| Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. | 
| Autor: | Stammer | 
| Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 173 | 
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                        Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 89 d. Bd.)
                        Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
                        
                     
                        
                           J. Suchomel berichtete über Versuche mit Knochenkohlefiltration (Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für
                                 										Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1888 Bd. 17 S. 289), welche zwar schon
                              									vor längerer Zeit ausgeführt, aber nicht veröffentlicht wurden, und die gerade in
                              									der Gegenwart, wo so viele irrthümliche Ansichten über Ausführung und Wirkung der
                              									Filtration der Zuckersäfte verbreitet sind, Beachtung und Beherzigung verdienen.
                           Die vom Verfasser aus seinen Versuchen abgeleiteten Schluſsfolgerungen stimmen im
                              									Wesentlichen mit den früher von Stammer nachgewiesenen
                              									Thatsachen überein, wie dies auch nicht anders zu erwarten stand; eine solche
                              									Bestätigung ist aber immer werthvoll, insofern diese allgemeinen Gesetze der
                              									Filtration bei der Nachlässigkeit, womit diese Station vielfach behandelt wird,
                              									häufig in Vergessenheit zu gerathen droht. Der Verfasser sagt nach Darlegung seiner
                              									Versuche:
                           Es steht unzweifelhaft fest, daſs durch Filtration von Dünnsaft
                              									nach Dicksaft, bezieh. durch Verdrängung des Dicksaftes mittels Dünnsaftes und
                              									darauf folgendes Absüſsen mit Wasser dem Spodium eine gröſsere Menge der aus
                              									Dicksaft absorbirten Nichtzuckerstoffe wieder entzogen wird, als durch unmittelbare
                              									Absüſsung mit Wasser. Die Absüſsung mit Dünnsaft und Wasser nimmt jedenfalls mehr
                              									Zeit in Anspruch, als eine Absüſsung mit Wasser allein, das Spodium kommt daher im
                              									ersteren Falle mit gröſseren Mengen dünner Absüſsflüssigkeit und für längere Zeit in
                              									Wechselwirkung, weshalb es auch nicht zögern wird, an die Absüſs- oder
                              									Waschflüssigkeit mehr Nichtzuckerstoffe wieder abzugeben, als es bei alleiniger
                              									Verwendung von Wasser gethan haben würde.
                           An der Verschlechterung der Reinheit des Nachlaufes und des
                              									Absüſses haben sich vorwiegend die Alkaliverbindungen betheiligt, woraus wieder
                              									hervorgeht, daſs die einmal absorbirten organischen Nichtzuckerstoffe vom Spodium
                              									mit einer gröſseren Kraft zurückgehalten werden als die Alkaliverbindungen.
                           Die Ergebnisse der in Rede stehenden Versuche lassen sich in
                              									folgenden Punkten zusammenfassen:
                           1) Der Dünnsaft wirkt auf erschöpfte Dicksaftfilter, wie schon
                              									früher ausgeführt wurde, ähnlich dem Wasser.
                           2) Durch Filtration von Dünn- auf Dicksaft, bezieh. durch
                              									Abdrücken des Dicksaftes mittels Dünnsaftes und erst darauffolgendes Absüſsen mit
                              									Wasser, wird dem Spodium eine namhaft gröſsere Menge der vorher aus Dicksaft
                              									absorbirten Nichtzuckerstoffe entzogen, als durch direktes Absüſsen mit Wasser
                              									allein.
                           3) Bei der Filtration von Dünn- nach Dicksaft vermag das Spodium
                              									dem Dünnsafte im Allgemeinen noch ganz bedeutende Kalkmengen zu entziehen.
                           4) Ein für Dicksaft auch hinsichtlich der Farbe bereits
                              									erschöpftes Spodium vermag noch auf Dünnsaft eine entfärbende Wirkung auszuüben.
                           Es wäre wohl überflüssig, hier noch über die zweckmäſsigste Art
                              									der Verwendung der Dickfilter-Nachsäfte und -Absüſse viel Worte zu verlieren, ein
                              									einfacher Hinweis auf die ermittelten Reinheiten derselben führt eine zu deutliche
                              									Sprache. Es hieſse ja eine der werthvollsten Leistungen der Spodiumfiltration
                              									einfach rückgängig machen, wollte man den Nachlauf noch zum Hauptsafte laufen
                              									lassen!
                           Ein besonderer Versuch ergab die Thatsache, daſs das für Dünnsaft
                              									erschöpfte Spodium die Fähigkeit besaſs, aus dem nachher darüber filtrirten
                              									Dicksafte noch namhafte Mengen Nichtzucker zu absorbiren.
                           
                           Diese Versuche zeigen ferner (abweichend von den von Stammer aufgestellten Sätzen), daſs das für Dünnsaft
                              									bereits erschöpft gewesene Spodium noch im Stande war, dem unmittelbar nach Dünnsaft
                              									gefolgten Dicksafte mehr Nichtzuckerstoffe, insbesondere aber mehr
                              									Alkaliverbindungen zu entziehen, als vorher in gleichen Zeiträumen aus gleichen
                              									Mengen Dünnsaft; zum mindesten aber läſst sich daraus und in völliger
                              									Uebereinstimmung mit den Ergebnissen des ersten Versuches folgern, daſs das Spodium
                              									aus concentrirteren Rübensäften, Syrupen und überhaupt aus unreinen Zuckerlösungen
                              									in Summe eine gröſsere Menge Nichtzucker aufzunehmen befähigt ist als aus
                              									verdünnteren, und daſs somit die Absorptionsfähigkeit des Spodiums für
                              									Nichtzuckerstoffe mit der steigenden Concentration der zu filtrirenden Zuckerlösung
                              									auch eine gröſsere wird.
                           Hervorzuheben sind noch folgende Sätze, welche der Verfasser aus
                              									seinen Versuchen ableitet:
                           1) Die Absorptionsfähigkeit des Spodiums gegenüber dem Nichtzucker
                              									des Rübensaftes u.s.w. steigt und fällt mit der Concentration der zu filtrirenden
                              									unreinen Zuckerlösung; es vermag daher das Spodium aus concentrirteren Lösungen
                              									namhaft mehr Nichtzuckerstoffe aufzunehmen als aus verdünnten. Demgemäſs wird ein
                              									für Dünnsaft erschöpftes Spodium noch auf Dicksaft reinigend wirken können; hingegen
                              									wird aber ein für Dicksaft erschöpftes Spodium an den nachher darüber filtrirten
                              									Dünnsaft einen dem (zwischen Dünn- und Dicksaft) bestehenden
                              									Concentrations-Unterschiede entsprechenden Antheil der aus Dicksaft absorbirten
                              									Nichtzuckerstoffe wieder abgeben und denselben verunreinigen.
                           2) Gegenüber dem Farbstoffe des Rübensaftes, der Syrupe u.s.w.
                              									zeigt das Spodium ein dem vorigen entgegengesetztes Verhalten; es vermag den ihm
                              									dargebotenen gefärbten Zuckerlösungen um so mehr Farbstoff zu entziehen, je
                              									niedriger die Concentration derselben ist, woraus wieder folgt, daſs ein für
                              									Dicksaft auch in Bezug auf Farbstoff erschöpftes Spodium noch Dünnsaft, und zwar in
                              									einem dem Saftconcentrations-Unterschiede entsprechenden Maſse entfärben kann;
                              									hingegen aber wird ein für Dünnsaft erschöpftes Spodium an den darauf folgenden
                              									Dicksaft eine dem Saftconcentrations-Unterschiede entsprechende Menge Farbstoff
                              									wieder abgeben.
                           3) Aehnlich wie auf den Farbstoff wirkt das Spodium auch auf den
                              									Kalkgehalt der Säfte und Syrupe u.s.w.; es ist befähigt, um so mehr Kalk aus der
                              									Zuckerlösung zu absorbiren, je geringer die Dichte derselben ist, und auch
                              									umgekehrt. Ein für Dicksaft auch hinsichtlich der Kalkabsorption erschöpftes Spodium
                              									vermag daher noch auf den ihm dargebotenen Dünnsaft in einer dem
                              									Saftconcentrations-Unterschiede entsprechend kräftigen Weise entkalkend einzuwirken;
                              									hingegen aber wird ein für Dünnsaft auch hinsichtlich der Kalkabsorption erschöpftes
                              									Spodium an einen nachher darüber filtrirten Dicksaft noch eine gewisse von dem
                              									Concentrations-Unterschiede der Säfte abhängige Menge Kalk wieder abgeben.
                           4) Wie sich aus Punkt 1, 2 und 3 ergibt, so ist ein für Dicksaft
                              									in jeder Hinsicht erschöpftes Spodium befähigt, an den darüber filtrirten Dünnsaft
                              									Alkaliverbindungen und organische Stoffe abzugeben und gleichzeitig aus demselben
                              									Dünnsafte Kalk und Farbstoff zu absorbiren; hingegen vermag ein für Dünnsaft in
                              									jeder Hinsicht erschöpftes Spodium noch aus dem noch darüber filtrirten Dicksafte
                              									Alkaliverbindungen und organische Stoffe aufzunehmen und gleichzeitig an denselben
                              									Dicksaft Farbstoff und Kalk wieder abzugeben.
                           Die Deutsche Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 Nr. 26 S. 796,
                              									theilt Nachstehendes über den Prozeſs einer Raffinerie wegen
                                 										Beschädigung durch Bienen mit. Ein Hauptgebäude der Actiengesellschaft Raffinerie parisienne liegt in der Gemeinde St. Ouen
                              									bei Paris. In diese Gemeinde pflegen nicht derselben angehörende Bienenwirthe mit
                              									dem Beginne der Blüthezeit ihre Stöcke zu bringen, damit die Bienen den Honig aus
                              									den Futterpflanzen holen, welche dort in der Ebene von Gennevilliers in groſser Ausdehnung angebaut
                              									werden. Als Futterpflanzen werden insbesondere verschiedene Kleearten genannt, wie
                              									rother, weiſser, Luzerne u.a., obgleich bekanntlich die Bienen nicht im Stande sind,
                              									aus dem rothen Klee den Honig herauszuziehen. Die Bienen nun ziehen es vor, statt
                              									weite Flüge über die Felder zu machen und mühsam aus Blüthe nach Blüthe die
                              									Süſsigkeit zu sammeln, die letztere aus der ihnen nahe gelegenen Raffinerie zu holen
                              									(einige Stöcke sind nur 150m von derselben
                              									entfernt), aus welcher sie nicht nur eine Menge Zucker tragen, sondern wo sie die
                              									bis zum Gürtel entbloſsten Arbeiter durch ihre Stiche schwer belästigen.
                           Die Raffineriegesellschaft hat nun drei Eigenthümer der in ihrer Nähe aufgestellten
                              									Körbe auf Entfernung der letzteren, und auf Schadenersatz eingeklagt. Die Beklagten
                              									wandten ein, daſs Bienen wilde Thiere seien, für deren Verhalten sie nicht
                              									aufzukommen hätten, dann aber sei es nicht erwiesen, daſs gerade ihre Bienen die
                              									Raffinerie heimsuchten, da der mit der Ermittelung der Eigenthümer betraute
                              									Sachverständige diese Aufgabe nicht hätte lösen können.
                           Das Gericht entschied durch Urtheil vom 8. Februar 1888, daſs Bienen, welche im Juni
                              									hin und im September fort gebracht würden, keine wilden Thiere seien, somit
                              									grundsätzlich deren Eigenthümer für ihre Thaten verantwortlich wären; da aber nicht
                              									nachgewiesen worden, daſs in dem vorliegenden Falle die Eingeklagten die Eigenthümer
                              									wären, sei die Klage abzuweisen.
                           [Zu dieser nach der Revue industrielle wiedergegebenen,
                              									der Sucrerie indigene entnommenen Darstellung, fügt
                              									unsere Quelle hinzu, daſs in sehr vielen Fällen die Beraubung der Raffinerien durch
                              									Bienen seitens der Bienenhalter systematisch betrieben wird. In Paris wurde daher
                              									durch einen Erlaſs des Polizeipräfecten vom 10. Januar 1882 das Halten von Bienen
                              									innerhalb der Stadt von einer besonderen Erlaubniſs des Präfecten abhängig
                              									gemacht.]
                           Die Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in
                              									Preuſsen brachte eine Darstellung der Entwickelung des
                                 										Strontianit-Bergbaues im Centrum des westfälischen Kreidebeckens während des
                                 										letzten Jahrzehntes. Die Vorgeschichte sowie die Anfangsentwickelung dieses
                              									Bergbaues als bekannt voraussetzendUeber das Vorkommen des Strontianites in Westfalen und seine bergmännische
                                    											Gewinnung sind zu vergleichen: 1) Menzel,
                                    											Beschreibung des Strontianit-Vorkommens in der Gegend von Drensteinfurt,
                                    											sowie des daselbst betriebenen Bergbaues (Jahrbuch der kgl. Preuſsischen
                                    											geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin, Jahrgang 1881) und 2)
                                    												Venator, Ueber das Vorkommen und die
                                    											Gewinnung von Strontianit in Westfalen (Berg- und
                                       												Hüttenmännische Zeitung, Jahrgang 1882). Ueber die Anwendung des
                                    											Strontianits in der Zuckerfabrikation vgl. Stammer's Lehrbuch der Zuckerfabrikation. 2. Aufl. S. 1054
                                    										ff., ist die oberste Abtheilung der Kreideformation, das Ober-Senon,
                              									dessen aus Mergel mit Kalkbänken bestehende Schichten wegen des häufig in ihnen
                              									vorkommenden Belemnites mucronatus 
                              									„Mukronaten-Schichten“ genannt worden. In den südlich von dem hier in Rede
                              									stehenden Gebiete gelegenen „Quadraten-Mergeln“ – nach dem Belemnites
                              									quadratus so benannt –, welche dem Unter-Senon angehören, ist das Auftreten von
                              									Gängen allerdings ebenfalls beobachtet, dieselben haben aber nur geringe Mächtigkeit
                              									und Ausdehnung gezeigt. Die Mukronaten-Mergel füllen die östliche Hälfte des von dem
                              									Teutoburger Walde und dem westfälischen Hügellande umschlossenen Kreidebeckens aus.
                              									Die Dessauer Gesellschaft für Zuckerraffinerie begann
                              									im J. 1874 die ersten Tiefbauanlagen, die beiden Schächte Bertha und Maria, in etwa
                              										1km Entfernung vom Bahnhofe Drensteinfurt.
                              									Nebenbei wurden die Schürfarbeiten fortgesetzt und zahlreiche kleine Haspelschächte
                              									abgeteuft, um das Auftreten und Fortschreiten der Gänge möglichst genau kennen zu
                              									lernen. Die Aufschlüsse, welche man auf den obersten beiden Sohlen der genannten
                              									Tiefbauschächte machte, waren auſserordentlich günstig, indem die Mächtigkeit des
                              									Ganges auf der 21m Sohle des Schachtes Maria 2m,25 reinen Strontianits betrug, eine Mächtigkeit,
                              									wie sie im ganzen Bezirke später niemals wieder gefunden worden ist. Die Förderung
                              									konnte in den ersten Jahren, wo zunächst nur Vorrichtungsarbeiten betrieben wurden,
                              									naturgemäſs keine bedeutende sein und betrug thatsächlich bis zum Betriebsjahre
                              									1877/78 bei einer Belegschaft von 28 Mann nur 5550 Centner. Da die erwähnten
                              									günstigen Aufschlüsse der Schächte Bertha und Maria sich nach der Tiefe hin
                              									verschlechterten, so wurden bis zum Jahre 1880 9 neue Tiefbauschächte angelegt. Die
                              									Jahresförderung erreichte damals bei einer Belegschaft von 390 Mann schon eine Höhe
                              									von 24776 Centner.
                           Nur auf den beiden Schächten Bertha und Maria hatte man anfangs eigentliche
                              									Fördermaschinen von 12 bezieh. 15  aufgestellt, auf den später errichteten
                              									Anlagen (auch denjenigen anderer Gesellschaften) bediente man sich stationärer
                              									Locomobilen von 18 bis 4 , welche, mit Vorgelege versehen, Förderung und
                              									Wasserhaltung zugleich betreiben konnten. Zur Bewältigung der Wasserzuflüsse
                              									reichten die Locomobilkräfte sehr bald nicht mehr aus und muſsten bei Drensteinfurt
                              									sowohl, wie später bei Ahlen gröſsere liegende oder stehende, direkt wirkende
                              									Maschinen von 30, 60, ja 135  aufgestellt werden.
                           Von einzelnen Agenten wurden in der Folge Schürfversuche angestellt und mit den
                              									Grundbesitzern Verträge betreffs der Gewinnung des Strontianits abgeschlossen,
                              									allerdings zu theilweise ganz gewaltigen Preisen. Als es nun Dr. Scheibler gelang, ein Patent für das Verfahren zur
                              									Darstellung des Strontian-Zuckers aus Melassen und Syrupen zu erhalten, und dadurch
                              									auch das Geheimniſs der Anwendung des Strontianits offenbar wurde, bemächtigte sich
                              									plötzlich die Spekulation des Strontianit-Bergbaues. Die Berliner Strontianit-Societät-Actien-Gesellschaft kaufte das Dr. Scheibler'sche Patent und schloſs mit einer Anzahl
                              									Zuckerraffinerien Verträge auf eine Reihe von Jahren und zu auſserordentlich günstigen Preisen ab,
                              									gemäſs welchen jeder derselben die Anwendung des Strontianit-Verfahrens gestattet
                              									war. Dagegen muſsten sich die Raffinerien verpflichten, sämmtlichen zu verwendenden
                              									Strontianit von der Berliner Strontianit-Societät zu
                              									kaufen oder im anderen Falle eine gewisse Summe an dieselbe zu zahlen. Genannte
                              									Gesellschaft begann im J. 1880 die Schürf- und Ausrichtungsarbeiten in groſsartigem
                              									Maſsstabe. In dem einen Jahre wurden neben einer Menge kleinerer Haspelschächte 4
                              									Tiefbauschächte abgeteuft, denen im J. 1881 12 weitere Tiefbauanlagen folgten. Die
                              									von der Gesellschaft beschäftigte Belegschaft stieg auf 555 Mann, die Förderung im
                              									J. 1881 auf 22 766 Centner mit einem durchschnittlichen Gehalte von 85 Proc.
                              									Strontianit.
                           Auch die Kölner Strontianit-Actien-Gesellschaft war
                              									nicht müſsig geblieben und hatte in der Nähe von Rinkerode, etwa 6km nördlich von Drensteinfurt, 4 Tiefbauschächte
                              									abgeteuft. Ihre Förderung belief sich innerhalb der beiden Jahre 1880 und 1881 bei
                              									einer Belegschaft von 323 Mann auf 6500 Centner 85procentigen Strontianit. –
                           Wie schon erwähnt, zeigten die später aufgeschlossenen Gänge nicht die Mächtigkeit
                              									und den Adel gleich den zuerst entdeckten, der Dessauer
                                 										Gesellschaft gehörigen. Die Folge davon war, daſs derber Strontianit bei
                              									der Gewinnung immer nur in geringen Mengen fiel und das Haufwerk nur einen geringen
                              									Procentgehalt (höchstens 10 bis 15 Proc.) an kohlensaurem Strontian besaſs. Die Dessauer Gesellschaft, welche nur für ihre eigenen
                              									Zuckerraffinerien lieferte, legte anfangs keinen hohen Werth auf reines Product.
                              									Dagegen errichtete die Berliner Societät eine
                              									Centralwäsche etwa 2km vom Bahnhofe Ahlen, dicht
                              									an der Köln-Mindener Bahn. Die schmalspurige Eisenbahn, welche die Wäsche mit dem
                              									genannten Bahnhofe verband, wurde später auf etwa 10km Länge nach den sämmtlichen bedeutenderen Tiefbauschächten ausgedehnt.
                              									Die Centralwäsche verarbeitete in 10stündiger Schicht 1500 Centner 10procentiges
                              									Haufwerk, welches sie auf einen Gehalt von durchschnittlich 83 Proc. kohlensaurem
                              									Strontian anreicherte; sie beschäftigte gegen 60 Personen. Auf den 4 Schächten,
                              									welche keinen Anschluſs an die Secundärbahn hatten, legte man maschinelle Vorwäschen
                              									an, welche das Haufwerk bis auf 30 bis 40 Proc. anreicherten.
                           Aehnliche Vorwäschen, aber mit Handarbeit, wurden von der Kölner Gesellschaft errichtet. Auch die Dessauer
                                 										Gesellschaft sah sich in Folge der ungünstigeren Aufschlüsse auf den
                              									tieferen Sohlen veranlaſst, eine gröſsere Aufbereitung anzulegen. Dieselbe ist
                              									allerdings nicht in so groſsartigem Maſsstabe angelegt wie diejenige der Berliner Societät, lieferte seiner Zeit aber doch
                              									täglich gegen 200 Centner 83procentiges Haufwerk. –
                           Seine höchste Entwickelung erreichte der Strontianit-Bergbau im J. 1883, welches eine
                              									Gesammtförderung der 3 Gesellschaften von rund 155500 Centner Strontianit mit 83
                              									Proc. Gehalt an kohlensaurem Strontian erreichte, bei einer Belegschaft der Gruben von 2226 Mann.
                              									Wenn auch im folgenden Jahre die Berliner Societät noch
                              									für sich allein 101121 Centner oder 5454 Centner mehr als in 1883 förderte, so war
                              									dies nur eine Folge der Ausbeutung der auf fast allen Betriebspunkten vorgerichteten
                              									Abbaue. Im Allgemeinen beginnt mit 1884 der Rückgang des Strontianit-Bergbaues.
                              									Konnte man anfangs noch hoffen, daſs die eingetretene Krisis nur eine vorübergehende
                              									sein würde, so wurde doch der Absatz von Jahr zu Jahr geringer, der Preis für
                              									Strontianit ging immer mehr zurück, und im J. 1886 stand nur noch die Berliner Societät, welche mit einzelnen Raffinerien
                              									Verträge auf eine Reihe von Jahren zu günstigen Preisen abgeschlossen hatte, in
                              									Förderung, während die übrigen Gesellschaften ihre sämmtlichen Betriebe nach und
                              									nach hatten einstellen müssen.
                           Nachstehende Uebersicht gibt eine Nachweisung von der Strontianit-Förderung (Haufwerk
                              									mit durchschnittlich 83 Proc. kohlensaurem Strontian) und der Arbeiterzahl der 3
                              									groſsen Gesellschaften innerhalb der einzelnen Jahre von 1876 bis 1886.
                           
                              
                                 Jahr
                                 Kölner Gesellschaft
                                 Dessauer Gesellschaft
                                 Berliner Societät
                                 
                              
                                 FörderungCtr.
                                 Arbeiterzahl
                                 FörderungCtr.
                                 Arbeiterzahl
                                 FörderungCtr.
                                 Arbeiterzahl
                                 
                              
                                 1876
                                 –
                                 –
                                   8255
                                   47
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 1877
                                 –
                                 –
                                   5441
                                   34
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 1878
                                 –
                                 –
                                   5550
                                   28
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 1879
                                 –
                                 –
                                 28194
                                 130
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 1880
                                   1800
                                 135
                                 24776
                                 390
                                         88
                                     99
                                 
                              
                                 1881
                                   4700
                                 323
                                 41440
                                 469
                                   22766
                                   555
                                 
                              
                                 1882
                                   9300
                                 430
                                 44600
                                 625
                                   56649
                                   758
                                 
                              
                                 1883
                                 15200
                                 500
                                 37733
                                 506
                                   95667
                                 1220
                                 
                              
                                 1884
                                 18000
                                 475
                                 38537
                                 270
                                 101121
                                   690
                                 
                              
                                 1885
                                   8700
                                 165
                                 26160
                                 105
                                   59035
                                   453
                                 
                              
                                 1886
                                   2387
                                   50
                                 17534
                                   70
                                   55468
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                           Was die technischen und wirthschaftlichen Verhältnisse des Strontianit-Bergbaues
                              									anbelangt, so sind dieselben im Allgemeinen nicht als günstig zu bezeichnen.
                           Die Ausfüllung der Strontianitgänge ist eine sehr unregelmäſsige. Im Streichen, wie
                              									im Fallen wechselt die Mächtigkeit und der Adel innerhalb geringer Entfernungen so
                              									sehr, daſs man häufig genöthigt ist, auf 40 bis 50m völlig taube Partien zu durchörtern, um wieder ein edles Mittel
                              									auszurichten. In Folge dieser Verhältnisse ist die Förderung in den meisten Fällen
                              									eine sehr ungleichmäſsige, und muſs man stets eine gröſsere Anzahl von Schächten
                              									gleichzeitig in Betrieb erhalten, um etwaige Ausfälle der Förderung auf dem einen
                              									oder anderen Schachte auszugleichen. Es ist leicht erklärlich, daſs hierbei die
                              									Selbstkosten in einer Weise erhöht werden, wie man sie sonst beim Gangbergbaue in so
                              									geringen Teufen nicht kennt.
                           Wenn auch die Wasserzuflüsse nach der Tiefe zu abnehmen, so war doch die zu hebende
                              									Wassermenge auf den seiner Zeit in Betrieb stehenden Gruben der Dessauer Gesellschaft so groſs, daſs die
                              									Wältigungskosten die Hälfte aller sonstigen Selbstkosten überstiegen. Nur eine
                              									sorgfältige Auszimmerung der Förderstrecken durch Thürstöcke mit dichtem Verzug der
                              									Stöſse und Firste kann Sicherung vor Unglücksfällen gewähren. Da, wo feste Kalkbänke
                              									anstehen, ist eine so dichte Zimmerung allerdings nicht immer nöthig, weil die
                              									Kalkbänke weniger unter den Einflüssen der Grubenluft leiden. Die Erfahrung hat
                              									gelehrt, daſs die Strontianitgänge nach der Teufe zu bedeutend an Mächtigkeit
                              									abnehmen. In Folge des Abnehmens der Mächtigkeit der Gänge kann man sich bei den
                              									Gewinnungsarbeiten nicht, wie dies anfangs geschah, auf die Förderung reinen
                              									Stuff-Strontianits beschränken, sondern es muſs, um den Bergbau überhaupt noch
                              									lohnend zu erhalten, mehr oder minder rauhes Haufwerk zu Tage geschafft werden.
                              									Dieses rauhe Haufwerk aufzubereiten, erfordert bedeutende Kosten, so daſs
                              									durchschnittlich 50k aufbereiteten Strontianits
                              									auf 13 M. 80 Pf. zu stehen kommen. Diese hohen Selbstkosten konnten zu einer Zeit,
                              									wo man in der Zuckerraffinerie für den Strontianit noch keinen Ersatz hatte, durch
                              									einen hohen Verkaufspreis ausgeglichen werden, sind aber später eine Hauptursache
                              									des Niederganges der Industrie geworden.
                           Als hemmend für eine gesunde Entwicklung des Strontianit-Bergbaues ist auch der
                              									Umstand zu erwähnen, daſs der Strontianit nicht wie metallische Erze gesetzlich vom
                              									Verfügungsrechte des Grundeigentümers ausgeschlossen ist. Die an den Grundbesitzer
                              									zu zahlenden Abgaben stiegen in einzelnen Fällen bis zu 10 M. auf den Centner
                              									Strontianit. Auſserdem hatten die Gruben, weil ihnen das Enteignungsrecht nicht
                              									zustand, bei ihren Tagesanlagen (Wäschen, Abfuhrwegen u.s.w.) die gröſsten
                              									Schwierigkeiten und Kosten zu überwinden.
                           Die wichtigste Ursache des so raschen Niederganges des Strontianit-Bergbaues ist
                              									allerdings weniger in diesen ungünstigen äuſseren Verhältnissen zu suchen, als
                              									vielmehr in der abnehmenden Verwendung von Strontianit bei der Zuckerindustrie.
                           Stammer.