| Titel: | Der polarisirte Doppelschreiber von Ed. Estienne in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 108 | 
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                        Der polarisirte Doppelschreiber von Ed. Estienne in
                           									Paris.
                        Mit Abbildungen.
                        Estienne's polarisirter Doppelschreiber.
                        
                     
                        
                           In dem Berichte über die auf der Wiener Elektricitäts-Ausstellung vorgeführten
                              									Neuerungen auf dem Gebiete der Telegraphie und Telephonie (vgl. 1883 250 * 395) ist bereits der polarisirte Schreibtelegraph
                              									von Ed. Estienne in Paris und seine eigenartige
                              										SchriftbildungObwohl Estienne auch jetzt noch für gewöhnlich
                                    											bloſs zwei Schriftelemente – „Strich“ und „Halbstrich“ oder
                                    												„Punkt“ – verwenden will und durch Ströme von gleicher Länge,
                                    											aber verschiedener Richtung eine Steinheilschrift erzeugt, welche der
                                    											Morseschrift bei Aufrechtstellung der sonst liegenden Striche an die Seite
                                    											gestellt werden kann, hat er kürzlich vorgeschlagen, durch gelegentliche Anwendung längerer Ströme neben
                                    											den kürzeren zu diesen beiden Schriftelementen von verschiedener Breite und
                                    												gleicher Länge noch zwei weitere von größerer Länge und verschiedener Breite
                                    											hinzuzufügen. Die Schrift würde dadurch wesentlich den Charakter einer
                                    											Stöhrerschrift annehmen. Estienne will indessen
                                    											diese vier Schriftelemente nicht als ganz gleichwerthig für die
                                    											Schriftbildung behandeln, sondern dabei bleiben, in der eben angedeuteten
                                    											Weise aus den beiden kürzeren ein die Morseschrift nachahmendes Alphabet
                                    											zusammenzustellen und die beiden längeren Schriftzeichen nur für gewisse
                                    											Zwecke, zu weiterer Abkürzung der Schrift, zu verwenden und dadurch die
                                    											Leistungsfähigkeit seines Telegraphes noch zu erhöhen. erwähnt
                              									worden. Dieser Apparat, welcher damals in der französischen Abtheilung der
                              									Ausstellung in Bréguet'scher Ausführung vorgeführt war,
                              									ist seither von dem Erfinder in wesentlichen Theilen abgeändert worden.
                           
                           Da die Versuche mit dem neuen Apparatsystem in der Deutschen
                              									Reichs-Telegraphenverwaltung günstige Ergebnisse geliefert haben und deshalb die
                              									theilweise Einführung desselben bereits erfolgt ist, so mag im Nachstehenden eine
                              									Beschreibung des von dem Erfinder angenommenen Modelles für den Empfangsapparat und
                              									die Doppeltaste nach Armengaud's Publication industrielle, Bd. 30 * S. 49 folgen und im
                              									Anschlusse daran auf die bei Einführung des Apparates in Deutschland getroffenen
                              									Aenderungen hingewiesen werden.
                           Das Laufwerk des Empfängers ist, wenn von der Regulirbarkeit der Laufgeschwindigkeit
                              									abgesehen wird, von der des gewöhnlichen Morse'schen
                              									Empfängers französischer Ausführung nicht verschieden; ebenso ist die Papierführung
                              									im Wesentlichen beibehalten. Neu und eigenartig sind an dem Empfänger die in Fig. 1 bis 4 dargestellten, an der
                              									vorderen Wange des Laufwerkkastens liegenden schreibenden Theile mit der
                              									Stellvorrichtung des Farbkastens und die in Fig. 5 gezeichneten, an
                              									der Rückwand des Kastens liegenden elektromagnetischen Theile mit der
                              									eigenthümlichen Polarisationsvorrichtung.
                           Während bei der ursprünglichen Ausführung des Empfängers und zwar sowohl bei dem
                              									Modell Breguet, wie bei dem von Postel-Vinay, zur Herstellung des ganzen Striches die gleichzeitige
                              									Wirkung beider neben einander liegenden Schreibfedern in Anspruch genommen wurde,
                              									schreibt bei dem neuen Modelle jede der beiden Federn von der anderen unabhängig das
                              									ihr zukommende Zeichen. Die Federn sind dazu jetzt nicht mehr seitlich neben
                              									einander gelagert, sich in ihrer ganzen Breite zur Länge des Strichzeichens
                              									ergänzend; sie liegen vielmehr, um ihren Aufhängungspunkt beweglich, in der Ruhelage
                              									des Empfangsapparates mit der Breitseite an einander, sich auf die sie zum Schreiben
                              									gegen den Papierstreifen heran bewegende Gabel N
                              									stützend und durch ihre genau abgeglichene Schwere in der Gleichgewichtslage
                              									haltend. Ihrer Bestimmung entsprechend hat die linke Feder, die Punktfeder, an ihrer
                              									Schreibseite die Breite des Halbstriches, die rechte, die Strichfeder, dagegen die
                              									des ganzen Striches. Wird die linke Feder durch den sogleich zu erörternden
                              									Schreibmechanismus gehoben, so tritt die rechte entsprechend zurück und
                              									umgekehrt.
                           Zur eigentlichen Schreibvorrichtung sind die in Fig. 6 bis 9
                              									dargestellten Schreibfedern J mit den zugehörigen
                              									Schreibhebeln K zu rechnen. Jede Schreibfeder besteht
                              									aus zwei durch ein Gelenk j mit einander verbundenen
                              									Flügeln J1 und J2, welche in
                              									schreibfertigem Zustande durch eine an J2 angenietete Blattfeder j1 zusammengehalten werdenIn den Zeichnungen sind die Unterscheidungsziffern der Buchstaben als
                                    											Exponenten hochstehend eingesetzt. . Um die Feder schreibfertig
                              									zu machen, werden die beiden Flügel durch einen auf die etwas vorstehenden Ränder
                              									derselben ausgeübten Druck geöffnet, wonächst man einen Streifen sämisch
                              									bearbeiteten Schafleders
                              									von passender Breite zwischen dieselben legt und die Flügel wieder schlieſst.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 261, S. 110
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 261, S. 110
                              
                           Der eine der beiden Flügel jeder Feder und zwar derjenige,
                              									welcher bei der betriebsfertig gemachten Feder im Farbgefäſse nach unten zu liegt,
                              									mithin auch bei niedrigem Flüssigkeitsspiegel unmittelbar in die Farbflüssigkeit eintaucht, besitzt
                              									einen rechteckigen, fensterartigen Ausschnitt, durch welchen die Farbe zur
                              									Saugledereinlage gelangen kann. In Folge der Capillarität durchtränkt sich das Leder
                              									mit ihr bis vorn an die Schreibfläche des Federgestelles; die Feder ist nun zum
                              									Schreiben zusammenhängender schmälerer oder breiterer Striche vorbereitet. Jede
                              									Schreibfeder ist mit ihrem Schreibhebel durch Vernietung verbunden. An ihrem der
                              									Feder entgegengesetzten oberen Ende tragen beide Schreibhebel eine längere Hülse,
                              									die bei k2 über einen
                              									in die vordere Gestellwange des Apparates eingesetzten Dorn geschoben wird, um
                              									welchen dann jeder derselben beweglich ist. Zwei drehbare Stiftchen k1 (Vorreiber) halten
                              									in ihrer in Fig.
                                 										3 gezeichneten Lage die Schreibhebel auf den Dornen zurück und verhüten
                              									somit ein Herabgleiten derselben während ihrer Bewegung, Beide Schreibhebel haben,
                              									der Wirkung der Schwere folgend, das Bestreben, sich frei nach unten zu legen.
                              									Diesem Bestreben wirken jedoch die Zinken der Gabel N,
                              									auf welche sich die Schreibhebel mit ihren nach hinten vorstehenden Anschlagstiften
                              										k3 auflegen,
                              									entgegen, so daſs die Federn in der Ruhelage der Gabel, d.h. bei stromloser Leitung,
                              									wie in Fig. 1 dargestellt, neben einander im
                              									Gleichgewichte liegen. Tritt jetzt ein Strom von bestimmter Richtung auf, durch
                              									welchen beispielsweise die mit dem Anker U (Fig. 5) aus
                              									weichem Eisen auf derselben Welle n befestigte Gabel
                              										N nach rechts gelegt wird, so drückt die linke
                              									Zinke gegen den Anschlagstift des linken Schreibhebels, die Punktfeder steigt und
                              									bewirkt auf dem um die Druckrolle v geführten
                              									Papierstreifen den Abdruck des Halbstriches. Im Augenblicke des Aufhörens der
                              									Stromwirkung kehrt der Anker U und die mit demselben
                              									auf gleicher Achse aufgesteckte Gabel N nebst der
                              									linken Feder durch den weiter unten beschriebenen Polarisationsmagnet beeinfluſst,
                              									in die Ruhestellung zurück, wohin unter der Einwirkung der rechten Zinke auch die
                              									bisher gesenkte Schreibfeder wieder emporsteigt. Ein entgegengesetzt gerichteter
                              									Strom legt den Anker und die Gabel nach links, wobei die Strichfeder gehoben wird
                              									und schreibt.
                           Das Farbgefäſs M (Fig. 1
                              									bis 4) ist an
                              									der vorderen Apparatwange verstellbar und kann zwei bestimmte Lagen, eine hohe und
                              									eine tiefe, einnehmen. In der hohen Lage tauchen beide Federn in die Farbflüssigkeit
                              									ein. Stellt man den Hebel M2 nach links, so wird das Farbgefäſs aus der hohen in die tiefe Stellung
                              									übergeführt. Es geschieht dies mittels des in einen Einschnitt der Messingplatte M1 eingreifenden
                              									Daumens dieses Hebels, welcher, je nachdem er von links nach rechts oder umgekehrt
                              									gedreht wird, die Platte an der Gestellwange herunter führt oder in die Höhe steigen
                              									läſst. Die Platte M1
                              									besitzt zwei Hülsen, durch welche zwei an dem Farbgefäſse M sitzende eiserne Stifte hindurchgreifen und sich durch Schlitze in der
                              									Apparatwand auch noch durch diese hindurch fortsetzen. Zwischen M1 und M liegt noch die
                           
                           
                              
                              Fig. 3–10., Bd. 261, S. 112
                              
                           
                           an der Apparatwand A mittels der
                              									Schraube m festgeschraubte Stahlplatte m2. In der hohen
                              									Stellung kann das Farbgefäſs nicht abgenommen werden, weil der hintere Rand
                              									desselben gegen die Schreibfedern Stoſsen und von diesen zurückgehalten werden
                              									würde; in der tiefen Stellung dagegen sind die Federn aus der Farbflüssigkeit
                              									herausgehoben und somit dem Abnehmen des Gefäſses nicht mehr im Wege; in der hohen
                              									Stellung des Farbgefäſses tritt zugleich die Platte m2 in zwei Schlitze der Stifte des
                              									Schreibgefäſses hinein und verhindert so das Abnehmen des Farbgefäſses, bis dasselbe
                              									in seine tiefe Stellung gebracht ist.
                           Bei richtig eingestelltem Apparate sollen die bei ruhendem Laufwerke bewirkten
                              									Abdrücke beider Zeichen sich decken, d.h. es soll nur die von der rechten Feder
                              									erzeugte Strichmarke auf dem Streifen erscheinen. Ist dies nicht der Fall, so muſs
                              									der Apparat durch Einstellen des Ankers bezieh. der Gabel in die genaue Mittellage
                              									bezieh. durch Anziehen oder Lösen der das Spiel der Gabel begrenzenden
                              									Anschlagsschrauben und durch geeignete Einstellung der mittels einer besonderen
                              									Stellplatte V (Fig. 4) an der vorderen
                              									Apparatwange verstellbar befestigten Druckrolle v
                              									regulirt werden. In Fig. 3 erscheint die obere Walze D1 des Papierzuges von der unteren D abgehoben; durch Zurücklegen des Hebels E1 wird sie auf D herabgelegt.
                           Zu den elektromagnetischen Theilen gehören die beiden Elektromagnetschenkel Q (Fig. 5) mit
                              									Verbindungsstück und verstellbaren Polschuhen Q1, zwischen denen die obere Hälfte des auf der Achse
                              										n befestigten Ankers V
                              									spielt. Derselbe wird bei stromloser Leitung durch die Wirkung des in die Deckplatte
                              									des Apparatkastens eingelassenen und mit der messingnen Grundplatte B des Apparates verbundenen zweilamelligen
                              									Hufeisenmagnetes aus Wolframstahl in seiner Ruhelage, der sogen.
                              										„Mittelstellung“, erhalten. Die Elektromagnetschenkel sind an der
                              									hinteren Apparatwange befestigt und durch einen abnehmbaren, mittels Haken und Oesen
                              									zu befestigenden Holzdeckel gegen zufällige Beschädigungen geschützt. Die messingene
                              									Welle n, welche vorn die Gabel N, hinten dagegen den Anker U trägt, ist,
                              									leicht drehbar, in den Bügeln N1 gelagert, welche an die vordere und hintere
                              									Apparatwange angeschraubt sind. Das untere Ende des Ankers U läuft in eine Schneide aus, welche dem Nordpole des Hufeisenmagnetes
                              									gegenübersteht, jedoch nicht ohne Vermittelung. Zwischen der Schneide des Ankers U und dem Nordpole des Magnetes befindet sich in einem
                              									entsprechenden Ausschnitte der Grundplatte der Läufer u
                              										(Fig.
                                 									10), d. i. ein beweglicher Polschuh aus weichem Eisen; derselbe ist
                              									prismatisch abgeschliffen, so daſs die Kante des Prisma nach oben gerichtet ist. Die
                              									Kante des Prisma ist in den Schlitz eines auf der Grundplatte des Apparates
                              									verschiebbaren Messingschlittens U1 (Fig. 5) eingelöthet,
                              									wodurch Läufer und Schlitten zu einem unwandelbaren Systeme verbunden sind. Der
                              									Schlitten, welcher die Stellvorrichtung für den Anker bildet, hat nach hinten zwei aufwärts stehende
                              									Backen, in welche zwei mit Schraubengewinde versehene Stifte und etwas tiefer zwei
                              									Führungsstifte eingesetzt sind. In geringem Abstande von dem Schlitten sind rechts
                              									und links neben demselben auf der Grundplatte B zwei
                              									Träger aufgesetzt, welche die beiden in jene Ansätze eingeführten Schraubenspindeln
                              									aufnehmen. Mittels dieser beiden Schrauben – und zwar indem man die eine Mutter u1 lüftet, die andere
                              									anzieht – kann der Schlitten U1 in engen Grenzen von links nach rechts und
                              									umgekehrt verschoben werden, bis die richtige Mittellage des Ankers erreicht ist,
                              									wobei die Schneide des Ankers U scharf gegen die obere
                              									Kante des Eisenprisma u gerichtet ist.
                           Vor den Polen des Magnetes liegt ein Schlieſsungsanker aus weichem Eisen, welcher
                              									durch einen an die Unterseite der Grundplatte B
                              									angeschraubten Messingbügel geführt wird. Der Schlieſsungsanker ist in seiner Lage
                              									von der Stellung des Bremshebels des Laufwerkes abhängig. Ist der Hebel nach rechts
                              									gestellt, wobei das Laufwerk gehemmt ist, so liegt der Eisenstab, den Magnet
                              									schlieſsend, vor den Polen desselben; in der linken Stellung des Bremshebels dagegen
                              									ist der Magnet offen und das Laufwerk ausgelöst. Weil der Empfangsapparat
                              									geräuschlos arbeitet, so wird ihm für Leitungen, die nicht in ununterbrochenem
                              									Betriebe sind, ein Wecker beigegeben, für welchen der Bremshebel zugleich als
                              									Kurbelumschalter dient. In der rechten Stellung des Hebels ist nämlich die an das
                              									Apparatgestell geführte Telegraphenleitung auf Wecker geschaltet; in der linken
                              									dagegen wird der aus der Leitung ankommende Strom durch den Empfangsapparat geführt
                              									und der Wecker ist dabei ausgeschaltet. Eine Abweichung hiervon zeigen jetzt die
                              									Apparate des Reichs-Postamtes. Um nämlich zu verhüten, daſs der Telegraphirende bei
                              									Berührung des Bremshebels von einer durch die Leitung zum Apparatgestelle kommenden
                              									atmosphärisch-elektrischen Entladung getroffen werde, wird die Leitung gar nicht an
                              									den Apparat geführt, sondern an eine Schiene, welche zwar vom Bremshebel aus bewegt
                              									wird, dabei aber nicht in metallische Berührung mit ihm kommt; eine an der Schiene
                              									angebrachte Contactfeder berührt in den beiden Stellungen des Bremshebels die eine
                              									oder die andere von zwei messingenen Contactschienen und schaltet so die Leitung auf
                              									den Wecker oder auf den Schreibapparat; zugleich läſst eine mit einer Theilung
                              									versehene Messingplatte erkennen, wie weit der Bremshebel und durch diesen der
                              									Schlieſsungsanker verschöben und so die Wirkung des Magnetes in der von Estienne gewählten, gleich näher zu besprechenden Weise
                              									abgeändert wurde.
                           Neuerdings bringt Estienne an Stelle des rechten und
                              									linken Contactes des Bremshebels auf der Vorderseite der Grundplatte und zwar
                              									innerhalb der durch den Hebel bestrichenen Ebene drei Contactknöpfe an. Dieselben
                              									gestatten eine Einstellung des Hebels auf drei verschiedene Stellen und hierdurch
                              									Abstufung der magnetisirenden Kraft des Läufers und die Einnahme einer
                              									Zwischenstellung, je nachdem die Stärke der Telegraphirbatterie im gebenden Amte
                              									eine Abstufung der Empfindlichkeit des Empfängers erwünscht erscheinen läſst. Eine
                              									weitere Neuerung besteht darin, daſs der Anker U auf
                              									der Schreibwelle n nicht mittels eines durchgesteckten
                              									Stiftes befestigt, sondern beweglich angebracht wird: das Einstellen desselben in
                              									die genaue Mittellage erfolgt dabei durch zwei Anschlagschrauben, zwischen denen die
                              									Zunge U spielt. Der Schlitten U1 und dessen Stellvorrichtung fallen bei
                              									dieser Anordnung fort.
                           Der zum Apparatsysteme gehörige Sender, ein Doppeltaster, ist in Fig. 11 bis 16 in
                              									verschiedenen Ansichten und Sellungen, z. Th. im Schnitte dargestellt. Die beiden
                              									Hebel A und A1 des Doppeltasters sind durch eine
                              									Ebonitzwischenlage in zwei gegen einander isolirte Theile getrennt. Der Stromlauf
                              									ist leicht zu verfolgen, wenn man sich mit dem Säulchen H1 den Empfangsapparat, mit den Contacten
                              										G bezieh. G1 und den Federn d1 bezieh. d den Zink-
                              									bezieh. Kupferpol der Batterie, mit der Feder J am
                              									Säulchen D die Erde und mit dem Lagerbocke B der beiden Tastenhebel die Telegraphenleitung
                              									verbunden denkt. Es wird dann nämlich beim Drucke des linken Tasterhebels A1 die mit der Leitung
                              									verbundene wagerechte Blattfeder H durch den am
                              									isolirten vorderen Ende des Hebels angebrachten Stift h1 von dem Säulchen H1 abgehoben und
                              									Kupferstrom in die Leitung geschickt, während gleichzeitig der Zinkpol der Batterie
                              									an Erde gelegt wird. Umgekehrt tritt beim Drucke des rechten Tasterhebels Zinkstrom
                              									in die Leitung, während der Kupferpol an Erde gelegt wird. Der aus der Leitung
                              									ankommende Strom geht über die wagerechte Blattfeder H
                              									und das Contactsäulchen H1 zum Empfangsapparate bezieh. zum Läutewerk und zur Erde. Dem Sender ist
                              									eine Entladungsvorrichtung beigegeben, deren Einrichtung in Fig. 13 erkennkar ist.
                              									Gegen das in die Schraube i1 eingedrehte Schräubchen drückt die lothrechte Blattfeder J, welche mittels i1 beliebig vor- und zurückgestellt werden kann; die
                              									Vertikalfeder trägt bei i eine kleine Nase aus Platin,
                              									welche dazu bestimmt ist, mit der wagerechten, mit der Leitung verbundenen
                              									Blattfeder H bei deren Aufwärtsbewegung sowie beim
                              									Niedergange einen Erdcontact zu bilden. Beim Einstellen der Entladungsvorrichtung
                              									ist zu beachten, daſs, wenn die Vertikalfeder I zu weit
                              									vorgestellt ist, die Horizontalfeder H an der Nase
                              									angehalten werden kann, wodurch dann ihr Zurückgehen in die Ruhelage und die
                              									derselben entsprechende Verbindung mit dem Empfangsapparate verzögert wird.
                           Die im J. 1884 für Rechnung und nach den Angaben der Reichs-Telegraphenverwaltung bei
                              									den Gebrüder Naglo in Berlin erbauten 100
                              									Empfangsapparate des Systemes Estienne sind, abweichend
                              									von dem Modelle des Erfinders, unter thunlichster Anpassung an den
                              									Morse-Normalfarbschreiber ausgeführt worden. Ebenso zeigt das vom Reichs-Postamte
                              									angenommene Modell des Senders gegenüber dem durch Postel-Vinay
                              									ausgeführten Estienne'schen Sender in so fern eine wesentliche
                              									Abweichung, als bei demselben die zum Betriebe des Apparates erforderlichen Ströme
                              									verschiedener Richtung zwei besonderen Batterien entnommen werden, deren unbenutzte
                              									Pole an Erde gelegt sind.
                           
                              
                              Fig. 11–19., Bd. 261, S. 116
                              
                           Diese Anordnung gewährt den Vortheil, daſs bei gröſseren
                              									Aemtern, denen mehrere Estienne'sche Systeme überwiesen
                              									sind, nach Umständen gemeinsame Batterien zum Betriebe mehrerer Leitungen benutzt werden
                              									können. Ebenso können auch jedem der beiden Hebel des Senders annähernd dieselbe
                              									Einrichtung und dieselben Verbindungen gegeben werden wie dem einfachen Taster für
                              									Arbeitstrombetrieb.
                           Bei diesen Telegraphen wurden Laufwerk und Aufziehvorrichtung des
                              									Normalfarbschreibers unverändert beibehalten; auch die Unterbringung der Papierrolle
                              									in dem Untersatzkasten, sowie die Anordnung der Papierführung und der
                              									Papierzugwalzen ist dieselbe. Ebenso ist die Befestigungsweise des Farbekastens an
                              									der vorderen Apparatwange beibehalten. Nur die Oeffnung in der Deckplatte des
                              									Farbekastens muſste der abweichenden Einrichtung der Schreibvorrichtung entsprechend
                              									abgeändert werden und die Einguſsöffnung wurde in eine nach vorn zu sich
                              									erstreckende halbrunde Erweiterung des Farbekastens verlegt. Die Schreibfedern und
                              									die Befestigung der Federhalter an der Apparatwand, ferner die Gabel, welche die
                              									Federn zum Schreiben an den um die verstellbare Druckrolle herumgeführten
                              									Papierstreifen heranbewegt, der auf die Gabelachse aufgesteckte Anker aus weichem
                              									Eisen nebst dem denselben magnetisirenden Hufeisenmagnete sind in der vorstehend
                              									beschriebenen Einrichtung und Anordnung beibehalten oder nur unwesentlich abgeändert
                              									worden.
                           Durchgreifender sind die Aenderungen an dem deutschen Doppeltaster, welcher in Fig. 17 bis
                              										19
                              									dargestellt ist. Die Wirkungsweise desselben wird leicht klar, wenn man sich mit der
                              									Klemme K1 den
                              									Kupferpol, mit K2 den
                              									Zinkpol je einer Batterie verbunden denkt und wenn ferner an K6 die Leitung, an K5 die Erde und an K4 die Apparatzuleitung
                              									geführt werden. Wenn die Strichtaste T1 gedrückt wird, so tritt – von der auch hier wie
                              									bei dem Estienne'schen Taster vor sich gehenden
                              									Entladung abgesehen – Kupferstrom über die Schiene S1
                              									, den Hebel T1, die Achse a1, den Ständer C1 und K6 in die Leitung, während beim Drucke der Punkttaste
                              										T2 Zinkstrom über
                              										S2, T2, a2, C, a1, C1 und K6 in die Leitung
                              									geschickt wird. Der beim Empfangen aus der Leitung ankommende Strom dagegen nimmt
                              									seinen Weg über K6, C1, S6, D, die Feder F, das
                              									Säulchen J, S4 und K4 zum Empfangsapparat
                              									bezieh. zum Läutewerk und zur Erde. Die Stifte h1 und h2 haben bei der vorliegenden Anordnung nur den
                              									Zweck, die Blattfeder F beim Drucke des einen oder
                              									anderen Tasterhebels von dem mit der Apparatklemme K4 verbundenen Säulchen J abzuheben.
                           Von sonstigen kleineren Aenderungen ist noch zu erwähnen, daſs zur Sicherung des
                              									Contactes mit der Leitung auſser der unmittelbaren Verbindung durch die Achsen der
                              									Tasterhebel noch eine um a1 bezieh. a2
                              									gelegte Stahldrahtspirale dient, deren freie Enden einerseits an den Hebeln T1 bezieh. T2, andererseits an den
                              									Lagerböcken C1 bezieh.
                              										C2 angeschraubt
                              									sind. Auſserdem sind neuerdings die äuſseren Seiten der Ebonitplatten e1 bezieh. e2 zur Verhütung eines
                              									unabsichtlichen Heruntergleitens des auf sie drückenden Fingers mit erhöhten Rändern
                              									versehen worden, was der in Fig. 19 dargestellte
                              									Schnitt nach der Linie I-II in Fig. 18 deutlich sehen
                              									läſst.
                           Die Leistungsfähigheit des neuen Systemes ist vor der
                              									Einführung desselben auf ober- und unterirdischen Leitungen zwischen Berlin und
                              									Leipzig, sowie auf unterirdischen Leitungen zwischen Berlin und Frankfurt a. Main
                              									erprobt worden. Auch zwischen Berlin und Karlsruhe (Baden) sind Apparate Estienne'scher Lieferung unter Benutzung einer in
                              									Cassel eingerichteten Uebertragung mit bestem Erfolg in Betrieb gesetzt worden. Mit
                              									Apparaten deutscher Bauart hat sogar in letzter Zeit auf der rund 600km langen unterirdischen Linie von Berlin nach
                              									Köln (Rhein) ein sicherer Verkehr ohne Uebertragung bezieh. Relais
                              									stattgefunden.
                           Die Uebertragung ist nach dem Archiv für Post und
                                 										Telegraphier 1885 * S. 495 nach dem Vorschlage des Telegraphendirektors Pröll in Berlin nach der Schaltungsskizze Fig. 20 unter Verwendung von je 2 Relais R1 und R3 bezieh. R2 und R4 durchgeführt worden;
                              									sie fällt übrigens wesentlich zusammen mit der von E.
                                 										Matzenauer bereits im August 1847 erdachten, in der Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieurvereins, 1851 S. 28 und 63
                              									bezieh. 1863 S. 139 besprochenen Uebertragung für die damals in Oesterreich in
                              									Gebrauch befindlichen Bain'schen Nadeltelegraphen, die
                              									ja ebenfalls mit Arbeitströmungen von zwei verschiedenen Richtungen betrieben
                              									wurden. Von den paarweise hinter einander geschalteten vier polarisirten (Hughes-) Relais sprechen R1 und R2 auf positive, R3 und R4 auf negative, aus L2 bezieh. L1 ankommende und über d2, i2, e2 bezieh. d1, i1, e1 zur Erde E gehende Telegraphirströme an und geben dabei in
                              									bekannter, aus der Figur leicht ersichtlicher Weise zugleich die positiven Ströme
                              									der Batterie + B bezieh. die negativen der Batterie
                              										–B in die Leitung L1 bezieh. L2 weiter.
                           
                              
                              Fig. 20., Bd. 261, S. 118
                              
                           Natürlich würden sich an Stelle der vier polarisirten Relais auch zwei Estienne'sche Apparate selbst als Uebertrager benutzen
                              									lassen und zwar läſst sich die Uebertragung mittels derselben ebenso wohl bei
                              									Verwendung zweier getrennter und mit dem einen Pole (wie +B und –B in der obigen Skizze) an Erde
                              									gelegten Linienbatterien durchführen wie mit einer einzigen Batterie, wie dies E. Zetzsche in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1886 * S. 112 eingehender aus einander
                              									gesetzt hat.