| Titel: | Zur Explosion zu Friedenshütte. | 
| Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 255 | 
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                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        Mit Abbildungen.
                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        
                     
                        
                           Wir kommen dem Ansuchen des Centralverbandes der preuſsischen
                                    										Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine gern nach, wenn wir in Nachstehendem das
                              									Gutachten derselben über obige Explosion veröffentlichen. Bei der Wichtigkeit der
                              									Angelegenheit, und durch den Wunsch geleitet, daſs dieser Unfall in seinen Ursachen
                              									möglichst ergründet werde, lassen wir das abweichende Gutachten des
                              									Eisenhüttenvereines (Stahl und Eisen, 1888 Nr. 3)
                              									ebenfalls folgen. Während der Kessel-Ueberwachungs-Verein die Ursache vorwiegend in
                              									der Explosion der Hochofengase findet, vertritt der letztgenannte Verein die
                              									Ansicht, daſs der Unfall nicht durch die Explosion der Gase, sondern in gewöhnlicher
                              									Weise durch die Gewalt des Dampfes erfolgt sei. Eine vermittelnde Anschauung, dahin
                              									gehend, daſs den ersten Stoſs eine Gasexplosion gegeben habe, und daſs aus
                              									Veranlassung der dabei entstandenen Brüche nunmehr die Explosion des Dampfes
                              									stattgefunden habe, ist im Nachstehenden ebenfalls erwähnt. Um die Begründung der
                              									verschiedenen Anschauungen nicht zu schmälern, sind die betreffenden Berichte mit
                              									nur geringen Aenderungen wiedergegeben; auf diese Weise wird der Leser am ersten in
                              									der Lage sein, sich ein Urtheil der geschilderten Ereignisse zu bilden.
                           Auf Antrag mehrerer Verbandsvereine tagte am 7. Februar d.J. der
                              										Centralverband preußischer
                                 										Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine in Berlin. Der Hauptgegenstand seiner
                              									Tagesordnung war eine Erklärung und Besprechung der am 25. Juli 1887 zu
                              									Friedenshütte vorgekommenen Kesselexplosion.
                           Nachdem sich die Meinungen über die Ursache dieser Katastrophe
                              									durch verschiedene Versammlungen von Dampfkesselrevisoren, Ingenieuren und
                              									Hüttenleuten einigermaſsen geklärt haben und wohl alles, was auf diesem Wege durch
                              									Diskussion, Erörterung der Thatsachen und Hypothesen nebst Combinationen ermittelt
                              									und festgestellt werden kann, in technischen Zeitschriften veröffentlicht worden
                              									ist., schien es an der Zeit zu sein, daſs der Centralverband sich ebenfalls über den
                              									Unfall äuſsere.
                           Zu diesem Zweck war die Versammlung einberufen worden und ergingen
                              									Einladungen zu derselben, auſser an sämmtliche Verbandsvereine, auch an verschiedene
                              									Behörden.
                           Da in einer gröſseren Versammlung der Entwurf eines
                              									gemeinschaftlichen Gutachtens nicht gut denkbar ist, so waren zwei vorher
                              									ausgearbeitete Gutachten zur Stelle, von denen eines von den Oberingenieuren der
                              									Vereine des östlichen Preuſsens, das andere von Oberingenieuren der rheinischen
                              									Ueberwachungsvereine entworfen war.
                           Beide Gutachten stimmten im Wesentlichen überein, und da es
                              									wünschenswerth war, auch über die wenigen abweichenden Punkte ein Einvernehmen
                              									herbeizuführen, so wurde eine Commission von 6 Oberingenieuren erwählt, um diese
                              									beiden Gutachten zu verarbeiten, zu verschmelzen und so ein einziges Gutachten zu
                              									verfassen, welches die einstimmige Ansicht der Oberingenieure aller preuſsischen
                              									Vereine zunächst den betreffenden Ministerien und anderen in der Frage interessirten
                              									Behörden überreicht und auſserdem in technischen Zeitschriften und politischen
                              									Zeitungen veröffentlicht werden soll.
                           Gutachten.
                           An den Centralverband der
                                 										preußischen Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine.
                           Auf Grund des, in der Generalversammlung des Centralverbandes der preußischen
                                 										Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine am 7. Februar 1888 erhaltenen Mandates
                              									überreicht die
                              									Commission (bestehend aus den Herren Böcking, Eckermann,
                                 										Emundts, Münter, Vogt und Weinlig) das
                              									nachstehende Gutachten über die Explosion in Friedenshütte, welches dieselbe nach
                              									Maſsgabe der Verhandlungen und auf Grund der bei der Versammlung vorgetragenen
                              									beiden Gutachten zusammengestellt hat.
                           Der Unglücksfall in Friedenshütte steht in der Geschichte der
                              									Dampfkessel einzig da. Sieht man die deutsche, amerikanische und englische Statistik
                              									der Unfälle an Dampfkesselanlagen durch, so findet sich nichts, welches dem Unfälle
                              									in Friedenshütte an die Seite gestellt werden kann. Diese Thatsache muſs zu der
                              									Erkenntniſs drängen, daſs in diesem Falle sowohl alle unglückbringenden Bedingungen
                              									zusammengetroffen sein müssen als auch, daſs es sich nicht um solche Ursachen und
                              									Veranlassungen handeln kann, welche aus dem gewöhnlichen Betriebe heraus zu kleinen
                              									und groſsen Unglücksfällen erfahrungsgemäſs zu führen pflegen.
                           Unserem Berichte legen wir das Material, wie es vom Schlesischen Vereine in der Zeitschrift des Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine vom
                              									September und Oktober 1887 (Nr. 9 und 10) geboten ist, und die Gutachten bezieh.
                              									Mittheilungen der Oberingenieure Herren Abel, Eckermann,
                                 										Benemann und Haage, sowie die Mittheilungen,
                              									welche in der Commissionssitzung am 28. Februar 1888 von den Ingenieuren des Schlesischen Vereines, Minssen, Wätzoldt und La Baume, gemacht sind und wesentlich zur Ergänzung des
                              									oben genannten Berichtes beitragen, zu Grunde.
                           Bevor wir auf die Sache selbst eingehen, müssen wir erklären, daſs
                              									wir hinsichtlich der Dampfkessel-Ueberwachung und hinsichtlich der Verwaltung des
                              									Betriebes, Mängel nicht erkennen können und wir thun dies vorab, um nicht einen
                              									Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wenn wir nachher von Fehlern der Construction
                              									und Einrichtung der Anlage sprechen. Die Fehler sind nämlich theils solche, welche
                              									erst in Folge des Unglücksfalles in Friedenshütte als wichtige Faktoren angesehen
                              									werden müssen, theils sind sie derart, daſs sie rasch auftreten und ihre Entstehung
                              									sich dem Auge des Revisors entziehen kann.
                           Wenn schon die Beurtheilung der Explosion eines einzelnen Kessels
                              									in ihren Details trotz der oft unzweifelhaften Ursache der ganzen Katastrophe
                              									auſserordentliche Schwierigkeiten hervorruft, ja unmöglich ist, wie viel mehr ist
                              									dies bei der vorliegenden, einzig dastehenden Katastrophe der Fall, wo es noch nicht
                              									einmal gelungen ist, die einzelnen weggeschleuderten Kesseltheile als dem einen oder
                              									anderen Kessel angehörig unzweifelhaft nachzuweisen, und wo von einzelnen Kesseln
                              									mehrere Theile gar nicht einmal aufgefunden worden sind.
                           Der Unglücksfall wird wohl niemals ganz
                                 										aufgeklärt weisen und erscheint es wenigstens vorläufig unmöglich, eine
                              									vollgültige, nicht angreifbare Erklärung aufzustellen. Dies hält uns aber nicht ab,
                              									auf Grund der vorliegenden Ermittelungen eine Erklärung zu versuchen, welche den
                              									thatsächlichen Verhältnissen entspricht und somit die gröſste Wahrscheinlichkeit für
                              									sich hat. Wir unterlassen es natürlich, bei der Ermittelung der Ursachen der
                              									Explosion nebensächliche Details zu ergründen und wir erkennen an, daſs bei Annahme
                              									einer jeden Ursache der Katastrophe es unmöglich ist, jeden einzelnen Umstand zu
                              									erklären.
                           Bei der groſsen Zahl der Faktoren, welche bei der Zerstörung auf
                              									der Friedenshütte zur Wirkung kamen, entzieht sich sowohl die Reihenfolge im
                              									Auftreten derselben, wie auch ihre absolute und gegenseitige Wirkung der
                              									nachträglichen Beurtheilung. Das ganze Bild der Zerstörung muſs deshalb die Basis
                              									zur Ermittelung der Explosion geben. Uebersieht man nämlich das Bild der Zerstörung,
                              									welches der Breslauer Dampfkessel-Revisionsverein
                              									veröffentlicht hat, und liest man sorgfältig seine Schilderungen über den ungeheuren
                              									Trümmerhaufen, findet man ferner, daſs irgend welche unbedingt sichere Anzeichen für
                              									die Ursachen der Explosion nicht gefunden sind, so muſs man gestehen, daſs im
                              									vorliegenden Falle, die Beibringung sicherer Beweise für die eine oder andere
                              									Ursache der Explosion vielleicht unmöglich, sicherlich aber weit schwieriger ist,
                              									als in unzähligen anderen Fällen. Dann wird man es auch begreiflich finden
                              									müssen, daſs man der Arbeitsweise der Kessel, der Feuerung, den Schwächen der
                              									Construction und dem Betriebe der ganzen Anlage bis in Kleinigkeiten hinein
                              									nachforschen muſs, um daraus Mittel und Wege zur Erklärung des Vorfalles zu
                              									finden.
                           Diesen Weg haben wir beschritten und glauben im Interesse des
                              									Centralverbandes zu handeln, wenn wir die Resultate gemeinsamer Berathungen in
                              									diesem Gutachten zusammenfassen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 268, S. 257
                              
                           Die Dampfkesselanlage auf der Friedenshütte bestand aus 22
                              									Dampfkesseln, welche neben einander in einem Kesselhause lagen. Der Construction
                              									nach waren alle Kessel gleich, wie sie in der beigefügten Zeichnung angegeben ist.
                              									Jeder Kessel bestand aus 1 Oberkessel von 1570mm
                              									Durchmesser und 12550mm Länge, mit 2 Unterkesseln
                              										785mm Weite und 11765mm Länge, welche unter sich durch 1 Stutzen und
                              									mit dem Oberkessel durch 4 Stutzen verbunden waren. Das Mantelblech des Oberkessels
                              									war 13mm, das der Unterkessel 8mm stark und in den Verbindungsstutzen 11mm. Die Oberkessel waren in entsprechender Weise
                              									durch Pratzen (Tragarme) auf dem Mauerwerk der Seitenwände gelagert, während die
                              									Unterkessel, der linke auf drei, der rechte wegen des Uebergangskanales nach dem
                              									Fuchs auf zwei guſseisernen Lagerböcken ruhte. Der festgesetzte höchste Dampfdruck
                              									betrug 5at. An den Blechstärken und an den
                              									Sicherheitsvorrichtungen war kein Mangel zu finden. Alle Dampfkessel hatten ein gemeinschaftliches DampfrohrVgl. 1888 267 * 244., von welchem sie
                              									durch Absperrventile von 156mm lichter Weite
                              									abgeschlossen werden konnten. Das Dampfrohr lag über den Kesseln. Jeder derselben
                              									hatte vor dem Dampfrohre ein selbstthätiges DampfrückschlagventilNur nach dem Kessel hin selbstthätig rückschlagend. und
                              									zwei Sicherheitsventile von 85mm lichter Weite.
                              									Die Speisung war bei allen Kesseln in gleicher Weise eingerichtet, die gemeinschaftlich, n Speiserohrleitungen waren mit selbstthätigen
                              									Rückschlagventilen versehen. Die Führung der Heizgase war überall dieselbe und die
                              									bei solchen Kesseln übliche. Hinter den Kesseln lag ein gemeinschaftlicher Fuchs, welcher die Feuergase von jedem Kessel aufnahm
                              									und in die beiden Schornsteine führte. In diesem Fuchse war eine Querwand, welche
                              									denselben so in 2 Theile trennte, daſs der eine Schornstein den Zug für 9 Kessel,
                              									Nr. 22, 23 und 1 bis 7, der andere für 13 Kessel, Nr. 8 bis 20 zu liefern hatte.
                           Geheizt wurden die Kessel durch Hochofen-Gichtgase, welche aus
                              									einem gemeinschaftlichen eisernen Rohre vor den
                              									Kesseln, den Kesselfeuerungen in gleicher Weise zugeführt wurden. Jeder Dampfkessel
                              									hatte zwischen Ober- und Unterkessel eine zweitheilige gewöhnliche Plan-Rostfeuerung
                              									von etwa 3½qm Gröſse des ganzen Rostes und über
                              									derselben befanden sich die Einmündungen der Gasleitungsrohre. Zur stetigen
                              									Entzündung der Hochofengase wurden Feuer auf den Rosten unterhalten und dazu in 24
                              									Stunden 300 bis 400 Centner geringwerthiger Steinkohle (Staubkohle) verfeuert, also
                              									für 1 Stunde und 1qm etwa 10 bis 14k. Dieser geringe Verbrauch an Kohle hatte zur
                              									Folge, daſs zur Bedienung in jeder Schicht nur 2 Mann und 1 Arbeitsbursche vor den
                              									Kesseln beschäftigt zu werden brauchten.
                           Für die Gebläsemaschinen und für die sonstigen Kraftmaschinen war
                              									die Dampfproduction von 18 Dampfkesseln von je 95qm Heizfläche ausreichend. Es konnten somit immer 4 Dampfkessel kalt
                              									liegen. Zur Zeit des Unfalles lagen leer die Kessel Nr. 1, 3, 16 und 20. Das
                              									Speisewasser war nicht als gut zu bezeichnen. Der Kesselstein sprang leicht ab und
                              									bildete deshalb bald einzelne Kesselsteinkuchen, welche in früherer Zeit zu geringen
                              									Ausbeulungen der unteren Bleche im Oberkessel führten. Die Analyse des Wassers
                              									ergibt folgende Bestandtheile im Liter:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 0,0300g
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 0,0160
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,2624
                                 
                              
                                 Magnesiumoxyd
                                 0,0540
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,3698
                                 
                              
                                 Chlor
                                 0,0139
                                 
                              
                                 Organische Substanzen
                                 0,1200
                                 
                              
                           Die Speisepumpen waren in hinreichender Gröſse und Güte
                              									vorhanden.
                           Die Dampfkessel waren zum gröſsten Theile, nämlich 20 Stück, im J.
                              									1872 gefertigt und das Material war Schweifseisen. Es ist bekannt, daſs den Blechen
                              									aus jenen Jahren gerade die Ausdehnungsfähigkeit mangelte, auf welche bei
                              									Dampfkesseln groſser Werth zu legen ist. Das Blech war spröde. Die mit den unteren
                              									Blechen der Oberkessel nach der Explosion angestellten Proben beweisen, daſs zur
                              									Zeit die Qualität eine auſserordentlich geringe war, doch geht aus denselben nicht
                              									hervor, wie weit das Gefüge der Bleche durch den Betrieb gelitten hat. Wir halten es
                              									jedoch für vollständig erwiesen, daſs der Umfang der Explosion und die Art der
                              									Zertrümmerung der Kessel ihren wesentlichen Grund in dem sehr geringwerthigen
                              									Materiale hat.
                           Nachdem der Betrieb der Anlage, 15 Jahre lang (bei Tag- und
                              									Nachtbetrieb) gedauert hatte, ereignete sich in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1887
                              									zwischen 12 und 1 Uhr das Unglück und zwar ohne daſs den Aufsichtsbeamten vorher von
                              									irgend einer Schwierigkeit im Betriebe oder einem besonderen Vorkommnisse etwas
                              									bekannt geworden ist. Der Werkmeister fand am Nachmittage 4½ Uhr bei seiner Controle
                              									des Kesselhauses Alles in Ordnung.
                           Sämmtliche 22 Kessel, sowohl die 18 im Betriebe befindlichen als
                              									auch die 4 leer stehenden, waren durch die Explosion zerstört und fortgeschleudert.
                              									Das Kesselhaus und die Umgebung war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Einzelne
                              									Häuser gingen, in Folge der Entzündung der Dächer durch glühende Ziegel, in Flammen
                              									auf. Die 3 Heizer waren todt. Das Trümmerfeld wai so groſs, das Chaos von Steinen,
                              									Eisenstücken, Holz und Schutt so gewaltig, daſs die genaueste Untersuchung keine
                              									unbestrittenen Anhaltspunkte für die Erklärung des Unglücks zu Tage fördern konnte.
                              									Wochenlang dauerten die Aufräumungsarbeiten und es ist nicht gelungen, aus den
                              									Trümmern irgend welche
                              									specifische Kennzeichen für besondere Ursachen oder Erscheinungen zu ermitteln.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 268, S. 259
                              
                           Wir gehen nun zur Erforschung derjenigen Umstände über, welche zur
                              									Explosion geführt haben können und müssen dieselben in gemeinschaftlichen
                              									Einrichtungen der Kesselanlage suchen.
                           Wassermangel, gleichzeitig bei einer Kesselanlage von 18
                              									Dampfkesseln ist gar nicht denkbar. Die Gefährlichkeit aus Wassermangel erfordert
                              									zur Entstehung eine längere Zeit. Es ist geradezu unfaſslich, daſs das Versagen der
                              									Speisepumpen, oder das Unterbleiben der Speisung, oder der Wasserverlust durch
                              									Undichtigkeiten und die Quantität der Verdampfung des Wassers bei einer groſsen
                              									Anzahl von Kesseln in einer Anlage, nahezu in gleicher Zeit hätte zusammentreffen
                              									können. Die blaue Anlauffarbe, welche bei den Kesseln 6, 7 und 12 constatirt wurde,
                              									ist nur stellenweise an den Unterplatten der Oberkessel gefunden und erstreckte sich
                              									in keinem Falle über den Umlang einer ganzen Platte. Um die blaue Anlauffarbe auf
                              									der Auſsenseite zu finden, muſste der auf den Platten sitzende Zinkstaub entfernt
                              									werden, während die Innenseite ebenso wie die Bruchflächen nichts an blauer
                              									Anlauffarbe erkennen lieſsen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daſs durch die vorhin
                              									erwähnte Bildung von Kesselsteinkuchen lokale Ueberhitzungen und dadurch blau
                              									angelaufene Stellen entstanden sind. Uebrigens zeigt Kessel Nr. 7, welcher gerade
                              									die intensivste blaue Anlauffarbe hatte, aus den Flugbahnen seiner Theile, daſs bei ihm eine
                              									selbständige Explosion ausgeschlossen ist, so daſs selbst bei diesem Wassermangel
                              									oder lokale Ueberhitzung der Bleche als Ursache der Explosion nicht angesehen werden
                              									darf.
                           Zu hohe Dampfspannung konnte bezieh. muſste bei allen Kesseln
                              									entstehen, wenn die Dampf entnähme durch die Dampfmaschinen einige Zeit aufhörte,
                              									während die Heizung fortdauerte und die 36 Sicherheitsventile gänzlich versagten.
                              									Die Wirkung der Heizung durch Steinkohlenfeuer war, nach Maſsgabe der angegebenen
                              									regelmäſsigen Verbrauchsmengen von höchstens 400 Centner für 24 Stunden, aber nur
                              									sehr schwach. Das Brennmaterial war geringwerthige Steinkohle und es hätte ein
                              									gefährlich hoher Druck nur durch mehrstündiges Heizen erzielt werden können, wenn
                              									die Dampfentnahme wesentlich gegen diejenige des regelmäſsigen Betriebes verringert
                              									war. Mit dem gänzlichen oder theilweisen Stillstande der Gebläsemaschinen war auch
                              									zugleich die Verkleinerung der Gaserzeugung verbunden und die Menge der Heizung
                              									durch Gichtgase im gleichen Maſse vermindert. Die Entstehung eines gefährlich hohen
                              									Dampfdruckes in kurzer Zeit ist also nicht zu erklären und um lange Zeit gänzlichen
                              									Mangels an Beaufsichtigung bei verstärkter Heizung kann es sich hier gar nicht
                              									handeln. Wenn aber die Dampfmaschinen im Gange waren, dann war die Entstehung einer
                              									gefährlich hohen Dampfspannung erst recht nicht möglich, da sie den erzeugten Dampf
                              									vollständig verbrauchten und die Sicherheitsventile ebenfalls ihre Schuldigkeit thun
                              									muſsten. Uebrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daſs es sich um nicht
                              									unerheblichen Dampfdruck handeln müſste, welcher sicherlich weit höher als der bei
                              									periodischen Revisionen und gröſseren Reparaturen gesetzlich vorgeschriebene
                              									Probedruck von 10at zu schätzen ist, wenn er die
                              									Kessel hätte zersprengen sollen.
                           Nach Maſsgabe der Revisions-Uebersicht des Schlesischen Vereines haben im Laufe der Jahre 1886 und 1887 21 Kessel den
                              									Probedruck anstandslos ausgehalten, worunter sich diejenigen Kessel befanden, bei
                              									welchen (auf Veranlassung des Schlesischen Vereines) in
                              									Folge eines eigenthümlichen Rundnahtbruches an dem einen Kessel, alle solche
                              									Platten, welche irgend wie zweifelhaft erschienen, herausgenommen und durch neue
                              									gute ersetzt wurden.
                           Ein erheblich höherer Dampfdruck als 5at hätte sich auſserdem durch brausendes Ausströmen aus den
                              									Sicherheitsventilen und aller Wahrscheinlichkeit nach durch Herausplatzen von
                              									Verdichtungsmaterial aus den Flanschverschraubungen u.s.w. bemerkbar gemacht, und
                              									hiervon ist nichts beobachtet. Aus diesen beiden Umständen, welche alle Kessel
                              									gemeinschaftlich in Mitleidenschaft ziehen muſsten, kann das Unglück nicht
                              									entstanden sein. Es ist aber dabei noch die Frage zu erörtern, ob die Zerstörung
                              									nicht hätte erfolgen können oder müssen, wenn durch irgend eine Ursache 1 oder 2
                              									Kessel explodirt wären. Dabei wäre unzweifelhaft ein heftiger Stoſs und eine
                              									Zertrümmerung des gemeinschaftlichen weiten Dampfrohres erfolgt und es liegt nahe,
                              									zu glauben, daſs dadurch eine plötzliche Druckentlastung in den übrigen Kesseln und
                              									eine Lockerung etwaiger schwacher Theile der Blechverbindungen des einen oder
                              									anderen Kessels entstehen konnte, welche eine Explosion der übrigen Kessel zur Folge
                              									hatte. Dem ist aber nicht so. (?) Jeder Kessel stand nämlich mit diesem
                              									gemeinschaftlichen weiten Dampfrohre nur durch ein enges (?) Rohr von 156mm Weite in Verbindung, in welches ein gleich
                              									groſses Durchgangsventil eingeschaltet war. Gegen die Explosion der Kessel in Folge
                              									der Zerstörung der gemeinschaftlichen Dampfleitung spricht sowohl der Umstand, daſs
                              									erfahrungsgemäſs ein plötzliches Freiwerden einer Oeffnung, welche in so kleinem
                              									Verhältnisse zum Wasser- und Dampfinhalte des Kessels sowie zur
                              									Verdampfungsoberfläche steht, wie im vorliegenden Falle der maſsgebende Querschnitt
                              									des Verbindungsrohres, nicht genügt, eine plötzliche Druckausgleichung zu
                              									ermöglichen und sicherlich nicht im vorliegenden Falle, wo bei sämmtlichen im
                              									Betriebe befindlichen Kesseln Dampf und Wasser nicht im Ruhezustande waren, vielmehr
                              									eine ununterbrochene reichliche Dampfentnahme stattfand. Ferner muſs beachtet
                              									werden, daſs die Oberkessel in ganz anderer Richtung geflogen sind, als sie bei
                              									plötzlichem Druckausgleich durch die Reaction hätten fliegen müssen. Es muſs ferner
                              									als ausgeschlossen betrachtet werden, daſs die Explosion von einem oder zwei Kesseln
                              									eine solche seitliche Stoſswirkung nach links und rechts auf die Nachbarkessel ausgeübt hätte, daſs sie
                              									der Reihe nach ebenfalls explodirten. Die Flugbahn der Kessel muſste dann eine ganz
                              									andere sein und die Kesseltheile muſsten mehr durch und über einander geworfen sein.
                              									Das Trümmerfeld hätte ein anderes Bild der Zerstörung ergeben müssen; jedenfalls
                              									würde die fächerförmige nach vorn gerichtete Flugbahn dann durchaus nicht zu
                              									erklären sein.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)