| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Autor: | Oscar Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 215 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        (Fortsetzung des Berichtes Bd. 268 S.
                           								516.)
                        Mit Abbildungen.
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           A. S. Fitch in New York (Englisches Patent Nr. 7497 vom
                              									22. Mai 1888) lieſs sich einen Explosivstoff patentiren, welcher aus 10 Th.
                              									Nitroglycerin und 90 Th. eines Sprengpulvers als Saugstoff besteht, das aus 73 Th.
                              									Natronsalpeter, 12 Th. Holzkohle und 10 Th. Schwefel mit 5 Th. Stärke und 18 Th.
                              									Wasser hergestellt wird. Dieses Pulver erhält durch die Verdampfung ein
                              										„bienenzellenartiges“ Aeuſsere, und saugt dadurch leichter auf. Es ist
                              									ganz identisch mit dem vom Referenten bezieh. W. Reunert in Armen
                              									schon früher (1884 254 * 112) angegebenen Pulver, dessen
                              									erhöhte Saugfähigkeit sehr zu bezweifeln ist.
                           Englischen Quellen zu Folge soll man in Hamburg (?) Pulver
                                 										mit Korkkohle herstellen, um den Rauch zu vermindern, und es gegen
                              									Feuchtigkeit besser zu schützen; wir verzeichnen dies wegen der Aehnlichkeit der für
                              									das Carbodynamit aus der Korkkohle resultirenden Eigenschaften.
                           Ein gewisser W. T. Chamberlain in London soll nach der
                              										Woolwich Gazette es erreicht haben, Chlorstickstoff in Granaten ohne jede Gefahr zu füllen,
                              									und diese Geschosse aus Kanonen harmlos abzufeuern. Diese, nach unseren
                              									gegenwärtigen Begriffen einfach unglaubliche Erfindung soll dem englischen
                              									Kriegsministerium angeboten worden sein, und in Woolwich versucht werden.
                           Ein von Prof. Hebler in Zürich für sein
                              									Kleinkalibergewehr verwendetes comprimirtes Pulver mit
                              									achsialem Zehrloche enthielt nach den Mittheilungen über
                                 										Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens, 1888 S. 289, den Salpeter zu ⅚
                              									als Ammoniaksalpeter und zu ⅙ als Kalisalpeter, was wohl zum Zwecke der
                              									Rauchverminderung geschah.
                           Hermann Güttler in Reichenstein (D. R. P. Nr. 44078 vom
                                 									19. December 1887) hat an seinem schon patentirten Verkohlungsofen (1888 268 * 516) einige
                              									Aenderungen gemacht, welche ein rascheres und gleichmäſsigeres Arbeiten gestatten.
                              									Vor Allem wird der Verkohlungscylinder ausziehbar angeordnet, um denselben sofort
                              									weiter beschicken und auch leichter abkühlen zu können. Sodann werden in den
                              									Cylinder verschiedenartige Einsätze gegeben, damit das Wärme tragende Gas gezwungen
                              									werde, einen weiten Weg zurückzulegen, und so eine thunlichst innige Berührung mit
                              									dem zu behandelnden Stoffe gesichert sei. Zu dem gleichen Zwecke wird auch das Holz
                              									in der Form von Holzwolle zur Beschickung verwendet und die geringen Kosten der
                              									Zerfaserung werden durch die ungleich kürzere Verkohlungsdauer sicher reichlich
                              									aufgewogen. Einsätze der erwähnten ArtVgl.: Bericht über Verfahren und Einrichtungen zum Trocknen u.s.w. von
                                    											Kohlen. S. 193 dieses Heftes. bestehen entweder aus gelochten
                              									oder ausgesparten und mit ihren Oeffnungen entgegengesetzt gestellten Scheiben oder
                              									aus Hülsen, welche letzteren auch aus durchlochtem Bleche, Drahtgeflechte u. dgl.
                              									hergestellt sein können, oder in dem Falle der Bienenzellenform auch nur abwechselnd
                              									gefüllt werden können, um eine Erhitzung auch von auſsen her stattfinden zu lassen.
                              									Die vorgenannten Verbesserungen haben wesentlich zu der, übrigens noch nicht
                              									abgeschlossenen, Vereinfachung des Verfahrens beigetragen, welches, nach dem bereits
                              									allseitig zu Tage tretenden Interesse dafür zu urtheilen, wohl bald eine Rolle in
                              									der Pulverfabrikation spielen wird.
                           Der bekannte Chronograph von Le
                                 										Boulengé ist mit Rücksicht auf die gegenwärtig für Geschosse verlangten höheren
                              									Geschwindigkeiten in seinen Ausmaſsen abgeändert worden. Die hauptsächlichste
                              									Aenderung besteht darin, daſs die beiden Zielrahmen auf 100m (statt wie bisher 50m) von einander aufgestellt werden, und dementsprechend ist denn auch die
                              									zu messende Zeit doppelt so groſs. Eine besondere Einrichtung gestattet die
                              									Benutzung des Apparates auch an Orten, wo eine freie Bahn von 100m nicht zur Verfügung ist.
                           Fig. 1., Bd. 270, S. 217Fig. 2., Bd. 270, S. 217Bei der elektrischen Beleuchtungsanlage in der k.
                                 										k. Pulverfabrik Stein sind für die Beleuchtung der Läuferwerke und
                              									Satzlager von der Firma B. Egger und Comp. in Wien die
                              										Glühlampen in besonderen, mit Wasserverschluſs
                              									versehenen Mauernischen angebracht worden. Ein Modell davon ist auf der
                              									niederösterreichischen Gewerbeausstellung in Wien zu sehen, und in Fig. 1 und 2 nach den
                              										Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und
                                 										Geniewesens, 1888 S. 404, abgebildet. Ein guſseiserner Rahmen trägt einen
                              									Lappen zur Befestigung der Glühlampe, und gegen ihn legt sich ein mit destillirtem
                              									Wasser durch eine kleine Oeffnung von oben gefüllter, durch eine Kautschukschnur
                              									abgedichteter Deckel. Die Eintrittsöffnungen der Drähte dienen zugleich zur Lüftung,
                              									so daſs das Wasser sich nur wenig über die Temperatur des zu erleuchtenden Raumes
                              									erwärmen kann. Blendschirme erhöhen die Lichtwirkung.
                           Textabbildung Bd. 270, S. 217W. Lorenz in Karlsruhe (D. R. P. Nr. 41318 vom
                                 									4. November 1886) preſst in Patronen, welche oben eingezogen sind, die Pulverladung
                              									mit Hilfe von ringförmigen Stempeln A (Fig. a), in welche eine Nadel von unten eintritt, oder
                              									mit solchen, welche die Nadel an sich selbst tragen A1 (Fig.
                                 									b), und will auf diese Weise durch Neufüllung und Pressung verschiedene
                              									Schichten F, F1, F2 (Fig. c) erzielen.
                           In der Keith und Perry Kohlengrube in Rich Hill,
                              									Nordamerika, fand eine
                              									Kohlenstaubexplosion statt, bei welcher 23 Personen durch Ersticken um das Leben
                              									kamen. Aus einer im Engineering and Mining Journal,
                              									1888 S. 79, enthaltenen Darstellung folgt, daſs die Sprengungen in der daselbst
                              									sonst harmlosen Kohle in geradezu unsinniger Weise ausgeführt wurden. Da nach dem
                              									Gesetze des Staates Missouri die Häuer für Staubkohle genau so bezahlt werden
                              									müssen, wie für Stückkohle, so haben dieselben weder geschrammt noch geschlitzt,
                              									sondern Bohrlöcher von 1m,20 bis 1m,80 Länge und 65mm Weite normal auf die Brust getrieben, und bis zu 2 ¼l Pulver hineingeladen. Wie ungeheuer dabei der
                              									Pulververbrauch war, mag daraus ermessen werden, daſs die Häuer auf je 11k,340 (25 lbs.) Pulver nur 18t,81 Kohle erzielten, während sonst in Missouri
                              										82l,12, in Illinois 59l,6 im Jahresdurchschnitte resultirten. Eine
                              									natürliche Folge dieser oft 9 bis 15m lange
                              									Flammen entsendenden Kanonenschüsse war, daſs, nachdem die Grube durch 20 hinter
                              									einander vorher abgefeuerte Schüsse mit Kohlenstaub erfüllt war, derselbe
                              									schlieſslich Feuer fing.
                           Fig. 3., Bd. 270, S. 218Thomas de Coar und William Keast in Rüssel Gulch, Colorado, haben in Amerika einen Zündhütchenschützer patentirt. Nach dem Scientific American vom 21. April 1888 besteht derselbe
                              									aus einer unten in Spitzform geschlossenen Hülse (Fig.
                                 										3), auf deren Deckplatte ein Schlitz zur Einführung des Zündhütchens
                              									angebracht ist. Die durch Ausschneiden des Schlitzes entstandene Zunge wird dann
                              									herabgebogen und an die Zündschnur gedrückt, so daſs das Zündhütchen gegen
                              									Beschädigung beim Besetzen geschützt ist. Bei Versagern läſst sich dann wohl auch
                              									etwas leichter ausräumen (wenn dies gestattet ist), oder die Hülse kann ohne
                              									Beschädigung des Zündhütchens an der Deckplatte herausgezogen werden.
                           Die französische Explosivstoff-Commission hat die
                              									Bedingungen untersucht, welche Veranlassung sind, daſs gewisse Sprengstoffe die
                              									Schlagwetter entzünden. Nach einem Berichte von Mallard
                              									und Le Chatelier in der Revue
                                 										industrielle, 1888 S. 298, hat sie gefunden, daſs die Explosivstoffe erst
                              									dann das Grubengas zünden, wenn ihre eigene, bei der Explosion entwickelte Wärme
                              									2200° überschreitet. Auf diese Weise konnte die Commission feststellen, daſs Gemenge
                              									von gleichen Theilen Dynamit und Krystailsoda, oder schwefelsaurem Natron mit 10
                              									Aeq. Wasser (Glaubersalz), oder Ammoniakalaun, oder salzsaurem Ammoniak, inmitten
                              									von Schlagwettern detonirt, dieselben nicht zünden. Ein Gleiches erfolgt, wenn fein
                              									gepulverte Steinkohle beigemengt wird. Gemenge von Nitroglycerin oder Schieſswolle
                              									mit Ammoniaksalpeter sind besonders vortheilhaft, weil der Salpeter sich wie ein Explosivstoff
                              									verhält, dabei aber die Temperatur herabsetzt, da seine eigene Explosionstemperatur
                              									11300, die von Dynamit 2940°, von Nitroglycerin 3170° und von Schieſsbaumwolle 2636°
                              									beträgt. Die Commission fand, daſs ein Gemenge von 20 Th. Dynamit oder Nitroglycerin
                              									und 80 oder mehr Theilen Ammoniaksalpeter die stärksten Schlagwetter nicht
                              									zünde.
                           Fig. 4., Bd. 270, S. 219Ein von Alois Zettler in München in den Handel
                              									gebrachter magnetoelektrischer Zündapparat (Fig. 4) besteht aus einem Magnetinductor, ähnlich den
                              									Läutinductoren bei Telephonen, dessen ⌶-Anker in besonderer Weise umwickelt ist.
                              									Nach Versuchen von Prof. Carl soll derselbe bis zu 80
                              									parallel geschaltete Zünder abthun; sein Gewicht beträgt nur 7k.
                           Bergrath Wilh. Jicinski in Mähr.-Ostrau schlägt mit
                              									Rücksicht auf die günstigen Erfolge der Sandverdämmung, Sandbesatz u.s.w. eine Sandpatrone für Sprengungen in Schlagwettergruben vor.
                              									Dieselbe besteht aus einer Hülse aus Glycerinpapier b
                              										(Fig. 5), in welche eine Dynamitpatrone a centrisch gesteckt wird. Der Zwischenraum c wird mit feuchtem Sande oder Kieselguhr gefüllt, ein
                              									elektrisches Zündhütchen f eingesetzt und ein
                              									Sandpfropfen g aufgefüllt, worauf die Patrone
                              									zugebunden wird. Derlei Patronen haben nach den bisherigen Versuchen allerdings
                              									Schlagwettergemische von 9 Proc. nicht gezündet, und auch die Centrirung macht nicht
                              									bedeutende Schwierigkeit, da selbst eine Sandschicht von 7mm genügt haben soll; es bleibt aber doch
                              									wahrscheinlich, daſs die immerhin mühsame Herstellung und die Nothwendigkeit, ein Bohrloch von
                              									dreifach gröſserer Oberfläche auszubohren, wesentliche Nachtheile für die allgemeine
                              									Einführung sind.
                           Fig. 5., Bd. 270, S. 220Daſs unsere Bemerkungen über die schwierige
                                 										Handhabung der Lauerschen Frictionszünder (1888 267 376) begründet waren, erweist ein Bericht in den Tagesblättern, daſs
                              									am 13. Juni 1886 auf dem Bahnhofe in Mähr. – Ostrau eine Kiste dieser Zünder beim Ausladen explodirte und drei Arbeiter verletzte.
                              									In der Fabrik der Dinamita Nobel in Ciudad Bolivar
                              									(Venezuela) hat eine verheerende Explosion stattgefunden, als deren Direktor Benjamin Lee eben eine Ladung Dynamit (angeblich 731
                              									Centner) übernahm. Nach der einen Angabe soll Unvorsichtigkeit, nach der anderen
                              									Böswilligkeit Fremder Schuld haben. Referent beklagt lebhaft den in treuer
                              									Pflichterfüllung erfolgten Tod seines ehemaligen Collegen Lee, eines Amerikaners von deutscher Mutter, welcher in Clausthal studirt
                              									und eine bedeutende Zukunft ob seiner Tüchtigkeit vor sich hatte.
                           Dr. Rudolf Benedikt und Mathias
                                 										Cantor in Wien haben eine neue Methode zur
                                 										Bestimmung des Glyceringehaltes von Rohglycerinen angegeben (Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der
                                 										Wissenschaften, Juni 1888), welche darauf beruht, daſs Glycerin beim Kochen
                              									mit Essigsäure-Anhydrid quantitativ in Triacetin übergeht, welches nach dem Auflösen
                              									und Neutralisiren mit Natronlauge durch Verseifung und Zurücktitrirung des
                              									Ueberschusses bestimmt werden kann.
                           Da die Fälle der Untersuchung von Rohglycerinen in den Explosivstofffabriken selten
                              									sind, so mag Näheres über dieses Verfahren in den erwähnten Berichten gesucht
                              									werden.
                           Die gesteigerten Anforderungen an die Beschaffenheit und Güte der Explosivstoffe haben es mit sich gebracht, daſs die Herstellung
                              									derselben allerwärts nach rationellen, wissenschaftlichen Grundsätzen angestrebt
                              									wird. So ist man denn auch dazu gelangt, den elektrischen
                                 										Erscheinungen im Verlaufe der Pulvererzeugung von Explosivstoffen gröſsere
                              									Aufmerksamkeit zuzuwenden, wenngleich die geringe Zahl sachverständiger
                              									Beobachtungen bisher noch keine sicheren Schlüsse gestattete.
                           Der wichtigste und leider auch häufigste Fall ist die Ansammlung bezieh. Anziehung
                              									atmosphärischer Elektricität bei Gewittern. Die Gebäude von Explosivstofffabriken
                              									stehen in der Regel frei, häufig auf erhöhten Punkten, und sind deshalb an und für
                              									sich schon bequeme Entladungsstellen für Blitzschläge. Obzwar sie gewöhnlich aus Fachwerk oder
                              									Steinen hergestellt sind, so enthalten sie doch im Inneren Maschinen und sonstige
                              									Vorrichtungen aus Metallen, welche die Anziehung der Elektricität begünstigen.
                              									Während nun z.B. in England die Anbringung von Blitzableitern auf die Gebäude selbst vorgeschrieben ist, genügt es
                              									anderwärts dieselben auf hohen Stangen neben die
                              									Gebäude zu stellen, und selbst die Weglassung jeden Blitzableiters wurde schon
                              									bewilligt. Wir haben schon früher (1884 251 * 121) unsere
                              									Ansicht ausgedrückt, daſs es sehr schwierig sei, einen Blitzableiter jederzeit in tadellosem Zustande zu erhalten, und
                              									insbesondere die verschiedenen Metallmassen so mit ihm in Verbindung zu bringen,
                              									daſs deren Einfluſs der Wirksamkeit des Blitzableiters nicht entgegen arbeite. Wir
                              									waren deshalb auch stets der Meinung, daſs bei der besonderen Natur der fraglichen
                              									Gebäude ein neben denselben in entsprechender Höhe und
                              									in richtiger Construction angebrachter Blitzableiter weit gröſsere Beruhigung
                              									gewähren müsse. Die vielen Fälle, wo der Blitzableiter die Entladung geradezu
                              									begünstigte, und die, wenn wir nicht irren im vorigen Jahre, stattgehabte Explosion
                              									eines Pulvermagazines bei Salonichi, wo der Blitz in die Auffangstange schlug,
                              									dienen nur zur Bestätigung.
                           Erscheinen uns sonach die Anbringung der Auffangstangen neben den Gebäuden, die mindestens allmonatliche fachmännische
                              									Untersuchung der Leitungen, und die Anpflanzung von Bäumen in der Nähe der Gebäude
                              									als vorläufig die sichersten Mittel zum Schütze dieser Häuser, so müssen doch auch
                              									für die Maschinen besondere Vorkehrungen getroffen werden. Dies ist nicht nur wegen
                              									der möglichen Anhäufung der atmosphärischen Elektricität nöthig. Bei der Erzeugung
                              									von Schieſspulver ist einer der wichtigsten Bestandtheile der Schwefel, dessen stark
                              									elektrische Eigenschaften bekannt sind. Obwohl nun derselbe sich nur in geringeren
                              									Mengen und in feinvertheiltem Zustande im stets angefeuchteten Pulversatze befindet,
                              									so muſs doch mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, daſs bei der nahzu
                              									unausgesetzten Reibung, welcher das Pulver unterzogen wird, sei es auf Kollergängen
                              									und Mengtrommeln oder in Körnmaschinen, Polirfässern, Sieben u.s.w., eine starke
                              									Ansammlung von Elektricität stattfinden könne, die unter günstigen Umständen groſse
                              									Entladungsfunken geben mag. In der Pulverfabrik von W.
                                 										Güttler sind die Schwefelbrechwerke zur Ableitung der Elektricität mit der
                              									Erde in leitende Verbindung gebracht, und in der That hatte diese Firma seit
                              									Einführung dieser Verbesserung keinen der früher häufigeren Schwefelbrände zu
                              									beklagen. Die gleiche Fabrik hat, durch die Untersuchung der Ursachen der Explosion
                              									eines Kollerganges veranlaſst, nunmehr auch die Königswellen der Läuferwellen mit
                              									der Erde verbunden.
                           In einer anderen groſsen deutschen Pulverfabrik hat vor nicht langer Zeit eine
                              									Explosion der Kuchenpresse nach einem Gewitter stattgefunden. Das Pulver war, wie üblich,
                              									zwischen Hartgummiplatten aufgestapelt, und wurde eben dem Drucke des Preſswassers
                              									ausgesetzt, als das Gewitter herannahte. Dieses veranlaſste den bedienenden
                              									Arbeiter, das Gebäude vorschriftsgemäſs zu verlassen. Als er jedoch nach dem
                              									Vorüberziehen des Gewitters die Presse auſser Druck stellte, und die Kuchen aus
                              									einander nehmen wollte, da entlud sich ihm – wie er noch vor seinem Tode aussagen
                              									konnte – ein 10cm langer Funke in den Finger.
                           Es ist bekannt, daſs auch die Schieſsbaumwolle durch Reibung elektrisch wird. Während
                              									die Erzeugung der Schieſswolle eine ganz gefahrlose Arbeit ist, finden noch
                              									Explosionen beim Pressen und besonders beim Trocknen derselben statt, wenn letzteres
                              									verlangt wird, was allerdings selten ist. Beim Pressen wird wohl seltener ein Nagel
                              									oder sonstiger fremder Metalltheil, meist aber das „Ecken“ der Formen und
                              									Stempel, an der Explosion Schuld haben. Nicht so leicht ist aber die Erklärung für
                              									eine Explosion in einem Trockenhause, wo sich selten Menschen befinden, wo die
                              									Stoffe wenig Handhabungen unterliegen, und wo insbesondere die Temperatur nie über
                              									40° steigt. Trotzdem haben Explosionen und Brände stattgefunden, sei es von
                              									Schieſsbaumwolle, welche durch einen warmen Luftstrom getrocknet wurde, wie in
                              									Stowmarket, sei es von Collodiumwolle, deren Erwärmung ein vorzüglicher
                              									Dampftrockenapparat besorgte, wie in Avigliana.
                           Herr Walter F. Reid in Addlestone sagte mir nun auf
                              									Grund eigener Beobachtungen, daſs der warme Luftstrom, welcher über die
                              									Nitrocellulose streicht, in besonderem Maſse Elektricität entwickele, und dies
                              									insbesondere bei der Collodiumwolle. Er selbst habe häufig von Entladungen solcher
                              									Elektricität zu leiden gehabt, und erst dann, und zwar gründlich abgeholfen, als er
                              									für eine Ableitung derselben sorgte. Zu diesem Zwecke brach er vollständig mit der
                              									bisherigen Ueberlieferung hölzerner Träger und Rahmen. Er machte Gestelle aus
                              									Messingröhren und Schienen, fertigte die Rahmen aus Messingröhren, welche an den
                              									Kreuzungsstellen entsprechend ausgeschnitten und verlöthet waren, spannte
                              									Metallsiebe darüber, und legte auf diese Unterlage die Tücher mit der Schieſswolle.
                              									Selbstverständlich war diese ganze Metallmasse mit der Erde in gut leitende
                              									Verbindung gebracht.
                           Es gibt wohl auch noch andere Industrien, bei welchen die Bildung von Elektricität im
                              									Verlaufe der Erzeugung vorkommt, jedoch sind dem Referenten, welcher diese Frage
                              									seit Jahren verfolgt, nur wenige Fälle bekannt, bei welchen dies mit einer
                              									unmittelbaren Gefahr verbunden ist. So erinnert er sich eines Falles, wo in einer
                              									Fabrik von Gummizügen für Schuhe die über eine Trommel gespannten Kautschukfäden
                              									durch Benzin liefen, um oberflächlich erweicht zu werden, und dann zwischen warmen
                              									Walzen in zwei Stofflagen gepreſst wurden; hierbei gab es regelmäſsig
                              									Funkenentladungen. In einer chemischen Reinigungsanstalt bei Zürich fanden vor drei
                              									Jahren hinter einander Benzinexplosionen in der Trommel statt, in welcher die
                              									Kleider, Stoffe u. dgl. drehend behandelt wurden, und der als Sachverständiger
                              									berufene Prof. Dr. Georg Lunge konnte auch nur die
                              									Bildung von Elektricität als Ursache annehmen.
                           Unter solchen Umständen mag es vielleicht bedenklich erscheinen, daſs die Verwendung
                              									von Hartgummi, Ebonit u. dgl. in der Explosivstoff-Industrie immer ausgedehnter
                              									wird. Der Umstand, daſs dieser Stoff sich nur sehr wenig abnutzt, eine gewisse
                              									Elasticität bei groſser Festigkeit besitzt und auf Schlag keine Funken gibt, macht
                              									ihn sehr beliebt, und neuerlich kleidet man damit in England sogar die Einlaufgossen
                              									von Sortirsieben, die Anlaufflächen von Körnmaschinen u. dgl. vollständig aus, um
                              									das Absplittern von Holz und die Beschädigung der Pulverkörner durch unebene Flächen
                              									zu vermeiden. Unter Umständen können solche Hartgummiplatten aber wie Elektrophoren
                              									wirken, und man wird deshalb auch hierbei Vorsicht walten lassen müssen.
                           Nehmen wir noch hinzu, daſs in den meisten Fällen längs der Gebäude Werksbahnen
                              									laufen, daſs Rohrleitungen, Transmissionen, und neuestens auch elektrische
                              									Lichtleitungen ein solches Fabriksgrundstück durchkreuzen, so ist es wohl klar, daſs
                              									der Frage der Ansammlung und Anziehung von Elektricität eine erhöhte Aufmerksamkeit
                              									zuzuwenden sein wird, und daſs in erster Linie eine leitende Verbindung der im
                              									Inneren der Gebäude befindlichen Maschinen und Apparate mit der Erde ein Gebot der
                              									Nothwendigkeit ist.
                           Oscar Guttmann.