| Titel: | Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie. | 
| Autor: | W. Leybold | 
| Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 586 | 
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                        Neuerungen und Fortschritte in der
                           								Gasindustrie.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 172 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildung.
                        Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie.
                        
                     
                        
                           Das Claus'sche Verfahren zur
                                 										Reinigung des Gases durch Ammoniak. H. Joly sprach auf der
                              									Jahresversammlung des Deutschen Vereines von Gas und
                                    										Wasserfachmännern in Hamburg über diese neue Methode der GasreinigungVgl. 1886 259 * 88., wie sie auf dem
                              									städtischen Gaswerk Windsor Street in Birmingham und auf der städtischen Gasanstalt
                              									Belfast eingerichtet ist. Dieselbe beseitigt sämmtliche Verunreinigungen des
                              									Rohgases, wie Ammoniak,
                              									Schwefelwasserstoff, Cyan und Kohlensäure, und wird die Reinigung vollständig in
                              									geschlossenen Gefäſsen vorgenommen.
                           Textabbildung Bd. 268, S. 587Wie die schematische Darstellung in der Textfigur zeigt, besteht die
                              									Reinigungsanlage aus folgenden Theilen:
                           
                              I. Den Gasreinigungsapparaten, den Scrubbern (1, 2, 3, 4 und
                                 										5).
                              II. Den Ammoniakwiedergewinnungsapparaten und zwar:a) Dem Erhitzungsapparat (7).b) Dem Schwefelammoniumzersetzungsapparat (6).c) Dem Ammoniakdestillationsapparat (8).d) Dem Arnmoniakkühlapparat (9).e) Dem Kühler für die wiederholt als Waschwasser zu
                                       												verwendende Flüssigkeit, welche in dem Ammoniakdestillationsapparat als
                                       												Rückstand verbleibt (10).
                              III. Den Apparaten zur Gewinnung der Nebenproducte, welche sind:a) Der Apparat zur Gewinnung von schwefelsaurem Ammoniak
                                       												oder von concentrirtem kohlensauren Ammoniak (S).b) Der Schwefelgewinnungsapparat (a).c) Der Apparat zur Gewinnung der Cyanverbindungen (nicht
                                       												gezeichnet).
                              
                           Auſserdem erfordert der Prozeſs:
                           
                              IV. Eine Anzahl Pumpen, welche, ununterbrochen arbeitend, die Ammoniakflüssigkeit
                                 										im Kreislauf von Apparat zu Apparat fortführen.
                              V. Einen Dampfkessel oder Wassererhitzungsapparat, durch welchen
                                 										die Ammoniakflüssigkeit in dem Erhitzungsapparate (7) auf constanter Temperatur
                                 										erhalten wird.
                              
                           Bevor das Rohgas in die Scrubber eintritt, passirt es einen Livesey'schen oder anderen Wascher, um vom Theer befreit zu werden. Es
                              									zieht alsdann in einem continuirlichen Strom durch sämmtliche Scrubber und verläſst
                              									den letzten derselben, den Waschscrubber, frei von Kohlensäure, Schwefelwasserstoff
                              									und Ammoniak. Am oberen Ende des zweiten Scrubbers 2 tritt ein continuirlicher Strom
                              									von Ammoniakgas ein, mischt sich dort mit dem Rohgase und strömt mit dem nächsten
                              									zusammen in den nächsten Scrubber 3. Die Darstellung dieses Ammoniakgases, welches
                              									dem Ammoniakkühler 9 entströmt, ergibt sich in der Folge. Zum Waschen des Gases in
                              									den Scrubbern wird an Stelle von reinem Wasser eine Flüssigkeit benutzt, welche als
                              									Rückstand der Destillation von Ammoniakflüssigkeit aus dem
                              									Ammoniakdestillationsapparat 8 gewonnen wird. Der Zweck der Wiederbenutzung dieser
                              									bereits vorher in Umlauf gewesenen Flüssigkeit ist, dieselbe durch mehrmalige
                              									Anwendung bei dem Waschen in den Scrubbern mit einer genügenden Menge von Rohgas in
                              									Berührung zu bringen und sie dadurch mit den aus demselben ausgewaschenen
                              									Cyanverbindungen bis zu einem wünschenswerthen Grad anzureichern. Für das Waschen
                              									des Gases von je 1t Kohle werden etwa 2hl dieser Flüssigkeit, welche dem Apparat 10
                              									entnommen wird, dem letzten Scrubber, zeitgemäſs eingetheilt, zugeführt und in
                              									demselben durch die bekannten Mittel verbreitet. Die Flüssigkeit durchläuft diesen
                              									Scrubber; am Boden desselben angekommen wird sie mittels einer Pumpe auf den oberen
                              									Theil des nächsten Scrubbers geführt, vom Boden dieses auf den folgenden Scrubber
                              									u.s.w., bis sie an dem Boden des letzten Scrubbers ankommt. Die Richtung, in welcher
                              									die Flüssigkeit die Scrubber durchläuft, ist also dem Gang des Gases
                              									entgegengesetzt. Auf dem Weg durch die Scrubber nimmt die Waschflüssigkeit die
                              									Verbindungsproducte des Ammoniaks mit der Kohlensäure und dem Schwefelwasserstoff
                              									aus dem Rohgas auf und bildet mit diesen das sogen. Gaswasser. Im ersten Scrubber 1
                              									absorbirt sie fast sämmtliche Kohlensäure, im zweiten deren letzte Spuren und den
                              									gröſsten Theil des Schwefelwasserstoffes, im dritten Scrubber nimmt sie die letzten
                              									Spuren von Schwefelwasserstoff auf und enthält zugleich viel freies Ammoniak. Aus
                              									dem letzten Scrubber 5 zieht das Gas frei von Ammoniak ab.
                           Es läſst sich der Gang des continuirlichen Prozesses am besten erklären, wenn man
                              									annimmt, daſs ein plötzlicher Stillstand der in den Scrubbern circulirenden
                              									Flüssigkeit und des darin circulirenden Gases eintritt, und daſs ferner dieses
                              									letztere bereits frei von Ammoniak sei was in Wirklichkeit nicht der Fall ist. In den Apparaten
                              									ist alsdann ein Vorrath von Ammoniak aufgespeichert, der für jede Tonne Kohle,
                              									welche im Tag verarbeitet wird, etwa 25k
                              									wasserfreien Ammoniaks entsprechen muſs. Dieses Ammoniak ist als Ammoniakflüssigkeit
                              									von etwa 5 Proc., welche in den Scrubberfüllungen aufgenommen ist, vorhanden; dieser
                              									Ammoniakvorrath bildet den für die Reinigung erforderlichen eisernen Bestand. Zur
                              									Reinigung von 1000cbm Gas sind etwa 50k trockenes Ammoniak erforderlich. Wenn nun jede
                              									Stunde 1000cbm Gas gereinigt werden sollen, so
                              									müssen dem einströmenden Rohgase 1000k der 5 Proc.
                              										NH3 haltenden Flüssigkeit dargeboten werden;
                              									diese 1000k der Waschflüssigkeit sind dem letzten
                              									Scrubber innerhalb des Zeitraumes von einer Stunde aufzugeben. Die Waschflüssigkeit
                              									macht das in den Poren der Scrubberfüllung befindliche Ammoniak frei und erzielt
                              									dessen Einwirkung auf das Rohgas. Die continuirlich arbeitenden Pumpen tragen diese
                              									Flüssigkeit durch alle Apparate herum. Soll die Menge des zu reinigenden Gases
                              									vergröſsert oder verkleinert werden, so hat der Arbeiter nur die Waschflüssigkeit in
                              									entsprechend vermehrter oder verminderter Menge auf den letzten Scrubber ausflieſsen
                              									zu lassen; die stets in Gang befindlichen Pumpen besorgen das Uebrige. Der Arbeiter
                              									hat also nur das zu thun, was er bei der gewöhnlichen Gasreinigung bei dem Zuleiten
                              									des Wassers auf die Scrubber zu verrichten hat. Die auf dem letzten Scrubber 5 in
                              									der vorerwähnten Weise aufgegebene Flüssigkeit rieselt durch die Füllung desselben
                              									und kommt am Boden mit den letzten Spuren des im Gase enthalten gewesenen Ammoniaks
                              									an. Die Lösung enthält dann etwa 0,2 bis 0,5 Proc. Ammoniak und zwar nur freies
                              									Ammoniak. Vom Boden des letzten Scrubbers führt eine continuirlich wirkende Pumpe
                              									die Flüssigkeit auf den zweiten Scrubber 4; sie durchrieselt denselben und erreicht
                              									dessen Boden als etwa 2 bis 2½ procentige ammoniakalische Lösung, die frei von
                              									Schwefelwasserstoff und Kohlensäure ist. Die Pumpe am Boden des zweiten Scrubbers
                              									führt die Lösung auf den dritten Scrubber 3. Wenn sie diesen durchlaufen hat, bildet
                              									sie eine 6procentige Lösung von Ammoniak, welches meist noch frei ist, aber schon
                              									erhebliche Mengen von Schwefelwasserstoff, dagegen noch keine Kohlensäure enthält.
                              									Die Lösung wird nun auf den vierten Scrubber 2 gepumpt und durchrieselt ihn in
                              									gleicher Weise. Unten angekommen, enthält sie noch freies Ammoniak, aber ein Theil
                              									desselben ist mit Kohlensäure und ein groſser Theil mit Schwefelwasserstoff
                              									verbunden. Mit dieser Flüssigkeit wird nun das Rohgas in dem fünften Scrubber in
                              									Berührung gebracht; es nimmt dieselbe hier den gröſsten Theil der Kohlensäure auf
                              									und kommt am Boden des Scrubbers als gesättigtes Gaswasser an. Die Flüssigkeit
                              									repräsentirt dem Volumen nach hier noch die ursprünglich auf den letzten Scrubber
                              									aufgegebene Menge.
                           Die Pumpe am Fuſs des Scrubbers 1 fördert dieses gesättigte Gaswasser nun weiter in die Ammoniakwiedergewinnungsapparate. Es rieselt dasselbe
                              									durch den Schwefelammoniumzersetzungsapparat 6 und flieſst von da mit eigenem Fall
                              									in den Erhitzungsapparat 7. Der Apparat 6 hat die Construction eines Scrubbers; sein
                              									Querschnitt beträgt etwa ¼ des Flächeninhaltes eines gewöhnlichen Scrubbers; die
                              									Flüssigkeit wird auf demselben in gleicher Weise wie auf einem Scrubber verbreitet.
                              									Der Apparat 7 besteht aus einer Anzahl über einander gesetzter flacher Gefäſse aus
                              									Eisenblech, welche zusammen in einem gasdichten Gehäuse aus leichtem Kesselblech
                              									eingeschlossen sind. Diese Gefäſse sind etwa 130mm
                              									tief, der untere Theil des Bodens derselben ist mit einem Dampfmantel versehen,
                              									mittels dessen ihr Inhalt, das Ammoniak enthaltende Gaswasser, auf die nothwendige
                              									Temperatur erhitzt werden kann. Das Gaswasser flieſst aus dem obersten in das
                              									nächstfolgende tiefer liegende Gefäſs und so weiter bis in das unterste und wird
                              									allmählich während des Laufes von oben nach unten auf 80 bis 90° erhitzt. Durch die
                              									Erhitzung entweicht aus dem Apparat der gröſste Theil der mit dem Ammoniak verbunden
                              									gewesenen Kohlensäure, und zugleich geht eine geringe Menge des Ammoniaks mit fort,
                              									welche von der herunterträufelnden kälteren Flüssigkeit in Apparat 6 aufgenommen und
                              									wieder nach Apparat 7 zurückgeführt wird. Die frei gewordene Kohlensäure zersetzt in
                              									Apparat 6 das in dem herunterrieselnden Gaswasser enthaltene Schwefelammonium,
                              									bildet kohlensaures Ammoniak und Schwefelwasserstoff wird frei. Das im
                              									Schwefelammonium enthalten gewesene Ammoniak gelangt als kohlensaures Ammoniak auch
                              									in Apparat 7 und wird hier ebenfalls zersetzt. Die am Boden des Apparates 7
                              									angelangte Flüssigkeit enthält ungefähr ⅞ des Ammoniaks als freies Ammoniak, das
                              									übrige als kohlensaures Ammoniak und wird, heiſs wie sie ist, mittels einer
                              									continuirlich wirkenden Pumpe auf den Ammoniakdestillationsapparat 8 aufgegeben.
                              									Dieser Apparat ist ebenso construirt und eingerichtet wie Apparat 6. In demselben
                              									begegnet die durchrieselnde Flüssigkeit einem offenen Dampfstrahl, durch welchen
                              									alles flüchtige Ammoniak ausgetrieben wird. Während also in der vorhergehenden
                              									Operation Schwefelwasserstoff und Kohlensäure von Ammoniak und Flüssigkeit getrennt
                              									wurden, werden hier die beiden letzteren geschieden.
                           Das Arnmoniakgas passirt, um es möglichst abzukühlen und auch von Wasserdämpfen zu
                              									befreien, einen Kühlapparat 9, und die sich in demselben condensirende
                              									Ammoniakflüssigkeit flieſst zu Apparat 8 zurück. Das abgekühlte, aus Apparat 9
                              									ausströmende freie Ammoniak dient nun zur Reinigung und wird zu diesem Zweck, wie
                              									früher erwähnt wurde, in den oberen Theil des zweiten Scrubbers geführt, woselbst es
                              									sich mit dem Rohgase mischt.
                           Die am Boden von dem Ammoniakdestillationsapparat 8 abflieſsende Flüssigkeit, welche
                              									also frei von flüchtigem Ammoniak ist, enthält nur noch an Ammoniak gebundene
                              									Cyanverbindungen. Um die Flüssigkeit mit diesen im Rohgase in nur geringer Menge
                              									vorhandenen Cyanverbindungen möglichst anzureichern, wird dieselbe wiederholt zum
                              									Waschen des Gases benutzt und zu diesem Zweck vorher abgekühlt. Eine continuirlich
                              									arbeitende Pumpe nimmt die Flüssigkeit vom Boden des Apparates 8 weg und drückt sie
                              									durch den mit Wasser abgekühlten Rohrkühler 10 direkt in eine Meſscisterne über dem
                              									letzten Scrubber 5. Aus der Cisterne erfolgt die Abgabe der Waschflüssigkeit auf
                              									diesen Scrubber in einem der Menge des zu reinigenden Rohgases entsprechenden Maſse,
                              									wie das vorher erläutert wurde.
                           In dem bisher Gesagten wurde der Gang der Reinigung des Rohgases mittels Ammoniak
                              									beschrieben. Wir wissen nunmehr, wie das Ammoniak erhalten und wie die
                              									Waschflüssigkeit erzielt wird, wie beide durch die Apparate geführt werden und
                              									welche Funktionen sie in denselben erfüllen, wie Ammoniak und Waschflüssigkeit
                              									schlieſslich in automatischer Weise wiedergewonnen werden und den Kreislauf von
                              									Neuem beginnen.
                           Es erübrigt nun noch, die Gewinnung der Nebenproducte zu beschreiben.
                           Gewinnung von kohlensaurem bezieh. schwefelsaurem
                                 										Ammoniak. Aus dem Erhitzungsapparat 7 entweicht wegen der in demselben
                              									unter dem Siedepunkt des Wassers gehaltenen Temperatur nur wenig Wasserdampf, und es
                              									befindet sich daher im unteren Theile des Schwefelammoniumzersetzungsapparates 6
                              									eine Atmosphäre von Ammoniakdämpfen und Kohlensäure im Zustand der Dissociation.
                              									Wenn nun das für die Reinigung einer gewissen Menge von Rohgas innerhalb eines
                              									gegebenen Zeitraumes erforderliche Quantum Ammoniak in den Apparaten vorhanden ist,
                              									und es tritt zu diesem das durch den Reinigungsprozeſs aus dem Rohgase
                              									herausgenommene Ammoniak hinzu, so kann eine diesem letzteren äquivalente Menge als
                              									überflüssig für die Reinigungsoperation aus dem System ausgeschaltet werden. Die
                              									Gewinnung dieses Ammoniaks geschieht, indem man das aus dem Apparat 6 entströmende
                              									Gasgemisch – Ammoniak, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff – in regulirter Menge in
                              									einen Condensator S führt. Durch Regulirung der dem
                              									Condensator zuzuführenden Wassermenge von bestimmter Temperatur erhält man hier eine
                              									Lösung von etwa 20 Proc. Ammoniakgehalt, groſstentheils als kohlensaures Ammoniak
                              									und frei von Schwefelammonium und Schwefelcyanammonium, welche besser zu verwerthen
                              									ist, als das bei dem jetzigen Reinigungsverfahren erzielte Gaswasser mit geringem
                              									Ammoniakgehalte. Soll das überschüssige Ammoniak nicht als kohlensaures, sondern als
                              									schwefelsaures Salz gewonnen werden, so wird anstatt des Apparates S ein Schwefelsäuresättiger eingeschaltet.
                           Gewinnung des Schwefels aus dem Schwefelwasserstoff.
                              									Nach der Gewinnung des Ammoniaks ist in dem aus Apparat 6 bezieh. S austretenden Gasgemisch nur Kohlensäure und Schwefelwasserstoff übrig.
                              									Diese Gase treten durch eine geschlossene Rohrleitung in den
                              									Schwefelgewinnungsapparat aa1 In a1
                              									werden die Gase mit einem entsprechenden Volumen Luft, dessen Sauerstoff dem
                              									Wasserstoff des vorhandenen Schwefelwasserstoffes äquivalent ist, gemischt. Die
                              									Regulirung des Zutrittes der richtigen Menge Luft ist, wie die Anwendung dieses
                              									Prozesses in groſsem Maſsstabe auf verschiedenen Werken Englands gezeigt hat, von
                              									einem Arbeiter in kurzer Zeit erlernt. Die Regulirung des Luftzutrittes läſst sich
                              									durch Benutzung des Gasdruckes des Gasgemisches, welches den Apparaten 6 und S entströmt, auch selbstthätig einrichten. Der Gang des
                              									Prozesses ist in Kürze folgender: Das Gemisch von Schwefelwasserstoff, Kohlensäure
                              									und atmosphärischer Luft tritt in einen mit feuerfesten Steinen ausgemauerten
                              									Kasten. Auf einem Rost lagert hier zunächst eine Schicht Stücke von feuerfestem
                              									Material und auf dieser eine dicke Lage von Eisenoxyd in Stücken von Wallnuſsgröſse.
                              									Bei dem Hindurchleiten des Gasgemisches mit proportionalem Luftzutritt durch die
                              									Erzlage wird diese, falls man Hydrate benutzt, sehr bald bis zur Rothglut erhitzt;
                              									bei Anwendung von wasserfreien Oxyden ist jedoch eine vorherige Erhitzung auf 400
                              									bis 500° erforderlich. Der Schwefelwasserstoff des Gasgemisches wird zersetzt, und
                              									es resultirt Wasser und freier Schwefel. Der Schwefel wird in den Sammelkammern a aufgefangen. In dem Theile dieser Kammern, welcher
                              										a1, der
                              									Wärmequelle, am nächsten liegt, findet sich der Schwefel als geschmolzene Masse,
                              									etwas weiter entfernt in Form von Schwefelblumen und in den von a1 entferntesten
                              									Kammern durch die Condensation eines Theiles des gebildeten Wasserdampfes als
                              									feuchte Masse.
                           Längeres Arbeiten mit diesem Prozeſs auf englischen Werken hat gezeigt, daſs bei
                              									einiger Sorgfalt 90 bis 95 Proc. des im Schwefelwasserstoff enthaltenen Schwefels
                              									als fast chemisch reiner freier Schwefel, dem nur ein äuſserst geringer Procentsatz
                              									von kohligen Bestandtheilen beigemengt ist, ohne besondere Kosten gewonnen wird.
                           Gewinnung der Cyanverbindungen. Aus dem früher Erwähnten
                              									wissen wir, daſs die Waschflüssigkeit den geringen Procentsatz von Cyanverbindungen,
                              									welchen das Rohgas enthält, aufnimmt und sich durch den wiederholten Umlauf mit
                              									denselben anreichert. Wir wissen ferner, daſs die Waschflüssigkeit, welche sich bei
                              									jedem Umlauf durch Hinzutreten des sich condensirenden Wasserdampfes aus Apparat 8
                              									vermehrt, vor der Aufgabe auf den letzten Scrubber 5 einer Cisterne zugeführt wird.
                              									In dieser Meſscisterne wird durch eine Schwimmervorrichtimg fortwährend ein gleiches
                              									Flüssigkeitsniveau erhalten, und alle Flüssigkeit, welche in Folge dessen nicht in
                              									die Cisterne eingeführt wird, tritt aus der Circulation selbstthätig heraus. Diese
                              									aus dem Prozeſs entfernte Flüssigkeit wird zur Gewinnung der in derselben
                              									enthaltenen Cyanverbindungen benutzt. Zu diesem Zweck wird sie in einem
                              									geschlossenen Gefäſse
                              									mittels geschlossener Dampfheizung erwärmt, um sie auf einen für den Verkauf
                              									geeigneten Grad zu concentriren. Der abziehende Dampf wird im
                              									Ammoniakdestillationsapparat 8 mit verwendet, und der auſserdem in diesem Apparat
                              									noch erforderliche Dampf wird dem Ablaſsdampf der Dampfmaschine entnommen. Durch
                              									Zusatz von Natronhydrat oder Kalkhydrat kann man das Ammoniak aus der Lösung frei
                              									machen und die Ammoniakverbindungen in Natron- oder Kalkverbindungen überführen,
                              									welche dann zur Darstellung der für die Industrie wichtigen Cyanverbindungen dienen
                              										können.Diese sehr sinnreiche und interessante Methode der Entfernung der
                                    											Verunreinigungen im Rohgase wird in unseren Fabriken wohl kaum Eingang
                                    											finden, erstlich der complicirten Apparate und vielen Pumpen wegen, welch
                                    											letztere auch zumeist doppelt aufzustellen sind (für den Fall des Versagens
                                    											einer Pumpe), ferner, wie Claus selbst angibt,
                                    											weil der Apparat der Ueberwachung durch einen Chemiker bedarf.Nach einem neueren englischen Patente will M.
                                       												Schwab den Schwefelwasserstoff des gewaschenen Gases durch
                                    											schweflige Säure entfernen, wobei Schwefel in Form eines feuchten Breies
                                    											erhalten wird. (Nach Journal für
                                 										Gasbeleuchtung, 1887 Bd. 30 S. 1033.)
                           Anwendung des Claus-Prozesses auf die Gewinnung von Schwefel
                                 										aus Schwefelwasserstoff (Englisches Patent Nr. 3608, 5070, 5958, 5959, 5960
                              									der Ammonia Gas Purifying and Alkali Company in
                              									London). Der Claus-Prozeſs zur Gewinnung von Schwefel
                              									aus Schwefelwasserstoff ist eine leicht durchführbare Methode, mittels welcher
                              									Fabrikanten von Ammoniumsulfat fast den ganzen Schwefelgehalt der hierbei sich
                              									entwickelnden Abgase in verkäuflicher Form gewinnen können. Der Verlauf des
                              									Prozesses ist einfach, bedarf nur wenig Arbeit und Aufsicht, genügt auch vollständig
                              									den strengen Anforderungen der englischen Fabrikinspektoren.
                           Das Prinzip des Patentes besteht darin, daſs man Kohlensäure- und
                              									Schwefelwasserstoffgase, wie sie aus der Glocke im Absorptionskasten (vgl. z.B. Feldmanns Apparat zur Darstellung von Ammoniaksalz,
                              									1883 248 * 462) heraustreten, nach einem gründlichen
                              									Trocknen in passenden Kühlern mit einer bestimmten Luftmenge gemischt durch
                              									Eisenoxyd leitet, welches im Claus'schen Ofen enthalten
                              									ist. Der Wasserstoff des Schwefelwasserstoffes verbrennt zu Wasser, während Schwefel
                              									sich als Dampf verflüchtigt und in Absetzräumen niederschlägt. Der Ofen trägt eine
                              									äuſsere Eisen Verschalung von 1,8 bis 2m,4 Höhe,
                              									ist gewöhnlich rund, ausgemauert mit feuerfesten Steinen und hat im Inneren einen
                              									cylindrischen Raum von 0,6 bis 1m,8 Durchmesser,
                              									in welchen das Eisenoxyd gebracht wird. Die Gase gehen, mit Luft gemischt, oben oder
                              									unten in den Ofen, der Schwefeldampf mit dem Gasrest geht direkt in den Absetzraum.
                              									Die Schicht Eisenoxyd ist ungefähr 0m,5 dick und
                              									liegt auf einer Lage von gebrochenen, feuerfesten steinen, welche auf den schmalen
                              									Kanten von mit Zwischenraum gesetzten setzten Backsteinen ruht. Das Oxyd muſs aus genügend
                              									harten Stücken bestehen, damit es nicht zu Pulver zerfällt; ein Theil der Schichte
                              									wenigstens sollte Eisenhydroxyd sein, wie es bei der Gasreinigung gebraucht wird, in
                              									welchem Fall der Ofen von selbst zu arbeiten beginnt und bald eine genügend hohe
                              									Temperatur bekommt; letztere ist eben sichtbare Rothglut. Der Absetzraum ist
                              									viereckig aus gewöhnlichen Backsteinen gemauert; je dichter und fester diese sind,
                              									um so besser, besonders im ersten Theile des Raumes, welcher wohl auch zweckmäſsig
                              									mit feuerfesten Steinen ausgelegt wird. Der Kasten bekommt ein Dach aus
                              									Schieferplatten; in der äuſseren Mauer sind seitlich gewölbte Einsteiglöcher, mit
                              									Backsteinen ausgemauert, angebracht. Nach dem Einstellen der Arbeit können letztere
                              									entfernt werden, und ist nun ein Einsteigen in den Raum und Reinigen desselben
                              									möglich, was jedes halbe Jahr geschehen muſs. Der Raum ist 9 bis 18m lang, 2,4 bis 4m,5 weit, 1m,8 hoch und enthält
                              									zahlreiche Zwischenwände, so daſs die Dämpfe in Wellenlinien zu gehen gezwungen
                              									sind. Der gröſsere Theil des Schwefels setzt sich in wenigen Abtheilungen ab. Auſser
                              									dem Schwefeldampf gelangt eine gewisse Menge Schwefelwasserstoff in den Raum,
                              									welcher im Ofen nicht zersetzt worden ist, und auch etwas schweflige Säure wird dort
                              									gebildet. Beide Gase bleiben neben einander bestehen, so lange sie nicht mit
                              									feuchten Flächen in Berührung kommen. Ist dies der Fall, so zersetzen sie sich
                              									gegenseitig, und Schwefel setzt sich ab. Dies geschieht hauptsächlich am äuſseren
                              									Ende des Absetzraumes, wo das durch die Verbrennung des Schwefelwasserstoffes
                              									entstehende Wasser sich absetzt. Ist die zugefügte Luftmenge nicht genügend, so
                              									herrscht Schwefelwasserstoff vor und entweicht am Ausgang des Raumes. Dagegen ist
                              									schweflige Säure im Ueberschuſs vorhanden, wenn der Luftzusatz zu groſs wird. Ist
                              									aber letzterer gehörig regulirt, so entweichen Stickstoff und Kohlensäure am Ende
                              									des Absetzraumes mit nur sehr geringen Mengen Schwefelwasserstoff und schwefliger
                              									Säure. Wenn es nöthig erscheint, auch diese Spuren zurückzuhalten, so nimmt ein
                              									kleiner Scrubber aus 3 oder 4 Gasleitungsröhren, welcher mit Kalksteinen gefüllt ist
                              									und durch einen kleinen Wasserlauf feucht gehalten wird, die schweflige Säure
                              									hinweg, ebenso ein kleiner Eisenreiniger den Schwefelwasserstoff'. Die austretenden
                              									Gase werden dann nur Stickstoff und Kohlensäure enthalten; doch wurde auch ohne
                              									Anwendung von Scrubber und Reiniger in den Gasen stets unter 0g,114 Säuregehalt in 1cbm gefunden.
                           Die Luft wird gemischt mit den Abgasen des Ammoniakapparates unmittelbar vor dem
                              									Eintritt in den Ofen, und sollte 2½ mal den Raum des Schwefelwasserstoffes einnehmen
                              									oder ungefähr ¾ des Volumens der Abgase; sie wird eingedrückt durch einen kleinen
                              									Gasbehälter, in welchem Fall die Zuleitung nach dem Gehalt der Abgase an
                              									Schwefelwasserstoff genau regulirt werden kann. Dessen Volumen kann durch direkte Bestimmung aus
                              									dem verarbeiteten Ammoniakwasser ermittelt werden. Statt des Gasbehälters kann auch
                              									ein Gebläse dienen, um einen beständigen Luftzutritt zu veranlassen; dabei kann
                              									letzterer nach der Zusammensetzung der schlieſslich austretenden Gase regulirt
                              									werden. Die Erfahrung hat gezeigt, daſs bei sorgfältiger Arbeit der Betrag des
                              									gewonnenen Schwefels ungefähr 90 Proc. des in den Abgasen in den Ofen eingeführten
                              									Schwefelgehaltes erreicht. Anfangs ist die Ausbeute geringer, weil er fest an den
                              									Wänden anhaftet und die neuen Backsteine Schwefel aufsaugen. Es ist rathsam, den
                              									gewonnenen Rohschwefel durch hoch gespannten Dampf nochmals zu schmelzen, was rasch
                              									vor sich geht; der so erhaltene Schwefel ist reiner, frei von Arsen und von
                              									vollkommen gleichmäſsiger, handelsfähiger Beschaffenheit.
                           Der Absetzraum arbeitet 6 Monate ohne irgend nothwendige Reinigung; im Fall man die
                              									Arbeit kurze Zeit, 24 bis 48 Stunden, einstellt, bleibt der Ofen genügend heiſs, um
                              									beim neuen Beginnen von selbst zu arbeiten, wenn die Gase und Luft eingetreten sind.
                              									Ist der Ofen durch längeres Aussetzen zu stark abgekühlt, so kann er leicht wieder
                              									in Thätigkeit gebracht werden durch Auflegen einer dünnen Schichte Eisenhydroxyd auf
                              									das alte Material, oder indem man einige Zoll tief das letztere herausnimmt und
                              									statt dessen heiſses hineinbringt. Es ist dafür gesorgt, daſs das Eintragen von
                              									neuer Eisenmasse leicht geschehen kann. Ist der Gehalt der Abgase an
                              									Schwefelwasserstoff unter einem gewissen Betrag, so erhält der Ofen nicht die
                              									nöthige Zersetzungstemperatur.
                           Die Analyse eines mittels des Claus'schen Prozesses der
                              									Gasreinigung unter Anwendung des Claus'schen Ofens
                              									erhaltenen nochmals geschmolzenen Schwefels ergab:
                           
                              
                                 Asche, hauptsächlich Eisenoxyd
                                     0,243
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff 0.069, entspr. Kohlenwasserstoff
                                     0,086
                                 „
                                 
                              
                                 Schwefel, als Differenz
                                   99,671
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,000
                                 Proc.
                                 
                              
                           Eine andere Analyse lieferte folgende Zahlen:
                           
                              
                                 Schwefel, direkt bestimmt
                                 99,58
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Wasser und sonstige flüchtige Substanzen
                                   0,504
                                 „
                                 
                              
                                 Säuregehalt als SO3
                                   0,0015
                                 „
                                 
                              
                           Nach G. Livesey's Mittheilungen im Journal of Gaslighting, 1887 Bd. 50 S. 756 hat sich
                              									statt Eisenoxyd die Anwendung von gebrochenen feuerfesten Steinen bewährt. Letztere
                              									wurden weiſsglühend in den Ofen gebracht, worauf die Umsetzung des Gasluftgemisches
                              									sogleich begann. Ein Ofen mit dieser Veränderung des Materiales wurde durch 12
                              									Monate mit gutem Erfolg, ohne irgend welchen Anstand, im Betrieb gehalten. Livesey nahm diese Veränderung vor, weil die
                              									Eisenoxydmasse nach und nach zusammenschmolz und den Ofen verstopfte. Ferner war der
                              									Beginn der Schwefelgewinnung mit einiger Gefahr verbunden, weil die Umsetzung der
                              									Gase erst eintrat, wenn die ganze Eisenoxydmasse den genügenden Hitzegrad
                              									erreicht hatte. Bis dahin füllte sich der Absetzraum mit einem explosiven
                              									Gasgemisch, und es war Vorsicht nöthig, um dessen Entzündung zu vermeiden.
                           W. Leybold.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)