| Titel: | Ueber die Texturveränderungen des Stahles bei Erhitzung und bei Abkühlung; von J. A. Brinell. | 
| Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, S. 342 | 
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                        Ueber die Texturveränderungen des Stahles bei
                           								Erhitzung und bei Abkühlung; von J. A. Brinell.
                        Brinell, über Texturveränderung des Stahles beim
                           								Erhitzen.
                        
                     
                        
                           In Stahl und Eisen, 1885 * S. 611 sind die Ergebnisse
                              									von Versuchen über die Texturveränderungen des Stahles bei Erhitzung und bei
                              									Abkühlung mitgetheilt, welche J. A. Brinell in Jernkontorets Annaler veröffentlicht hat.
                           Brinell spricht sich dahin aus, daſs die Wirkungen des
                              									Härtens sowohl in Bezug auf Texturveränderung, als auch auf den Uebergang. der Kohle
                              									aus Cement- in Härtungskohle, eine unmittelbare Folge der Erhitzung an und für sich und
                              									somit nur eine mittelbare der schnellen Abkühlung sind. Er bezeichnet nach L. Rinman's Vorgange die Kohle im ungehärteten Stahle als Cementkohle und die im gehärteten als Härtungskohle.
                           Wenn rein geschliffener, gehärteter Stahl in Salpetersäure von 1,23 sp. G. getaucht
                              									wird, so überzieht er sich mit einer schwarzbraunen, ruſsigen, amorphen
                              									Kohlenschicht, welche auf weiſsem Papier einen braunen Strich gibt (Härtungskohle), während ungehärteter Stahl bei gleicher Behandlung einen
                              									ins Blaue ziehenden Ueberzug von Kohle erhält, welcher einen schwarzgrauen Strich
                              									gibt und krystallinisch zu sein scheint, da er, in Wasser eingeschlämmt, im
                              									Sonnenlichte glitzert. Diese beiden Kohlearten enthalten nicht unbedeutend oxydirtes
                              									Eisen und es ist vielleicht möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, daſs ihr
                              									einziger Unterschied auf die ungleiche Menge desselben zurückzuführen ist. Manchmal
                              									kann jedoch der Stahl auch so behandelt sein, daſs keine der beiden Kohlesorten
                              									vorwiegend hervortritt, vielmehr nur eine Mischung beider in Erscheinung tritt.
                           Behufs Erkennung der Krystallisation wurde der fein polirte Stahl 12 bis 14 Stunden
                              									lang mit stark verdünnter Salpetersäure (1 Säure auf 200 bis 300 Wasser)
                              									behandelt.
                           Zunächst wurden die Wärmeerscheinungen beim Abkühlen von
                              									Eisen und Stahl untersucht und dann Glüh- und
                                 										Härtungsversuche durchgeführt.
                           Stahl erkaltet in der ersten Periode der Abkühlung rascher als das Eisen, während
                              									später das Entgegengesetzte stattfindet. Brinell sucht
                              									dies, wie folgt, zu erklären: Während der Abkühlung bilden sich Krystalle beim Stahl
                              									wie beim Eisen; diese Krystallisation ist eine Arbeit, für welche, wie bei jeder
                              									anderen, Wärme verbraucht wird. Der Stahl besitzt auch im erhitzten Zustande
                              									gröſsere Festigkeit als Eisen und krystallisirt nach höherer Erhitzung mehr als
                              									dieses, ausgenommen vielleicht hoch Phosphor haltiges; es folgt daraus, daſs bei
                              									Krystallisation des Stahles mehr Arbeit oder Wärme verbraucht wird als bei der des
                              									Eisens und dieses dürfte die Ursache sein, weshalb Stahl anfänglich schneller
                              									erkaltet.
                           Daſs der Stahl in einer späteren Periode der Abkühlung nicht nur gleichwarm wird mit
                              									dem Eisen, sondern sogar bemerkenswerth wärmer, beruht wieder hauptsächlich auf der
                              									beim Uebergange der Kohle aus Härtungskohle in Cementkohle frei werdenden Wärme,
                              									aber auch zum Theile darauf, daſs bei diesem Uebergange, wie allgemein, wenn die
                              									Kohle ihren Zustand zu ändern beginnt, beim Stahle sich eine Geneigtheit findet,
                              									seine Krystallisation aufzugeben. Gleichzeitig muſs damit ein Theil der Wärme wieder
                              									gewonnen werden, die in der früheren Periode der Abkühlung bei der Krystallisation
                              									verbraucht wurde.
                           Bei den Glüh- und Härtungsversuchen lag weniger die Absicht vor, die verschiedenen
                              									Behandlungsarten zu ermitteln, denen Stahl verschiedenen Kohlegehaltes unterzogen
                              									werden muſs, um eine bestimmte Textur zu erhalten, als vielmehr die Erforschung der
                              									Gesetze, welchen ein und derselbe Stahl bei seinen oft recht launenhaften
                              									Texturveränderungen folgt; deshalb sind alle in Rede stehenden 82 Versuche mit Stahl
                              									aus einem und demselben Bessemerblock folgender Zusammensetzung ausgeführt:
                              									Kohlenstoff 0,52, Silicium 0,13, Phosphor 0,026, Schwefel kaum Spuren, Mangan
                              									0,48.
                           
                           Die Ansichten, zu welchen Brinell durch seine Versuche
                              									gelangt, faſst er in folgende Sätze zusammen:
                           Wenn Stahl ohne mechanische Bearbeitung seine grobkrystallinische Textur verliert, so
                              									geschieht dies jederzeit mit dem Uebergange der Kohle aus Cementkohle in
                              									Härtungskohle oder umgekehrt, und hat man die Ursache der Vernichtung der
                              									grobkrystallinischen Textur ausschlieſslich in der Veränderung des Zustandes der
                              									Kohle zu suchen. Nur wenn die Zustandsänderung der Kohle unter Erhitzung
                              									stattfindet, verschwindet die grobkrystallinische Textur in etwas erheblicherem
                              									Grade und völlig nur, wenn die Kohle unter Erhitzung aus Cementkohle in
                              									Härtungskohle übergeht. In voller Uebereinstimmung hiermit verliert auch der ganz
                              									grobkrystallinische Stahl, gehärtet oder ungehärtet, diese seine Textur vollständig,
                              									sobald die Erhitzung gerade bis auf den Grad getrieben wird, welcher zur Verwandlung
                              									der Cementkohle in Härtungskohle ausreicht.
                           Zu Weiſsglut erhitzter Stahl muſs, soll die Kohle in Cementkohle sich verwandeln,
                              									langsam bis zu einem niedrigeren Wärmegrade sich abkühlen als der, zu welchem
                              									ungehärteter Stahl erhitzt werden muſs, wenn sich seine Kohle zu Härtungskohle
                              									umsetzen soll. Der Uebergang der Kohle von Cementkohle in Härtungskohle erfolgt ganz
                              									schnell, sobald der Wärmegrad dazu hoch genug wird. Dagegen geht die Umwandlung der
                              									Härtungskohle allmählicher vor sich während eines gröſseren Theiles sowohl der
                              									Erhitzungs-, als der Abkühlungsdauer. Der Uebergang der Härtungskohle in Cementkohle
                              									erfolgt stets unter Wärmeentwickelung und es ist deshalb wahrscheinlich, daſs die
                              									Umsetzung der Cementkohle in Härtungskohle unter Verbrauch von Wärme vor sich
                              									geht.
                           Wenn die Härtungskohle bei Erhitzung oder bei Abkühlung völlig oder zum gröſseren
                              									Theile in Cementkohle übergeht, erfolgt ganz plötzlich eine Krystallisation, die in
                              									demselben Maſse einen um so mehr grobkrystallinischen Bruch erzeugt, als die
                              									vorherige Textur des Stahles mehr grobkrystallinisch war.
                           Schnelle Abkühlung ruft nie einen amorphenMit amorph bezeichnet Brinell einen solchen Bruch, in welchem man mit unbewaffnetem Auge
                                    											irgend eine deutliche Krystallisation nicht mehr erkennen kann.
                              									oder feinkrystallinischen Bruch hervor bei einem unmittelbar vor dem Augenblicke der
                              									Abkühlung grobkrystallinisch gewesenen Stahl, aber sie hindert einen beim Beginne
                              									der Abkühlung entweder amorphen, oder geschmolzenen Stahl, daſs er während derselben
                              									eine krystallinische Textur annimmt. Schnelle Abkühlung hält mit anderen Worten nur
                              									die Textur fest, welche der Stahl vor der Abkühlung besaſs.
                           Zum Uebergehen der Kohle von Härtungskohle in Cementkohle ist nicht allein der
                              									richtige Wärmegrad erforderlich, sondern auch Zeit, während diesem entgegengesetzt
                              									die Umwandlung der Cementkohle in Härtungskohle ausschlieſslich vom Wärmegrade
                              									abzuhängen scheint. Eine Folge davon ist, daſs schnelle Abkühlung den Uebergang der
                              									Härtungskohle in Cementkohle zu verhüten vermag. Auch zur Krystallisation des
                              									Stahles bedarf es auſser eines gewissen Wärmegrades der Zeit. Wird die Dauer der
                              									Abkühlung durch Abschrecken in Wasser oder in anderer Art verkürzt, so wird die
                              									Entwickelung der Krystalle vermindert oder gänzlich vereitelt.