| Titel: | Zur Explosion zu Friedenshütte. | 
| Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 506 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 323 d.
                           								Bd.)
                        Zur Explosion zu Friedenshütte.
                        
                     
                        
                           Der im Auftrage der Commission erstattete Bericht des Herrn Brunhuber lautet nach Stahl und Eisen, 1888
                                 									Nr. 3 S. 167 wie folgt:
                           Die Dampfkesselexplosion auf Friedenshütte, über welche Stahl
                                 										und Eisen, 1887 Nr. 10 und 11, berichtete, hat in den verschiedensten
                              									Kreisen eine etwas erregte Stimmung hervorgerufen, weil nach umlaufenden Gerüchten
                              									der Hochofenindustrie seitens der concessionirenden Behörden erschwerende Auflagen
                              									gemacht werden sollten; ja, es wurde sogar behauptet, der Friedenshütte wäre die
                              									Genehmigung für die Beheizung ihrer neu projectirten Dampfkesselanlage mit
                              									Hochofengichtgasen verweigert worden.
                           Wenngleich nun Ihr Vorstand diesen Gerüchten eine Berechtigung nicht zuerkannte, so
                              									glaubte er doch wegen der Wichtigkeit der ganzen Angelegenheit Stellung zur Sache
                              									nehmen und eine Commission zusammenberufen zu sollen, um die Auffassungen der bis
                              									jetzt betheiligten Kreise kennen zulernen und zu prüfen. Dieselbe bestand aus den
                              									Herren:
                           A. Boecking, Düsseldorf, W. Brügmann, Aplerbeck, J.
                                 										Brunhuber, Essen, G. Hilgenstock, Hörde, Th. Jung, Burbach, A.
                                 										Kiel, Duisburg, W. Landgraf, Dortmund, Fritz W. Lürmann, Osnabrück, H.
                                 										Spamer, Peine, A. Spannagel, Ruhrort, Ferdinand Staub, Neunkirchen, Storp, Düsseldorf, W. Tiemann,
                              									Duisburg-Hochfeld, Alb. Vahlkampf, Oberhausen, E. Schrödter, Düsseldorf.
                           Die vorgenannte Commission ist am 19. November, 10. December und  30. Januar
                              									zusammengetreten. Zunächst hat sich daselbst betreffs der wirthschaftlichen Seite
                              									ergeben, daſs die königliche Behörde, wie übrigens nicht anders zu erwarten war,
                              									nach wie vor die Genehmigung zu Hochofengasfeuerungen und ertheilen wird, wenn, wie
                              									auch bisher stets durchgeführt, die Entzündung und Verbrennung der Gase durch die
                              									getroffenen Einrichtungen gewährleistet wird. Ueber das Wie scheinen die
                              									Auffassungen im Augenblick noch etwas aus einander zu gehen, indessen dürften
                              									Schwierigkeiten leicht auszuschlieſsen den sein, wenn die Erörterungen über diesen
                              									Punkt nicht einseitig, sondern von den betheiligten Kreisen, das sind die Hochofen-
                              									und Dampfkessel-Ingenieure, gemeinschaftlich gepflogen werden.
                           Dieser Standpunkt muſs bei allen einschlägigen Fragen weitgehender Bedeutung
                              									festgehalten werden, weil anderenfalls leicht eine einseitige Behandlung der Materie
                              									Platz greift, wie sich, um gleich ein Beispiel anzuführen, leider bis jetzt in der
                              									Stellungnahme zur technischen Seite der Friedenshütter Explosion gezeigt hat.
                           Während der schlesische Dampfkessel-Revisionsverein den ersten Anlaſs zu dem Unglück
                              									in dem Defectwerden eines oder mehrerer Kessel und sich hieran anschlieſsenden
                              									Gasexplosionen erblickt, glauben die Ingenieure einiger anderen Revisionsvereine die
                              									anfängliche Ursache in einer unter sämmtlichen Kesseln fast gleichzeitig
                              									stattfindenden Gasexplosion suchen zu sollen; in wieder anderen Kreisen ist die
                              									Anschauung vertreten, daſs Wassermangel den ersten Anlaſs zur Katastrophe gegeben habe, und endlich
                              									tritt die Materialqualität als Factor bei der Beurtheilung des vorliegenden Unfalles
                              									auf.
                           In diesen vier Annahmen sind die Grundlagen zur Erörterung der einleitenden Momente
                              									für das Zustandekommen des Unfalles gegeben.
                           Wesentlich in dem Berichte des schlesischen Dampfkessel-Revisionsvereines ist die
                              									Annahme, daſs die anfängliche Ursache der stattgehabten Explosion im Schadhaft
                              									werden eines oder mehrerer Dampfkessel zu suchen sei, ohne Halt dagegen die
                              									Begründung der Art und Weise, wie die angenommene Gasexplosion bei jenen Kesseln
                              									eingeleitet worden sein soll, und nicht ausgesprochen, wie bei den übrigen Kesseln
                              									die Entstehung der Gasexplosion gedacht worden ist. Ein Zweifel kann darüber nicht
                              									herrschen, daſs der schlesische Verein trotz der Annahme des Defectwerdens einiger
                              									Kessel den Hauptanstoſs in einer gröſseren Gasexplosion gesucht hat, und wird
                              									deshalb seine Ansicht durch die Erklärung der Oberingenieure verschiedener
                              									Dampfkessel-Revisionsvereine gedeckt, welche, wie schon angeführt, eine unter
                              									sämmtlichen Dampfkesseln gleichzeitig stattgefundene Gasexplosion annehmen.
                           Während des regelmäſsigen Betriebes ist eine Gasexplosion von einiger Wirkung
                              									unmöglich; um eine Erklärung zu versuchen, muſs zu Annahmen gegriffen werden, und
                              									zwar ist vorauszusetzen, daſs entweder das für sich brennende Gas erlosch oder
                              									ausblieb und sich später wieder entzündete. Der erste Fall dürfte bei der hohen
                              									Entzündungstemperatur und der verhältniſsmäſsig geringen Verbrennungstemperatur bei
                              									dem einen oder anderen Kessel zeitweilig für Momente nicht fraglich sein, spricht
                              									doch auch die in Friedenshütte für nothwendig erachtete Unterhaltung eines
                              									Rostfeuers dafür, dagegen muſs es als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden,
                              									daſs das Erlöschen der Gase in sämmtlichen Feuerungen gleichzeitig oder fast
                              									gleichzeitig eintreten konnte, wenn nicht zu der ferneren Annahme geschritten wird,
                              									daſs das vorher brennbare Gas nun auf einmal unter den obwaltenden Zuständen
                              									unverbrennlich wurde, sei es durch verminderte Dichte, sei es durch unpassende
                              									Zusammensetzung. Bei einem Betriebe mit drei Hochöfen und reichlicher Maschinen
                              									kraft ist beides nicht wohl anzunehmen und wird aus gleichem Grunde auch die Annahme
                              									unwahrscheinlich, daſs das Gas ausgeblieben sei.
                           Wird nun trotz der vielen entgegenstehenden Gründe doch die Annahme des Ausbleibens
                              									der Gichtgase aufrecht erhalten, wobei gleichzeitig dem Erlöschen der Mischung von
                              									Gichtgas und Luft Rechnung getragen wird, so kann hieraus eine Explosion von der
                              									Intensität, wie sie zur Herbeiführung der Verwüstung auf Friedenshütte nothwendig
                              									erscheint, noch nicht gefolgert werden.
                           Wird berücksichtigt, daſs nur dann die Verbrennung eines Gasgemisches einen
                              									explosionsartigen Charakter annimmt, wenn sie eine plötzliche oder wenigstens sehr
                              									rasche ist, so kann unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Dampfkesselfeuerungen mit
                              									Hochofengichtgasen nicht die Rede davon sein, weil die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
                              									der Entzündung der vorhandenen Gase eine zu geringe ist, auſserdem aber auch die
                              									Verbrennungen nicht im abgeschlossenen Raume erfolgen.
                           Die auf Friedenshütte zur Heizung der Dampfkessel verfügbaren Gichtgase werden im
                              									Cubikmeter nachstehende Zusammensetzung gehabt haben:
                           
                              
                                 N
                                 – 0,592cbm
                                 
                              
                                 CO2
                                 – 0,057
                                 
                              
                                 H2O
                                 – 0,123
                                 
                              
                                 CO
                                 – 0,228
                                 
                              
                           und bedurften an theoretischer Verbrennungsluft
                           0cbm = 0cbm,114 O + 0cbm,429 N.
                           Nun hat Bunsen bei Verbrennung von CO mit O im
                              									Verhältniſs von 2 : 1 gefunden, daſs die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
                              									Entzündung dieses Kohlenoxydknallgases bei gewöhnlicher Temperatur nur etwa Im für 1
                              									Secunde beträgt und darf deshalb angenommen werden, daſs die Verbrennung der
                              									wahrscheinlich immer mit einem Mehrfachen der theoretisch nöthigen atmosphärischen
                              									Luft gemischten Gichtgase wegen des groſsen Ueberschusses an indifferenten Gasen
                              									noch bedeutend langsamer ausfallen muſs. Soll die Verbrennung eine raschere werden,
                              									so ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zu steigern.
                           
                           Hierüber belehren Untersuchungen, welche von Prof. E.
                                 										Mallard angestellt worden sind, und welche sich in die Relation
                              									zusammenfassen lassen,
                           daſs
                              										V=a\,\sqrt{\frac{s}{p}.\frac{T-t}{t-\tau}} ist, wenn
                           
                              
                                 
                                    V =
                                    
                                 Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung,
                                 
                              
                                 T =
                                 Verbrennungstemperatur,
                                 
                              
                                 
                                    t =
                                    
                                 Entzündungstemperatur,
                                 
                              
                                 τ =
                                 Temperatur des Gasgemisches,
                                 
                              
                                 
                                    p =
                                    
                                 den Umfang des Heizkanales,
                                 
                              
                                 s =
                                 den Querschnitt des Heizkanales,
                                 
                              
                                 
                                    a =
                                    
                                 Coefficient, abhängig von den Wärmeverlusten,
                                 
                              
                           bedeuten.
                           Um zur Beurtheilung der Verbrennungserscheinungen weitere Anhaltspunkte zu gewinnen,
                              									sind die calorimetrischen und pyrometrischen Eigenschaften der Friedenshütter Gase
                              									näher zu ermitteln.
                           Ohne Berücksichtigung der mitgebrachten Wärme liefert 1cbm Gasgemisch, d.h. Gichtgas und Luft, wenn die Luft in theoretischer
                              									Menge beigemischt ist, 444 Cal., bei doppeltem Luftquantum 329 Cal. und bei
                              									dreifachem 261 Cal. Werden 300 Cal. angenommen, entsprechend etwa gleichen Volumen
                              									Gas und Luft, so würden, weil die specifische WärmeDie specifische Wärme ist nicht constant, sondern wächst mit steigender
                                    											Temperatur. dieser Mischungen bei constantem Druck 0,31 und bei
                              									constantem Volumen 0,22 beträgt, die Verbrennungstemperaturen sich bei constantem
                              									Druck zu 970° und bei constantem Volumen zu 1360° berechnen. Letztere Temperatur ist
                              									der Explosivität des Gasgemisches zu Grunde zu legen und ermittelt sich dieselbe
                              									daraus zu ungefähr 4at,55 Ueberdruck.
                           Zu der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zurückkehrend, sind nun, wenn
                              									noch die Entzündungstemperatur nach den Angaben des Herrn La
                                 										Baume zu 785° angenommen wird, die ausschlaggebenden Daten zur Berechnung
                              									der Geschwindigkeit gegeben, sofern zur Beurtheilung der Temperatureinflüsse
                              									angenommen wird, daſs das Product a\,\sqrt{\frac{s}{p}} constant
                              									ist. Diese Annahme erscheint zulässig, indem dadurch nur gröſsere Geschwindigkeiten
                              									bei höheren Temperaturen erzielt werden als thatsächlich vorhanden sind, weil sich
                              									mit zunehmender Temperatur die Wärmeverluste durch die absorbirende Umgebung
                              									steigern.
                           Unter den stattgehabten Zusammensetzungen der Gasgemische wird eine
                              									Fortpflanzungsgeschwindigkeit von höchstens 0m,5
                              									der Wirklichkeit entsprochen haben; auch wird eine Anfangstemperatur jener von etwa
                              									40° anzunehmen ein Aus diesen Zahlen leitet sich nun die
                              									Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung her zu
                           
                              V=0,60\,\frac{T-t}{t-\tau}
                              
                           Auf Grund dieser Formel fallen die Geschwindigkeiten bei
                           
                              
                                 τ =
                                 100°
                                 zu
                                     0,59m
                                 
                              
                                 
                                 200
                                 „
                                   0,79
                                 
                              
                                 
                                 300
                                 „
                                   1,06
                                 
                              
                                 
                                 400
                                 „
                                   1,52
                                 
                              
                                 
                                 500
                                 „
                                   2,27
                                 
                              
                                 
                                 600
                                 „
                                   3,81
                                 
                              
                                 
                                 700
                                 „
                                   9,00
                                 
                              
                                 
                                 725
                                 „
                                 13,00
                                 
                              
                                 
                                 750
                                 „
                                 22,71
                                 
                              
                                 
                                 775
                                 „
                                 81,00
                                 
                              
                           aus.
                           Es ist ersichtlich, daſs die Erwärmung der Friedenshütter Gasgemische sehr weit
                              									getrieben werden muſs, um zu einer nur einigermaſsen beachtenswerthen
                              									Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zu gelangen.
                           
                           Für den gewöhnlichen Betrieb wurde die Verbrennungstemperatur zu 970° festgestellt,
                              									also um nur 185° höher als die Entzündungstemperatur, und ist hierdurch die Grenze
                              									gesteckt, welche in der Erwärmung des Mauerkörpers erreicht werden könnte, wenn
                              									keine Abkühlung der Verbrennungsproducte an den Kesselwänden stattfände. Diese
                              									Mauerwerkstemperatur kann indessen nie eintreffen, denn trotz der Bedeckung der
                              									Heizflächen mit Gichtstaub werden bedeutende Wärmemengen transmittirt werden und
                              									muſs deshalb die Herabminderung der Mauerwerkstemperatur nothwendigerweise folgen.
                              									Ueber das Maſs der Abkühlung in der besprochenen Richtung liegen keine Anhaltspunkte
                              									vor, dagegen kann für die Oberflächenabkühlung des Mauerwerkes, wenn keine Flamme
                              									mehr vorhanden ist und nur unverbranntes Gasgemisch die Kanäle durchstreicht, aus
                              									der Oberflächenbeschaffenheit geschlossen werden, daſs die Temperaturerniedrigung
                              									rasch eintreten muſs. Die Bedeckung der Wände mit Gichtstaub ist nämlich eine
                              									lockere; es ist somit wenig Masse vorhanden, welche bedeutendere Wärmequantitäten
                              									aufgenommen hat, und da auſserdem die specifische Wärme des Gichtstaubes unter der
                              									der Gase liegt, so reicht schon eine geringe Zeitdauer hin, die Temperatur bedeutend
                              									zu erniedrigen.
                           In neuester Zeit angestellte Untersuchungen auf der Ilseder Hütte ergaben bei einer
                              									in der Beheizung mit der Friedenshütter Kesselanlage vergleichbaren Anlage, daſs bei
                              									normalem Betriebe die Temperatur des Gasstromes in 1m,8 Entfernung von den Gasdüsen 745° und in 17m,1 Entfernung 470° C. betrug. Wurde der Gasschieber geschlossen, nachdem
                              									vorher das vorhandene Koksfeuer vollständig gedeckt worden war, und wurde die
                              									Feuerthüre geschlossen gehalten, so zeigte sich in der 5. bis 11. Minute nach dem
                              									normalen Betriebe die Temperatur vorn zu 329°, hinten zu 266°, in der 16. bis 22.
                              									Minute vorn zu 331°, hinten zu 229° und in der 27. bis 33. Minute vorn zu 270°
                              									hinten zu 229° C.
                           In einer zweiten Versuchsreihe, bei welcher das Koksfeuer nach seinem Durchbrennen
                              									aufs Neue gedeckt, also die Feuerthüre geöffnet wurde, fanden nachstehende
                              									Verhältnisse statt:
                           Bei Gaszutritt war in 5m,5 Entfernung von der
                              									Gasdüse die Temperatur 727° und in 17m,1 Abstand
                              									469°. Nachdem der Gasschieber geschlossen worden war, und nun nur Luft und
                              									Verbrennungsproducte der Koksfeuerung abstrichen, fand während der 5. bis 11. Minute
                              									nach dem normalen Betrieb vorn eine Temperatur der Luft von 130° und hinten von 215°
                              									C. statt und während der 16. bis 22. Minute vorn 146°, hinten 198°.
                           Hiernach erscheint es fraglich, ob für einige Zeit erloschenes oder ausgebliebenes
                              									Gas nach seinem Wiedererscheinen bei der Kesselheizung der Friedenshütte sich auf
                              									seinem Wege zum Fuchse wieder entzünden konnte, und wäre nur dann eine Möglichkeit
                              									hierzu vorhanden gewesen, wenn entweder das Brenngas sich in seiner Zusammensetzung
                              									geändert hätte oder durch Flugfeuer die zur Entzündung erforderliche Temperatur
                              									geboten worden wäre oder endlich Oxydationen unter Feuererscheinungen sich vollzogen
                              									hätten. Der letzte Fall kann wohl hier, wenngleich er sich bei Staubkästen
                              									eingestellt hat, vernachlässigt werden, dagegen liegt die Möglichkeit der ersten
                              									Fälle vor. Wäre nämlich das Rostfeuer mittels des Schürhakens aufgebrochen worden,
                              									so hätten sich je nach dem Stadium der Entgasung mehr oder weniger Kohlenwasserstoff
                              									haltige Destillationsproducte entwickeln können, auch ist bei einigermaſsen starkem
                              									Zuge die Fortführung von hellglühendem Brennmaterial nicht abzuleugnen; faſst man
                              									jedoch die hierbei obwaltenden Verhältnisse ins Auge, so müssen
                              									Entzündungserscheinungen, wie sie zu Explosionsvorgängen erforderlich sind, als
                              									ausgeschlossen bezeichnet werden. Vor allen Dingen bleibt zu beachten, daſs zur
                              									Herbeiführung veränderter Verhältnisse die Feuerthür zu öffnen war und das auf dem
                              									Roste befindliche Brennmaterial noch glühend sein muſste. Hier konnte, wenn eine
                              									Entzündung angenommen wird, nur im vorderen Theile des oberen Zuges eine Verbrennung
                              									vor sich gehen, weil durch die Wiederbelebung des Rostfeuers von dieser Stelle die
                              									Entzündung ausgehen muſste; eine Entzündung und explosionsartige Verbrennung an
                              									anderer Stelle, sei es durch Flugfeuer oder heiſse Wände, muſs stark bezweifelt
                              									werden, weil durch das Oeffnen der Thür eine bedeutende Abkühlung der Heizgase
                              									eintrat und ferner durch
                              									übermäſsige Luftzufuhr die Verbrennungstemperatur der Entzündungstemperatur näher
                              									gerückt wurde und deshalb in doppelter Weise die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer
                              									etwa möglichen Entzündung sehr gering ausfiel. Die vorhin gegebenen Zahlen bieten
                              									zur Beurtheilung der auftretenden Verhältnisse einen Anhalt. Die Behandlung eines
                              									Feuers würde selbstverständlich von gar keinem Einfluſs auf die übrigen Roste
                              									gewesen sein. Alle bei Kesselanlagen mit Hochofengasfeuerung bisher vorgekommenen
                              									Unregelmäſsigkeiten in der Feuerungsanlage haben sich durch nur sehr geringe
                              									Wirkungen gekennzeichnet; es spricht dies dafür, daſs in allen bekannt gewordenen
                              									Fällen entweder nur ein mäſsiges Expandiren, oder sogar Entweichen der
                              									Verbrennungsproducte möglich, daſs also mit anderen Worten die
                              									Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung, selbst bei der ungeeignetsten
                              									Kanalführung, stets eine verhältniſsmäſsig geringe war. Wäre dem anders, so könnten
                              									zwar gröſsere Wirkungen, als wie bislang beobachtet, erzielt werden, indessen
                              									müſsten auch hier für die Erklärung des Friedenshütter Explosionsfalles weitgehende
                              									und geschraubte Annahmen gemacht werden.
                           Es wurde eingangs die Explosivität zu 4at,55
                              									angegeben. Selbstverständlich kann solcher Druck niemals in einer
                              									Kesselfeuerungsanlage auftreten, weil, wie vorhin ausgeführt, die
                              									Entzündungsgeschwindigkeiten nie übermäſsige sein können, dann aber auch die
                              									Verbrennungen nicht vollständig oder bei constantem Volumen stattfinden, sei es
                              									dadurch, daſs die Gase in den Kanälen expandiren oder abgesaugt werden, oder durch
                              									geöffnete Thüren oder abgedrücktes Kesselmauerwerk entweichen.
                           Auſsergewöhnliche Verbrennungen in Kesselfeuerungen oder Zügen haben, so viel bis
                              									heute bei Verwendung von Hochofengichtgasen bekannt geworden ist, nie einen heftigen
                              									Charakter geäuſsert, sondern sind mit geringer Druckentfaltung als Verpuffung
                              									verlaufen, und wenn man auch vorgekommenen Zerstörungen bedeutende Kräfte
                              									unterzulegen geneigt war, so zeigte doch ein näheres Eingehen auf den Verlauf, daſs
                              									nur unwesentliche Druckäuſserungen stattgefunden hatten. Ganz anders müssen die
                              									Kräfte gedacht werden, welche Verwüstungen, wie solche sich bei der Friedenshütte
                              									gezeigt haben, hervorbringen konnten.
                           Aus dem Umstände, daſs die Unterkessel fast sämmtlich ihren Lageplatz nicht verlassen
                              									haben, wird gefolgert, die Gasexplosion müsse zwischen den Ober- und Unterkesseln,
                              									also im ersten Zuge, ihren Sitz gehabt haben. Wird dies angenommen, so muſste die
                              									zerstörende Kraft, da mit Berücksichtigung des Auftriebes des Oberkessels dessen zu
                              									bewältigendes Gewicht bei 4at,5 = – 12124k und die Kraft zur Trennung der
                              									Verbindungsstutzen bei nur 10k Festigkeit der
                              									Constuction 719510k betrug, mindestens 707386k sein, was, wenn der Angriff auf der ganzen Länge
                              									des Oberkessels erfolgt wäre, einem Drucke von 3k,75 entspräche. Weder diese Angriffsfläche noch dieser Druck können aus
                              									verschiedenen Gründen erreicht worden sein und bleibt deshalb zunächst die Annahme
                              									übrig, daſs bei der angenommenen Explosion das Gewölbe der Sieder Widerstand
                              									geleistet hat und der Oberkessel mit den Siedern gehoben worden ist.
                           Das Gewicht des ganzen Kessels betrug 12885k und
                              									das seines Wasserinhaltes 30825k, so daſs in
                              									diesem Falle, abgesehen vom Mauerwerk, 43710k zu
                              									heben gewesen wären. Würde auch hier der Angriff auf der ganzen Kessellänge
                              									stattgefunden heben, so hätte zum Heben des Kessels eine Kraft von etwa 0k,22 für 1qcm
                              									genügt und vielleicht etwa 0k,3 für die
                              									Gesammtconstruction.
                           Es wurde bereits angeführt, daſs zur Erzeugung explosionsartiger
                              									Verbrennungserscheinungen hohe Vorwärmung der Gichtgasgemische erforderlich ist, und
                              									darf angenommen werden, daſs mindestens 600° bis 700°, wenn nicht noch mehr bei der
                              									hohen Entzündungstemperatur vorhanden sein müssen, um einen nur einigermaſsen
                              									bemerkbaren Effect bei nicht abgeschlossenen Räumen in Art des ersten Kesselzuges
                              									hervorzurufen. Da nun der Inhalt des ersten Zuges 16cbm,8 beträgt, so berechnet sich das auf 0° reducirte Gasgemisch zu 5,2
                              									bis 4cbm,7 und dessen aufgespeicherte Wärme zu
                              									2530 bis 2430 Cal., welche aus der latenten und der durch Erhitzung aufgenommenen
                              									Wärmemenge zusammensetzen. Trotzdem hier in einer Weise Voraussetzungen herangezogen worden
                              									sind, welche in der Wirklichkeit niemals beobachtet werden können, läſst sich aus
                              									jener Wärmemenge eine Arbeit von nur 1073000 bis 1030000mk herleiten, und da diese nur zu einem geringen Theile zur Ausführung
                              									gelangen konnten, so ist die Annahme ausgeschlossen, daſs in Folge der angenommenen
                              									Gasexplosion die Kessel zu den beobachteten Entfernungen fortgeschleudert worden
                              									sind.
                           Es bleibt, um die Einleitung der Katastrophe durch Gasexplosion zu erklären, nur
                              									übrig, anzunehmen, daſs in Folge einer stattgehabten Explosion die Kessel etwas
                              									gehoben worden seien und dann beim Niederfallen zertrümmerten. Dies wäre, wenn die
                              									vorhin gemachten Voraussetzungen stattgefunden hätten, immerhin möglich gewesen und
                              									fände dann auch der weitere Verlauf des Unfalles in der secundären Kesselexplosion
                              									seine theilweise Erklärung, indessen muſs auch solche Kraftäuſserung einer
                              									Gasexplosion nach den Erfahrungen der Hochofeningenieure in Abrede gestellt werden,
                              									weil gerade die Voraussetzungen mangeln, welche Explosionen von der erforderlichen
                              									Heftigkeit bedingen könnten.
                           Diese Erfahrung scheint in dem Befunde der Trümmerstätte insofern einen Beleg zu
                              									erhalten, als viele Anzeichen dafür sprechen, daſs die Abwickelung des Vorganges in
                              									oben angedeutetem Sinne ausgeschlossen erscheinen muſs.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)