| Titel: | Zur Frage der Abwasserreinigung. | 
| Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 273 | 
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                        Zur Frage der Abwasserreinigung.
                        Zur Frage der Abwasserreinigung.
                        
                     
                        
                           In der Chemiker-Zeitung, 1888 Bd. 12 S. 1489, 1889 Bd.
                                 									13 S. 17 und 30, unterzieht H. Schreib das Verfahren
                              									der Abwasserreinigung mittels Kalk einer Besprechung in zweifacher Richtung. Schreib prüft einerseits die Wirkung des Aetzkalkes auf
                              									die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe und vergleicht andererseits das
                              									Kalkreinigungsverfahren mit anderen, denselben Zweck verfolgenden Methoden. Aus den
                              									erwähnten Abhandlungen sei das Folgende mitgetheilt:
                           Bekanntlich kommt fast bei sämmtlichen Verfahren zur Reinigung von Abwasser auf
                              									chemisch-mechanischem Wege Aetzkalk in Anwendung. Die gereinigten Wasser enthalten
                              									dann einen Ueberschuſs desselben in Lösung. Die nach den Verfahren von Müller-Nahnsen, Rothe-Röckner, Oppermann, Hulwa u.a.
                              									gereinigten Abwässer zeigen stets freien Kalk in mehr oder weniger groſsen Mengen.
                              									Ein solcher Ueberschuſs ist durchaus nöthig, wenn einerseits schnelles Absetzen des
                              									Niederschlages, andererseits völlig blankes Aussehen und längere Haltbarkeit des
                              									geklärten Wassers verlangt wird.
                           Während die chemisch-mechanischen Verfahren in der ersten Zeit ihrer Einführung
                              									allgemein sehr sympathisch begrüſst wurden, erheben sich seit einiger Zeit viele
                              									Stimmen dagegen. Besonders wird neuerdings die Ansicht verbreitet, daſs die
                              									Reinigung mit Kalk in Verbindung mit anderen Chemikalien oder mit Kalk allein nicht
                              									nur keinen Reinigungseffect habe, sondern sogar schädlich wirke. Es wird behauptet,
                              									daſs der Kalk lösend auf die im Abwasser suspendirten organischen Stoffe einwirke,
                              									so daſs das gereinigte Wasser mehr organische Substanz gelöst enthalte, als das
                              									ungereinigte. Hieraus hat man dann sogar gefolgert, daſs die Chemikalien keine
                              									Reinigung, vielmehr eine Verunreinigung bewirkt haben. Es wird ferner ausgeführt,
                              									daſs die vom Aetzkalke in Lösung gehaltenen organischen Stoffe nach der
                              									Neutralisation des Kalkes im Flusse, die durch freie Kohlensäure oder
                              									Calciumbicarbonat bewirkt wird, ausfallen, den Fluſs verschlammen und Anlaſs zur
                              									Pilzbildung geben, wodurch dann weitere Uebelstände veranlaſst werden.
                           Besonderes Gewicht hat die Ansicht von der Schädlichkeit des Kalkes erhalten durch
                              									die Veröffentlichungen einer Commission, welche mit der Prüfung verschiedener
                              										MethodenDie Ergebnisse der in der Campagne 1884/85 angestellten amtlichen. Versuche
                                    											über die Wirksamkeit verschiedener Verfahrungsweisen zur Reinigung der
                                    											Abfluſswässer aus Rohzuckerfabriken. Magdeburg, C. Baensch jun.
                              									zur Reinigung von Abwasser aus Rohzuckerfabriken beauftragt war. Diese Commission
                              									hat sich die Ansicht, daſs der Kalk die gelösten organischen Stoffe im Abwasser
                              									vermehre, zu eigen gemacht.
                           Es ist jedenfalls von groſser Bedeutung, daſs die Frage, ob die Reinigung mit Kalk
                              									und Chemikalien schädlich wirkt, aufgeklärt wird. Gewinnt die Ansicht von der
                              									Schädlichkeit des Kalkes in den maſsgebenden Kreisen der Verwaltung an Boden, so ist
                              									die Gefahr vorhanden, daſs die interessirten Städte und Fabriken, welche bereits ein
                              									chemischmechanisches Verfahren zur Reinigung ihrer Abwässer eingeführt haben, gezwungen werden, mit
                              									groſsen Kosten andere Reinigungsmethoden anzuwenden, welche vielleicht auch nach
                              									kurzer Zeit verworfen werden.
                           Die Ansicht, daſs der Kalk stark lösend auf die im Abwasser suspendirten organischen
                              									Stoffe wirken soll, erschien von vornherein unwahrscheinlich, besonders in Folge der
                              									Resultate, die Schreib bei früheren Arbeiten über die
                              									Wirkung des Kalkes auf Proteinstoffe in stärkemehlhaltigen Früchten erhalten hatte.
                              									Zur Aufklärung dieser Frage wurden folgende Versuche angestellt:
                           Zunächst reinigte man Proben ein und desselben Abwassers mit verschiedenen Mengen
                              									Kalk. Wenn der Kalk organische Stoffe löst, so ist anzunehmen, daſs eine gröſsere
                              									Menge Kalk auch eine gröſsere Menge organische Substanz in Lösung bringt. Die
                              									Resultate, die erhalten wurden, zeigt folgende Tabelle:
                           
                              
                                 1)
                                 CaO
                                 mg für 1l
                                 Spur
                                   280
                                   730
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 645
                                   500
                                   530
                                 
                              
                                 2)
                                 CaO
                                 „
                                 230
                                   780
                                 1130
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 490
                                   535
                                   540
                                 
                              
                                 3)
                                 CaO
                                 „
                                 310
                                   540
                                   760
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 705
                                   680
                                   672
                                 
                              
                                 4)
                                 CaO
                                 „
                                 560
                                   952
                                 1260
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 625
                                   770
                                   710
                                 
                              
                                 5)
                                 CaO
                                 „
                                 392
                                 1400
                                 1900
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 610
                                   560
                                   555
                                 
                              
                           Die Zahlen zeigen, daſs bei einem hohen Gehalte an Kalk ebenso wohl weniger wie mehr
                              									organische Stoffe vorhanden waren, als bei einem niedrigen Kalkgehalte; die Befunde
                              									gleichen sich ungefähr aus. Es darf daher wohl behauptet werden, daſs eine mehr oder
                              									weniger groſse Menge von freiem Kalke keinen Einfluſs auf die Reinigung ausübt. Zu
                              									den Zahlen sei noch bemerkt, daſs die Differenzen zum Theile ihren Grund darin
                              									haben, daſs die Bestimmung der organischen Stoffe eine recht ungenaue ist. Die
                              									Bestimmung geschah aus dem Glühverluste unter Beobachtung aller Vorsichtsmaſsregeln,
                              									aber trotzdem ergaben sich Differenzen bis zu 100mg für 1l. Die angegebenen Zahlen in der
                              									obigen Tabelle, ebenso wie die nachfolgenden Zahlen stellen übrigens immer das
                              									Mittel aus wenigstens zwei Bestimmungen dar.
                           Es kam nun weiter darauf an, festzustellen, ob der freie Kalk organische Stoffe
                              									gelöst hält, die bei der Neutralisation des Kalkes, wie behauptet wird, ausfallen.
                              									Um hierüber Aufschluſs zu erhalten, wurden Abwässer, welche viel organische Stoffe
                              									suspendirt enthielten, längere Zeit mit überschüssigem Kalke behandelt und dann die
                              									stark alkalische, klar filtrirte Flüssigkeit mit Kohlensäure neutralisirt. Wenn der
                              									Kalk durch seine specifischen Eigenschaften organische Stoffe in Lösung hielt, so
                              									muſsten dieselben mit dem entstehenden Niederschlage von Calciumcarbonat ausfallen
                              									und sich darin nachweisen lassen. Dieser Nachweis ist indeſs in keinem Falle möglich
                              									gewesen. Der ausgewaschene Niederschlag zeigte beim Glühen nicht die geringste
                              									Bräunung, auch trat kein Geruch nach verbrennender organischer Substanz auf.
                           Dieser Versuch wurde noch dadurch erweitert, daſs die Fällung statt mit Kohlensäure
                              									mit gewöhnlichem Fluſswasser vorgenommen wurde. Es lag ja die Möglichkeit vor, daſs
                              									aus letzterem durch die entstehenden Niederschläge organische Substanz mit
                              									niedergerissen wurde. Der Versuch gab indeſs dieselben Resultate wie vorhin. Ein
                              									fernerer Beweis dagegen, daſs der Kalk organische Stoffe in Lösung hält, liegt
                              									darin, daſs in allen Fällen der im gereinigten Wasser durch Kohlensäure anfangs
                              									entstandene Niederschlag durch weitere Einleitung derselben sich völlig klar wieder
                              									auflöste. Durch Kalk in Lösung gehaltene organische Substanz würde sich unter diesen
                              									Umständen doch wohl nicht gelöst haben.
                           Daſs der Aetzkalk in den Abwässern, welche dem Verfasser vorlagen, organische Stoffe,
                              									die bei seiner Neutralisation ausfallen, nicht in Lösung hielt, scheint durch die
                              									mitgetheilten Versuche genügend erwiesen. Es konnte nun aber doch noch möglich sein,
                              									daſs der Kalk die gelösten organischen Stoffe vermehrt, indem er suspendirte,
                              									unlösliche organische Substanz durch chemische Einwirkung löslich macht, z.B. die
                              									für gewöhnlich in Wasser unlösliche Stärke in die wasserlösliche Modification
                              									umwandelt. Derartige Körper würden bei der Neutralisation des freien Kalkes nicht
                              									ausfallen.
                           Zur Entscheidung dieser Frage reinigte Schreib Abwässer
                              									verschiedener Herkunft mit Kalk und bestimmte die organische Substanz im
                              									unfiltrirten, im filtrirten und im gereinigten Abwasser. Folgende Tabelle zeigt die
                              									Resultate dieser Versuche.
                           
                              
                                 
                                 Abwässerungereinigt undunfiltrirt.
                                 Abwässerungereinigt undfiltrirt.
                                 Abwässergereinigt miCaO.
                                 
                              
                                 
                                 Organ. Stoffemg für 1l
                                 Organ. Stoffemg für 1l
                                 Organ. Stoffemg für 1l
                                 CaOmg für 1l
                                 
                              
                                 1)
                                   655
                                   520
                                   430
                                   450
                                 
                              
                                 2)
                                   930
                                   690
                                   815
                                   560
                                 
                              
                                 3)
                                 1110
                                   810
                                   695
                                   560
                                 
                              
                                 4)
                                   675
                                   505
                                   490
                                 –
                                 
                              
                                 5)
                                 1035
                                   730
                                   565
                                 1090
                                 
                              
                                 6)
                                   625
                                   305
                                   220
                                   336
                                 
                              
                                 7)
                                 2456
                                 1765
                                 1385
                                   582
                                 
                              
                                 8)
                                   870
                                   780
                                   620
                                   649
                                 
                              
                           Wie obige Zahlen zeigen, ist in sieben von den acht Versuchen eine mehr oder weniger
                              									groſse Abnahme der gelösten organischen Stoffe durch die Kalkreinigung erzielt, also
                              									in der überwiegend groſsen Mehrheit der Versuche. Die einzige Ausnahme bei Nr. 2,
                              									welche übrigens auf einem Fehler beruhen kann, stört nicht die Annahme, daſs der
                              									Kalk nicht nur die suspendirten Stoffe entfernt, sondern auch die gelöste organische
                              									Substanz vermindert.
                           Zum weiteren Beweise wurde dann noch filtrirtes Abwasser mit Kalk gereinigt, wobei
                              									sich folgende Zahlen ergaben:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Abwasserfiltrirt ohneKalk
                                 Abwasserfiltrirt und mitCaO gereinigt
                                 
                              
                                 1)
                                 CaO
                                 mg für 1l.
                                 –
                                 1008
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                 1000
                                   825
                                 
                              
                                 2)
                                 CaO
                                 „
                                 –
                                   540
                                 
                              
                                 
                                 Organische Stoffe
                                 „
                                   780
                                   600
                                 
                              
                           Durch die mitgetheilten Resultate hält Schreib für
                              									erwiesen, daſs bei den Abwässern, welche ihm vorlagen, der Aetzkalk keineswegs eine
                              									schädliche Wirkung gezeigt, sondern im Gegentheile entschieden günstig gewirkt hat.
                              									Es sind durch den freien Kalk weder die gelösten Stoffe vermehrt, noch hielt der
                              									Kalk organische Stoffe in Lösung, die bei seiner Neutralisation ausfielen:, ebenso
                              									wirkte ein gröſserer Ueberschuſs nicht anders als ein geringer.
                           Natürlich soll das eben Gesagte nicht auf alle Abwässer ausgedehnt werden, es soll
                              									nur für die Abwässer gelten, welche Schreib untersucht
                              									hat. Diese Versuche umfassen übrigens Abwässer sehr verschiedener Herkunft, nämlich
                              									diejenigen von Stärke–, Pappen- und Zuckerfabriken, sowie städtisches Spülwasser,
                              									also schon ein ziemlich groſses Gebiet. Es ist auch anzunehmen, daſs die meisten
                              									Abwässer, welche eine gröſsere Menge organische Stoffe enthalten, und diese kommen
                              									hier nur in Betracht, sich ganz ähnlich gegen Kalk verhalten, wie die untersuchten
                              									Abwässer.
                           Wenn Andere zu abweichenden Resultaten gekommen sind, also eine Vermehrung der
                              									gelösten organischen Stoffe durch Kalk bemerkt haben, so wird das in den meisten
                              									Fällen daran liegen, daſs sich die Proben des gereinigten und ungereinigten Wassers
                              									nicht entsprachen, oder daſs die Proben zu spät zur Untersuchung gelangten. Im
                              									letzteren Falle wird im ungereinigten Abwasser durch Gährung ein Theil der
                              									organischen Stoffe gasificirt, während in dem gereinigten Wasser die organische
                              									Substanz, deren Zersetzung durch den freien Kalk sistirt ist, sich voll erhält. Nach
                              									mehreren Tagen findet man daher im gereinigten Wasser mehr organische Stoffe als im
                              									ungereinigten, während am ersten Tage das Gegentheil der Fall ist.
                           Um die Wirkung der verschiedenen Methoden möglichst genau vergleichen zu können, um
                              									ihren Reinigungseffect zu erfahren, würde es am einfachsten sein, wenn sämmtliche zu
                              									vergleichenden Verfahren an ein und demselben Abwasser versucht würden. Da Abwasser
                              									jedoch eine sehr zersetzliche Substanz ist und die Zersetzung auch im gereinigten
                              									kalkhaltigen Wasser, wenn auch nur in geringem Grade, stattfindet, ist es stets
                              									erforderlich, die Analysen der betreffenden Proben sofort und gleichzeitig
                              									vorzunehmen. Hierzu bedarf man aber bei der Prüfung mehrerer Methoden ganz
                              									besonderer Einrichtungen. Schreib hat neben der
                              									Kalkmethode fünf andere, also im Ganzen sechs Verfahren geprüft. Rechnet man dazu
                              									das unfiltrirte und filtrirte Abwasser, so würden acht Bestimmungen zu machen sein,
                              									und zwar an einem Tage;
                              									zudem würde jede doppelt gemacht werden müssen. Schreib
                              									hat es indessen vorgezogen, einen anderen Weg einzuschlagen, der aber jedenfalls
                              									auch sicher zum Ziele führt.
                           Da es nach dem Verhalten des Kalkes gegen unfiltrirtes und filtrirtes Abwasser als
                              									feststehend zu betrachten ist, daſs derselbe auch die gelösten organischen Stoffe
                              									theilweise entfernt hat, so ist also der Reinigungseffect. des Kalkes bekannt, und
                              									es kann derselbe als Maſsstab für die reinigende Wirkung der anderen Verfahren
                              									dienen. Das Verfahren, welches am besten wirkte, muſste die kleinste Menge
                              									organischer Stoffe zurücklassen.
                           Die Reinigung erfolgte durch:
                           
                              
                                 Nr.
                                 Kalk allein
                                 Kalk und 0g,2Kieselpräparatfür 1l
                                 Kalk und 0g,2Wasserglasfür 1l
                                 
                              
                                   1.
                                         600Die Zahlen geben die organischen Stoffe in mg für 1l an.
                                   530
                                   602
                                 
                              
                                   2.
                                   455
                                   485
                                   515
                                 
                              
                                   3.
                                   610
                                   605
                                   560
                                 
                              
                                   4.
                                   540
                                   490
                                   533
                                 
                              
                                   5.
                                   672
                                   705
                                   680
                                 
                              
                                   6.
                                 1075
                                 1250
                                 1290
                                 
                              
                                 
                                 Kalk allein
                                 Kalk und 0g,2Aluminiumsulfatfür 1l
                                 Kalk und 0g,2Eisenvitriolfür 1l
                                 
                              
                                   7.
                                   560
                                   535
                                   545
                                 
                              
                                   8.
                                   350
                                   330
                                   295
                                 
                              
                                   9.
                                   210
                                   205
                                   260
                                 
                              
                                 10.
                                   247
                                   252
                                   220
                                 
                              
                                 
                                 Kalk allein
                                 Kalk und 0g,2Aluminiumsulfatfür 1l
                                 Kalk und 0g,2Magnesiumsulfatfür 1l
                                 
                              
                                 11.
                                   765
                                   787
                                   815
                                 
                              
                                 12.
                                   475
                                   525
                                   455
                                 
                              
                                 13.
                                   180
                                   152
                                   123
                                 
                              
                                 14.
                                   765
                                   712
                                   787
                                 
                              
                           Wie die Betrachtung der Zahlen zeigt, sind erhebliche Unterschiede nicht vorhanden,
                              									die Differenzen kommen bald dem einen, bald dem anderen Verfahren zu Gute. Ferner
                              									sind sie aber auch so gering, daſs sie, mit einigen Ausnahmen, auf die ungenügende
                              									Bestimmungsmethode geschoben werden müssen, sie fallen noch in den Bereich der
                              									Fehlergrenze.
                           Wenn man den Durchschnitt aus den drei Gruppen der Tabelle nimmt, so ergibt sich
                              									folgendes Bild:
                           
                              
                                 I.
                                 Reinigung mit Kalk alleinReinigung mit Kalk
                                    											und    KieselsäurepräparatReinigung mit Kalk
                                    											und    Wasserglas
                                 je 6 Versucheergabenim Mittel
                                 659mg678 „697
                                    											„
                                 organischeStoffefür 1l
                                 
                              
                                 II.
                                 Reinigung mit Kalk alleinReinigung mit Kalk
                                    											und    schwefelsaurer ThonerdeReinigung mit Kalk
                                    											und    Eisenvitriol
                                 je 4 Versucheergabenim Mittel
                                 342mg330 „330
                                    											„
                                 organischeStoffefür 1l
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 III.
                                 Reinigung mit Kalk alleinReinigung mit Kalk
                                    											und    schwefelsaurer ThonerdeReinigung mit Kalk
                                    											und    schwefelsaurer Magnesia
                                 je 4 Versucheergabenim Mittel
                                 546mg544 „545
                                    											„
                                 organischeStoffefür 1l
                                 
                              
                           Man sieht, die Durchschnittsdifferenzen sind sehr gering. Bei der ersten Gruppe hat
                              									nach der Tabelle die Kalkreinigung am besten gewirkt, da durch dieselbe im
                              									Durchschnitte 19mg organische Substanz mehr als
                              									mit Kieselpräparat und 38mg mehr als mit
                              									Wasserglas entfernt sind. Auf diese Berechnung kann man indeſs nicht viel geben, da
                              									das Resultat derselben von Zufälligkeiten abhängen kann; es scheint richtiger, nach
                              									der Zahl der Versuche zu gehen.
                           Betrachtet man z.B. die Zahl der Proben unter Gruppe I, so hat bei den untersuchten
                              									sechs Abwässern die Kalkreinigung in drei Fällen und die Reinigung nach den beiden
                              									anderen Verfahren ebenfalls in drei Fällen die besten Resultate ergeben. Danach
                              									stehen die beiden Verfahren genau auf derselben Höhe wie die Kalkreinigung, und
                              									folglich sind sich alle drei Verfahren gleichwerthig.
                           Die Durchschnittsdifferenzen der beiden anderen Gruppen erweisen sich ebenfalls als
                              									so gering, daſs sie gar nicht in Betracht kommen können. Einmal werden sie durch die
                              									unvermeidlichen Analysenfehler völlig erklärt, andererseits würde auch die
                              									Entfernung von etwa 20mg organischer Substanz für
                              										1l mehr in der Praxis ohne jede Bedeutung
                              									sein. Bemiſst man bei den beiden Gruppen die Wirkung nach der Zahl der Versuche wie
                              									bei Gruppe I, so ergibt sich auch hier ein fast völliger Ausgleich.
                           Schreib zieht aus den mitgetheilten Versuchen den
                              									Schluſs, daſs durch den Zusatz anderer Chemikalien zur Wasserreinigung auſser Kalk
                              									bei denjenigen Abwassern, welche er untersuchte, absolut kein besserer
                              									Reinigungseffect erzielt ist als durch Kalk allein. Ferner nimmt er an, daſs bei den
                              									meisten Abwassern Kalk allein zur Reinigung und Klärung völlig genügend wirkt, und
                              									zwar aus folgenden Gründen:
                           Die chemische Klärung der Abwasser beruht allgemein darauf, daſs in der Flüssigkeit
                              									selbst ein Niederschlag gebildet wird, der, aufs feinste durch die ganze Flüssigkeit
                              									vertheilt, beim Zusammenballen zu Flocken die kleinsten suspendirten Theile einhüllt
                              									und zu Boden reiſst. Hierdurch entsteht die Wirkung, daſs eine Flüssigkeit, welche
                              									durch ein Filter noch trübe läuft, völlig geklärt wird. Um derartige klärende
                              									Niederschläge zu erzielen, sollen nach den verschiedenen chemisch-mechanischen
                              									Verfahren Salze angewendet werden, die mit Kalk Fällungen geben, z.B. schwefelsaure
                              									Thonerde, Eisenvitriol u.s.w., also solche Salze, wie sie Schreib bei den beschriebenen Versuchen verwendet hat. Nun liegt es aber
                              									auf der Hand, daſs ein Zusatz nicht nöthig ist, wenn das zu reinigende Abwasser
                              									schon solche Salze oder sonstige Substanzen enthält, die mit Kalk Niederschläge
                              									erzeugen. Das ist in den
                              									meisten Abwässern der Fall. Es sind entweder anorganische Körper vorhanden, durch
                              									deren Umsetzung mit Kalk der gewünschte Niederschlag entsteht, oder es sind
                              									organische Stoffe, die direkt oder indirekt durch Kalk ausgefällt werden. Direkt
                              									entsteht die Fällung durch unlösliche Verbindungen gewisser organischer Säuren mit
                              									Kalk, indirekt werden Proteïnstoffe ausgefällt, indem der Kalk die Säuren, durch
                              									welche die Proteine in Lösung gehalten werden, abstumpft. Diese, durch organische
                              									Stoffe entstehenden Niederschläge sind im hohen Grade voluminös und besitzen die
                              									Fähigkeit, sich rasch zu Flocken, zusammenzuballen, wodurch eine ausgezeichnete
                              									Klärung erreicht wird. Es sei hier an die Benutzung der Hausenblase und Gelatine zur
                              									Klärung von Getränken erinnert.
                           Daſs ferner die Wirkung gewisser Zusätze durch Kalk allein erzielt werden kann, wird
                              									klar, wenn man bedenkt, daſs der Kalk des Handels, der zur Reinigung benutzt wird,
                              									kein reines Calciumoxyd ist, sondern viele andere Stoffe, wie Eisen, Kieselsäure,
                              									Thonerde u.s.w.,. enthält. Den beiden letzteren Stoffen schreibt man gewöhnlich
                              									groſse Wirkung zu. Da sich dieselben im gebrannten Kalke bestimmt in einem möglichst
                              									aufgeschlossenen Zustande befinden, so ist nicht zu bezweifeln, daſs sie
                              									dementsprechende Wirkungen hervorbringen. Das im Kalke enthaltene Eisen entfernt
                              									jedenfalls ebenso gut den Schwefelwasserstoff, wie es durch Eisenvitriol möglich
                              									ist.
                           Aus dem Dargelegten geht hervor, daſs es sich empfiehlt, zur Wasserreinigung keinen
                              									allzu reinen Kalk, wie Weiſskalk, zu nehmen; der sogen. Wasserkalk wird sich am
                              									besten dazu eignen.
                           Daſs also andere Chemikalien auſser Kalk zur Reinigung von Abwasser nicht nöthig
                              									sind, daſs ein höherer Reinigungseffect durch sie nicht erzielt wird, glaubt Schreib genügend bewiesen zu haben.Ausnahmen finden natürlich statt, allgemein gültige Regeln lassen sich für
                                    											Abwasser nicht aufstellen. Nun wird aber noch behauptet, daſs
                              									Zusätze die Schnelligkeit der Ausfällung bedeutend vermehrten und daher nicht zu
                              									entbehren seien. Schreib ist dagegen der Ansicht, daſs
                              									Kalk allein im Allgemeinen ebenso schnell klärt, wie bei Gegenwart von Zusätzen;
                              									Ausnahmen gibt es ja auch hier. Wenn aber auch die klärende Wirkung des Kalkes
                              									allein wirklich nicht so schnell vor sich ginge wie durch Zusatz anderer
                              									Chemikalien, so kann das doch nur beschränkten Werth haben.
                           Der Grund, den man vielfach für die Nothwendigkeit einer schnellen Fällung angibt,
                              									nämlich die schädliche lösende Wirkung des freien Kalkes auf die organischen
                              									suspendirten Stoffe, ist nach dem Mitgetheilten hinfällig. Eine schnell vor sich
                              									gehende Klärung mag dort nöthig sein, wo wenig Platz für die Kläranlage ist und
                              									daher ein continuirlich wirkendes System von Apparaten und Tiefgruben gewählt wird.
                              									Derartige complicirte Anlagen erzielen aber jedenfalls keine bessere Klärung als die
                              									einfachen Absatzbassins, nur kommt ihre Anlage bedeutend theuerer.
                           Es soll nun noch das Verhalten des überschüssigen Kalkes beim Eintreten des Abwassers
                              									in den Fluſslauf betrachtet werden. Es ist nicht zu bezweifeln, daſs eine gröſsere
                              									Menge des freien Kalkes im Flusse schädlich wirken kann, indem dadurch Fische
                              									getödtet werden, auch eine starke Trübung durch sich ausscheidenden kohlensauren
                              									Kalk entsteht. Letzteres kann allerdings wohl kaum Schaden anrichten, sieht aber
                              									schlecht aus. Völlig verkehrt ist es jedoch, anzunehmen, daſs jedesmal derartige
                              									Wirkungen eintreten müssen. Es richtet sich das ganz nach dem Verhältnisse der
                              									Gröſse des Fluſslaufes zur Menge des Abwassers.
                           Die Bedingungen, unter denen Abwasser mit einem Wasserlaufe zusammentrifft, sind ja
                              									ungemein verschieden. Es gibt Fälle, in welchen das ganze Wasser eines kleinen
                              									Baches von einer Stadt oder Fabrik verbraucht wird, wo also der ganze Wasserlauf
                              									gereinigt werden muſs. In anderen Fällen steht die Menge des Ablaufes zum
                              									Fluſswasser wie 1 : 1000 und noch günstiger. Daher wird man in jedem einzelnen Falle
                              									die Verdünnung prüfen müssen, welcher einfache Grundsatz, obwohl schon so häufig
                              									betont, noch häufiger nicht beachtet wird. Die Ansicht, daſs auch bei gröſserer
                              									Verdünnung der freie Kalk insofern schädlich wirkt, als er durch seine Abscheidung
                              									als kohlensaurer Kalk organische Stoffe frei macht und niederschlägt, hält Schreib für irrig. Die Ausscheidung des kohlensauren
                              									Kalkes findet jedenfalls auch nicht in solchem Maſse statt, wie häufig angenommen
                              									wird. Man vernachlässigt meistens die Thatsache, daſs der kohlensaure Kalk etwas
                              									löslich im Wasser ist. Hierzu kommt, daſs ein weiterer Theil des sich bildenden
                              									kohlensauren Kalkes, welcher sich wohl nach längerem Stehen abscheiden würde, im
                              									Flusse noch in Lösung bleibt und fortgeführt wird, bis er durch weitere Verdünnung
                              									oder freie Kohlensäure völlig löslich wird.
                           Wenn nun auch die Bedenken gegen das Vorhandensein des freien Kalkes im Abwasser in
                              									den Fällen ausreichender Verdünnung durch den Fluſslauf fallen zu lassen sind, so
                              									ist doch entschieden ein groſser Ueberschuſs von Aetzkalk zu vermeiden, um so mehr,
                              									weil er unnütz ist und nur höhere Kosten verursacht. Ein gröſserer Ueberschuſs von
                              									Kalk, der 300 bis 600mg Aetzkalk für 1l betragen kann, ist nöthig, wenn blankes Aussehen
                              									und längere Haltbarkeit des gereinigten Abwassers verlangt wird. Nimmt man weniger
                              									Kalk, so behalten die meisten Abwasser eine leichte opalisirende Trübung, welche
                              									auch durch gewöhnliche Filtration nicht wegzuschaffen ist. Dieselbe ist in den
                              									meisten Fällen so gering, daſs sie durch die Analyse nicht nachgewiesen werden kann.
                              									Da aber das Abwasser durch diese leichte Trübung in dickeren Schichten
                              									undurchsichtig erscheint, haben viele Verwaltungsbehörden die Bedingung gestellt, die Abwässer
                              									so weit zu klären, daſs durch eine Schicht von bestimmter Höhe gewöhnlicher
                              									Zeitungsdruck noch zu lesen ist, ferner wird noch eine Haltbarkeit von etwa 14 Tagen
                              									gefordert.
                           Um beiden genannten Forderungen nachzukommen, sind die betreffenden Kläranlagen
                              									gezwungen, einen gröſseren Ueberschuſs von Kalk zu nehmen. Eine bessere Reinigung
                              									wird dadurch nicht erzielt, aber das Abwasser sieht klarer aus. Gegen die erwähnten
                              									Vorschriften sind übrigens schon viele Stimmen laut geworden, und es ist daher zu
                              									hoffen, daſs man diese Forderungen fallen lassen wird.
                           Jedenfalls sollte der Ablauf eines Abwassers gestattet sein, wenn es auch noch eine
                              									geringe opalisirende Trübung zeigt. Das Hauptmoment für die Beurtheilung, ob ein
                              									Abwasser genügend gereinigt ist und ob sein Ablauf gestattet werden soll, bleibt
                              									immer die Verdünnung, die es im Flusse erfährt.