| Titel: | Zur Explosion zu Friedenshütte. | 
| Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 323 | 
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                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 255 d.
                           								Bd.)]
                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        
                     
                        
                           Die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Vorganges findet übrigens
                              									auch Beleg in der Statistik der Dampfkesselexplosionen des Deutschen Reiches. Nach
                              									derselben ist bei einer groſsen Anzahl von Explosionen der explodirte Kessel allein aus einer Kesselanlage von mehreren Kesseln
                              									herausgeflogen und gewaltig zertrümmert, ohne daſs die Nachbarkessel erheblich
                              									beschädigt sind und ohne daſs die Explosionswirkung sich in verheerender Weise auf
                              									die anderen erstreckt hätte.Das französische Kesselgesetz geht von anderen Anschauungen aus (vgl. 1887
                                    												264 * 358). Nach Maſsgabe der
                              									amtlichen deutschen Explosionsstatistik von 1877 bis 1886, also während 10 Jahren,
                              									sind 155 Explosionsfalle verzeichnet, von denen etwas mehr als die Hälfte
                              									Kesselanlagen mit mehreren Kesseln betrafen. Es ergibt sich daraus folgendes:
                           A. Bei Kesseln gleicher Construction wie auf Friedenshütte:
                           Bei 57 Explosionen explodirten 18 aus der Mitte von anderen
                              									heraus, nämlich:
                           
                              
                                 a.
                                 in
                                 einem
                                 Falle
                                 1
                                 von
                                 10
                                 Kesseln
                                 
                              
                                 b.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1
                                 „
                                   8
                                 „
                                 
                              
                                 c.
                                 „
                                 vier
                                 Fällen
                                 1
                                 „
                                   6
                                 „
                                 
                              
                                 d.
                                 „
                                 drei
                                 „
                                 1
                                 „
                                   3
                                 „
                                 
                              
                                 e.
                                 „
                                 neun
                                 „
                                 1
                                 „
                                   2
                                 „
                                 
                              
                           nur in einem Falle, wo drei Kessel neben einander
                              									lagen, zertrümmerte der eine Kessel den linken Nachbarkessel und lieſs den rechten
                              									unbeschädigt.
                           B. Bei Flammrohrkesseln kamen 23 Fälle vor:
                           
                              
                                 a.
                                 in
                                 einem
                                 Falle
                                 1
                                 von
                                 10
                                 Kesseln
                                 
                              
                                 b.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1
                                 „
                                   8
                                 „
                                 
                              
                                 c.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1
                                 „
                                   7
                                 „
                                 
                              
                                 d.
                                 „
                                 drei
                                 Fällen
                                 1
                                 „
                                   6
                                 „
                                 
                              
                                 e.
                                 „
                                 zwei
                                 „
                                 1
                                 „
                                   4
                                 „
                                 
                              
                                 f.
                                 „
                                 drei
                                 „
                                 1
                                 „
                                   3
                                 „
                                 
                              
                                 g.
                                 „
                                 zwölf
                                 „
                                 1
                                 „
                                   2
                                 „
                                 
                              
                           Ferner erwähnen wir:
                           C. Auf dem Hochofenwerke Salzgitter explodirte 1873 ein Kessel von
                              									uni ohne weitere Folgen auf die anderen Kessel zu äuſsern, obgleich die Construction
                              									ungewöhnlich (25m Länge der Siederohre), das Blech
                              									sehr schlecht, der Zustand der Kessel mangelhaft war.
                           
                           D. In Güstrow brach das Dampfrohr von 6 Kesseln, welche im
                              									Betriebe waren, an zwei Stellen durch. Die Kessel blieben unverletzt.
                           E. In zahlreichen Fällen der oben angeführten Explosionen brachen
                              									die gemeinschaftlichen Dampfrohre ohne weitere Folgen für die im Betriebe
                              									befindlichen Kessel.
                           Aber auch abgesehen davon, so ist ein solcher Vorgang bei 22
                              									Kesseln nicht denkbar ohne eine längere Zeit in Anspruch zu nehmen, ohne den
                              									zertrümmerten Theilen verschiedene Richtungen in den Flugbahnen zu geben und ohne
                              									das Geräusch einer gewaltigen Kanonade hervorzurufen. Eine specifische Erscheinung
                              									der Friedenshütter Explosion bildet die fächerförmige Flugbahn der Kessel, welche
                              									ausgehend von einem zwischen den Schornsteinen liegenden Mittelpunkte sich nach
                              									Norden und Süden hin erstreckt. Die mittleren Kessel sind ausschlieſslich nach vorn
                              									(westlich), die nördlich liegenden in nördlicher, die südlich liegenden in südlicher
                              									Richtung geflogen, mit Ausnahme einiger weniger Kessel, welche die gröſsten
                              									Zerstörungen erlitten haben und ihre Trümmer nach den verschiedensten Richtungen
                              									entsandten. Aus der fächerförmigen Flugbahn läſst sich unzweifelhaft erkennen, daſs
                              									der Anfang der Explosion in den mittleren Kesseln zu suchen ist. Diese Annahme wird
                              									durch die Eigenartigkeit der Zerstörung des Fuchses zwischen den Schornsteinen und
                              									hinter den mittleren Kesseln unterstützt, welche ein wesentlich anderes Bild als das
                              									der zerstörten Seitenflügel des Fuchses zeigt.
                           Wir können nach dem Obengesagten nur annehmen, daſs die
                              									Katastrophe durch eine Wirkung von auſsen her eingeleitet wurde. Die Veranlassung
                              									zum Unglücksfalle wurde aus der gemeinschaftlichen Heizung mit Gasen gegeben, wobei
                              									wir vorläufig dahingestellt sein lassen wollen, ob die Hochofengase es allein
                              									gewesen sind, oder ob noch andere Gase aus der Steinkohlenfeuerung mitgewirkt haben.
                              									Die Gasheizung ist das einzige, allen Kesseln gemeinschaftliche Element, aus welcher
                              									von auſsen her eine Wirkung entstehen konnte, wie sie das beigegebene Bild der
                              									Flugbahnen und der zerstörten Kessel ergibt. Wir würden der Wirkung der plötzlich
                              									sich entzündenden Hochofengase nicht von vorn herein eine so hervorragende Bedeutung
                              									beilegen, wenn wir nicht die Ueberzeugung hätten, daſs die Construction der
                              									Dampfkessel und das Material, aus welchem sie gefertigt waren, mit Mängeln behaftet
                              									gewesen sind, so daſs unter Zusammentreffen aller ungünstigen Faktoren die
                              									Kesselwandungen den Erschütterungen nicht widerstehen konnten. Im gewöhnlichen
                              									normalen Betriebe würden, dessen sind wir sicher, diese Mängel nur zu gröſseren oder
                              									kleineren Undichtigkeiten, Rissen und Reparaturen Veranlassung gegeben haben,
                              									derart, wie sie ja auch vorgekommen sind. Die aufgetretenen Mängel in den
                              									Rundnähten, in der Querfaser des Eisens, sowie die Auswechselungen mangelhaft
                              									gewordener Feuerplatten, bilden den Beleg dafür, daſs beim Betriebe
                              									auſsergewöhnliche Spannungen und Ausdehnungen erfolgt sind.
                           Bei Gasfeuerungen kann man bekanntlich von „Feuerplatten“,
                              									wie der technische Sprachgebrauch diejenigen Blechplatten bezeichnet, welche die
                              									erste strahlende Hitze des Feuers auszuhalten haben, kaum sprechen. Namentlich dann
                              									nicht, wenn das Gas, wie im vorliegenden Falle, immerhin schwer brennbar ist. Das
                              									Gas brennt im Allgemeinen durch die ganze Länge der Züge, es brennt oftmals im
                              									Fuchse und aus der Schornsteinöffnung heraus, je nachdem durch den Rost und durch
                              									die Undichtigkeiten der Züge u.s.w. Luft eingesogen und ein zur Verbrennung
                              									günstiges Mischungsverhältniſs entstanden ist. Dadurch wechseln die Lagen der
                              									Hauptverbrennungszonen und in Folge dessen diejenigen Orte, wo die gröſsten
                              									Temperaturdifferenzen unnatürliche Spannungen und Ausdehnungen hervorrufen.
                           Dies ist sehr zu beachten und bei allen mit Gas geheizten Kesseln
                              									dieser Gröſse und Construction sind deshalb Mängel in den Rundnähten
                              									(Querfaserrichtung) häufiger. Das Schlimmste aber ist, daſs diese Mängel in Folge
                              									der vorhin genannten wechselnden Hauptverbrennungsorte, rasch und unbemerkt
                              									entstehen, sich als Risse im Betriebe entwickeln und plötzlich zu Tage treten
                              									können. Im kalten Zustande sind sie in der Regel sichtbar, sofern die Risse vom
                              									Nietloche zur Blechkante gehen, aber, wenn sie sich von Nietloch zu Nietloch erstrecken, nur in den
                              									seltensten Fällen. Ist das Blech an sich von geringer Güte, also spröde wie bei den
                              									Kesseln der Friedenshütte, so wird die Möglichkeit der Bildung solcher Risse
                              									leichter zur Thatsache.
                           Aus der deutschen Explosionsstatistik ist der Einfluſs des
                              									geringwerthigen Materiales etwas bemerkbar. Von den 155 in den Jahren 1877 bis 1886
                              									explodirten Kesseln sind 30 Fälle nachgewiesen, bei welchen das Blech aus den Jahren
                              									1871 bis 1874 stammt. Nimmt man nach der Zusammenstellung der Dampfkessel und
                              									Dampfmaschinen vom Geheimrath Dr. Engel die Zahl der in
                              									den Jahren 1871 bis 1874 beschafften Kessel zu 9263 an, so kommt hier (– im
                              									Gegensatz zu der Durchschnittszahl von 3900 Kesseln –) auf 3120 Kessel eine
                              									Explosion. Dieser Unterschied ist jedoch nicht so bedeutend, daſs allgemeine
                              									Vorsichtsmaſsregeln gegen Kessel aus solchem Materiale gerechtfertigt wären, weil
                              									über die Strukturveränderungen des Eisens durch den Betrieb zuverlässige Beweise
                              									noch nicht vorliegen und namentlich auch deshalb, weil die Betriebsweise der Kessel
                              									hierbei die gröſste Rolle spielt.
                           Wir verweisen auf die englische und deutsche Statistik der
                              									Explosionen, aus welchen sich deutlich ergibt, daſs Explosionen von Kesseln
                              									ähnlicher Construction in der Regel auch groſse Zertrümmerung der Kesselkörper und
                              									sehr weite Flugbahnen der einzelnen Theile hervorrufen. Die Schwäche der
                              									Construction der Friedenshütter Kessel findet auch einen Beleg durch die deutsche
                              									Explosionstatistik. Wir erwähnten schon vorhin, daſs von 155 Explosionen in den
                              									Jahren 1877 bis 1886 57 an Kesseln ähnlicher und nahezu gleicher Construction
                              									vorgekommen sind, während das Verhältniſs (nach der amtlichen Statistik von 1877)
                              									der Gesammtzahl der Kessel zu derjenigen der vorliegenden Construction wie 49511 zu
                              									15500 ist. Bemerkenswerth ist nach unseren Erfahrungen, daſs die Anwendung des
                              									genannten Systemes thatsächlich in Abnahme begriffen ist.
                           Die fächerförmige Flugbahn der Kesseltheile, welche in ihrer ganz
                              									eigenartigen Form den sichersten Anhalt für die Einleitung der ganzen Katastrophe
                              									gibt, bezieht sich ausschlieſslich auf die Oberkessel, während der gröſste Theil der
                              									Unterkessel in groſser Anzahl in den Rundnähten gebrochen und wiederum in
                              									eigenthümlicher Art nur nach vorn geschoben ist. Fast alle sind sie aber doch im
                              									Kesselhause liegen geblieben. Nur einzelne Ringe (6 Stück mit etwa 10 Trommeln) sind
                              									in entgegengesetzter Richtung fortgeschleudert worden. Die Tragestühle dieser
                              									Unterkessel – mit Ausnahme der Kessel 22 und 23, welche noch unversehrt und theils
                              									noch aufrecht standen – waren unter dem Schutte begraben.
                           Das Mauerwerk der Kessel ist bis auf die Sohle der Unterzüge
                              									zertrümmert und der Fuchs zwischen beiden Schornsteinen mit groſser Gewalt
                              									eingedrückt, während links und rechts die Verlängerung mehr oder weniger unverletzt
                              									geblieben ist. Die Decke des Fuchses war hier abgehoben und die Vorderwand an die
                              									Hinterwand gedrückt. Alle diese eigenartigen Erscheinungen sind nur zu erklären,
                              									wenn man annimmt, daſs eine von auſsen wirkende Kraft, deren Ausgangspunkt bei den
                              									Kesseln zwischen den Schornsteinen liegt, am hinteren Ende der Kessel wirkend, die
                              									Katastrophe eingeleitet hat. Wir wollen damit keinesfalls ausschlieſsen, daſs nicht
                              									links und rechts auch noch ein oder mehrere Kessel in Mitleidenschaft gezogen sind,
                              									so daſs die Katastrophe ihre Einleitung eventuell bei einer groſsen Anzahl von
                              									Kesseln gefunden hat. Hierfür fehlt uns aber der Beweis und so nehmen wir es nur für
                              									die Mittelpartie an, weil dies aus der Art der Zerstörung überzeugend hervorgeht.
                              									Diese Kraft ist nur in den Stoſswirkungen der plötzlich sich entzündenden Gase zu
                              									finden, welche sich dort in explosibelem Gemisch angesammelt hatten. Es kann sich
                              									dabei nur um Gase der Steinkohlenfeuerung und um Gichtgase handeln. Bestand das
                              									Gemisch, wie wohl anzunehmen ist, aus Gichtgasen und Steinkohlengasen, so ist die
                              									Intensität der Wirkung, welche zum Bruch der Kessel führte, unzweifelhaft. Hierfür
                              									bedarf es keiner weiteren Beweise. Wir wollen aber auch im Nachstehenden
                              									nachzuweisen versuchen, daſs Hochofengichtgase unter Zusammenwirkung aller wichtigen
                              									umstände schon allein eine groſse Wirkung ausüben können.
                           Es handelt sich im vorliegenden Falle um
                              										„Hochofen-Koks-Gase“ (Gichtgase). Die Zusammensetzung solcher Gase ist bekanntlich sehr
                              									schwankend, sie hängt vom Orte der Entnahme aus den Hochöfen und vom Gange des Ofens
                              									selbst ab. Wir kennen die zufällige Beschaffenheit der Gase vor der Explosionszeit
                              									nicht, nehmen also an, daſs sie dem Gewichte nach bestehen aus:
                           
                              
                                 64,8
                                 Proc.
                                 Stickstoff
                                 = 63,7
                                 Vol.-Proc.
                                 
                              
                                 33,8
                                 „
                                 Kohlenoxyd
                                 = 34,3
                                 „
                                 
                              
                                   1,3
                                 „
                                 Kohlensäure
                                 =  0,6
                                 „
                                 
                              
                                   0,1
                                 „
                                 Wasserstoff
                                 =  1,4
                                 „
                                 
                              
                           wie sie in Knapp's chemischer Technologie als durchschnittliche Ergebnisse
                              									der Untersuchungen von Hochofengasen durch Bimsen, Ebelmen,
                                 										Scheerer u.s.w. angegeben sind. Wir fügen hinzu, daſs Knapp besonders dabei betont, daſs der
                              									Hauptbestandtheil der Brenngase Kohlenoxyd ist, daſs Kohlenwasserstoffe spärlich
                              									sind, aber wohl allen gemein wären und daſs es mehr an der Analyse als an der
                              									Wirklichkeit läge, wenn sie nicht gefunden wären. Bei obigen Analysen sind die Gase
                              									in ⅔ der Höhe des Hochofens entnommen. Je höher die Entnahme erfolgt, desto unreiner
                              									und von geringerer Heizkraft sind sie.
                           In der Zeitschrift des Vereines deutscher
                                 										Ingenieure, 1884 S. 970, sagt Jung von
                              										„Burbacher-Hütte“ die Hochofengase seien folgendermaſsen
                              									zusammengesetzt:
                           
                              
                                 im Mittel 50 bis 60
                                 Proc.
                                 Stickstoff und wechselnde Mengen Wasserdampf,
                                 
                              
                                 24
                                 „
                                 Kohlenoxyd,
                                 
                              
                                 12
                                 „
                                 Kohlensäure,
                                 
                              
                                 4
                                 „
                                 Kohlenwasserstoff.
                                 
                              
                           
                              „Je mehr Kohlenoxyd die Gase enthalten, um so gröſser ihr
                                 										Brennwerth. Je kälter die Gase entweichen, um so mehr wird ihr
                                 										Feuchtigkeitsgehalt durch Condensation abnehmen, um so vorzüglicher müssen sie
                                 										werden. „Die Gase entweichen mit einer Temperatur von 40 bis 400°.“
                                 									
                              
                           Herr W. Lürmann in Osnabrück nennt in
                              									der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1886
                              									S. 526, die Hochofengase „schwer brennbare Gase“ und sagt S. 527, daſs es
                              									niemals räthlich sei, Kohle und Gase unter einem Kessel
                              									zu verbrennen. Beide, Jung und Lürmann, geben zu, daſs bei unregelmäſsigem Gange der Hochöfen, die
                              									Zusammensetzung der Gase wesentlich andere werden könne. Nach Aeuſserung vieler
                              									Hochofentechniker wechselt dieselbe fortwährend in kurzen Zeitabschnitten. Nach Bremme in der Zeitschrift des
                                 										Vereines deutscher Ingenieure (Vortrag in der Versammlung des
                              									Ingenieur-Vereins am 19. Oktober 1887 zu Kattowitz) bestehen die Koksgase der
                              									oberschlesischen Hochöfen im Mittel aus:
                           
                              
                                 60
                                 Proc.
                                 Stickstoff
                                 
                              
                                   9
                                 „
                                 Kohlensäure
                                 
                              
                                   8
                                 „
                                 Wasserdampf
                                 
                              
                                 23
                                 „
                                 Kohlenoxyd
                                 
                              
                           dem Gewichte nach.
                           Die Hochöfen der Friedenshütte blasen graues Bessemer-Roheisen,
                              									die Gase sind nach uns gewordenen Mittheilungen besonders reich an Kohlenoxyd und
                              									arm an Kohlensäure.
                           In dem Journal „Gewerbehygienie“ spricht Dr. Eulenburg S. 352 und 354 unbedenklich die Explosibilität der Hochofengase
                              									aus. Die Explosibilität der Gase leugnet Niemand und stützen wir uns auf die
                              									Thatsache, daſs an allen Orten, wo Hochöfen betrieben und Gase zum Heizen der
                              									Dampfkessel benutzt werden, in den eisernen Gasleitungen stets eine groſse Zahl von
                              									Sicherheitsklappen angebracht sind. Diese sind deshalb eingesetzt, weil die
                              									Erfahrung gelehrt hat, daſs die Gasexplosionen in den Leitungen nichts Seltenes
                              									sind. Die Klappen fliegen auf und machen die Wirkung unschädlich. Nur in seltenen
                              									Fällen bei schlechten Anlagen führen solche Explosionen in den Gasleitungen zu
                              									Zerstörungen derselben. Auch in den Gasleitungen auf der Friedenshütte waren eine
                              									groſse Zahl solcher Sicherheitsklappen angebracht, aber nur bis zu den Dampfkesseln
                              									hin, wie es überall Gebrauch ist.
                           Wenn unzweifelhaft in den Gasleitungen die Mischung von Gichtgasen
                              									mit Luft und in Folge dessen deren Explosion wiederholt seit Jahren nachgewiesen
                              									ist, so ist die Möglichkeit vorhanden, daſs eine gleiche explosible Mischung sich
                              									auch bilden kann, wenn Gichtgase unverbrannt in die Kesselzüge treten, in welche Luft mit
                              									eingesogen ist und daſs sie dort explodiren können. Es sind auch in der Praxis
                              									heftige Explosionen in den Kesselzügen (ähnlich wie bei Stubenöfen) vorgekommen,
                              									aber nur mit verhältniſsmäſsig geringem Effect. In der Nähe von Siegen ist bei einer
                              									gröſseren Kesselanlage vor einigen Jahren durch Explosion der Gase das ganze vordere
                              									Mauerwerk zertrümmert. Die Gase sind eben vorn am Kessel explodirt und ihre
                              									Quantität war gering.
                           Wenn durch irgend einen Umstand, z.B. bei Stillständen, beim
                              									gleichzeitigen Abstellen der Gebläsemaschinen, beim Abstiche der Hochöfen, durch
                              									Verstopfungen, durch gleichzeitiges Ziehen der Gichtglocken, durch Gasexplosionen im
                              									Zuleitungsrohre u.s.w. der Strom der Gichtgase abgerissen oder die Flamme in Folge
                              									des ausgebrannten oder durch zu dicke, unsinnige Beschickung fast erstickten
                              									Rostfeuers ausgegangen ist, so tritt beim Wiederkehren des Gasstromes unverbranntes
                              									Gas in die Kesselzüge. Durch den Rost, durch alle Fugen und Ritzen des Mauerwerkes,
                              									wird Luft eingesogen, sie mischt sich an zahllosen Stellen mit der äuſseren Schicht
                              									der Gase, an den Ecken und Biegungen erfolgt ihre innige Mischung. Die Art der
                              									Einmauerung gibt hierzu reichliche Veranlassung. Wir bemerken, daſs bei dem
                              									Mauerwerk für die Oberkessel allemal zwischen zwei Kesseln ein erheblicher Spielraum
                              									tag, so daſs groſse Oberflächen des Auſsenmauerwerkes Gelegenheit zum Einsaugen von
                              									Luft gaben.
                           Wenn alle Bedingungen günstig zusammentreffen, so kann aus der
                              									Entzündung des Gemisches eine Explosion entstehen. Die Entzündung kann ebenso wohl
                              									aus dem Aufgeben frischer glühender Kohle, als auch durch die glühenden Mauersteine
                              									erfolgen. Die Entzündungstemperatur der Gase kann man im gewöhnlichen Zustande zu
                              									etwa 600 bis 700° C. annehmen. Diese Temperatur ist sicherlich im Mauerwerke
                              									vorhanden gewesen, denn die umhergeschleuderten Ziegelsteine haben die benachbarten
                              									Gebäude sogar in Brand gesteckt.
                           Da dies erwiesen ist, so müssen sie eine hohe Temperatur gehabt
                              									haben, welche sicherlich zur Entzündung eines explosiblen Gemisches ausreichte, wenn
                              									es auch nur etwa 25 Proc. Kohlenoxyd enthielt. Da das Gas oft an verschiedenen
                              									Stellen brennt, und bei seiner Verbrennung, zuzüglich der Temperatur aus der
                              									Steinkohlen-Rostfeuerung, im normalen Betriebe sicher 800 bis 1000° erzeugt, und
                              									zwar bei etwa 1½facher Luftzufuhr, so kann und wird zu Zeiten das Mauerwerk selbst
                              									in den Zügen der Unterkessel sicher etwa 700° Temperatur annehmen.
                           Der Wassergehalt der Gichtgase kann bei der groſsen Länge der
                              									Leitungen nur sehr gering gewesen, ebenso wird die Temperatur der Gase beim
                              									Eintritte unter die Kessel nicht mehr hoch gewesen sein. Die Luftzufuhr zu den Gasen
                              									nehmen wir als die gewöhnliche an und dann ergibt die Rechnung, daſs eine Ausdehnung
                              									der Gase leicht entstehen konnte, welche 1at Druck
                              									gleich kam. Dies würde einer mittleren Temperaturerhöhung von etwa 400° entsprechen.
                              									Der Druck würde wesentlich höher sein, wenn die Entzündung des Gas- und
                              									Luftgemisches an mehreren Stellen zugleich erfolgt sein würde. Wir nehmen auf Grund
                              									des früher Gesagten letzteres an, wollen aber nur die Entstehung eines Druckes von
                              										1at zugeben, welche reichlich genügt, um durch
                              									die Stoſswirkung die Kessel gewaltsam zu erschüttern und hierdurch Brüche
                              									hervorzurufen. Wir wollen nur durch eine oberflächliche Betrachtung erläutern, wie
                              									groſs die Kraftäuſserung sein müſste.
                           
                              
                                 Das Eigengewicht jedes Kessels berechnet
                                    											sich zu
                                 etwa
                                 13537k
                                 
                              
                                 Die Wasserfüllung des Oberkessels
                                 „
                                 22600
                                 
                              
                                 Dieselbe der 2 Unterkessel
                                 „
                                 12500
                                 
                              
                                 Das auf dem Kessel ruhende
                                    											Mauerwerk
                                 „
                                   9000
                                 
                              
                                 Sonstige Widerstände
                                 „
                                   8363
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Sa.
                                 66000k.
                                 
                              
                           Der Oberkessel erhielt den Druck von unten auf eine Fläche von
                              									etwa 19qm = 190000 qcm. – Um der angegebenen Last von 66000k das Gleichgewicht zu halten, genügte also ein Druck von
                              										\frac{66000}{190000}=1/3^{at}. Selbst wenn wir den Widerstand zu ½at annehmen, so genügt also ein Gegendruck bis zu
                              										1at vollständig, um das ganze System zu
                              									verschieben und zum Bruche zu bringen.
                           Es handelt sich bei diesen und später erörterten Gasexplosionen
                              									natürlich nicht um statischen Druck, sondern um die Stoſswirkung, welche diejenige
                              									plötzliche Ausdehnung hervorrief, welche dem berechneten Drucke gleichkommt.
                           Wir kommen nun zur Erörterung der Explosion eines Gemisches von
                              									Hochofen-Gichtgasen und Gasen der Steinkohlenfeuerungen, durch welche der Vorfall am
                              									leichtesten erklärt wird.
                           Unter den mehrfach erwähnten Kesseln der Mittelpartie ist durch
                              									irgend eine Ungehörigkeit, oder Nachlässigkeit in der Bedienung der Feuer, die
                              									Gasexplosion verursacht worden, so daſs es nicht einmal der Annahme bedarf, daſs bei
                              									allen Kesseln gleichzeitig die Explosion der Gase eingetreten ist, weil die Wirkung
                              									der Explosion eines solchen Gasgemisches unzweifelhaft bedeutend gröſser ist, wie
                              									bei Vorhandensein reiner Hochofengichtgase. Hierbei wollen wir wiederholen, was wir
                              									vorhin gesagt haben, daſs wir auſserdem nicht ausschlieſsen wollen und können, daſs
                              									unter einzelnen anderen Kesseln links und rechts ebenfalls Gasexplosionen erfolgt
                              									sein mögen. In der Stunde von 12 bis 1 Uhr ist es bei Nachtschicht ebenso wie bei
                              									Tagschicht allgemein üblich, daſs die Arbeiter ihr Essen einnehmen. Die Erzielung
                              									einer längeren Ruhepause gab die Veranlassung zu einer sehr starken Beschickung der
                              									Feuer und damit war der Grund zu einem Erlöschen der Hochofengase bei einem oder
                              									mehreren Feuern gegeben. Die zur Verwendung gekommene Kohle war nur Staubkohle,
                              									welche wahrscheinlich auch naſs verfeuert werden muſste, wobei ein vollständiges
                              									Abdecken sehr leicht eintritt, wie dies die Erfahrung schon oft ergeben hat. Die
                              									Luftzufuhr wird alsdann verhindert oder so gering, daſs die Feuer ersticken und die
                              									Kohlen schweelen. Nach und nach gehen nun dabei in Folge mangelnden Sauerstoffes die
                              									Flammen aus. Strömten nun während der Zeit dieses Todtliegens bei den derartig
                              									abgedeckten Feuern die Hochofengichtgase weiter in den Herdraum ein, was als
                              									selbstverständlich angenommen werden muſs, so konnten sich dieselben vorn nicht mehr
                              									entzünden, zumal dieselben thatsächlich durch die lange Leitung stark abgekühlt
                              									waren, sie mischten sich mit den Destillationsproducten der auf dem Rost
                              									schweelenden Kohle und bildeten so in den Zügen ein leicht explodirbares Gasgemisch.
                              									Wie die Entzündung dieses Gemisches nun stattgefunden, ob vom Rost, vom Mauerwerk,
                              									oder vom Fuchse aus, wollen wir nicht entscheiden, da mehrere Fälle möglich
                              									sind.
                           In beiden angenommenen Fällen der Gasexplosion war die Wirkung auf
                              									die Kessel die gleiche. Der Stoſs, welchem die Oberkessel in der unteren Hälfte bei
                              									der Explosion ausgesetzt waren, riſs die Oberkessel an den hinteren
                              									Verbindungsstutzen, welche noch von altem geringwertigem Blech waren, von ihren
                              									Unterkesseln, der hierdurch gebildete freie Ausströmungsquerschnitt bedingte einen
                              									schnellen Druckausgleich, in Folge dessen die Oberkessel und auch die Unterkessel in
                              									der Richtung nach vorn geschleudert wurden. Selbstverständlich muſsten die
                              									Oberkessel als die mehr freiliegenden und weil in ihnen das Quantum der
                              									aufgespeicherten, also auch frei werdenden Wärme, wesentlich gröſser war als in den
                              									Unterkesseln, auf weit gröſsere Entfernungen geworfen werden als diese, die zudem
                              									noch in den Unterzügen lagen und einem Wegschleudern somit gröſseren Widerstand
                              									entgegensetzten. Bei den Unterkesseln trat auſserdem die Stoſswirkung nicht in dem
                              									Maſse auf, weil bei ihnen dieselbe von allen Seiten erfolgte.
                           Aus den von uns geschilderten Vorgängen könnte gefolgert werden,
                              									daſs Gasexplosionen leichter eintreten könnten, als dies thatsächlich der Fall ist.
                              									Zu einer Gasexplosion mit dem Maximum der Kraft, bezieh. mit einer namhaft gröſseren
                              									Wirkung, gehört das Zusammenwirken aller für dieselbe günstigsten Umstände. Wäre dem
                              									nicht so, so müſste die Statistik schon wiederholt derartige Unglücksfälle zu
                              									verzeichnen haben, was thatsächlich nicht der Fall ist. Wir können uns auf die
                              									Erläuterungen der günstigen Umstände nicht einlassen, weil das bei der
                              									Verschiedenartigkeit der Gase zu weit führen würde. So viel steht aber fest, daſs
                              									selbst an sich harmlose Gase, wie Hochofengichtgase, unter Umständen weit heftigere
                              									Wirkungen bei der Explosion zeigen, als dies bei den so oft im Betriebe vorkommenden
                              									Verpuffungen der Fall ist.
                           Es liegt indessen kein Grund vor, in Folge der Friedenshütter
                              									Explosion die Verwendung der Hochofengichtgase irgend wie zu erschweren, um so mehr
                              									als es bewährte Einrichtungen gibt, welche die stete Entzündung der Gase
                              									gewährleisten.
                           Wir fassen unsere Betrachtungen zum Schlusse wie folgt
                              									zusammen.
                           
                              „Durch ein unglückliches Zusammentreffen ist eine
                                 										explosible Mischung von Gasen und Luft in den Kesselzügen entstanden und
                                 										plötzlich entzündet. Die Wirkung der Explosion der Gase hat eine örtliche
                                 										Trennung der Kesseltheile veranlaſst, welches bei der groſsen Länge der Kessel,
                                 										bei ihrer Construction und bei der geringen Qualität des Materiales
                                 										verhältniſsmäſsig leicht erfolgen konnte. Die Explosion der Gase bildete den
                                 										Anlaſs zur Erschütterung und zum Reiſsen der Kessel, in Folge dessen dieselben
                                 										explodirten.“
                              
                           Berlin, den 28. Februar 1888.
                           
                              Der Central-Verband der
                                 										preußischen Dampfkessel-Ueberwachung-Vereine.
                              
                           Im Auftrage: Die Commission.
                           
                              Böcking. Eckermann. Emundt.
                                 										Münter. Vogt Weinlig.
                              
                           Zuletzt beschloſs die Versammlung einstimmig, bei der Wichtigkeit
                              									der bei dieser Gelegenheit aufgetauchten Fragen über Explosionsfähigkeit und
                              									Explosionswirkung von Hochofengasen und anderen brennbaren Gasen, eine Reihe von
                              									Experimenten anzustellen, zu welcher hervorragende Eisenhüttenleute,
                              									Hochofentechniker, Ingenieure und Gelehrte eingeladen werden sollen. Ein genauer
                              									Plan über die Ausführung der Versuche, die Wahl der Experimentatoren, sowie ein
                              									Ueberschlag der muthmaſslich erwachsenden Unkosten wird sofort aufgestellt und dem
                              									Herrn Minister für Handel und Gewerbe überreicht werden, mit der Bitte, zu den
                              									Kosten dieser Untersuchung einen Beitrag zu bewilligen und Commissarien zur
                              									Theilnahme an derselben abzuordnen. Auſserdem ist zu hoffen, daſs die
                              									Hauptinteressenten der Hochofenindustrie sowohl mit Geldmitteln als auch durch
                              									persönliche Unterstützung sich betheiligen werden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)