| Titel: | Neue Anwendungen des Nitrometers. | 
| Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 361 | 
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                        Neue Anwendungen des Nitrometers.
                        Mit Abbildung.
                        Lunge, über neue Anwendungen des Nitrometers.
                        
                     
                        
                           Wie G. Lunge in mehreren AbhandlungenChemische Industrie, 1885 S. 161. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft
                                    											1885 S. 1872 und 2031 (vgl. D. p. J. 1878 228 * 447. 1882 243 *
                                    											420). im Anschlusse an die Ausführungen Allen's (vgl. 1885 256 331. 257 112) zeigt, ist das Nitrometer der mannigfachsten
                              									Anwendung fähig.
                           Um das Nitrometer zu einem Reductionsapparate von
                              									Gasmengen für Temperatur und Druck zu machen, füllt man das mit oberer
                              									Erweiterungskugel versehene, für Salpeter bestimmte Nitrometer durch Senken des
                              									Standrohres bei offenem Hahne mit atmosphärischer Luft bis zu der Grenze, daſs nach
                              									Umrechnung für den dann herrschenden Barometer- und Thermorneterstand auf 0° und
                              										760mm das Volumen genau 50 bezieh. 100cc sein müſste, worauf man den Hahn schlieſst. Da
                              									man für die meisten Fälle Gase im feuchten Zustande zu messen hat, so ist es am
                              									besten, gleich etwas Wasser mit einzuführen; man hat dann ein für allemal diese
                              									Berichtigung mit angebracht. Da indessen auch der umgekehrte Fall vorkommt, wie z.B.
                              									gerade bei der ursprünglichen Anwendung des Nitrometers, wo man über concentrirter
                              									Schwefelsäure abliest, so wird man, wenn man nicht besondere Reductionsapparate für
                              									feuchte und trockene Luft einführen will, sich leicht in der Weise helfen können,
                              									daſs man im Reductionsinstrumente feuchte Luft anwendet, aber den äuſseren
                              									Quecksilberstand um so viel höher stellt, als dem Feuchtigkeitszustande der Luft für
                              									die betreffende Temperatur entspricht, also für 15° 12mm,7 u.s.w. Lunge schichtet auf das äuſsere
                              									Quecksilber eben so viel Wasser, als im Inneren befindlich ist, stellt auf die
                              									Quecksilberkuppen ein, liest aber am Wassermeniskus ab.
                           Zur Untersuchung von Natriumnitrit ist der Apparat nicht
                              									geeignet, da dasselbe oft Nitrat enthält.
                           Die von Davis vorgeschlagene Bestimmung von Wasserstoffsuperoxyd mit Kaliumdichromat ist ungenau.
                              										Allen miſst dagegen den mit saurer Chamäleonlösung
                              									entwickelten Sauerstoff: 2 KMnO4 + 5H2O2 + 3H2SO4 = K2SO4 + 2MnSO4 + 8H2O + 5O2. Nach Lunge ist es
                              									bequemer, wenn man die Zersetzung in einem mit dem Dreiwegehahne verbundenen
                              									Kölbchen a vornimmt und den entwickelten Sauerstoff
                              									miſst.
                           Textabbildung Bd. 258, S. 362Lunge beschreibt ferner die mit diesem
                              									Apparate auszuführende Bestimmung von Harnstoff bezieh.
                              										Ammoniaksalz, sowie der Kohlensäure in den Carbonaten. Man hebt das Standrohr des Nitrometers bis
                              									das Quecksiber im Meſsrohre m bis dicht unter den Hahn
                              									oder bis 1cc steigt, klemmt das Standrohr fest und
                              									dreht den Hahn um 45°, so daſs Schlauch s und Trichter
                              										t verbunden sind. Man beschickt nun das Kölbchen
                              									mit einer genügenden Menge von Bromnatronlauge, das Röhrchen mit einer passenden
                              									Menge Ammoniaksalz u. dgl., stellt das Röhrchen hinein und steckt das Kölbchen auf
                              									den Kautschukpfropfen, welcher mit den Verbindungsröhren schon am Nitrometer hängt.
                              									Nun dreht man den Hahn um 180° und zwar so, daſs die Drehung des Schlüssels
                              									innerhalb des Schlauches stattfindet, das Kölbchen a
                              									also in derselben Stellung bleibt. Jetzt rückt man das Standrohr bis ungefähr an die
                              									Stelle, welche es später einnehmen wird, dreht das Kölbchen so, daſs der Inhalt des
                              									Röhrchens ausflieſst, und schüttelt, wobei man stets mit der anderen Hand den Hahn
                              									festhält, damit derselbe nicht seine Stellung ändert. Wenn nach wiederholtem
                              									Schütteln der Stand des Quecksilbers im Meſsrohre sich nicht mehr ändert, so hält
                              									man inne und läſst abkühlen, was man natürlich durch Einstellen des Kölbchens in ein
                              									Glas mit Wasser von der Zimmertemperatur beschleunigen kann. Man stellt dann den
                              									Stand des Quecksilbers in beiden Röhren gleich, wartet noch etwas ab, ob nicht durch
                              									weiteres Erkalten das Gasvolumen noch kleiner wird, und liest endlich ab. Es ist zu
                              									bemerken, daſs nur etwa 91 Procent des Harnstoffes zersetzt werden, so daſs 1cc Stickstoff bei 0° und 760mm 2mg,95
                              									Harnstoff entspricht. – Ob sich in dieser Weise auch Diazoverbindungen bestimmen lassen, müssen weitere Versuche lehren.
                           In gleicher Weise verfährt man zur Bestimmung der Kohlensäure, wobei man jedoch die Löslichkeit der Kohlensäure in der
                              									Flüssigkeit berücksichtigen muſs. Lunge zeigt, welche
                              									grobe Fehler durch ungenügende oder keine Beachtung dieses Umstandes bei Verwendung
                              									der Apparate von Scheibler, Bauer u.a. gemacht werden.
                              									Soll bei Verwendung des oben beschriebenen Reductionsapparates 1cc des entwickelten Gases = 1 Gew.-Proc. CO2 sein, so würde man bei 0° und 760mm Druck 0g,1971
                              									Substanz abwägen müssen. Bei anderen Temperatur- und Druckbedingungen, z.B. wenn der
                              									Reductionsapparat auf 112,0 steht, wird man nur 0,1971 : 1,120 = 0g,1760 Substanz abwägen, damit je 1cc des abgelesenen Gasvolumens, mit Hinzurechnung
                              									des Absorptionscoefficienten, gleich ohne weitere Berichtigung je 1 Gew.-Proc. CO2 bedeute. Soll aber das Gasvolumen den kohlensauren
                              									Kalk in geraden Zahlen anzeigen, also z.B. jedes Cubikcentimeter = 0,5 Proc. CaCO3 sein, so wäre das Einheitsgewicht für 0° und
                              										760mm = 0g,224 Substanz zu nehmen. Dieses Verfahren eignet sich zur Analyse von Soda und Potasche (wenn
                              									diese nicht Aetznatron enthalten, oder aber durch Abdampfen und Glühen mit
                              									Ammoniumcarbonat davon befreit worden sind), von Natriumbicarbonat im festen Zustande oder in Lösungen (für welche Zwecke
                              									diese Bestimmung, in Verbindung mit einer Titrirung mit Methylorange, besonders zu
                              									empfehlen ist) von kohlensaurem Natron in Aetzlauge, z.B. Seifensiederlaugen, von
                              										Kalkstein, Mergel (für Cementfabrikation), Aetzhalk (auf ungebrannten Kalkstein), von Säuren aller Art, von Braunstein und regenerirtem Mangandioxyd mittels Oxalsäure, von Oxalsäure und deren Salzen mittels Braunstein, von Chlorzink, Manganchlorür, Kupfersulfat und vielen
                              									anderen Metallsalzen auf überschüssige Säure (nicht anwendbar auf Thonerde- und
                              									Eisenoxydsalze) sowie zur Titerstellung der
                                 										Chamäleonlösungen mit Wasserstoffsuperoxyd ohne Wage und Gewicht. In
                              									entsprechender Weise kann auch Braunstein untersucht
                              									werden: MnO2 + H2O2 = MnO + H2O + O2.
                           Lunge hat ferner gefunden, daſs Wasserstoffsuperoxyd
                              									sich gegen eine Lösung von Chlorkalk genau wie gegen
                              									das Chamäleon verhält, d.h. beide Substanzen geben ihren activen Sauerstoff zu
                              									gleichen Theilen her, um freien inactiven Sauerstoff zu liefern, und gibt daher die
                              									Hälfte des entwickelten Gases stets das Maſs des activen Sauerstoffes, welchen der
                              									nicht im Ueberschusse vorhandene Bestandtheil zu liefern im Stande ist. Man kann
                              									mithin mittels überschüssigen Wasserstoffsuperoxydes den Gehalt des Chlorkalkes,
                              									mittels überschüssigen Chlorkalkes denjenigen des Wasserstoffsuperoxyd es sofort
                              									bestimmen. Die Reaction geht beim Zusammentreffen der Substanzen augenblicklich und
                              									völlig glatt vor sich;
                              									die Ergebnisse stimmen vollkommen genügend mit den Gehaltsbestimmungen beider Stoffe
                              									auf anderem Wege. Nur darf das Wasserstoffsuperoxyd, wie natürlich, keine irgend
                              									gröſsere Menge freie Säure enthalten, damit nicht Chlor frei wird.
                           Um andererseits die Menge des Indigotins im Indigo durch
                              									Reduction zu Indigoweiſs und Messen des zur Oxydation erforderlichen Sauerstoffes zu
                              									bestimmen, kann man den fein geriebenen Indigo mit Kalk und Zinkstaub, oder mittels
                              									der Fritsche'schen Küpe in einem geschlossenen, bis zur
                              									Marke aufgefüllten Literkolben reduciren, absetzen lassen, einige Cubikcentimeter
                              									mittels einer Pipette herausnehmen und in den Becher des Nitrometers bringen,
                              									welches inzwischen bis zur Grenze seiner Theilung mit Luft gefüllt war. Natürlich
                              									muſs man die Menge des Indigos dem Inhalte des Nitrometers entsprechend wählen. 1cc Sauerstoff von 0° und 760mm wiegt 0g,001433 und kann Indigoweiſs entsprechend 0g,02347 Indigotin (C16H10O2N2) oxydiren. Wenn man also z.B. 46g,94 Indigo in einer Küpe von 1l auflöst und davon 5cc = 0g,2347 zu jeder Prüfung verwendet,
                              									so wird jeder 0cc,1 verschwundener Sauerstoff
                              									immer 1 Proc. Indigotin in der Probe anzeigen. Dies kann man in einem gewöhnlichen
                              									Nitrometer mit Theilung bis 50cc bei der Benutzung
                              									von atmosphärischer Luft vornehmen. Man könnte genauer arbeiten, indem man das
                              									Nitrometer durch den Dreiwegehahn mit Sauerstoff füllt und die 5 fache Menge Indigo
                              									verwendet, wo natürlich je 0cc,5 Sauerstoff = 1
                              									Proc. Indigotin ist. Die Lösung des Indigos muſs natürlich während des Einlaufens
                              									vor Berührung mit der äuſseren Luft möglichst geschützt sein; dies kann man im
                              									Nitrometer leicht erreichen, indem man den Becher des Instrumentes mit Kohlensäure
                              									füllt- man läſst die Pipette in der Kohlensäureatmosphäre ablaufen und saugt die
                              									Indigolösung sofort in das Meſsrohr, ehe die Kohlensäure aus dem oberen Theile des
                              									Bechers herausdiffundirt ist, was bekanntlich sehr langsam geschieht.
                           Lunge bestätigt schlieſslich, daſs man das Nitrometer –
                              									richtiger wohl Gasbürette – auch zur technischen Gasanalyse verwenden könne, für welche es
                              									geeigneter ist als die bekannten Apparate von Bunte und
                              										Hempel.