| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Autor: | Oscar Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 518 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        (Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes S. 337
                           								d. Bd.)
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									37.
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           Major Joh. Lauer in Wien (* D. R. P. Nr. 30242 vom 6.
                                 									Mai 1884) hat seinen Apparat zum Sprengen unter Wasser
                                 										mittels frei aufgelegter Ladungen (vgl. 1884 251
                              									* 124) nunmehr wesentlich verbessert und constructiv vollständig ausgeführt; auf
                              									Taf. 37 veranschaulicht Fig. 2 die Seitenansicht,
                              										Fig. 3
                              									einen Grundriſs des Apparates, Fig. 8 einen Querschnitt
                              									durch den Führungsrahmen und den Schlitten, Fig. 9 einen Grundriſs
                              									derselben, Fig.
                                 										7 einen Querschnitt durch den Schlitten, Fig. 6 einen Längen
                              									schnitt durch die Rohrstange und den Patronenstab.
                           Auf einem Fahrzeuge befindet sich ein Ausschuſsgerüste A, das in zwei Zapfenlagern a einen Rahmen
                              										B aus U-Eisen trägt, welcher von 20 zu 20cm Einschnitte b hat,
                              									in denen der verschiebbare Führungsrahmen C mittels
                              									Sperrklinken c und c1 festgestellt wird; der Führungsrahmen besteht aus
                              									zwei Stangen C1 und C2 und den seitlich
                              									befestigten Schlitten D und D1, welche mit Kugeln oder Rollen d auf der Fuſsplatte des Rahmens B laufen. Ein mit dem Loche e versehener eiserner Schlitten E ist auf den
                              									Stangen C1 und C2 verschiebbar und
                              									wird an dem gleichfalls eingeschnittenen Verbindungsstücke C3 mit Klinke c2 festgestellt. Es wird sonach ein durch
                              									die zwischen Spitzen oder Kugellagern drehbare Führungsschiene K, sowie durch das Loch e
                              									gestecktes Führungsrohr L innerhalb der durch die
                              									Gröſse des Ausschuſsgerüstes gegebenen Grenzen jede beliebige Stellung auf dem
                              									Wassergrunde annehmen können. Ein doppelter Wind stock F (Fig.
                                 										4 und 5) vermittelt die Bewegung von Führungsrahmen und Schlitten, indem
                              									einerseits dessen senkrecht stehende Hohlspindel g1 mit Handrad g2 ein Rad g trägt, das
                              									in eine am Boden der Brücke liegende Zahnstange G
                              									greift, während der Spindelbock F1 auf einer Platte H1 ruht, welche in einem Schlitze der Unterlagsplatte
                              										H verschiebbar ist und mit an einem Bügel f1 befestigten, zu den
                              									Schlitten führenden Zugstangen D2 und D3 diese Verschiebung der Längenrichtung auf den
                              									Führungsrahmen überträgt; andererseits geht durch die Hohlspindel g1 eine zweite Spindel
                              										h1 mit Handrad h und Kettenrolle f, über
                              									welche sowie über die Rollen i in den Schlitten eine
                              									Kette läuft, die an dem Schlitten E befestigt ist und
                              									diesen sonach bei der Drehung des Handrades h nach der
                              									Breitenrichtung verschiebt.
                           An der Führungsschiene K ist eine Welle k mit Kurbelscheibe gelagert, durch welche mittels
                              									Drahtkabels das in Decimeter eingetheilte Führungsrohr L gehoben oder gesenkt wird. Dieses ist mit Flansche l verstärkt; es wird in dasselbe ein Muff N durch Bolzen n und an
                              									einer Kette gehaltenen Keil l1 gesteckt, während in den Muff N der
                              									Patronenstab 
                              									M mit Keil n3 befestigt wird, nachdem die Dynamitladung O daran gehängt wurde. Die Hinleitung geht vom
                              									Zündapparate durch das Kabel in die Schaltvorrichtung der Rohrklemme l2 und den isolirten
                              									Draht o zum Zünder, während als Rückleitung das Wasser
                              									benutzt wird.
                           Das Führungsrohr wird aus einem Stücke hergestellt, der Muff ist kegelförmig
                              									ausgedreht und mit dem Bolzen n verschweiſst und
                              									vernietet, sowie durch Ringe n1 und n2. verstärkt; das Sprengmittel ist in einer
                              									Pappbüchse mit Deckel und Zündloch eingepreſst, welche Büchse mit Wasserglas
                              									getränkt, mit wasserdichter Masse gedichtet und in ein Leinwandsäckchen gesteckt
                              									ist, das man mit Nägeln an den hölzernen Patronenstab befestigt. Zu seiner Bedienung
                              									benöthigt der Apparat nunmehr nur 4 Mann. Lauer hat
                              									sich noch verschiedene, hauptsächlich für mehr vorübergehende Aufstellung bestimmte
                              									Aenderungen an den einzelnen Einrichtungen patentiren lassen.
                           B. Ballabene in Preſsburg stellt ein Lignit genanntes Dynamit her und benutzt ein neues Verfahren zum Nitriren von Holzmehl.
                           Das Holzmehl kommt in einen mit Blei gefütterten Kessel A (Fig.
                                 										1 Taf. 37), verschlossen mit Deckel a und
                              									Kautschukring n, welche durch die für mehrere zu einer
                              									Batterie verbundene Kessel gemeinsame und deshalb verschiebbare Spindel g angepreſst werden. Der Kessel hat zwei Siebböden b und c aus Blei, zwischen
                              									welche ein Vlieſs aus nitrirter Baumwolle als Filter kommt. Unterhalb der Siebböden
                              									ist ein drehbares Abfluſsrohr d mit Hahn, innen und
                              									auſsen mit Blei belegt: desgleichen sind Preſsplatte h
                              									und der untere Theil der Spindel g mit Blei verkleidet.
                              									In den Kessel kommen 62 Th. Salpetersäure und 142 Th. Schwefelsäure, welche, nach
                              									ihrer Abkühlung bis auf 15°, mit Holzmehl gesättigt werden. Nun wird der Deckel a niedergepreſst, Hahn d
                              									geöffnet und durch f Luft von 2at Druck eingelassen, wodurch 50 Procent des
                              									Säuregemisches verdrängt und im nächsten Kessel verwendet werden. Der Deckel wird
                              									nun entfernt und durch eine Blechhaube mit Dunstabzug ersetzt; nach 1½ Stunden ist
                              									der Nitrirungsproceſs beendet. Indem sodann die Preſsplatte h in den Kessel niedergeschraubt wird, lieſst man abermals 40 Procent des
                              									Säuregemisches heraus. Zur Reinigung wird das Nitrolignin bei neuerlich
                              									aufgepreſstem Deckel a mit Wasser aus dem Rohre e und Luft von 3at
                              									durch f so lange abwechselnd behandelt, bis das
                              									ablaufende Wasser neutral ist. Das gereinigte Nitrolignin wird in Sammelbottichen 24
                              									Stunden lang einer 2procentigen Sodalösung ausgesetzt, sodann im Holländer
                              									zerkleinert, abgepreſst und an der Luft getrocknet, endlich mit 80 bis 85 Proc.
                              									Nitroglycerin vermischt, wobei es eine trockene, plastische Masse – Lignit genannt – bildet, welcher zur Verminderung der
                              									Brisanz ein Zumischpulver aus 70 Th. Ammoniaksalpeter, 18 Th. Paraffin und 15 Th.
                              									Schwefel zugefügt wird.
                           Dieses Verfahren schlieſst sich innig an die gebräuchliche Nitrirung der Baumwolle an und nur der
                              									hierbei verwendete Apparat ist neu; eigentümlicherweise ist bei demselben für
                              									Abkühlung gar nicht gesorgt. Das Lignit erweist sich als eine Vereinigung des Trauzl'schen Cellulose-Dynamites mit der von Nobel
                              									angegebenen Verbesserung des Ammoniakrut.
                           Im Génie civil, 1884/5 Bd. 6 S. 168 veröffentlicht E. Roca eine Abhandlung über die wirksamste Zusammensetzung von Dynamiten und gelangt
                              									dabei zur Angabe vermeintlich neuer Dynamite mit „hydrocarburirtem
                                 										Nitroglycerin“ als Basis, welche er „Lithoclastite“ nennt und, wie es scheint, vorläufig noch in der
                              									Theorie erzeugt. Obzwar Roca also nicht Neues
                              									vorbringt, ist es doch interessant, seinem Gedankengange zu folgen, wegen der
                              									Schlüsse, welche sich dadurch für andere Dynamite ergeben.
                           Bei Versuchen in Bleicylindern, welche Roca mit verschiedenen Dynamiten anstellte, die sämmtlich 30 Proc.
                              									Nitroglycerin und einen Saugstoff aus Kohle und Natriumnitrat enthielten, fand er
                              									bemerkenswerthe Kraftunterschiede. Nachforschungen nach deren Ursache ergaben: 1)
                              									Ist der Saugstoff so zusammengesetzt, daſs der Kohlenstoff als Kohlensäure
                              									verbrennt, so ergibt derselbe, mit der gleichen Menge Nitroglycerin vermischt, einen
                              									schwächeren Explosivstoff, als wenn der Kohlenstoff als Kohlenoxyd verbrennt. 2) Das
                              									Höchste an Kraft eines so gebildeten Explosivstoffes erhält man durch weitere Zugabe
                              									von so viel Kohlenstoff, um den freien Sauerstoff des Nitroglycerins ausnützen und
                              									die bei der Explosion des letzteren sich bildende Kohlensäure zu Kohlenoxyd
                              									reduciren zu können. 3) Ueber diese Grenze hinaus wird die Wirkung geringer.
                           Roca findet nun, daſs man die
                              									stärksten Dynamite erhalten müsse, wenn solche Stoffe vermieden werden, welche
                              									wieder Sauerstoff abgeben, dagegen solche beigegeben, welche reducirend wirken; zu
                              									diesen gehören Wasserstoff und Kohlenstoff. Er berechnet sodann nach den Berthelot'schen Formeln folgende Verhältnisse bei der
                              									Zersetzung durch Explosion:
                           A) Reines Nitroglycerin.
                           
                              
                                 C6H2(NO5,HO)3 =
                                 6CO2
                                 + 2HO
                                 + 3HO
                                 + 3N
                                 + O
                                 (1 Atom Sauerstoff frei)
                                 
                              
                                 Atomgewichte 227 =
                                 132
                                 + 18
                                 + 27
                                 + 42
                                 + 8
                                 = 227
                                 
                              
                                 Volumen
                                 12v
                                 + 4v
                                 + 6v
                                 + 6v
                                 + 1v
                                 = 29v
                                 
                              
                                 Wärmeeinheiten 6 × 6 × 8000 + 2 × 1 × 34500 +
                                    											0 + 0 + M = etwa 184000.
                                 
                              
                           B) Theoretisches Wasserstoff-Lithoclastite.
                           
                              
                                 
                                 C6H2(NO5,HO)3
                                 + 7H
                                 = 6CO
                                 + 9HO
                                 + 3HO
                                 + 3N
                                 
                                 
                              
                                 Atomgewichte
                                 227
                                 + 7
                                 = 84
                                 + 81
                                 + 27
                                 + 42
                                 = 234
                                 
                              
                                 Volumen
                                 
                                 
                                     12v
                                 + 18v
                                 + 6v
                                 + 6v
                                 = 42v
                                 
                              
                                 Wärmeeinheiten 6 × 6 × 5600 + 9 × 1 × 34500 +
                                    											0 + 0 + M = 572100.
                                 
                              
                           C) Theoretisches Kohlenstoff-Lithoclastite.
                           
                              
                                 
                                 C6H2(NO5,HO)3
                                 + 7C
                                 = 13CO
                                 + 2HO
                                 + 3HO
                                 + 3N
                                 
                                 
                              
                                 Atomgewichte
                                 227
                                 + 42
                                 = 182
                                 + 18
                                 + 27
                                 + 42
                                 = 269
                                 
                              
                                 Volumen
                                 
                                 
                                     26v
                                 + 4v
                                 + 6v
                                 + 6v
                                 = 42v
                                 
                              
                                 Wärmeeinheiten 13 × 6 × 5600 + 2 × 1 × 34500 +
                                    											0 + 0 + M = 566000.
                                 
                              
                           Es ist hierbei v als
                              									Volumeneinheit bei 0° und 760mm Druck mit 5l,58, M als latente
                              									Zersetzungswärme des Nitröglycerins mit 60000 Wärmeeinheiten angenommen. Für 100 Th.
                              									dieser Stoffe ergeben sich sonach folgende Zahlen:
                           
                              
                                 
                                 Volumen
                                 Procent mehr alsNitroglycerin
                                 Wärmeeinh.
                                 Procent mehr alsNitroglycerin
                                 
                              
                                 A
                                 12,77
                                 –
                                 184000
                                 –
                                 
                              
                                 B
                                 17,95
                                 40
                                 244600
                                 33
                                 
                              
                                 C
                                 15,61
                                 22
                                 214000
                                   16,6
                                 
                              
                           Roca erwägt, daſs die Kraft eines
                              									Explosivs mit dem Gasvolumen und der Wärmemenge bei Gewichtseinheit proportional
                              									steigt, und findet sonach den Vortheil auf Seite des Lithoclastite, auf B mehr als
                              									C. Er fügt jedoch hinzu, daſs die Procentzahlen, z.B. bei B 40 + 33 = 73 Proc.,
                              									nicht das Maſs der Kraftsteigerung sein können, weil es in Folge des gröſseren Gasvolumens und der
                              									mittleren specifischen Wärme einer gröſseren Wärmemenge bedarf, um dieselbe
                              									Temperatur zu erzeugen wie bei der Explosion von reinem Nitroglycerin.
                           Bei der Uebersetzung dieser Erwägungen ins Praktische findet Roca jedoch Schwierigkeiten, da eine Mischung von
                              									Wasserstoff und Nitroglycerin derzeit noch nicht ausführbar, reiner Kohlenstoff aber
                              									nicht genügend saugfähig ist. Die letztere Bedingung findet er in den Körpern von
                              									der Formel CmHnOp gegeben, unter welche die Kohlenwasserstoffe, die
                              									Cellulose und ähnliche Stoffe sich reihen, und insbesondere die Cellulose, z.B. mit
                              									Alkalien behandeltes Holzmehl, hält Verfasser für sehr geeignet, wenngleich dieselbe
                              									viel Wasser gebunden enthält, dessen Dampf eine groſse specifische Wärme besitzt und
                              									demnach das Gasgemenge abkühlt.
                           Wir wollen nicht weiter auf die Schluſsfolgerungen eingehen,
                              									welche Roca auf das Verhältniſs der Wirkung von
                              									Lithoclastite gegen die Sprenggelatine, Paléine, Panclastite u.s.w. zieht, und
                              									erwähnen nur, daſs er bei einer Mischung von 70 Th. Nitroglycerin und 30 Th. Zucker
                              									eine um 30 bis 35 Proc. stärkere Wirkung fand als bei reinem Nitroglycerin.
                           Wie schon bemerkt, ist die Zusammensetzung von Dynamiten mit an Kohlenstoff reichen
                              									oder auf die Kohlensäure reducirend wirkenden Saugstoffen keineswegs neu und schon
                              									seit mindestens 10 Jahren im Gebrauche; ja die neueren Dynamite enthalten sämmtlich
                              									derlei Körper. Das Nobel'sche Neu-Dynamit hält
                              									bekanntlich Holzmehl, allerdings auch nrit Kalisalpeter vermengt, das Ditmar'sche Dualin besaſs – nitrirtes – Holzmehl als
                              									Saugstoff. Das früher in Eperies erzeugte Fulgurit wurde aus Nitroglycerin und
                              									kohlensaurer Magnesia erzeugt, das weiſse Dynamit mit Kalkguhr (kohlensaurem Kalk)
                              									hergestellt. Allerdings hatten die Fabrikanten früher nicht oder wenig an die
                              									chemische Wirkung ihrer Saugstoffe gedacht, weil es sich für sie in erster Linie
                              									darum handelte, überhaupt einen Saugstoff zu finden, und in der That befaſst man
                              									sich erst seit Berthelot's grundlegenden Studien etwas
                              									näher mit dem Einflüsse der Zusammensetzung auf die Verbrennungsgase.
                           Abgesehen nun von der Neuheit der Roca'schen Ideen,
                              									machen sich auch Bedenken gegen deren Richtigkeit geltend. Wir haben schon öfter
                              									unsere Ansicht dahin ausgedrückt, daſs die Explosion nicht als reine Verbrennung
                              									anzusehen ist und daſs während derselben eine klimme von Vorgängen stattfindet, die
                              									noch nicht ganz aufgeklärt ist. Zweifellos ist es, daſs, im Gegensatze zu Roca's Ansicht, die Kraft einer Explosion nicht
                              									lediglich von dem entwickelten Gasvolumen und der Wärmemenge abhängt; vielmehr
                              									spielen da noch andere Umstände eine Rolle, wie z.B. das specifische Gewicht des
                              									Explosivstoffes, die Widerstandsfähigkeit des Mediums und in erster Linie die Kürze
                              									der Zeit, innerhalb welcher die Explosion erfolgt. In dieser Hinsicht hat es sich
                              									nun schon lange gezeigt, daſs die Explosion um so rascher erfolgt ist, je mehr
                              									Kohlensäure die Gase enthalten und daſs die Bildung von Kohlenoxyd mit einer
                              									langsamen Wirkung Hand in Hand geht. Wenngleich es also nach der einen Seite
                              									theoretisch richtig ist, daſs die Verrennung als Kohlenoxyd eine gröſsere Wärmemenge
                              									erzeugt, so wird diese doch dadurch zum groſsen Theile aufgehoben, daſs die
                              									Verbrennung langsamer
                              									erfolgt, die Gase also nicht jene hohe Spannung annehmen* können, welche der
                              									gröſseren Erwärmung gleich käme. Es ist diese Erfahrung bei allen Explosivstoffen
                              									gemacht worden, welche nach Roca's Ideen
                              									zusammengesetzt sind, angefangen bei den Schwarzpulver-Ersatzstoffen und endigend
                              									bei verschiedenen Dynamiten, welche alle bei zu hohem Kohlenstoffgehalte in den
                              									Explosionsgasen wohl Kohlenoxyd, aber keineswegs gröſsere Wirkungen lieferten.
                           Die Zusammensetzung von Dynamiten auf die Erzeugung von vorwiegend aus Kohlenoxyd
                              									bestehenden Gasen ist jedoch schon deshalb verfehlt, weil man in den Gruben das
                              									Kohlenoxyd unbedingt vermeiden muſs. Es ist eine
                              									bekannte Thatsache, daſs Dynamite, welche als Saugstoff kohlensaure Salze und
                              									Cellulose enthielten, in minder gut gelüfteten Strecken geradezu unverwendbar
                              									wurden, weil die Oerter mit Kohlenoxyd erfüllt waren und die Arbeiter unter heftigen
                              									Vergiftungserscheinungen litten. Man hat die Ursache dafür in allen möglichen
                              									Umständen gesucht und erst in neuerer Zeit war Referent in der Lage darauf
                              									hinzuweisen, daſs die kohlensauren Salze bei der hohen Explosionstemperatur mit der
                              									Kohle der Cellulose Kohlenoxyd ergeben müssen. Es muſs deshalb ein Vorschlag,
                              									Dynamite geradenwegs auf Kohlenoxydbildung zu berechnen, jedenfalls befremden.
                           Aus der Eigenschaft verschiedener Stoffe, z.B. Wasser, Zink, Eisen, Kohle u.s.w., die
                              									Kohlensäure bei hoher Temperatur zu Kohlenoxyd zu verwandeln, muſs es auch
                              									hergeleitet werden, daſs sich in den Explosionsgasen von
                                 										Nitroglycerin oder Kieselguhr-Dynamit regelmäſsig auch Kohlenoxyd befindet
                              									und daſs die Menge des letzteren je nach dem gesprengten Stoffe und seiner
                              									Oertlichkeit schwankt. Dieser Umstand wurde bisher noch nicht gewürdigt- es ist aber
                              									Thatsache, daſs die Gase ein und desselben Dynamites in verschiedenen Gruben einen
                              									verschiedenen Grad von Athembarkeit, verschiedene Mengen von Kohlenoxyd enthalten,
                              									und es scheint dem Referenten zweifellos, daſs Eisensteine, Kohle u.s.w. einen Theil
                              									der Kohlensäure zu Kohlenoxyd reduciren.
                           In einem von J. Henry Keſsler in Paris verfaſsten
                              									Büchlein veröffentlicht die Société anonyme des Poudres et
                                 										Dynamites einige Mittheilungen über die in ihrer Fabrik zu Arendonck bei
                              									Turnhout in Belgien erzeugten Sprengmittel. Neben gewöhnlichem Pulver,
                              									Kieselguhr-Dynamit und Dynamit, mit wirksamer Basis je nach Verlangen, liefert diese
                              									Fabrik hauptsächlich Paléine, auf deren Herstellung Lanfrey und Renard in
                              									Chartres ein Patent hatten. Paléine ist Strohnitrocellulose mit Nitroglycerin
                              									vermengt und wurde im J. 1882 auch in Oesterreich zur Untersuchung eingebracht;
                              									dieselbe soll gegenwärtig auch von der Deutschen
                                 										Sprengstoff-Fabrik in Wahn bei Köln erzeugt werden.
                           Die Mittheilung der Gesellschaft sagt über Paléine, daſs 5 Sorten A bis E erzeugt
                              									werden, von denen A 40 bis 50 Nitroglycerin und 60 bis 50 nitrirtes Stroh, die
                              									anderen Sorten in fallendem Verhältnisse weniger enthalten. Die Sorte A soll um ⅓, B um ¼, C ein
                              									wenig-stärker als 75procentiges Dynamit sein und es sind hierfür Versuche der
                              									gemischten Dynamit-Commission von Versailles mit Bleicylindern, Eisenplatten,
                              									Schienen und – bezüglich der Empfindlichkeit gegen Stoſs – mit Gewehrschüssen auf
                              									kurze Entfernung angeführt, welche Versuche diese Angaben bestätigen. Die
                              									Gesellschaft verbürgt folgende 3 Haupteigenschaften der Paléine: Dieselbe schwitzt
                              									das Nitroglycerin nicht aus, sondern bleibt unter allen Umständen trocken; sie
                              									gefriert nie und ist gegen die heftigsten Stöſse unempfindlich.
                           Es kann keinem Zweifel unterliegen, daſs Nitroglycerin und Nitrozellulose, in
                              									passendem Verhältnisse gemengt, ein kräftigeres Sprengmittel ergeben müssen als
                              									75procentiges Kieselguhr-Dynamit und daſs dieser Explosivstoff vermöge der
                              									Elasticität seines Saugstoffes gegen Stoſs auch minder empfindlich ist. Beispiele
                              									hierfür bieten die Sprenggelatine, die Neu-Dynamite, das Rhexit, der Lithofracteur,
                              									das Cellulose-Dynamit u.s.w.; es werden also die Angaben der Gesellschaft auch für
                              									das Nitrostroh-Dynamit, die Paléine, zutreffen. Ein Anderes ist es jedoch mit den
                              									oben erwähnten 3 Haupteigenschaften. Zwar werden dieselben verbürgt, was einen Widerspruch eigentlich nicht zuläſst:, allein sehon so oft haben Fabrikanten in gutem Glauben etwas zugesichert, was sich später als
                              									unhaltbar erwies, daſs es wohl gestattet sein mag, auch hier anderer Meinung zu
                              									sein. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wird Paléine wohl kein Nitroglycerin
                              									ausschwitzen, da es davon zu wenig enthält, um dieses nicht vollständig zu binden;
                              									bei wiederholtem Gefrieren und Aufthauen dürfte sich dies jedoch ändern, besonders,
                              									wenn man das fortwährend wechselnde Verhalten hierbei in Betracht zieht, das
                              									Hauptmann Heſs a. a. O. bekannt gab. Nun verbürgt
                              									allerdings die Gesellschaft, daſs Paléine auch nicht gefriere; dies ist aber einfach
                              									nicht möglich. Gefrieren muſs das Nitroglycerin,
                              									wahrscheinlich um Einige Grade später als im Kieselguhr-Dynamit, aber bei 0°
                              									zweifellos. Es kann sein, daſs sich Paléine auch im gefrorenen Zustande noch nicht
                              									hart anfühlt, weil das Volumen des Saugstoffes groſs ist, und daher mag die irrige
                              									Ansicht entstanden sein. Daſs Paléine unter allen Umständen trocken bleibe und nach
                              									3jähriger Aufbewahrung in feuchten Räumen unverändert war, dürfte wohl gleichfalls
                              									nur so zu verstehen sein, daſs sie nicht zerfloſs; aber es ist schwer denkbar, daſs
                              									Nitrocellulose irgend einer Gattung nicht auch die Feuchtigkeit ihrer Umgebung
                              									aufnehme, nachdem sie das Nitroglycerin so gut bindet. Was schlieſslich die
                              									Unempfindlichkeit gegen die heftigsten Stöſse betrifft, so kann sie gleichfalls nur
                              									auf Selbsttäuschung beruhen; wir haben es schon oft genug festgestellt, daſs jeder
                              									Explosivstoff auf heftigen Schlag detoniren muſs, der eine leichter, der andere
                              									schwerer.
                           Es wird nicht ohne Interesse sein, auszugsweise anzuführen, was Hauptmann Dolliak in den Mittheilungen
                                 										über Gegenstände des Artillerieund Genie-Wesens, 1882 S. 278 über die zur Prüfung
                              									eingebrachte Strohnitrocellulose berichtet. Zur Nitrirung wird seines geringen
                              										hengehaltes wegen Roggenstroh
                              									verwendet, das 15 bis 16 Stunden lang in 1 bis 2procentiger Sodalösung gekocht,
                              									zermahlen und ausgewaschen, sodann in einem Gemische von 3 Th. Salpetersäure und 7
                              									Th. Schwefelsäure nitrirt und schlieſslich ausgewaschen wird. Die
                              									Strohnitrocellulose hatte eine licht braungelbe Farbe, sah verfilzt und ziemlich
                              									zerfasert aus, hatte einen Wassergehalt von 2,20 Proc. und einen mittleren
                              									Aschengehalt von 2,90 Proc., enthielt kein Neutralisationsmittel und zeigte keine
                              									Spur freier Säure. Der Stickstoffgehalt, nach der Methode von Heſs mit dem Lunge'schen
                              									Nitrometer gesucht, war im Mittel 11,07 Proc., erreichte also nur den der
                              									Collodiumwolle. Die Entzündungstemperatur bei langsamer Erwärmung wurde mit 177°
                              									bestimmt. Die Stabilitätsprobe (Aussetzen trockener Luft von 60°, Beobachtung der
                              									Zersetzungsproducte in einer Jodkaliumkleisterlösung) wurde schlecht bestanden, was
                              									aus folgenden bei dieser Untersuchung stets beobachteten Erscheinungen
                              									hervorgeht:
                           
                              
                                 
                                 Strohnitro-Cellulose
                                 Gepreſste englischeSchieſswolle
                                 
                              
                                 
                                 Minuten vom Beginne der Aussetzung
                                 
                              
                                 Erscheinen der ersten Spur eines Ansatzes
                                     3
                                       9
                                 
                              
                                 Deutlichwerden und Vollendung des
                                    											blauen    Ringes
                                     8
                                   309
                                 
                              
                                 Eintritt einer Spur von Färbung der
                                    											Flüs-    sigkeit
                                   60
                                 1215
                                 
                              
                                 Deutliche Färbung der Flüssigkeit
                                 200
                                 1360
                                 
                              
                           Die Strohnitrocellulose wurde deshalb als chemisch unstabil
                              									bezeichnet und als Grund dafür gefunden, daſs die Cellulose der Strohfaser niemals
                              									vollständig rein abgeschieden werden kann, sondern stets mit Fett, Wachs, Harz,
                              									Pektinstoffen, Mineralsubstanzen u.s.w. verunreinigt ist, welche gleichfalls nitrirt
                              									werden und leicht zersetzliche, wenig beständige fremde Nitroproducte ergeben.
                           Aus einem in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen, 1885 S. 4 ff. veröffentlichten Vortrage des ReferentenUeber Explosivstoffe für den Bergbau, Vortrag
                                    											von Oscar Guttmann im Oesterreichischen
                                    											Ingenieur- und Architekten-Verein. sei nachfolgende
                              									Zusammenstellung aller gegenwärtig in Oesterreich – Ungarn erzeugten Sprengmittel
                              									gegeben.
                           
                              A) Direkt explodirbare
                                 										Stoffe.
                              
                           1) Schwarzpulver.
                           2) Diorrexin aus Sistiana bei Duino:
                              									42,78 Th. Kalisalpeter, 23,16 Th. Natronsalpeter, 13,40 Th. Schwefel, 7,49 Th.
                              									Holzkohle, 10,97 Th. Buchensägespäne, 1,65 Th. Pikrinsäure, 0,55 Th. Wasser (vgl.
                              									1877 224 532. 1884 251
                              									123).
                           3) Haloxylin aus Chrast und Cilli: 75
                              									Th. Kalisalpeter, 15 Th. Sägespäne, 8⅓ Th. Holzkohle, 1⅔ Th. rothes Blutlaugensalz.
                              									Eine in Arad erzeugte Varietät hat Natronsalpeter an Stelle von Kalisalpeter (vgl.
                              									1876 221 549. 1884 251
                              									123).
                           4) Petralit aus Budapest besteht aus
                              									Kalisalpeter, Schwefel, Holzmehl und Kokespulver, mit Graphit polirt (vgl. 1884 251 123).
                           
                           Vorkommen des Titelblattes hier ist ein Bindungsfehler des Druckexemplars.
                           
                           
                           5) Janit aus Peggau: 70 Th.
                              									Kalisalpeter, 12 Th. Schwefel, 18 Th. Lignitkohle, 0,4 Th. Pikrinsäure, 0,4 Th.
                              									chlorsaures Kali, 0,3 Th. geglühte Soda.
                           6) Carboazotine aus Fischau bei
                              									Wiener-Neustadt und aus Dombrau: 64 Th. Kalisalpeter, 12 Th. Schwefel, 7 Th. Ruſs,
                              									17 Th. Gerberlohe oder Sägemehl, zum Ganzen noch 1 bis 5 Th. Eisenvitriol.
                           7) Azotine aus Nagybánya und
                              									Verespatak enthält Natronsalpeter, Schwefel, Kohle und Petroleumrückstände.
                           8) Amidogène von Joh. Gemperle: 73 Th. Kalisalpeter, 8 Th. Holzkohle, 8
                              									Th. Kleie, 10 Th. Schwefel, 1 Th. Bittersalz (vgl. 1884 251 118).
                           9) Lederit aus Knittelfeld: 45 Th.
                              									Kalisalpeter. 15 Th. Schwefel, 20 Th. Mennige, 18 Th. Lederabfälle, 2 Th.
                              									Pikrinsäure (vgl. 1884 254 113).
                           10) Vulcanit aus Jicin: 35 Th.
                              									Kalisalpeter, 19 Th. Natronsalpeter, 11 Th. Schwefel, 9,5 Th. Sägemehl, 9,5 Th.
                              									chlorsaures Kali, 6 Th. Holzkohle, 4,25 Th. Glaubersalz, 2,25 Th. rothes
                              									Blutlaugensalz, 2,25 Th. Zucker, 1,25 Th. Pikrinsäure. Neuestens soll es mehr
                              									chlorsaures Kali, dagegen kein Glaubersalz und Blutlaugensalz enthalten.
                           11) Mylin von Franz Redtenbacher in Steyerling ist erst in neuester Zeit aufgekommen;
                              									die Zusammensetzung ist noch nicht bekannt.
                           
                              B) Indirekt explodirbare
                                 										Stoffe.
                              
                           1) Nobel'sche Neu-Dynamite Nr. 1 bis 3 aus Zamky und Preſsburg: Nr. 1 besteht aus 64,5
                              									Th. Gelatinöl und 35,5 Th. Zumischpulver aus Kalisalpeter und Holzmehl (vgl. 1884
                              										252 159).
                           2) Weißes Dynamit Nr. 1 und 2 von St.
                              									Lambrecht: Nr. 1 besteht aus 70 Th. Nitroglycerin, 30 Th. Zumischpulver aus 20 Th.
                              									Kalkguhr und 11 Th. Holzzeug.
                           3) Rhexit Nr. 1 bis 5 von St.
                              									Lambrecht: Nr. 1 besteht aus 64 Th. Nitroglycerin, 11 Th. Holzmoder, 7 Th. Holzfaser
                              									und 18 Th. Natronsalpeter.
                           4) Arlberger Dynamit Nr. 1 bis 3 von
                              									St. Christoph: Zusammensetzung von Nr. 1 ungefähr 65 Th. Nitroglycerin, 10 Th.
                              									Barytsalpeter, 20 Th. Kieselguhr und 5 Th. Holzkohle.
                           Es ist bekannt, daſs sich bei der Erzeugung von Explosivstoffen noch manchmal
                              									Erscheinungen zeigen, deren Ursache und Wirkung bisher nicht bekannt war; wie bei
                              									allen neueren Erzeugungen muſs auch hier die Zeit die erforderlichen Erfahrungen
                              									bringen. Eine solche Erscheinung wurde in mehreren ausländischen Dynamitfabriken
                              									gemacht, in welchen man Badschwämme zum Reinigen der
                                 										Nitroglyceringefäſse benutzt. In einer solchen Fabrik ist es Regel, derlei
                              									Schwämme nach dem Gebrauche in lauem Wasser und sodann in einer schwachen Sodalösung
                              									auszuwaschen und schlieſslich zu trocknen. Ein Arbeiter unterlieſs nun jüngst die
                              									Reinigung eines Schwammes, legte denselben neben ein Gefäſs mit Nitroglycerin;
                              									plötzlich entzündete sich der Schwamm und brannte mit lebhafter, hoher und heller
                              									Flamme ab. Das Nitroglycerin wurde durch die Geistesgegenwart eines anderen
                              									Arbeiters unwirksam gemacht, indem derselbe rasch einen Kübel Wasser darüber goſs.
                              									In einer anderen Fabrik werden diese Schwämme auf einem Drahtnetze bei 25°
                              									getrocknet und dabei sind wiederholt Schwämme verbrannt und sogar explodirt.
                           Man erinnert sich hierbei daran, daſs auch lose Schieſswolle, bei 30° auf Drahthorden
                              									ausgebreitet, öfters explodirte, und ebenso nahe liegt es, an die Selbstentzündung
                              									von Putzwerg u. dgl. in Fabriken zu denken. Die Erklärung für die Selbstentzündung
                              									der vorgedachten Schwämme liegt wohl darin, daſs in den gereinigten Gefäſsen sich
                              									stets saures, d.h. noch
                              									Schwefelsäure enthaltendes Nitroglycerin befindet und daſs von dieser Schwefelsäure
                              									ebenso wie vom Nitroglycerin durch unvollkommene Waschung noch Reste im Schwämme
                              									verbleiben, die in Verbindung mit dem Wasser allmählich eine hohe Temperatur
                              									erzeugen, – eine Erfahrung, die bei Werg, Wolle u.s.w., welche mit schlechtem Rüböle
                              									u. dgl. in Verbindung kommen, oft gemacht wurde. Auch ist es möglich, daſs die
                              									hierbei gleichfalls vorhandene Untersalpetersäure eine Oxydation der Schwammsubstanz
                              									hervorruft, welche durch die Wärme der Trocknung nur noch beschleunigt wird. Es wird
                              									sich deshalb jedenfalls empfehlen, solche Schwämme sofort nach dem Gebrauche in
                              									Wasser zu legen, durch Kochen in heiſser Sodalösung und
                              									wiederholtes Auspressen zu reinigen und dann erst zu trocknen.
                           Oscar Guttmann.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
