| Titel: | H. S. Maxim's selbstthätiges und schnellfeuerndes Geschütz. | 
| Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 157 | 
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                        H. S. Maxim's selbstthätiges und schnellfeuerndes
                           								Geschütz.
                        Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 11.
                        H. S. Maxim's selbstthätiges und schnellfeuerndes
                           								Geschütz.
                        
                     
                        
                           Bereits im Vorjahre wurde über ein von Hiram S. Maxim in
                              									London construirtes Repetirgewehr (vgl. 1884 254 * 458)
                              									berichtet, welches unter Vermittelung des Rückstoſses immer von Neuem selbstthätig
                              									geladen und lediglich durch Anstoſsen des Abzuges, ohne das Gewehr von der Schulter
                              									abzusetzen, abgefeuert wird. Das gleiche Prinzip, welches in Anwendung auf
                              									Handfeuerwaffen nur als Spielerei betrachtet werden kann, hat nun Maxim auf ein einläufiges Kartätschgeschütz übertragen und damit eine Waffe geschaffen, welche für
                              									künftige Kriege von groſser Bedeutung zu werden verspricht. Dieses umstehend
                              									abgebildete Geschütz (vgl. auch * D. R. P. Kl. 72 Nr. 32742 vom 25. September 1884)
                              									ist auf der Londoner Erfindungsausstellung 1885 von der englischen Admiralität
                              									vorgeführt und hat bereits Proben seiner Leistungsfähigkeit abgegeben. Die folgende
                              									Beschreibung ist einem Vortrage Maxims vor dem Institution of Mechanical Engineers bezieh. Engineering, 1885 Bd. 39 * S. 634 entnommen.
                           Eine Selbstbethätigung des Geschützes unter Benutzung der Explosionskraft der
                              									Pulverladung hat Maxim auf verschiedene Weise erzielt:
                              									1) durch Verwerthung des Gasdruckes, welcher beim Abfeuern der Patrone an der
                              									Mündung des Laufes entsteht, entweder unmittelbar oder durch eine Luftverdünnung,
                              									welche der Gasstrom durch eine saugende Wirkung in einem Behälter hervorruft, so
                              									daſs durch diese ein Kolben zur Bewegung der Verschluſs- und Lade Vorrichtungen in
                              									Bewegung gesetzt wird; 2) durch Benutzung des Rücklaufes des ganzen Geschützes oder
                              									3) des Laufes, des Verschlusses und des Schlosses; 4) durch Umsetzung der Rückwärtsbewegung eines
                              									Theiles oder der ganzen Patrone im Laufe beim Abfeuern derselben und 5) durch
                              									Benutzung der Verlängerung der Patrone im Augenblicke des Abfeuerns.
                           Die auf der Anwendung dieser verschiedenen Prinzipien beruhenden
                              									Geschützconstructionen zeugen nun von einem derartigen technischen
                              									Erfindungsvermögen, daſs man darüber im Zweifel ist, ob dieselben an sich oder ihre
                              									Wirkungen mehr zu bewundern sind. Es würde zu weit führen, alle Geschütze eingehend
                              									zu besprechen. Es soll deshalb nur eines erläutert werden und zwar das Geschütz,
                              									welches sich dadurch selbst bethätigt, daſs sich der Lauf bei der Explosion der ersten Patrone eine kurze Strecke im Gestelle
                              									zurückbewegt und dadurch das Auswerfen der leeren Hülse, das Laden einer scharfen
                              									Patrone, das Schlieſsen des Verschlusses und das Abfeuern in beliebig langen Pausen
                              									auf beliebig lange Dauer selbstthätig bewirkt.
                           Textabbildung Bd. 258, S. 158Das in Fig. 11 bis 13 Taf. 11 dargestellte
                              									Geschütz hat nur einen Lauf A, welcher von einem Wassermantel umgeben ist, um seine Erhitzung zu
                              									vermeiden. In diesem Mantel kann der Lauf sich dicht vor und zurück bewegen.
                              									Angenommen, der Lauf sei mit einer Patrone geladen und der Verschluſs geschlossen,
                              									so wird beim Abziehen des Abzuges mittels Fingerdruck, welcher zur Ingangsetzung des
                              									Geschützes nothwendig ist, die Patrone abgefeuert werden und sich dabei der
                              									Rückstoſs der Pulvergase durch eine Rückbewegung des Laufes äuſsern. Dabei werden die in
                              									Einkerbungen des Laufes ruhenden Bolzen T (Fig. 12)
                              									mitgenommen und, da sie mit ihren anderen Enden von starken Blattfedern T1 gehalten werden,
                              									diese zur Seite drängen. Sobald nun diese Bolzen die zum Laufe senkrechte Stellung
                              									überschritten haben, streben die Federn T1 dahin, ihre frühere Stellung wieder einzunehmen,
                              									so daſs der Lauf von denselben noch weiter zurückgestoſsen wird. Die ganze
                              									Rückbewegung des Laufes beträgt 22mm. Während der
                              									ersten Hälfte dieses Weges geht der Verschluſsblock B,
                              									welcher mit dem Laufe mittels des auf letzterem befestigten Hakens C fest verbunden ist, mit gleicher Geschwindigkeit
                              									zurück. Eine Lösung beider Theile von einander durch die Explosion ist aber
                              									unmöglich, weil der Haken C gegen eine Hebung durch das
                              									fest im Gestelle angeordnete Querstück D geschützt ist.
                              									Ist der Lauf aber 11mm weit zurückgegangen, so
                              									löst sich der Haken C vom Verschluſsblocke in Folge
                              									einer Erhöhung an seinem vorderen Ende, mit welcher er gegen das Querstück D stöſst, und einer Vertiefung in seinem Mitteltheile.
                              									In demselben Augenblicke trifft ein zweiarmiger auf dem Laufe befestigter Hebel L mit seinem linken Arme gegen ein festes Stück S und wird von diesem zurückgehalten. Da sich aber der
                              									Lauf, vom Rückstoſse und den Federn T1 getrieben, noch weiter zurückbewegt, so wird das
                              									rechte Ende von L das Stück R, welches mit dem Verschluſsblocke fest verbunden ist, gegen den Lauf
                              									zurückbewegen und zwar mit einer bedeutenderen Geschwindigkeit in Folge der
                              									eigenthümlichen Gestalt der Druckflächen von R und S, welche bewirken, daſs sich das Hebelarmverhältniſs
                              									am Hebel L gegen Ende der Rückbewegung des Laufes
                              									gerade umkehrt.
                           Während also der Lauf den Rest (11mm) seines Weges
                              									zurücklegt, wird der Verschluſsblock B so weit vom
                              									Laufe zurückbewegt, daſs er mittels der federnden Pleuelstange G die Kurbel K in der
                              									angedeuteten Pfeilrichtung umdreht. Die Kurbellänge beträgt 76mm, die Länge der Pleuelstange ist 152mm. In demselben Maſse, wie sich die Bewegung des
                              									Verschluſsblockes beschleunigt, wird die des Laufes verlangsamt, so daſs jede
                              									Bewegung der Theile aufhört, wenn die Kurbel den hinteren Todtpunkt erreicht. Bei
                              									frisch geladenen Patronen ist nun die durch die Explosion der Ladungen auf die
                              									Kurbel übertragene lebendige Kraft genügend, um dieselbe über den Todtpunkt hinaus
                              									weiter zu schleudern, so daſs nach erfolgter Vorwärtsbewegung alle Theile wieder die
                              									gezeichnete Lage einnehmen. Bei Verwendung von Patronen, welche längere Zeit
                              									gelagert haben, muſs jedoch die Rückbewegung der Theile durch eine starke Feder P unterstützt werden. Es hat sich herausgestellt, daſs
                              									diese Feder sich für alle Fälle empfiehlt, weshalb die neuen Geschütze sämmtlich mit
                              									derselben versehen werden.
                           Maxim hat gefunden, daſs ein Stoſs von 30k genügt, um den Lauf 22mm zurück zu bewegen und dabei alle vorerwähnten
                              									Bewegungen zu bewirken. Am hinteren Ende des Laufes ist drehbar ein Auszieherhebel
                              										
                              									E befestigt; derselbe stöſst bei der Rückwärtsbewegung
                              									des ersteren gegen einen festen Anschlag und lockert dadurch die leere Hülse im
                              									Laufe um ungefähr 6mm. Ausgezogen wird die Hülse
                              									durch einen Auszieher V, welcher mit dem
                              									Verschluſsblocke verbunden ist. Dieser Auszieher V
                              									bewegt sich unter 2 langen festen Blattfedern F, welche
                              									an den Enden hochgebogen sind, so daſs er sich in der vordersten bezieh. hintersten
                              									Stellung leicht über den Patronenwulst schieben und dann denselben loslassen kann.
                              									Dadurch wird die leere Hülse in eine der Lücken der Magazintrommel M (vgl. Fig. 11) gezogen, welche
                              									hinter und unter dem Laufe parallel der Achse desselben liegt. Die Trommel M wird vom Verschluſsblocke dadurch gedreht, daſs ein
                              									an letzterem angeordneter Zahn in Zickzacknuthen des Trommelmantels eingreift. Im
                              									letzten Theile der Rückwärtsbewegung des Verschluſsblockes wird, wenn die Hülse ganz
                              									aus dem Laufe herausgezogen ist, die Trommel M um die
                              									1. Hälfte einer Lückenbreite gedreht und im Anfange der Vorbewegung um die 2.
                              									Hälfte, so daſs eine mit einer frischen Patrone versehene Lücke der Trommel hinter
                              									den Lauf zu stehen kommt. Die Lücken der Trommel werden aus einem sich über das Rad
                              										W legenden Patronenbande b gefüllt, indem bei der Rückbewegung des Verschluſsblockes ein mit ihm
                              									verbundener federnder Haken H die Patronen am Wulste
                              									erfaſst, dieselben aus dem Bande herauszieht und in die Lücken der Trommel W überführt. W wird von
                              										M mittels Zahnradübersetzung getrieben. Die leeren
                              									Hülsen und das leere Patronenband treten aus einer Wand des Gestelles heraus. Das
                              									Patronenband kann verschiedene Einrichtung haben und wird in einem unter dem
                              									Geschütze befindlichen Kasten untergebracht. Von diesem gelangt es durch eine
                              									Oeffnung des das Schloſs umgebenden Kastens in das Schloſs.
                           Gegen Ende der Rückbewegung des Verschluſsblockes stöſst der Hebel O gegen einen festen Anschlag, so daſs der Schlagbolzen
                              									zurückgezogen und die Schlagfeder gespannt wird. Gleichzeitig springt der Abzughebel
                              										Q in letzteren ein, denselben festhaltend. Während
                              									der Vorbewegung des Verschluſsblockes wird eine frische Patrone aus der Trommel M in den Lauf geschoben, welcher aus demselben Grunde,
                              									wie vorhin beschrieben, vom Hebel L langsamer
                              									vorgeschoben wird als der Verschluſsblock, bis die Bolzen T die zum Laufe senkrechte Stellung überschritten haben und alle Theile in
                              									die Anfangslage zurückführen. Es findet dann im letzten Augenblicke eine Kuppelung
                              									von Lauf und Verschluſsblock durch den Haken C und beim
                              									Anstoſse von Q gegen den Anschlag U ein Abfeuern der Patrone statt, worauf sich das
                              									beschriebene Spiel wiederholt. Der Anschlag U ist mit
                              									einem gewöhnlichen Katarakte V1 verbunden, dessen Durchfluſsöffnung mittels eines
                              									Handhebels V2 beliebig
                              									eingestellt werden kann, so daſs man zwei bis 600 Schüsse in der Minute abgeben
                              									kann. Der Handhebel V2
                              									ist mit dem Anschlage U durch eine Zugstange verbunden,
                              									um das Geschütz auch von Hand abfeuern zu können. Ist der Hahn des Katarakts V1 ganz geschlossen, so
                              									kann das Geschütz nicht abgefeuert werden. Auſserhalb des Gestelles ist die
                              									Kurbelwelle K mit einem schweren Handhebel K1 versehen, welcher
                              									zum Ingangsetzen des Geschützes dient. Das Geschütz mit einem Infanteriegewehrlaufe
                              									ist 1m,447 lang und steht etwa 90cm hoch auf einem Dreifuſse. Das Patronenband
                              									besteht aus 2 zusammengenieteten Kanavasbändern, welche die Patronen umfassen. Beim
                              									Schieſsen wird ein Band an das andere gehakt, so daſs ein Aufenthalt durch Einlegen
                              									neuer Bänder nicht entsteht. Beim Ingangsetzen des Geschützes legt man zuerst ein
                              									volles Patronen bandEin solches Patronenband faſst bei dem in London ausgestellten Geschütze 333
                                    											Patronen.Red. über das Rad W und dreht nun die Handkurbel K1 hin und her, bis die eine Hälfte der
                              									Trommellücken bis zum Laufe gefüllt, die andere aber leer ist. Dann läſst man eine
                              									Patrone in den Lauf eintreten und durch Bewegung des Hebels V2 explodiren. Das Geschütz feuert dann
                              									selbstthätig weiter in Pausen, welche durch die Stellung des Hebels V2 bedingt sind. Das
                              									Feuer kann aber in jedem Augenblicke unterbrochen werden. Explodirt eine Patrone
                              									nicht, so hört das Geschütz zu feuern auf; man hat dann nur nothwendig, die
                              									Handkurbel K1 zu drehen
                              									und wieder den Hebel V2
                              									von Hand zu bewegen. Das Geschütz tritt dann wieder in Thätigkeit.
                           Der Dreifuſs zur Aufstellung des Geschützes ist mit einer Seiten- und einer
                              									Höhenrichtvorrichtung versehen; erstere dient auch zum Streuen der Geschosse. Durch
                              									Lösen des Klemmringes (a in der Textfigur) kann dem
                              									Laufe schnell jede Richtung gegeben werden, indem sich die Richtspindel in der Röhre
                              									einfach verschiebt. Zieht man den Klemmring an, so erfolgt das Richten durch Drehen
                              									mit Hilfe des Handrades.
                           
                        
                     
                  
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