| Titel: | Ueber die Messung der Geschwindigkeit von Geschossen. | 
| Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 251 | 
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                        Ueber die Messung der Geschwindigkeit von
                           								Geschossen.
                        Mit Abbildungen.
                        Ueber die Messung der Geschwindigkeit von Geschossen.
                        
                     
                        
                           Prof. E. J.
                                    											Houston in Philadelphia gibt im Journal of the Franklin Institute, 1885 Bd. 120 * S.
                                 										134 einige Mittheilungen über die Benutzung der Elektricität bei der
                              									Messung der Geschwindigkeit der Geschosse, wobei Verfasser namentlich aus Benêt: Electro-Ballistic Machines and the Schultz Chronoscope, und aus Michaelis: The Le Boulengé Chronograph, schöpft.Ueber die Benutzung des Siemens'schen
                                    											Funkenchronographen für denselben Zweck vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1880 * S. 351. Nach dem
                              									ballistischen Pendel von Robins (1740) und dem
                              									Geschützpendel des Grafen Rumford (1781) hat zuerst Wheatstone (1840) vorgeschlagen, die Elektricität bei
                              									der Messung der Geschwindigkeit von Geschossen zu benutzen. Er lieſs beim Durchgehen
                              									der Kugel durch Drahtscheiben den Strom in Elektromagneten unterbrechen, so daſs
                              									eine den Anker abreiſsende Feder eine Marke auf einem umlaufenden Cylinder machen
                              									konnte. Den durch den remanenten Magnetismus der Elektromagnete bedingten Fehler
                              									beseitigte Prof. Henry 1843 durch Anwendung von
                              										InductionsrollenGlösener brachte aus, demselben Grunde die
                                    											Anwendung von Magnetnadeln in Vorschlag, die der Strom ablenken
                                    										sollte. , welche durch überspringende Funken die Marken machten. 1849
                              									schlug Navez einen elektro-ballistischen Apparat vor,
                              									worin die Kugel beim Durchbohren der ersten Scheibe ein von einem Elektromagnet
                              									festgehaltenes Pendel auslöste, während das Pendel oder ein Theil desselben durch
                              									einen kräftigen Elektromagnet in seiner Bewegung aufgehalten wurde, sowie die Kugel
                              									durch die zweite Scheibe hindurchging.
                           In Vignotti's elektro-ballistischer Maschine ist über
                              									die Rohrmündung ein Draht gespannt, der beim Abfeuern zerrissen wird und das Pendel
                              									losläſst; die beim Durchgehen der Kugel durch zwei entfernt von einander
                              									aufgestellte Scheiben verursachte Unterbrechung des Stromes in der einen oder der
                              									anderen von zwei primären Rollen markirt der überspringende Funke aus den secundären
                              									Rollen zwischen der isolirten Pendellinse und einer Messingplatte, welche hinter
                              									einem getheilten und mit einem bogenförmigen Schlitze versehenen Tafel steht und mit
                              									einem mit Ferrocyanidkalium-Lösung getränkten Papiere belegt ist; aus der Entfernung
                              									der beiden farbigen Marken der beiden Pendelstellungen wird die Flugzeit zwischen
                              									den beiden Scheiben und dann aus dem Abstande der Scheiben von einander die
                              									Geschwindigkeit berechnet. Am Ende des Pendelschlages wird das Pendel durch eine
                              									Gabel aufgefangen, so daſs es nur einen Schlag machen
                              									kann. Je eine der primären Rollen liegt mit einer der Scheiben in einem Stromkreise;
                              									die beiden secundären sind hinter einander geschaltet, das negative Ende der einen
                              									ist mit dem Pendel, das positive der anderen mit der Messingplatte verbunden.
                           Verbessert wurde Vignotti's Apparat in dem Frankford
                              									Arsenal durch den Artillerieoberst T. Laidley: der
                              									Fehler, welcher beim Ablesen durch die Kleinheit des vom Pendel beschriebenen Bogens
                              									bedingt ist, wurde zum gröſsten Theile beseitigt, indem das Pendel schon vor dem
                              									Abfeuern losgelassen wird und zwar durch ein fallendes Gewicht, das den Stromkreis unterbricht; das
                              									chemische Papier wurde durch einen beruſsten Silberbogen ersetzt.
                           In Benton's elektro-ballistischem Pendel oder
                              									Velocimeter werden durch die auf einander folgenden Stromunterbrechungen an den
                              									Drahtscheiben zwei Pendel losgelassen, welche vor einem getheilten Bogen, durch
                              									dessen Mitte ihre auf der Bogenebene normalen Achsen gehen, in entgegengesetzter
                              									Richtung schwingen und in dem Augenblicke, wo sie an einander vorübergehen,
                              									mechanisch einen Punkt auf dem getheilten Bogen schreiben. Wie dies geschieht,
                              									erläutert Fig. 1; das äuſsere Pendel ist am unteren
                              									Ende mit einer stumpfen Stahlspitze d versehen, welche
                              									auf das Ende c eines am anderen Pendel b angebrachten Hebels cf
                              									wirkt und die Schreibspitze f gegen den Theilbogen e bewegt.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 261, S. 253
                              
                           Die Linse des äuſseren Pendels ist stellbar, so daſs durch
                              									ihre Verstellung der Synchronismus beider Pendel rasch erzielt werden kann. Würden
                              									beide Pendel gleichzeitig losgelassen, so müſsten sie sich auf der tiefsten Stelle,
                              									dem Nullpunkte der nach beiden Seiten bis 90° gehenden Theilung treffen; werden sie
                              									nach einander losgelassen, so liefert die Marke auf dem Bogen bequem ein Maſs für
                              									den Zeitunterschied. Daſs beide Pendel gleich leicht und rasch von ihren
                              									Elektromagneten losgelassen werden, würde durch Anwendung zweier genau gleichstarken
                              									Batterien erreicht werden können; davon, daſs es wirklich der Fall ist, überzeugt
                              									man sich mittels eines Tasters, welcher die Stromkreise beider Batterien genau zu
                              									gleicher Zeit schlieſst. Treffen dann beide Pendel gleichzeitig auf dem Nullpunkte
                              									ein, so sind die beiden Batterien gleich stark. Da aber die beiden Batterien nicht
                              									leicht auf genau gleicher Stärke erhalten werden können, so versieht man die
                              									Elektromagnete mit stellbaren Rollen. Auf diese Weise läſst es sich bequem
                              									erreichen, daſs die Marke auf dem Nullpunkte erscheint, wenn beide Pendel
                              									gleichzeitig losgelassen werden.
                           In dem Chronoskop von Schultz zeichnet eine sorgfältig
                              									abgestimmte Gabel eine Wellenlinie auf der beruſsten Oberfläche einer sich zugleich
                              									drehenden und in der Achsenrichtung verschiebenden Walze oder Trommel. Die
                              									Wellenlinie dient als Zeitmaſs; denn wenn man die Schwingungszahl der Gabel in der
                              									Secunde kennt, so kennt man auch die Zeit, in welcher jede Welle auf der Trommel
                              									geschrieben wird. Zugleich kann man die Geschwindigkeit der Kugel während ihres
                              									Fluges an genügend vielen Punkten messen, um das Gesetz der Bewegung durch die Luft
                              									zu studiren; man braucht nur der Trommel eine genügend groſse Oberfläche zu geben.
                              									Die Trommel wird durch ein Gewicht mittels eines Laufwerkes in Bewegung versetzt;
                              									doch ist auch eine Kurbel vorhanden, mit welcher man sie ohne das Gewicht treiben
                              									kann. Die Stimmgabel wird durch die Wirkung zweier auf der Auſsenseite ihrer
                              									Schenkel angebrachte Elektromagnete in beständiger Schwingung erhaltenVgl. Marey 1874 213 *
                                    											09; La Cour 1875 217
                                    											428. 218 314. P.
                                       												Delany 1885 255 * 332. und
                              									ein Schenkel schreibt dabei die Wellenlinie; die Stromunterbrechungen bringt Schultz mittels eines Quecksilber-Unterbrechers hervor.
                              									Da dieser aber äuſserst empfindlich und schwer zu reguliren ist, so hat
                              									Artillerielieutenant Russel einen Selbstunterbrecher
                              									angegeben. Da die Stimmgabel gegen hygrometrische Aenderungen in der Atmosphäre sehr
                              									empfindlich ist, so muſs vor der Messung sehr kleiner Zeiten die Schwingungzahl
                              									genau festgestellt werden. Hierzu ist Froment's Pendel
                              									nicht fein genug; daher hat Bond in Boston für das
                              									Artilleriecorps ein Secunden-Stromunterbrechungs-Chronometer geliefert, welches
                              									durch die Isolirung der Unterbrechungsschraube Halb-Secunden-Unterbrechungen gibt,
                              									ganz unabhängig vom Chronometerwerke. Ein Mikrometer gestattet die Messung von
                              									Theilen einer Welle, so daſs man leicht Zeiten von 1/500000 Secunden ablesen kann. Hat die
                              									Kugel beim Durchgange durch die erste Scheibe den Strom unterbrochen, so muſs
                              									derselbe für Schultz's Chronometer wieder geschlossen
                              									werden, bevor die Kugel bei der zweiten Scheibe ankommt. Verschiedene Mittel sind
                              									dazu versucht worden. Michaelis erreicht dies
                              									erfolgreich mittels eines gewöhnlichen Telegraphenrelais.
                           In Le Boulengé's Chronographen wird die Zeit gemessen
                              									durch den Unterschied im Fallraume zweier schwerer Körper. Zwei hohle Stäbe, von
                              									denen der eine länger ist als der andere, sind an wagerechten, stabförmigen
                              									Elektromagneten als Anker derselben aufgehängt und durch Unterbrechung der
                              									Stromkreise in den Scheiben werden die Elektromagnete unthätig gemacht, so daſs dann
                              									die Stäbe frei herabfallen. Die Elektromagnete werden durch entsprechende
                              									Verstellung ihrer Eisenkerne nur eben ausreichend stark genug gemacht, damit der
                              									remanente Magnetismus keine Fehler in den Beobachtungen veranlasse. Der längere Stab
                              									fallt in eine Aushöhlung des Kastens hinein, auf welchem der die beiden
                              									Elektromagnete tragende Ständer oder Säule befestigt ist; er gehört zur ersten
                              									Scheibe, wird also früher fallen gelassen und, während er fällt, wird auch der
                              									zweite Stab fallen gelassen; kurze Zeit, nachdem der längere Stab losgelassen worden
                              									ist, fällt der kürzere in eine Hülse hinein, trifft auf die den Boden der Hülse
                              									bildende Platte O des Gesperres OPI (Fig. 2), die Nase an dem in T gelagerten Hebel I läſst
                              									darauf eine Feder H frei und diese macht nun mittels
                              									eines kreisförmigen Messers einen Einschnitt in eine der beiden die längere Stange
                              									oben und unten umgebenden Zinkröhren G.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 261, S. 254
                              
                           Man miſst so die Flugzeit der Kugel vermehrt um die Fallzeit
                              									der kleinen Röhre. Werden beide Stangen mittels eines – zwei Contactfedern an einem gemeinschaftlichen, beim
                              									Loslassen durch eine Feder emporgeschnellten Querstücke enthaltenden –
                              									Stromunterbrechers gleichzeitig losgelassen, so empfängt die Stange den Einschnitt
                              									nahe am unteren Ende. Je näher der Einschnitt diesem Ende liegt, desto gröſser ist
                              									die Geschwindigkeit des Geschosses. Nahe über O wird
                              									die schon erwähnte röhrenförmige Hülse angebracht, welche die fallende kleine Stange
                              									aufnimmt, in welcher aber diese Stange fallen kann, ohne die Röhre oder Hülse zu
                              									berühren. Soll der Apparat als sogen. Velocimeter dienen, wobei die beiden Scheiben
                              									verhältniſsmäſsig weit von einander entfernt sind, so wird der Elektromagnet für die
                              									kleine Stange an dem Ständer tief unter der Stelle angeschraubt, an welcher der
                              									Elektromagnet für die längere befestigt ist. Die lange Stange empfängt den
                              									Einschnitt dabei nahe am oberen Ende und zu einer Zeit, wo sie mit der gröſsten
                              									Geschwindigkeit fällt; kleinen Zeitunterschieden entsprechen also groſse
                              									Unterschiede in den Fallräumen.Eine theoretische Formel, nach welcher die Flugzeit des Geschosses zwischen
                                    											den beiden Scheiben aus den einzelnen Zeiten, welche zu den vom Geschosse
                                    											bezieh. den Stangen, dem Hebel T und dem
                                    											Kreismesser gemachten Bewegungen gehörten, und der Dauer des remanenten
                                    											Magnetismus bestimmt wird, gibt H. Lehmann in
                                    											Karlsruhe in der Zeitschrift des Vereins deutscher
                                       												Ingenieure, 1885 * S. 484. Daselbst wird u.a. angegeben, daſs die
                                    											Bewickelung der Drahtscheiben aus Kupferdraht von 0mm,5 Dicke bestehe und ebensolcher Draht
                                    											auch an der Gewehrmündung befestigt werde. Für Gewehrkugeln könne die
                                    											Bewickelung nicht dicht genug gemacht werden und deshalb würde da eine
                                    											pendelnd aufgehängte Scheibe angewendet, welche beim Anschlagen der Kugel
                                    											einen bis dahin von ihr geschlossen gehaltenen Contact öffne und später
                                    											selbstthätig wieder schlieſse. Als Scheibe nehme man meistens Eisenplatten
                                    											von 8 bis 10mm Dicke; an diesen prallen
                                    											die Weichbleigeschosse wirkungslos ab. Will man mit härteren Geschossen,
                                    											z.B. Compoundgeschossen, Versuche machen, so nehme man vortheilhafter Blecli
                                    											von 4 bis 5mm, weil dieses so platt
                                    											durchgeschlagen wird, daſs sich die Scheibe nicht krümmt oder verzieht, was
                                    											bei dickerem Bleche sehr bald Störungen verursache. Soll dagegen
                              									das Instrument als Mikrochronometer zur Messung sehr kleiner Zeiten benutzt werden,
                              									so bringt man den Elektromagnet für die kleine Stange oberhalb des Elektromagnetes
                              									der groſsen an und verbindet letzteren mit der zweiten Scheibe; die längere Stange
                              									beginnt daher später als die kleine zu fallen und, wenn die kürzere auf O ankommt, so macht das Kreismesser den Einschnitt in
                              									die obere Zinkröhre, d.h. wenn die längere Stange ihre gröſste Geschwindigkeit
                              									besitzt, so daſs also sehr kleine Zeiten genau gemessen werden können.