| Titel: | Ueber das Verhalten von Eisen und Eisenconstructionen im Feuer; von A. Martens, Ingenieur in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 259 | 
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                        Ueber das Verhalten von Eisen und
                           								Eisenconstructionen im Feuer; von A. Martens, Ingenieur in Berlin.
                        Mit Abbildungen.
                        Ueber das Verhalten von Eisen und Eisenconstructionen im
                           								Feuer.
                        
                     
                        
                           Ueber die wesentlichen Ergebnisse der Versuche über die Veränderungen der Festigkeit
                              									des Eisens in Folge Einwirkung der Wärme hat der Verfasser zur Zeit in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1883 S.
                                 									127, berichtet. Die dort gegebenen Schaulinien beziehen sich auf die Untersuchungen
                              									des Franklin-Institute, Fairbairn, Styfe, Kollmann und
                              										Englische Admiralität und zeigen im Groſsen und
                              									Ganzen, wie eine erhebliche Festigkeitsabnahme bei allen untersuchten Eisensorten
                              									erst zwischen etwa 300 und 500° einzutreten pflegt. Bei 500° darf man die Festigkeit
                              									aller Eisensorten kaum auf die Hälfte ihrer gröſsten Festigkeit veranschlagen, die,
                              									so weit erkenntlich, bei etwa 100 bis 200° eintreten dürfte (vgl. Fig. 1).
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 272, S. 259
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 272, S. 259
                              
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 272, S. 259
                              
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 272, S. 259
                              
                           Trotz der bereits zahlreichen Untersuchungen ist unsere
                              									Kenntniſs über die Veränderungen unter dem Einflüsse der Wärme nicht in der Weise
                              									erweitert worden, daſs der Constructeur hiervon Gebrauch machen könnte. Letzterer
                              									braucht ganz besonders die Angabe, um wie viel bei der Erwärmung die elastischen
                              									Eigenschaften, namentlich die Elasticitätsgrenze, verändert werden. Die Festigkeit
                              									kann ihm um so weniger ein Maſs für die Verläſslichkeit seiner Constructionen bei
                              									Feuersgefahr geben, als bei dem erhitzten Eisen weit mehr als beim kalten die Zeit
                              									(d. i. die Streckgeschwindigkeit) einen hervorragenden Einfluſs auf die Ergebnisse
                              									der Bruchfestigkeit hat. Ganz besonderer Werth muſs daher auf die Feststellung des
                              									Elasticitätsmoduls, der Proportionalitäts- und Streckgrenze am erhitzten Eisen
                              									gelegt werden. Dieser
                              									Frage ist der Verein zur Beförderung des
                                 										Gewerbefleiſses in Gemeinschaft mit dem Vereine
                                 										deutscher Eisenhüttenleute näher getreten. Die Versuchsausführung stöſst in
                              									Bezug auf die Feinmessungen auf ganz erhebliche Schwierigkeiten, so daſs leider der
                              									Fortgang der Untersuchungen bisher nur ein langsamer sein konnte.
                           Der Verein für Gewerbefleiſs hat durch Stellung der
                              									Preisaufgabe über das Verhalten von eisernen Säulen im FeuerVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1885. zwei
                              									lehrreiche Versuchsreihen veranlaſst.
                           Die erste dieser Versuchsreihen wurde von Prof. Bauschinger in MünchenMitth. a. d. mechan.-techn. Laboratorium in
                                       												München, 1885 Heft 12. 1887 Heft 15., die zweite von M. Möller und R. Lühmann
                              									in HamburgVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1887 S.
                                    										573. ausgeführt. Wenngleich die zweite Reihe für die unmittelbar
                              									praktische Ausnutzung der Ergebnisse unzweifelhaft ein gröſseres Interesse bietet
                              									als die erste, so ist doch für die in sich bedeutenden Arbeiten Bauschinger's das Verdienst in Anspruch zu nehmen, die
                              									Anregung für die Möller'sche Arbeit gegeben zu haben.
                              										Bauschinger hat die empfindliche und werthvolle Werder-Maschine für seine Untersuchungen benutzt, und
                              									ist durch die Einwendungen Möller'sDeutsche Bauzeitung, 1886 Nr. 53 und
                                    										55. zur Ausführung noch einer zweiten Versuchsreihe veranlaſst,
                              									jedoch sind die nach einem breiter angelegten Plane durchgeführten Versuche Möller's erschöpfender, wenn sie auch in Bezug auf die
                              									Genauigkeit und Vollkommenheit der Messungen sich mit denen Bauschinger's nicht vergleichen können.
                           Der Verfasser zieht aus der Möller'schen Arbeit kurz die
                              									praktisch wichtigsten Schluſsfolgerungen und bezieht dieselben auf die Untersuchung
                              									der Trümmer bei dem groſsen Speicherbrande in Berlin, Kaiserstraſse 42, gemachten
                              									Erfahrungen, um auf einige wichtige Punkte bezüglich der Feuersicherheit von
                              									Eisenconstructionen hinzuweisen.
                           Möller macht zunächst darauf aufmerksam, daſs für Säulen
                              									in Bauconstructionen die Annahme einer vollkommen centrischen Beanspruchung die
                              									unwahrscheinlichste ist und hat deswegen seine Versuche alle so ausgeführt, daſs in
                              									der Kegel die Resultante des Druckes um 10mm
                              									auſserhalb der Säulenmittellinie lag, so daſs die zu erwartende Durchbiegung der
                              									wagerecht eingespannten Säule nach unten gerichtet war. Da das Feuer unter der Säule
                              									angefacht wurde, so war bei dieser Anordnung zugleich die gefährlichste Art der
                              									Inanspruchnahme gegeben. Die Versuche wurden in einer einfachen hydraulischen Presse
                              									durchgeführt. Die Kraftmessung geschah durch Manometer, welche den Druck im Cylinder
                              									anzeigten, die Durchbiegungsmessung mit einem Fühlhebel. Beide Methoden müssen zwar
                              									angesichts der offen zu Tage liegenden Mängel als roh und ungenau bezeichnet werden,
                              									indessen kommen die
                              									hierdurch verursachten Trübungen des Ergebnisses praktisch wenig in Betracht, da sie
                              									durch die Zahl der Versuche und namentlich durch den befolgten Plan einigermaſsen
                              									unschädlich gemacht werden. Die Messung der Erwärmung geschah, wie bei den Bauschinger'schen Versuchen, durch
                              									Schmelzlegirungen.
                           Nach einer eingehenden Besprechung der Umstände, welche Anlaſs zur schiefen
                              									Beanspruchung sein können, erläutert Möller die zur
                              									Berechnung von Säulen angewendeten Formeln von Euler
                              									und Schwarz und schlieſst hieran eine eigene Formel zur
                              									Berechnung excentrisch beanspruchter Stäbe auf Zerknickungsfestigkeit, bezüglich
                              									welcher auf das OriginalVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1887 S.
                                    										573. verwiesen wird. Diese Formel wird auf Grund der
                              									Versuchsergebnisse schlieſslich dahin erweitert, daſs sie diejenigen
                              									Querschnittsabmessungen liefert, für welche die Säule bei den gemachten Annahmen
                              									auch noch standsicher im Feuer bleibt.
                           Zu den Versuchen sind rohrähnliche glatte Säulen ohne Fuſsplatte und Kapital benutzt;
                              									man wendete in der Regel für jede Versuchsstufe zwei Säulen von gleichen
                              									Abmessungon, die eine aus Schmiedeeisen, die andere aus Guſseisen an. Alle
                              									Eisenstützen hatten 62 bis 64qcm Querschnitt,
                              										120mm inneren und 150mm äuſseren Durchmesser, also 15mm Wandstärke. Die Guſssäulen hatten an jedem Ende
                              									eine Verstärkung um 5mm von 40mm Breite; sie waren 1, 2 und 4m lang, während die Länge der Schmiedesäulen 1 und
                              										2m betrug. Um den Einfluſs der
                              									Querschnittsform zu erweisen, wurden volle Säulen von 90mm Durchmesser, also etwa 64qcm Fläche,
                              									und 1, 2 und 4m Länge benutzt. Die genieteten
                              									Stützen hatten bei 2m Länge vorstehend
                              									gezeichneten Querschnitt (Fig. 2). Winkel und
                              									Flacheisen zusammen haben wiederum 64qcm
                              									Querschnittsfläche.
                           Um die Wirkungen zu zeigen, welche Schutzvorkehrungen auf die Standsicherheit der
                              									Säulen im Feuer haben, sind folgende Probestücke hergerichtet. Eine Guſssäule wurde
                              									oben und unten mit Flanschen von 280mm Durchmesser
                              									und auſserdem in 300mm Abständen mit jeweilig vier
                              									angegossenen Dornen von 48mm Länge versehen. Um
                              									letztere wurde Bindedraht geschlungen, welcher den 60mm dicken Cementputz von 1 Th. Cement und 3 Th. Sand festhielt. Aehnlich
                              									war ein gleiches Schmiederohr ummantelt. Eine Nietstütze wurde mit Föhrenholz von
                              										30mm Stärke ummantelt, welches durch eine
                              									Hülse von 1mm starkem Eisenbleche eingeschlossen
                              									war. Je eine Guſs- und Schmiedesäule wurde mit 1 Th. Cement und 1 Th. Sand
                              									ausgegossen, während in eine zweite Guſssäule ein Gasrohr von 60mm Durchmesser eingeführt und mit 1 Th, Cement und
                              									3 Th. Sand vergossen wurde. Der Cementkern sollte die Standfestigkeit erhöhen, das
                              									Gasrohr der Guſssäule dieselbe auch dann noch erhalten, wenn sie im Feuer Risse
                              									bekam.
                           
                           Möller's Schluſsfolgerungen aus seinen
                              									Versuchsergebnissen lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen:
                           1) Entgegen den Ergebnissen der ersten Bauschinger'schen
                              									Versuchsreihe findet Möller, daſs bei 10 Guſssäulen
                              									keine Risse durch Anspritzen im glühenden Zustande entstanden sind. Bauschinger kommt bei seiner zweiten Reihe zu ähnlichem
                              									Ergebnisse. Der Umstand, daſs Möller mit frisch
                              									gegossenen Säulen arbeitete, läſst bei ihm die sonderbare Vermuthung entstehen, daſs
                              									das Guſseisen, ähnlich dem Cemente, mit dem Alter seine Festigkeitseigenschaften
                              									ändern möge. Es liegt wohl näher, an eine verschiedene Gattirung des Eisens oder an
                              									eine bei den verschiedenen Versuchsreihen benutzte andere Guſsweise zu denken; Bauschinger's erste Säulen waren Ausschuſsstücke.
                           2) Aus Bauschinger's Versuchen, sowie aus anderweitigen
                              									Erfahrungen weiſs man, daſs Guſssäulen trotz der durch schnellen Wärmewechsel etwa
                              									eingetretenen Risse noch tragfähig bleiben können. Diese Risse können bei
                              									gegenseitigen Verschiebungen der Bruchquerschnitte und beim Auftreten von
                              									Biegungsmomenten gefährlich werden. Man muſs daher erstens die Guſssäulen central
                              									belasten und kann sie zweitens nach Möller's Vorgehen
                              									mit einem eingesetzten Kerne (Gasrohre) versehen, zu dessen Befestigung jedoch
                              									zweckmäſsig die Cementmörtelfüllung vermieden wird, da sie wegen ihrer
                              									Dampfentwickelung gefährlich werden kann.
                           3) Die der Guſssäule zugemuthete Belastung darf nur so groſs sein, daſs die im Feuer
                              									einseitig erwärmte und angespritzte Säule in Folge des entstehenden Biegungsmomentes
                              									keine Zugspannungen erfährt; letztere müssen wegen der Gefahr bei etwaiger
                              									Riſsbildung vermieden werden.
                           4) Viel wichtiger als die Frage wegen des zu verwendenden Materials ist die Anwendung
                              									richtiger Constructionsverhältnisse. Die Guſs- und die Schmiedesäule kann in
                              									gleichem Maſse feuersicher construirt werden, wenn die Abmessungen richtig gewählt
                              									werden. Die Säulen dürfen nicht zu schlank construirt werden. Es empfiehlt sich, L/D
                              									(Länge zum Durchmesser) kleiner als 10 zu wählen, wenn die Säule beweglich, und L/D
                              									< 17, wenn sie fest eingespannt ist. Es ist hier darauf aufmerksam zu machen,
                              									daſs absolute Feuersicherheit bei dem im Feuer geborenen Eisen nicht erwartet werden
                              									kann.
                           5) Durch den Mantel läſst sich die Wirkung des Feuers längere Zeit aufhalten; die
                              									Säule wird vor übermäſsiger, einseitiger Erwärmung durch das Feuer und vor
                              									einseitiger Abkühlung durch Anspritzen geschützt.
                           6) Guſseisen kann leichter als Schmiedeeisen in einem Querschnitte angehäufte
                              									Materialfehler enthalten, welche sich dem Auge entziehen. Lühmann empfiehlt daher, Säulen mit sichtbaren Kaltguſsstellen jedenfalls
                              									nicht zu verwenden; man darf diesen Satz wohl auf alle äuſserlich sichtbaren
                              									Materialfehler ausdehnen.
                           
                           Selten hat wohl eine Brandstelle auf den ersten Blick den bösen Erfahrungen mit
                              									Eisenconstructionen so sehr das Wort geredet als die Trümmerstätte des Brandes in
                              									der Kaiserstraſse zu Berlin. Aber gerade die Erfahrungen, welche sich an der Hand
                              									dieser Trümmer gewinnen lassen, zeigen auch, wie sehr die oben unter 3) und 4)
                              									gegebenen Regeln berechtigt sind, und in wie hohem Maſse die Unsicherheit in Folge
                              									mangelhafter Construction die in der Festigkeitsverminderung des erwärmten Eisens
                              									begründete Gefahr überwiegt.
                           Weil diese Trümmer so lehrreich sind, soll dem Leser in knapper Form ein Bild
                              									derselben angegeben werden, wobei auf Einzelheiten der Bauausführung nicht weiter
                              									eingegangen wird als unumgänglich nöthig ist.
                           Das Gebäude wurde zum Lagern von Textilstoffen, Tabak u.a.m. benutzt. Die Räume waren
                              									um einen inneren Hof gruppirt, von welchem in allen Geschossen groſse Fenster Licht
                              									empfingen. Die Umfassungswände waren nach drei Seiten ebenfalls mit groſsen
                              									Fensteröffnungen versehen. Das Gebäude hatte fünf Geschosse, war 21m hoch und durch eine Brandmauer in zwei Theile
                              									getheilt. Die Decken wurden durch Gruppen von guſseisernen Säulen getragen, welche
                              									die auf Consolen gelagerten Unterzüge und einen Theil der Kappen träger stützten.
                              									Zwischen die Kappenträger waren Kappen eingewölbt. Die Unterzüge lagen also völlig
                              									frei, während die Kappenträger bis auf den unteren Flansch versteckt waren. In
                              									einzelnen Geschossen lag die Waare bis zum Kopfe der Säulen angehäuft; einzelne
                              									Geschosse waren leer. Die Zerstörung durch das Feuer nahm so schnell überhand, daſs
                              									ein groſser Theil des Gebäudes bereits eingestürzt war, als die Feuerwehr kam.
                              									Letztere konnte nur von den Nachbarhäusern aus den Angriff unternehmen, da die
                              									eisernen Thüren in den Treppenhäusern verschlossen waren und den Zutritt hinderten.
                              									Auſserdem waren die Kappen der Böden gröſstentheils bereits so unsicher, daſs an ein
                              									Betreten nicht zu denken war.
                           Die unheimliche Schnelligkeit, mit welcher der Einsturz erfolgte, und der groſse
                              									Umfang, den die Verwüstung annahm, kann nur durch das Zusammentreffen vieler
                              									ungünstiger Zustände erklärt werden. Der Brennstoff (die Waare) war bis nahezu an
                              									die Unterzüge gehäuft. Nach dem Zerspringen der Fensterscheiben entstand ein
                              									äuſserst lebhafter Zug, durch den als Schlot wirkenden Hof veranlaſst, welcher das
                              									Feuer lebhaft anfachte und die Stichflamme in ihrer Richtung von auſsen nach dem
                              									Hofe quer gegen den unteren Flansch der Unterzüge führte. Diese muſsten
                              									verhältniſsmäſsig schnell erglühen und bogen unter der starken Belastung stark
                              									durch, wobei die Kappenträger nachgeben konnten, die Kappen Risse erhielten und
                              									vielleicht zum Einsturz kamen. Auch die Säulen sind, wie dies aus den Trümmern
                              									später erkannt worden ist, vielfach unterhalb der Köpfe zum Erglühen gekommen. Die gebogenen Unterzüge
                              									drückten mit ihren Flanschen auf die vorderen Kanten der um 230mm ausladenden Console. Hierdurch wurden die
                              									Säulen namentlich dann sehr stark excentrisch beansprucht und überlastet, wenn das
                              									betreffende Gegenfeld einstürzte und das angehörige Consol somit entlastet war. Der
                              									Bruch trat unmittelbar unter dem Kopfe der Säule ein, wo der schwächste Querschnitt
                              									und zugleich der Angriffspunkt des Feuers war. Diese Bruchform konnte sich um so
                              									leichter bilden, als etwa 1m,5 höher ein zweiter
                              									schwacher Punkt, die Verzapfung der beiden über einander stehenden Säulenschäfte
                              									sich befand. Die Verzapfung fand in der üblichen Weise durch in einander gesetzte
                              									Zapfen von 30mm Länge statt. Die geschilderten
                              									Inanspruchnahmen erfolgten mit einer solchen Gesetzmäſsigkeit, daſs fast alle nicht
                              									gebrochenen, dem Feuer ausgesetzt gewesenen Säulen unmittelbar unter dem Kopfe
                              									Verbiegungen und zum Theile Riſsbildungen zeigen. Ea standen noch lange nach dem
                              									Brande Säulen, von denen die eine unter dem Kopfe zwiebelförmig aufgebläht und mit
                              									Schubspannungsrissen versehen war (Fig. 3). Sie hatte
                              									centrische Belastung erfahren und war deswegen auch trotz des Erglühens gerade
                              									geblieben. Eine andere Säulenflucht stand ebenfalls noch, obgleich die untere Säule,
                              									gleichfalls unter dem Kopfe, völlig zum Bruche gekommen war, wobei das obere
                              									Säulenende sich in das untere einstauchte. – Die Biegungen, welche einzelne Säulen
                              									erfahren haben, sind beträchtlich; selbst starke Säulen zeigen Durchbiegungen von
                              									mehr als 50mm. Wie weit das glühende Guſseisen
                              									Formänderungen erfahren kann, zeigt namentlich Fig.
                                 									4. Die Biegung ist hier unmittelbar über dem Säulenfuſse erfolgt, welcher
                              									wahrscheinlich durch die nach dem Einstürze der Kappe durch die Lücke züngelnde
                              									Stichflamme glühend geworden war. Dieser verbogene Säulenfuſs zeigt ebenfalls
                              									schräge Risse. Von den unter den Trümmern gefundenen 38 Säulen sind etwa 20 Stück in
                              									der oben geschilderten Weise in Folge der excentrischen Belastung mittels der
                              									Console zum Bruche gegangen. Diese Zerstörung erfolgte so regelmäſsig, daſs man aus
                              									der Bruchform noch jetzt genau anzugeben vermag, welcher der Träger, ob Unterzug, ob
                              									Kappenträger, die Bruchveranlassung gewesen ist. Im ersteren Falle trat die
                              									Bruchform Fig. 5 ein. Die Säule brach unmittelbar
                              									unter dem Kopfe. Im zweiten Falle brach die Säule nach Fig.
                                 										6 durch den unteren Theil des unteren Consols und häufig auch zugleich
                              									noch in der vorbeschriebenen Weise unter dem Säulenkopfe, so daſs drei Bruchstücke
                              									entstanden. Brüche durch das untere Consol fanden sich im Ganzen an etwa 15 Säulen,
                              									von denen etwa 7 Stück mit Doppelbrüchen gefunden wurden. Die Entstehung des Bruches
                              									im unteren Consol in Folge einseitiger Belastung erklärt sich dadurch, daſs der
                              									Säulenquerschnitt an dieser Stelle erheblich geringer ist und daſs die in diesem
                              									Falle in der neutralen Ebene liegenden Consolrippen keine erhebliche Vergröſserung
                              									des fraglichen Widerstandsmomentes abzugeben vermochten, wie dies bei der Beanspruchung durch den
                              									Querträger der Fall war. Die Entstehung des zweiten Bruches ist wahrscheinlich in
                              									der Weise erfolgt, daſs der Bruch durch das Consol zuerst, und zwar in Folge von
                              									Ueberlastung durch den Kappenträger, entstanden ist. Ob in allen Fällen, wo
                              									Doppelbrüche erwiesen sind, ein Erglühen unter dem Säulenkopfe stattgefunden hat,
                              									wird schwer zu sagen sein. Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, daſs in allen Fällen
                              									der zweite Bruch etwa nach dem Umstürzen der Säule durch aufschlagende Trümmer
                              									erfolgt sein sollte. Hiergegen sprechen sowohl die Zahl der Fälle dieser
                              									Brucherscheinungen als auch vielfach die Form der Bruchstücke. Es muſs übrigens
                              									hervorgehoben werden, daſs auch drei der noch stehen gebliebenen Säulen unmittelbar
                              									über dem Kappenträgerconsol Querrisse zeigten, welche erst beim Abbruche bemerkt
                              									worden sind.
                           Fig. 5., Bd. 272, S. 265Fig. 6., Bd. 272, S. 265Daſs übrigens in sehr vielen Fällen eine sehr starke excentrische
                              									Beanspruchung der Säulen durch die Console hat stattfinden müssen, zeigen auch die
                              									schmiedeeisernen Träger. Dieselben hängen häufig an ihren abgerissenen unteren
                              									Flanschen „wie die Handtücher“ an den Säulen. Viele Träger zeigen an beiden
                              									Enden die vom Stege abgerissenen unteren Flanschen (Fig.
                                 										7). Diese sehr häufig auftretende Zerstörungsform hat ihren Grund in den
                              									seitlichen Leisten, welche an den Säulen angegossen waren, um die auf die Console
                              									lose aufgelegten Träger vor der seitlichen Verschiebung und vor dem Kippen zu
                              									bewahren (Querschnitt Fig. 8). Unter diese Leisten
                              									konnte sich der untere Flansch der Träger festklemmen und das an dem Consolende
                              									angreifende Moment muſste nun unter allen Umständen bis zu derjenigen Gröſse
                              									anwachsen, welche zum Abreiſsen des Flansches vom Stege ausreichte. Die einzige
                              									Verbindung mit den Säulen fanden die Träger dadurch, daſs auf etwa halbe Trägerhöhe
                              									beide gegenüber liegende Enden durch die Säule hindurch mit zwei schmalen
                              									Flacheisenlaschen gehalten wurden, welche zugleich die Verankerung der gegenüber
                              									liegenden Gebäudeauſsenwände bildeten. Diese Construction vermochte natürlich einer
                              										glühenden oder
                              									gesprungenen Säule nur sehr wenig Halt zu gewähren; man hatte in diesen Fällen
                              									sozusagen eine Mausefalle vor sich (Fig. 9), gebildet
                              									durch die beiden schwachen Punkte a und b über und unter den Trägern, von denen a der Verschäftelung der oberen mit der unteren Säule
                              									entspricht, während b die glühende oder gebrochene
                              									Stelle der unteren Säule bedeutet. Waren die Träger mit der Säule oder unter
                              									einander fest verbunden, so daſs sie dem Theile ab
                              									einen Halt gegen Kippen gewährten, so war jedenfalls die gefährliche Mausefalle
                              									vermieden und ein plötzliches Einstürzen des ganzen inneren Eisengerippes wäre
                              									wahrscheinlich nicht so leicht erfolgt, als es jetzt geschehen ist. Meines Erachtens
                              									würde auch das Erglühen einer Säule an einer beschränkten Stelle alsdann nicht so
                              									schnell zum Bruche geführt haben, weil die sich aufblähende Säule Gelegenheit gehabt
                              									hätte, sich in sich selbst zusammenzustauchen und so einen langsameren Zusammenbruch
                              									eines Knotenpunktsystemes zu veranlassen. Jedenfalls scheint mir die groſse
                              									Gleichartigkeit und Gesetzmäſsigkeit der Brucherscheinungen zu beweisen, daſs der
                              									erschreckend schnell erfolgte Zusammensturz beider Gebäudetheile nicht so sehr Folge
                              									einer Ueberhitzung des Eisens, als vielmehr Folge einer schlechten Construction war,
                              									die vielleicht auch beim Zusammenbruche nur einer Säule aus irgend einem Grunde und
                              									ohne das Hinzutreten des Feuers Veranlassung zum Zusammensturze eines groſsen
                              									Theiles des inneren Gebäudegerippes hätte sein können.
                           Fig. 7., Bd. 272, S. 266Fig. 8., Bd. 272, S. 266Fig. 9., Bd. 272, S. 266Fig. 10., Bd. 272, S. 266Jedenfalls lehrt uns dieses Unglück, daſs wir eiserne Gebäudeconstructionen
                              									vor allen Dingen vernunftgemäſs entwerfen sollen.
                           Die Anschauungen haben sich durch die bei diesem Brande gemachten Erfahrungen dahin
                              									geläutert, daſs man überzeugt ist, in Stein und Eisen nicht absolut feuersicher
                              									bauen zu können, und es fragt sich, was hat der Constructeur zu thun, um seinerseits
                              									die Gefahr zu verringern? Daſs wir zuerst eine gesunde Construction verlangen müssen, liegt auf der Hand.
                              									Man wird bei groſser Zahl von Säulenfluchten neben einander in vielen Fällen
                              									vortheilhafter Schmiedeeisenconstructionen anwenden als Guſseisen, wird aber in
                              									beiden Fällen die Formen der Stützen durchaus nur dem Zwecke anpassen, ganz ohne
                              									Rücksicht auf den Architekten, der sich diesen Verhältnissen anbequemen muſs. Man
                              									wird die Console thunlichst vermeiden, jedenfalls aber ihre Ausladung, durch ganz
                              									enges Anlagern der Träger an die Säulen (Fig. 10) und
                              									Beschränkung der Auflagerflächen auf das kleinste zulässige Maſs, so sehr vermindern
                              									als nur immer erreichbar. Man wird die Säulen nicht nur auf einfache centrische
                              									Beanspruchung rechnen dürfen, sondern man wird den ungünstigsten Fall in Rechnung zu
                              									stellen haben, daſs die Säule durch das eine Constructionsfeld ganz voll excentrisch
                              									belastet ist, während das andere völlig fehlt, wie es im Unglücksfalle vorkommen
                              									kann. Man wird hierbei als wirkende Hebelsarme diejenigen Gröſsen einsetzen müssen,
                              									welche bei Verbiegungen der Construction thatsächlich in Frage kommen, und die
                              									Angriffspunkte der Reactionen nicht durch die Mitte der Auflagerflächen gehend
                              									annehmen dürfen, wie es nach dem alten Gebrauche in der Regel zu geschehen pflegt.
                              									Man wird nicht nur die Widerstandsmomente der Träger in Rechnung zu stellen haben,
                              									sondern man wird sich auch vergewissern müssen, daſs an keiner Stelle des Trägers
                              									Ueberanstrengungen in Folge von Einzellasten eintreten können, z.B. über den
                              									Auflagern. Man wird zu überlegen haben, ob nicht durch Erzeugung fester Knotenpunkte
                              									in der Deckenconstruction die Säule so sicher eingeschlossen werden kann, daſs sie
                              									auch im Falle einer Gefahr vor dem Kippen gesichert erscheint. Man wird sich
                              									überzeugen müssen, daſs diese Verbindungen andererseits nicht so fest sind, daſs, im
                              									Falle eines Zusammenbruches der Nachbarfelder, durch die an den Knotenpunktsträgern
                              									etwa hängenbleibenden Constructionstheile die Säule überlastet und das Innengerippe
                              									zum Zusammensturze gebracht werden kann. Daſs man vom Baumeister verlangen muſs, ein
                              									Haus nicht wie ein Kamin zu bauen, ergibt sich aus der früheren Schilderung und
                              									gehört, wie die sonstigen Sicherheitsmaſsregeln in der Anlage des Gebäudes, nicht
                              									hierher.
                           Die Möller'schen Versuche haben gezeigt, daſs man mit
                              									Ummantelung der Eisentheile ihre Standsicherheit im Feuer ganz wesentlich erhöhen
                              									kann und man wird sich diese Erfahrungen geeigneten Falles zunutze machen müssen.
                              									Insonderheit wird man wohl das ganz allgemeine Verlangen stellen müssen, daſs alle
                              									eisernen Deckentheile nach Möglichkeit stets in die Decke selbst gelegt sein sollen
                              									und alle unten vorspringenden nackten Eisentheile vermieden – oder mit ausreichenden
                              									Schutzmassen eingehüllt werden. Auch die Stützen wird man in manchen Fällen mit
                              									Schutzmassen umkleiden müssen, was übrigens von selbst immer mehr sich einbürgern
                              									dürfte, je mehr man der
                              									Forderung gerecht zu werden sucht, daſs alle Stützenformen nur nackte Zweckformen
                              									sein dürfen. (Nach Stahl und Eisen, 1888 Nr.
                                 									2.)