser und ein grauer Kaolin in einer Entfernung von etwa
                              										50km nach Osten zwischen den Dörfern Dombrowka
                              									und Smoldyrewo, wo die Thonschicht die gröſste Mächtigkeit zu besitzen scheint:
                           
                              
                                 Gesammtanalyse
                                 Sudilkowo
                                 Sudilkowo
                                 Dombrowka
                                 Dombrowka
                                 
                              
                                 
                                 weiſs
                                 grau
                                 weiſs
                                 grau
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 62,51
                                 68,41
                                 67,65
                                 68,71
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 26,30
                                 18,34
                                 23,53
                                 18,00
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 Spuren
                                   1,82
                                 Spuren
                                   1,84
                                 
                              
                                 Calciumoxyd
                                   0,72
                                   0,60
                                   0,65
                                   0,83
                                 
                              
                                 Magnesiumoxyd
                                   0,13
                                   0,42
                                 Spuren
                                   0,14
                                 
                              
                                 Kali und Natron
                                   0,79
                                   2,01
                                   0,32
                                   4,07
                                 
                              
                                 Glühverlust
                                   9,49
                                   8,32
                                   7,70
                                   6,32
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––
                                 –––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,94
                                 99,92
                                 99,85
                                  99,91.
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Rationelle Analyse
                                 Sudilkowo
                                 Sudilkowo
                                 Dombrowka
                                 Dombrowka
                                 
                              
                                 
                                 weiſs
                                 grau
                                 weiſs
                                 grau
                                 
                              
                                 
                                 Aufschlieſsbar durch Schwefelsäure.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 18,00
                                 15,97
                                 23,80
                                 15,90
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 25,59
                                 15,74
                                 21,70
                                 15,10
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 Spuren
                                   1,82
                                 Spuren
                                   1,87
                                 
                              
                                 
                                 Unaufschlieſsbar durch Schwefelsäure.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 44,51
                                 52,44
                                 43,85
                                 52,81
                                 
                              
                                 Thonerde
                                   0,71
                                   2,60
                                   1,83
                                   2,90
                                 
                              
                                 Kalk u. Magnesia
                                   0,85
                                   1,02
                                   0,65
                                   0,97
                                 
                              
                                 Alkalien
                                   0,79
                                   2,01
                                   0,32
                                   4,07
                                 
                              
                                 Glühverlust
                                   9,49
                                   8,32
                                   7,70
                                   6,32
                                 
                              
                                 Hieraus ergibt sich die Zusammensetzung:
                                 
                              
                                 Quarz
                                 41,59
                                 43,17
                                 37,43
                                 43,67
                                 
                              
                                 Feldspath bezieh.    Glimmer
                                   5,25
                                 14,90
                                   9,22
                                 17,08
                                 
                              
                                 Glühverlust
                                   9,49
                                   8,32
                                   7,70
                                   6,32
                                 
                              
                                 Thonsubstanz (als    Rest)
                                 43,67
                                 33,61
                                 45,65
                                 32,93
                                 
                              
                                 SchlämmanalyseGrobsand u. Quarz-    körner
                                 39,40
                                 34,48
                                 34,40
                                 45,35
                                 
                              
                                 Staubsand u. Glimmer
                                   6,66
                                 21,47
                                 13,18
                                 15,26
                                 
                              
                                 Glühverlust
                                   9,49
                                   8,22
                                   7,70
                                   6,32
                                 
                              
                                 Thonsubstanz (als    Rest)
                                 44,45
                                 35,83
                                 44,72
                                 33,07
                                 
                              
                           Der Vergleich obiger Zahlen, obwohl, wie bemerkt, die Proben in einer Entfernung von
                              										50km von einander entnommen sind, bekräftigt
                              									die Annahme, daſs obiges Thonlager ein ununterbrochenes ist und sämmtliche Proben
                              									einen gemeinschaftlichen Ursprung haben, folglich einem Thonbecken gehören.
                           Daſs obige Thone in der keramischen Industrie sehr gut verwendbar sind, beweisen
                              									nicht nur die in meinem Laboratorium gemachten Brennproben, sondern auch der Bestand
                              									einer erst vor etwa 50 Jahren eingegangenen, seinerzeit in Blüthe und vollkommener
                              									Entwicklung stehenden Porzellanfabrik in Korec, deren kunstvolle Erzeugnisse sich
                              									auch im Auslande eines wohlverdienten Ruhmes erfreuten. Die gegenwärtige Ausbeutung
                              									beschränkt sich auf zwei kleine Fabriken Baranowka und Kamienny-Brod, welche in
                              									Ganz- und Halbporzellan gefertigte Hausgeschirre erzeugen. Die einzeln wohnenden
                              									Bauerntöpfer arbeiten plumpe Töpferwaare mit einfacher Glasur. Auch bestehen einige
                              									kleine Ziegeleien mit Feldöfen, welche dieses werthvolle Material zu schlechten
                              									feuerfesten Ziegeln verarbeiten. Es ist zu bedauern, daſs diese Gegend, welche alle
                              									Vorzüge besitzt, um ein Mittelpunkt der blühendsten keramischen Industrie zu werden,
                              									wo auſser dem oben beschriebenen Kaolinlager auch reiner Feldspath (bei Gorodnice)
                              									und weiſser Quarzit in Menge vorgefunden wurden, wo noch unverwüstete Wälder groſse
                              									Vorräthe an Brennmaterial und viele Flüsse und Bäche genügende verfügbare
                              									Wasserkraft bieten, leider die denkbar schlechtesten Verkehrswege besitzt, was jeder industriellen
                              									Entwickelung hemmend entgegenwirken muſs.