| Titel: | Der Stanley'sche Streckenbohrer. | 
| Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 67 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Der Stanley'sche Streckenbohrer.
                        Der Stanley'sche Streckenbohrer.
                        
                     
                        
                           Nach der Mittheilung A. de Castellaine's in Nr. 51 der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                       												Hüttenwesen besteht der Stanley'sche Streckenbohrer im Wesentlichen aus einer sehr kräftigen
                              									stählernen Schraubenspindel, welche in den Ständern eines auf Rädern laufenden
                              									Gestelles gelagert ist. Die Schraubenspindel wird durch einen Zwillingsmotor mittels
                              									mehrfachen Vorgeleges in Drehung versetzt, wobei eine am hinteren Ständer befestigte
                              									Mutter den Vorschub der Spindel bewirkt. Am vorderen Ende derselben ist ein
                              									Querstück befestigt, welches mit zwei oder vier wagerechten Armen ausgestattet ist
                              									Diese Arme erhalten eine Länge bis zu 1m, sind an
                              									den Enden mit Messern versehen und tragen der ganzen Länge nach Schaber zum
                              									Herausschaffen des Bohrmehles aus dem kreisförmigen Schlitze. Die Maschine wird in
                              									der aufzufahrenden Strecke eingebaut, mittels Schrauben festgestellt, und bei ganz
                              									zurückgeschobener Schraubenspindel in Betrieb gesetzt, wobei die Messer eine
                              									kreisförmige Bahn beschreiben, mithin einen Kohlenkern von 800 bis 1000mm Länge ausarbeiten, welcher je nach der
                              									Festigkeit der Kohle zeitweise nachgenommen wird oder in die Brüche geht. Ist der
                              									Hub ausgenutzt und das abgebohrte Material weggeschafft, so wird die Spindel
                              									zurückgestellt, und die ganze Maschine um die abgebohrte Strecke zur neuen Arbeit
                              									vorgeschoben. Die Maschine wird mittels Preſsluft getrieben und genügt ein
                              									Compressor von etwa 400mm Durchmesser und 750mm Hub für zwei bis drei gleichzeitig arbeitende
                              									Bohrmaschinen. Die Streckenbohrer können nicht nur wagerecht, sondern auch schräg
                              									nach auf- und abwärts, sowie in flachen Biegungen bohren, so daſs man dem Flötze mit
                              									demselben stets folgen kann. Je nach der Wahl des Abstandes der Messer können
                              									Strecken bis 2200mm Durchmesser erbohrt
                              										werden.Eine ähnliche Vorrichtung diente auf der Zeche Rheinpreuſsen (am Ausflusse
                                    											der Ruhr) bei den Abteufarbeiten, um dem Tubbingschachte das Erdreich zu
                                    											lockern. Hier wirkte eine 13zöllige Dampfmaschine mittels Schneckenrad
                                    											(Uebersetzung 1 : 72) auf einen Bohrer, welcher einen Schlitz für 8 bis 9m Durchmesser einschnitt.
                           Ueber die Versuche werden von dem Eisenbahndirektor Pechar folgende Ergebnisse mitgetheilt: „In der Grube von Nuneaton
                                 										steht eine Bohrmaschine für 1900mm Durchmesser
                                 										der zu erbohrenden Strecke in Verwendung.
                           
                              Das Material ist Steinkohle von groſser Festigkeit und wurden binnen fünf Minuten
                                 										etwa 0m,3 durchbohrt, worauf der Abbruch des
                                 										Bohrkernes erfolgte; nach Beseitigung des erbohrten Kohlenvorrathes hat diese
                                 										Maschine in weiteren vier Minuten 0m,2 und
                                 										nach abermaliger Beseitigung des Vorrathes in fünf Minuten weitere 0m,4 erbohrt. Einschlieſslich des Zeitaufwandes
                                 										zur Beseitigung der erbohrten Kohlenmenge beanspruchte die Erbohrung dieser
                                 										Streckenlänge von 0m,9 eine Zeitdauer von noch
                                 										nicht 40 Minuten.
                              
                           
                              Unter Einrechnung aller ordentlichen untergeordneten Zwischenfälle kann der für
                                 										die neuerliche Aufstellung erforderliche Zeitaufwand mit durchschnittlich 15
                                 										Minuten bemessen werden. Hieraus ergibt sich, daſs zur Erbohrung einer
                                 										Streckenlänge von 0m,9 Alles in Allem 55
                                 										Minuten, und zur Erbohrung einer Streckenlänge von 1m gerade eine Stunde Zeit nöthig ist. Setzt man einen ununterbrochenen
                                 										Betrieb des Bohrapparates voraus, so können innerhalb eines Zeitraumes von 24
                                 										Stunden 24m Streckenlänge zur Auffahrung
                                 										gelangen, wobei allerdings von dem Eintritte auſsergewöhnlicher
                                 										Betriebsstörungen abgesehen werden muſs.
                              
                           
                              Die Vortheile der Anwendung der Stanley'schen
                                 										Streckenbohrmaschine sind mannigfach sowohl hinsichtlich der Vereinfachung und
                                 										Beschleunigung der Arbeitsleistung, als auch der Verminderung ihrer
                                 										Gestehungskosten. So wurde beispielsweise im vorliegenden Falle bei einer
                                 										Bohrweite von 1m,9 binnen einer Stunde auf das
                                 										erbohrte Meter Streckenlänge ein Kohlenquantum von 2cbm,84 erzeugt; zur Bedienung der Maschine genügen 2 Arbeiter, von
                                 										denen der eine den Betrieb des Apparates zu überwachen und der zweite den
                                 										erbohrten Kohlenvorrath zu beseitigen und in die hinter der Maschine stehenden
                                 										Hunde zu verladen hat. Auf je einen Mann der Bedienungsmannschaft und auf je
                                 										eine Stunde Arbeitszeit entfällt somit eine Leistung von 1cbm,42 Steinkohle in der Streckenbohrung.
                              
                           
                              Da erfahrungsgemäſs die durchschnittliche Leistung eines Häuers in
                                 										ununterbrochener, achtstündiger Arbeitszeit sich auf etwa 1½cbm Steinkohle, also pro Stunde auf etwa 0cbm,2 stellt, so ergibt sich, daſs bei
                                 										Anwendung des neuen Bohrapparates die Gestehungskosten an Löhnen vor Bohrort
                                 										kaum den siebenten Theil der gegenwärtigen Gestehungskosten an Löhnen vor
                                 										Streckenort betragen.
                              
                           
                              Allerdings kommen hierbei auch die Kosten der Betriebsdampfmaschine, des
                                 										Compressors, der Rohrleitung, des ganzen Bohrapparates, sowie die Kosten der
                                 										Erhaltung in Betracht, doch werden dieselben unter Voraussetzung eines stetigen
                                 										Betriebes und unter Annahme einer Rohrleitungslänge von 1000m, das Cubicmeter erbohrter Streckenkohle mit
                                 										höchstens 25 bis 30 Kreuzer belasten.
                              
                           
                              Auch unter Berücksichtigung dieser Tilgung stellen sich die Gestehungskosten an
                                 										Löhnen vor Streckenort für 1cbm erbohrter
                                 										Kohle immer nur auf etwa den fünften Theil von jenen der Handarbeit.“
                              
                           Sehr wichtig ist auch die Raschheit der Arbeit, indem die gleiche Leistung gegenüber
                              									der Handarbeit in beiläufig dem sechsten Theile der Zeit erzielt wird; die
                              									Ausrichtung der gröſsten Gruben kann daher binnen weniger Monate erfolgen.
                           Ein weiterer Vortheil dieser Vorrichtung besteht darin, daſs das erbohrte Material –
                              									im Gegensatze zur Handarbeit – in groſsen Stücken gewonnen und als Stückkohle
                              									verwerthet wird.
                           Der kreisförmige Querschnitt der Strecken ist auch sehr vortheilhaft, da derselbe
                              									auch dem stärksten Drucke Widerstand entgegensetzt und den Holzeinbau entbehrlich
                              									macht.
                           
                           Durch den Betrieb der Bohrmaschine mit comprimirter Luft wird für Zuführung guter und
                              									frischer Wetter gesorgt, wodurch die sonst so beschwerliche Arbeit des
                              									Streckentreibens wesentlich erleichtert wird.
                           Durch die zuverlässige und zweckentsprechende Construction dieser Maschine sind
                              									Brüche und Betriebsstörungen fast gänzlich vermieden.
                           Eine Streckenbohrmaschine dieses Systems ist auf dem Washington-Schachte des Herrn
                              										Refeen in Triebschitz bei Brüx angelangt und werden
                              									mit derselben im Laufe des Monates Januar 1889 eingehende Versuche, welchen man in
                              									Fachkreisen mit der gröſsten Spannung entgegensieht, vorgenommen.
                           Die Ausführung aller für die österreichisch-ungarische Monarchie bestimmten Maschinen
                              									ist der Maschinenfabrik Bolzano, Tedesco und Comp. in
                              									Schlan (Böhmen) übertragen.