| Titel: | Ueber das Mannesmann'sche Walzverfahren mittels Schrägwalzwerkes. | 
| Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 22 | 
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                        Ueber das Mannesmann'sche Walzverfahren mittels
                           									Schrägwalzwerkes.Vgl. 1887 265 * 542. 1888 260 * 454.
                                 										* 503. 1889 273 * 478.
                        Mit Abbildungen.
                        Mannesmann'sches Walzverfahren mittels
                           								Schrägwalzwerkes.
                        
                     
                        
                           Lange Zeit hindurch fehlte in der technischen Literatur jede zuverlässige Mittheilung
                              									über die Entwickelung des Mannesmann'schen
                              									Walzverfahrens; man wuſste nur, daſs in den betreffenden Anlagen, in Remscheid,
                              									Komotau und in Bous, unablässig Versuche mit dem Verfahren und den Einrichtungen
                              									gemacht wurden. In Folge der langen Dauer dieser Versuche wurden vielfach Stimmen
                              									dahin laut, daſs das ganze Verfahren sich als praktisch unbrauchbar herausgestellt
                              									habe. Derjenige Techniker, welcher schon vor der Aufgabe gestanden hat, eine
                              									Construction oder ein Arbeitsverfahren auszubilden, für welches Vorarbeiten noch
                              									nicht vorliegen, konnte sich die Verzögerung wohl erklären und war aus diesem Grunde
                              									mit seinem Urtheile zurückhaltend. Im vorliegenden Falle war dies um so mehr
                              									angezeigt, als für das vollständig neue Verfahren, für welches nur einige geringe
                              									Anhaltspunkte aus ähnlichen Verfahren, die jedoch ganz andere Ziele verfolgten und
                              									mit geringeren Vorrichtungen arbeiteten, als nunmehr erforderlich sind, vorlagen,
                              									und mithin sowohl das Verfahren selbst, als auch die einschlägigen mechanischen
                              									Vorrichtungen von Grund aus durchgeprobt bezieh. erfunden werden muſsten.
                           Nach den neuerlichen Mittheilungen, welche Geheimrath Reuleaux im Vereine deutscher Ingenieure,
                              									sowie in der Sitzung des Vereins für Eisenbahnkunde
                              									machte, bei welcher Gelegenheit überraschende Probestücke aus dem
                              									Schrägwalzverfahren vorgelegt wurden, sind wohl alle Zweifel, welche noch gehegt
                              									werden konnten, als beseitigt anzusehen. Wir entnehmen dem in Glaser's Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni
                              									1890, S. 265, mitgetheilten Reuleaux'schen Vortrage das
                              									Nachstehende, soweit dasselbe unsere früheren Berichte ergänzt oder neue
                              									Gesichtspunkte für die Erklärung des Vorganges bietet.
                           Die äuſserst bemerkenswerthe Probesammlung enthielt Röhren von jeder Weite zwischen
                              									2½ und 363mm, mit Wandstärken von 3 bis 50mm, Längen von irgendwie üblicher Ausdehnung 3, 4,
                              										5m, ja als Kraftstück in Längenausdehnung ein
                              									siebenfach zusammengefaltenes Rohr von nahezu 15m
                              									Länge; ferner eine „Flasche“ für Kohlensäure, welche mit 200at Druck geprüft ist; eine Reihe
                              									Wasserleitungsröhren von 100mm Weite bei 5mm Wanddicke, alle auf 150at geprüft und zu einer Wasserleitung für
                              									Südamerika bestimmt. Mehrere der Röhren waren zu Schlingen gebogen, in welcher Form
                              									sie als Dehnungskuppelungen (Compensationsvorrichtungen) dienen sollen; diese
                              									Bearbeitung würde ein geschweiſstes Rohr kaum irgendwie vertragen, noch weniger aber
                              										die Biegung in
                              									Schleifen und Knoten, welche in mehreren Ausführungen an Rohren von etwa 1mm,5 Wanddicke vorgelegt waren, Güteproben, welche
                              									man früher auf Ausstellungen anstaunte, wenn sie an vollen Rundstäben aus
                              									Schmiedeeisen gelungen waren, ohne demselben Längsrisse zu ertheilen, die aber hier
                              									an blechdünnen Röhren ohne eine Spur von Wandbruch ausgeführt sind. Ein etwa
                              									fuſsweites Stahlrohr war durch eine Reihe sich kreuzweise folgender
                              									Dampfhammerschläge zu einem Gebilde gehämmert, welches Kinderspiel wohl aus Papier
                              									als sogen. Hexentreppe gestaltet. Ferner wurde ausgestellt: Ein Dampfdom, sauber und
                              									scharf, oben nach innen, unten nach auſsen gebörtelt; Röhren, breit und dünn
                              									ausgeflanscht, ja umgestülpt wie Handschuhfinger – und nirgends auch nur einen
                              									Einriſs, einen Fehler, eine schlechte Stelle in der Wandung. Zum Nachweise der
                              									Dehnbarkeit waren Muster von kalt gezogenen Röhren ausgestellt, Röhren von 1 und
                              										1mm,5 Wanddicke, welche aus 6 und 8mm in der Wand haltenden Rohstücken gezogen sind
                              									und sich riſsfrei, glatt und sauber, sowohl auſsen als innen, erweisen. Das sind
                              									wahrlich Leistungen, welche die technische Brauchbarkeit der Erzeugnisse in ein
                              									glänzendes, die erwähnten Zweifel völlig beseitigendes Licht stellen.
                           Der Vortragende betrachtet vom kinematischen Standpunkte aus das alte Walz verfahren
                              									als ein Getriebe, bei welchem die obere und untere Walze die Treibräder bilden,
                              									während der zwischen denselben bewegte Stab als aus zwei conaxialen Reibrädern von
                              									unendlich groſsem Halbmesser aufzufassen wäre.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 277, S. 23
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 277, S. 23
                              
                           Reibradwirkung besonderer Art ist es auch, welche bei dem Mannesmann'schen Verfahren zur Anwendung kommt. Fig. 1 stellt ein Reibräderwerk dar, bei welchem beispielsweise das
                              									scheibenförmige Rad a treibend zu wirken haben möge;
                              										c ist dann das getriebene Stück, welches bei d1 und d2 drehbar und zugleich
                              									verschiebbar gelagert sei. Umtreibung von a mittels der
                              									Kurbel setzt, wenn genügende Anpressung vorhanden ist, das walzenförmige Stück c in Bewegung und zwar in der Ebene des Rades a mit der Geschwindigkeit v. Diese Bewegung zerlegt sich an c in eine
                              									Drehung mit der Umfangsschnelle v cos α und eine axiale Schiebung von der
                              									Schnelle v sin α, wenn α
                              									den Winkel bedeutet, welchen die Ebene von a mit der
                              									Normalebene von c einschlieſst. Das Stück c wird also sowohl gedreht, als vorwärts getrieben,
                              									letzteres um so schneller, als α gröſser gewählt
                              									worden.
                           Sicherer noch kann man diese Wirkung machen, wenn man zwei treibende Reibräder
                              									einander gegenüber auf c wirken läſst (Fig. 2); die Achse von c
                              									wird dann nicht mehr durch den Druck gebogen. Die treibenden Räder a und b müssen in gleichem
                              									Sinne angetrieben, auch mit gleichen Pressungen angedrückt, sowie gleich schräg
                              									eingestellt werden. An dieser so vervollkommneten Vorrichtung wollen wir nun noch
                              									eine Aenderung anbringen, nämlich bei d2 den Zapfen der Achse mit Anläufen versehen,
                              									vermöge deren er das Lager mitzunehmen suchen wird; dieses Lager aber wollen wir
                              									zwischen Führungsschienen etwas einklemmen, so daſs sich seinem Fortschreiten
                              									Reibung entgegensetzt. Die Folge wird sein, daſs nun zwar die Drehung der Walze c noch wie vorhin stattfinden kann (mit der
                              									Umfangsschnelle v cos α), die Schiebung aber behindert
                              									sein wird. Dabei aber entsteht an der Umfläche von c
                              									eine treibende Wirkung vermöge der Reibung zwischen a
                              									und b einerseits, c
                              									andererseits, eine Wirkung, welche die Oberflächentheilchen der Walze c in der Richtung der erwähnten Schiebung zu verlegen
                              									sucht. Ist nun der Stoff, aus dem c besteht, bildsam
                              									nachgiebig, so findet eine derartige Verlegung der Oberflächentheile der Walze
                              									wirklich statt. Solches aber geschieht bei dem Mannesmann'schen „Schrägwalzwerk“.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 277, S. 24
                              
                           Fig. 3 stellt dasselbe schematisch dar. Statt der
                              									scheibenförmigen Reibräder a und b sind stählerne Walzen angewandt, welche behufs
                              									Vergröſserung der Reibung an ihren Umfangen mit spiraligen Aufrauhungen
                              										(„Treibwülsten“) ausgestattet sind; zwischen sie ist der erhitzte und
                              									dadurch bildsam gemachte Block, Knüppel oder Zain gebracht, der durch seitlich
                              									aufgestellte Schienen am Herausfallen verhindert wird. Triebe man nun die Walzen
                              									entsprechend um, so würde der Stab, wie bei Fig. 1
                              									besprochen, mit der Schnelle v sin α vorgetrieben, mit
                              									der Umfangsschnelle v cos α gedreht werden. Noch fehlt
                              									die obige Bremsung, die aber dadurch erzielt wird, daſs die Walzen an ihrem hinteren
                              									Ende kegelförmig abgestumpft sind und so nahe zusammengestellt werden, daſs der Zain
                              									zuerst eine Verdünnung annehmen muſs, um zwischen die Walzen zu gelangen. Dadurch
                              									bildet sich an dem Stabe eine Schulter, ein Anpaſs, welcher sich gegen die erwähnten
                              									Abstumpfungen der Walzen stemmt und ein Aufhalten des Zaines, eine Behinderung des
                              									Fortschreitens desselben als Ganzes bewirkt. Die Folge ist, daſs nun wirklich die
                              									Oberfläche des Stabes mehr vorgeschoben wird, als der Stab als Ganzes, und sich
                              									demnach gerade an der Griffstelle des Walzenpaares eine becherförmige Vertiefung des
                              									Blockes bilden muſs. Indem nun der Stab nachrückt, geht immer aufs Neue gerade an
                              									der Griffstelle die Becherbildung vor sich. Der Becherrand, es so zu nennen, kommt
                              									während dessen zwischen die vorderen, geglätteten Umflächentheile der Walzen und
                              									erhält äuſserliche Glättung. Die Aufeinanderfolge der Becherränder bildet das durch
                              									Punktirung angedeutete Rohr. Dem Blocke wird also, um es mit einem Bilde zu
                              									bezeichnen, gleichsam die Haut über den Kopf gestreift, und das geschieht
                              									fortgesetzt, bis der Stab den Walzraum durchschritten hat und ganz als Rohr
                              									gestaltet vorn herausgetreten ist. Man hat sich den Vorgang als äuſserst rasch
                              									verlaufend vorzustellen. Groſse Schnelle muſs angewandt werden, damit der Stab sich
                              									nicht während der Arbeit abkühlt. Sehr bemerkenswerth ist für den Zuschauer der
                              									Augenblick, wo auch das letzte Ende des Stabes sich zum Rohr gestaltet. Ein
                              									Lichtpunkt blitzt auf am Stabende, rasch sich zu einem hellglühenden Kreislein
                              									erweiternd und dann rüttelnd und rollend sich als das Ende des Rohrinnern
                              									offenbarend. Der volle Block wird auf diese Weise zum Rohr umgestaltet; die Erfinder
                              									nennen das Verfahren das Blocken des Rohrs. Die Innenfläche des geblockten Rohrs
                              									zeigt sich verhältniſsmäſsig sauber und so zu sagen glatt, weit gleichförmiger, als
                              									man vermuthen sollte; die Gleichförmigkeit der Einwirkung von allen Umfangspunkten
                              									aus, eine gleichförmige Erhitzung des ganzen Stabes vorausgesetzt, bedingt auch,
                              									daſs ziemlich genau dieselbe Wirkung auf jedes Stofftheilchen komme und daſs demnach
                              									die neu verlegten Theilchen sich auch genau ringförmig, parallel der Umfläche
                              									anordnen.
                           Sollte aber nun die Aufhaltung des Blockes am hinteren Ende der Walzen, welche die
                              									Bremsung vertritt, einmal nicht bewirkt werden–, was wird geschehen? Die
                              									Becherbildung tritt nicht ein. Dies aber kann man benutzen, um das Rohr am Ende
                              									geschlossen herzustellen, mit anderen Worten: dem Becher einen Boden zu geben. Zu
                              									dem Ende braucht man bloſs den Zain am hinteren Ende zuzuspitzen, so daſs die
                              									Walzenabstumpfungen das Ende nicht mehr fassen können; dann bleibt ein Boden stehen.
                              									Denselben Kunstgriff kann man aber auch am vordersten Ende des Zaines anwenden, dann
                              									öffnet sich auch vorn der Block nicht. Wohl aber thut er das auf der mittleren
                              									Erstreckung des Blockes, und dieser muſs sich zu einem Hohlkörper gestalten, welcher
                              									an beiden Enden geschlossen ist, etwa wie der Cocon einer Seidenraupe. Solche
                              									Coconröhren haben die Erfinder vielfach hergestellt. Man durfte gespannt sein, was
                              									sich im Inneren des so merkwürdigen Hohlraumes vorfinde, vielleicht Luftleere, oder
                              									ein Gas? Sehr sorgfältige Untersuchungen, welche Prof. Finkener hierselbst vorgenommen, haben erwiesen, daſs die Höhlung zu 99
                              									Proc. Wasserstoffgas barg, das letzte Procent war Stickstoff und Unbestimmtes. Für die
                              									Stahltheorie ist dieses Ergebniſs von keineswegs unbedeutendem Werthe (1890 276 575).
                           Die bisher beschriebene Arbeitsweise, das Rohrstück mittels der Walzenabstumpfungen
                              									zurückzuhalten, ist nicht immer bequem, z.B. dann nicht, wenn die Schrägstellung der
                              									Walzen aus irgend welchen Gründen groſs sein muſs. Deshalb wenden die Erfinder auch
                              									noch ein anderes Aufhaltungsmittel an, nämlich den Dorn. Derselbe ist rundlich
                              									zugespitzt, mit seiner Stange drehbar aufgestellt, und wird dem vorschreitenden
                              									Block gerade an der Stelle entgegengestellt, wo die Becherbildung beginnt. Um ihn
                              									herum legen sich dann die Stofftheilchen während des Vorschreitens des Rohres.
                              									Mittels Stellschraube am Handrad wird während des Walzens der Dorn so weit
                              									entgegengeschoben, als es dem Walzvorgang am besten entspricht, was ein eingeübter
                              									Mann sehr bald lernt. Der Dornkolben, der lose auf der vierkantigen Spitze der
                              									Dornstange sitzt, fällt herab, sobald die Rohrbildung vollzogen ist, worauf die
                              									Stange herausgezogen wird.
                           Der Betrieb der Walzen wird mittels gelenkiger Kuppelungen bewirkt; diese gestatten,
                              									die Walzenachsen völlig nach Bedarf mehr oder weniger schräg, weit aus einander oder
                              									eng zusammen zu stellen. Aus dem Besprochenen geht übrigens auch hervor, daſs Dicke
                              									und Weite des zu erzeugenden Rohres auſser von der Dicke des Rohstücks stark von der
                              									Walzeneinstellung abhängen. In der That kann man denn auch mit demselben Walzenpaare
                              									ganz dünne, wie auch ganz dicke, starkwandige sowohl als dünnwandige Rohre
                              									herstellen.
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 277, S. 26
                              
                           Fertig gestellte, ohne oder mit Dorn erzeugte Rohre kann man auf dem Schrägwalzwerk
                              									auch noch aufweiten, indem man sie, nachdem sie wieder erhitzt sind, bei
                              									angemessener Walzeneinstellung wieder in das Walzwerk einführt. Stärkere
                              									Erweiterungen werden indessen von den Erfindern mit Vorzug auf einem zweiten
                              									Walzwerk, dem Scheibenwalzwerk (Fig. 4) ausgeführt.
                              									Die Walzscheiben a und b
                              									sind stumpfe Kegel, welche mit schneckenförmigen Treibwülsten ausgerüstet sind. Man
                              									gibt den Scheiben entgegengesetzte, an Gröſse gleiche Drehungen, derart, daſs sie
                              									ein zwischen sie gebrachtes Rohstück, hier ein Rohr, in Drehung versetzen, aber
                              									vermöge der Treibwülste auch voranschieben. Hier wird nun ein Dorn d in besondere Mitwirkung gezogen, indem derselbe so in seiner Form
                              									gewählt ist, daſs er zwischen sich und den Scheiben Raum für einen kegelförmigen
                              									Mantel von abnehmender Stoffdicke läſst, auch entsprechend angepreſst, nämlich der
                              									Vorschreitungsrichtung des Rohres entgegengestellt wird. Zwischen a und d sowie b und d findet nunmehr
                              									Walzung statt, welche mit dem alten Walz verfahren verwandt ist. Das Rohr c wird gleichsam durch drei Walzen, ein
                              										„Walzentrio“, bearbeitet, dabei von den schneckenförmigen Wülsten stets
                              									zwischen die Walzenballen gedrängt und tritt in der ausgeweiteten, in der Wand
                              									verdünnten Form c1 aus
                              									dem Scheibenwerk heraus.
                           Blockstraſse und Scheibenstraſse sind die wichtigsten der neuen Walzwerke, die
                              									beschriebenen Verfahrungsweisen auch die am meisten angewandten; auf andere
                              									einzugehen, ist hier nicht der Ort. Dagegen muſs ich noch von den mechanischen
                              									Mitteln sprechen, durch welche die Walzen betrieben, ihnen die erforderliche
                              									Triebkraft zugeleitet wird. In der That stellten sich den Erfindern an diesem Punkte
                              									Hindernisse nicht geringer Art entgegen; ja, Berge von Hindernissen fanden sie zu
                              									überwinden, um zu dem klar erkannten Ziele vorzudringen.
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 277, S. 27
                              
                           Früh schon wurde nach dem Bekanntwerden der Patentschriften von mehreren Seiten dem
                              									neuen Verfahren der Einwurf gemacht, daſs es zu viel Betriebskraft erfordere (1888
                              										269 *463). Es wurde berechnet, daſs für die
                              									Herstellung eines 50 bis 60mm weiten Rohres gegen
                              									2000  aufzuwenden sein würden. Diese Berechnung ist im Allgemeinen als
                              									vollkommen richtig anzuerkennen, die daraus gezogene Folgerung, daſs dieses
                              									Krafterforderniſs das Verfahren verurtheile, aber nicht. Zunächst darf man nicht
                              									vergessen, daſs zur Umwandlung des Blockes in Blech und Bildung eines Rohres der
                              									alten Art aus diesem ganz ebenso viel Arbeit zur Verlegung der Stofftheilchen nöthig
                              									ist, wie bei dem neuen Verfahren. Dieses letztere vollzieht die Formumwandlung nur
                              									in ganz kurzer Zeit, statt in langer. Aber gerade in der Kürze dieser Zeit liegt
                              									auch wieder das Mittel, der zu groſsen Maschinenstärke auszuweichen, indem man die
                              									in dieser kurzen Zeit erforderliche Triebkraft einer Krafthaltung entnehmen kann,
                              									und dieser Krafthalter ist das im Walzwesen schon so lange üblich gewesene Schwungrad. Nur muſste dieses befähigt werden, eine
                              									weit gröſsere Arbeitsstärke aufnehmen und in kurzer Zeit abgeben zu können, als bisher
                              									möglich  war. Der Fehler der älteren Schwungräder ist, daſs man ihre Umfangsschnelle
                              									nicht hoch steigern darf. 40m ist hierfür ein
                              									Meistwerth, den man nicht ohne Gefahr überschreiten darf. Die Herren Mannesmann schufen nun für ihre Walzwerke ein ganz
                              									neues Schwungrad1889 273 * 478 beschrieben., welchem man
                              									mit aller Sicherheit 100m Umfangsschnelle
                              									ertheilen kann.
                           Der Erfolg ist auſserordentlich, wie folgende oberflächliche Berechnung zeigt. Hat
                              									der Radkranz die Schnelle v und wird diese durch die
                              									Kraftabgabe auf v1
                              									vermindert, so ist bei einer Masse m des Kranzes die
                              									Arbeitsgröſse
                           
                              A=\frac{m}{2}\,(v^2-{v_1}^2)
                              
                           abgegeben worden. Geschieht dies vermöge gleichförmigen
                              									Widerstandes P im Walzwerk durch den Weg s in der Zeit t, so betrug
                              									die secundlich abgegebene Arbeit, d. i. die Arbeitsstärke S in Secundenkilogrammmetern:
                           
                              S=\frac{P\,s}{t}=\frac{m\,(v^2-{v_1}^2)}{2\,t}
                              
                           oder in Pferdestärken, da s : t
                              									die Geschwindigkeit c ist:
                           
                              HP=\frac{P\,c}{75}=\frac{m\,(v^2-{v_1}^2)}{150\,t}
                              
                           Für die Masse m noch das Gewicht
                              										G eingeführt, erhält man
                           
                              HP=\frac{G\,v^2\left(1-\left(\frac{v_t}{v}\right)^2\right)}{150\,.\,g\,t}
                              
                           Führt man G mit 1000k = 1t ein und nimmt
                              									an, daſs die Umfangsschnelle v des Rades während des
                              									Walzvorganges auf die Hälfte sinken dürfe, so erhält man als Ausdruck für die auf
                              									jede Tonne Kranzgewicht dem Rade entziehbaren Pferdestärken:
                           
                              HP_t=\frac{3\,.\,1000}{4\,.\,150\,.\,9,81}\
                                 										\frac{v^2}{t}\ \mbox{oder rund}\ \frac{1}{2}\ \frac{v^2}{t}
                              
                           Nun beträgt die Durchwalzungszeit bei Block- wie Scheibenwalze etwa 30 Secunden, so
                              									daſs auf jede Tonne Kranzgewicht abgegeben werden \frac{v^2}{60}\
                                 										HP, d. i.
                           
                              
                                 bei v = 40
                                 60
                                   80
                                 100m
                                 
                              
                                 t = 27
                                 60
                                 107
                                 166⅔ .
                                 
                              
                           Bei 30 t Schwungringgewicht ergeben sich also schon
                           
                              
                                 810
                                 1800
                                 3210
                                 5000 
                                 
                              
                           als verfügbar. Um diese Arbeitsstärke dem Rade in 5 Minuten zu
                              									ersetzen, bedarf es je den zehnten Theil der ermittelten Anzahlen von Pferdestärken,
                              									d.h. man reicht mit Dampfmaschinen von
                           
                              
                                   81
                                   180
                                   321
                                   500 
                                 
                              
                           
                           aus. Es zeigt sich also, daſs die Gröſse der beim Walzvorgang
                              									erforderlichen Arbeitsstärke kein praktisches Hinderniſs für die Beschaffung der
                              									nöthigen Dampfkraft bildet. Eine verhältniſsmäſsig kleine Dampfmaschine sammelt in
                              									den Pausen die Kraft wieder an, wie eine Wasserpumpe den Druckhalter oder
                              										„Accumulator“ in Hebewerkanlagen. Hier wie dort ist es die zu Anfang als
                              									Anwendungsform der Maschine hervorgehobene „Haltung“, was mit so groſsem
                              									Erfolge benutzt wird zu ungewöhnlichen Leistungen.
                           Ein zweites mächtiges Hinderniſs, welches sich der Erzielung eines regelmäſsigen
                              									Betriebes entgegenstellte, vor Allem bei gröſseren Anlagen, zeigte sich in der
                              									Mangelhaftigkeit unserer üblichen Winkelzahnräder. Man muſste nämlich zu
                              									Winkelrädern als Uebertragungsgetriebe greifen, weil die Hüttenwerksanordnung dies
                              									gebieterisch forderte. Um nämlich die Bewegung der erhitzten Blöcke vom Ofen nach
                              									dem Walzwerke hin gut ausführbar zu machen, muſste man davon abstehen, die
                              									Schwungradachse in der Längsrichtung der Walzenachsen, oder parallel dazu
                              									aufzustellen, weil ja in dieser Längsrichtung dem Walzwerke die Rohstücke zuzuführen
                              									waren (Fig. 5). Unsere gebräuchlichen Kegelräder,
                              									wenn auch aus Stahlguſs in der besten Weise hergestellt, erwiesen sich als nicht
                              									haltbar, weil zu groſse Abnutzungen und namentlich auch unvermeidliche
                              									Ausführungsfehler bei den erforderlichen hohen Umlaufzahlen – 300 in der Minute und
                              									mehr – den Gang der Räder bald sehr störend beeinträchtigten. Den Erfindern gelang
                              									es, durch ihre neuen „Flächendruckräder“ die Uebelstände zu beseitigen. In
                              										Fig. 6 ist ein solches Räderpaar schematisch
                              									dargestellt. Flächendruckräder haben sie die Räder genannt, weil bei denselben die
                              									Zähne nicht mehr geometrisch in einer Linie, sondern in einer beliebig groſs zu
                              									machenden Fläche auf einander pressen.
                           
                              
                              Fig. 6., Bd. 277, S. 29
                              
                           Die Zähne, von denen bei a1 und b1 ein
                              									aus den Rädern herausgehobenes Paar dargestellt ist, sind so gestaltet, daſs der
                              									eine, a1 den anderen,
                              										b1, wie eine Gabel
                              									umfaſst. Denkt man sich vorerst die Räder mit parallelen Achsen aufgestellt und mit
                              									gleichen Zähnezahlen ausgeführt, so ist bald ersichtlich, daſs dann die Gabeln und
                              									Klingen stets genau zusammentreffen werden, wenn alle Zähne stets parallel geführt
                              									werden, insbesondere so, daſs die ebenen Zahnbegrenzungen parallel der Ebenen der Radachsen
                              									gehalten werden. Dies geschieht bei beiden Rädern des Paares durch eine passend
                              									angebrachte Parallelführung. Nun aber kann man auch die Räder nebst ihren
                              									Achsenlagern gegen einander um die senkrechte Achse AA
                              									drehen, ohne die Richtigkeit des Eingriffes zu stören. So wird denn u.a. die rechts
                              									in Fig. 6 skizzirte rechtwinkelige Achsenlage
                              									erzielt. Die Räder arbeiten ganz vorzüglich, gute Oelung selbstverständlich
                              									vorausgesetzt. Bei einer Ausführung von 1m im
                              									Durchmesser zeigenden Rädern haben die auf einander pressenden Zahnflächen 100 auf
                              										100mm, d. i. 10000qmm Gröſse bei 5000k Druck: dies
                              									entspricht einem Flächendruck von ½k, wie es bei
                              									Zapfenlagern häufig vorkommt. Ein stählernes Kegelräderpaar für dieselbe Aufgabe und
                              									Gröſse würde 400mm breite Zähne erhalten; nimmt
                              									man an, daſs die gewölbten Zahnflanken einander so zusammendrückten, daſs selbst
                              									eine 2mm breite Berührungsfläche entstände, so
                              									gibt dies immer nur 800mm Druckfläche, also einen
                              									Flächendruck von 6000 : 800 = 6k,26, was eine
                              									rasche Zerstörung durch Abnutzung nach sich ziehen müſste.
                           Eine dritte sehr bedeutende Schwierigkeit, welche aber die Herren Mannesmann gleich von Anfang an erkannten, lag in der
                              									Aufgabe, die Walzen und ihre Zuleitungswellen angemessen mit den festgelagerten
                              									Triebwellen zu kuppeln. Es bedurfte bei dem einfachsten Blockwalzwerk vier
                              									Kuppelungen, zwei für jede Walze, welche eine weitgehende Verstellung, sowohl im
                              									Winkel, als auch der Länge nach gestatten muſsten; zugleich aber muſste wegen der
                              									groſsen Drehschnelle die Treibung ganz gleichförmig vor sich gehen. Eine gute
                              									Kuppelung für diese Anforderungen gab es nicht: die bekannte Hooke'sche Kreuzgelenkkuppelung hat einen zu groſsen Bewegungsfehler,
                              									erfordert auch viel zu viel Raum. Die von den Erfindern hergestellte Kuppelung
                              									arbeitet ohne Bewegungsfehler und nimmt nur so viel Raum ein, wie eine gewöhnliche
                              									Klauenkuppelung. Fig. 7 stellt sie schematisch dar.
                              									Denkt man sich die Achsen a und b von zwei Punkten aus, die gleich weit von dem Schnittpunkt s abliegen, mit dünnen, hier sich als Linien
                              									darstellenden Armen versehen, welche gleiche Winkel mit bs und as einschlieſsen, so bleiben die
                              									berührenden Paare dieser Arme bei gleichförmiger Drehung beider Achsen stets in
                              									Berührung; aus der Lage s1 gelangt z.B. der Berührungspunkt nach einer Achsendrehung von 180° in
                              									die Lage s2. Der
                              									Berührungspunkt wird dabei den Umriſs eines schrägen Schnittes durch einen Kegel an
                              										a wie an b
                              									beschreiben, hier also eine Ellipse. Um die Berührung der Linien zu verwirklichen,
                              									könnte man sie als Kanten von Stahlklingen ausführen, würde indessen damit ein der
                              									Zerstörung rasch verfallendes Getriebe erzielen. Die Herren Mannesmann wandten statt dieser Kanten oder Schneiden eine neue Art Gelenk
                              									an, bestehend aus zwei halben Drehkörpern a1 und b1 (Fig. 7). Hier sind
                              									halbe Cylinder zu dem Zweck benutzt, welche mit ihren ebenen Schnittflächen auf einander liegen,
                              									während sie mit ihren runden Rückenflächen die nothwendigen Winkelbewegungen in
                              									entsprechenden Lagerflächen ausführen. Das ganze Gelenk an sich war neu und hat auf
                              									meinen Vorschlag den Namen Schnittgelenk erhalten, die Kuppelung demnach die
                              									Bezeichnung Schnittgelenkkuppelung. Diese Kuppelung, aus Stahlguſs in den
                              									Hauptkörpern, aus harter Bronze in den Schnittgelenken, die auch gelegentlich
                              									kugelig gestaltet werden, hat sich in jeder Beziehung vortrefflich bewährt und
                              									leistet bei den praktischen Betrieben der Mannesmann-Walzwerke die vorzüglichsten Dienste.
                           
                              
                              Fig. 7., Bd. 277, S. 31
                              
                           In ähnlicher Weise wie die hier etwas eingehender behandelten Haupttheile, muſsten
                              									noch zahlreiche Nebentheile der Walzwerke und ihres Getriebes besonders entworfen
                              									und ersonnen, gröſstentheils völlig neu geschaffen werden. Dies erklärt die Vielen
                              									aufgefallene Verzögerung der industriellen Einführung des neuen Verfahrens; diese
                              									Verzögerung wurde für diejenigen mehr als begreiflich, welche die sich auf Schritt
                              									und Tritt erhebenden Hindernisse und Schwierigkeiten zu beobachten Gelegenheit
                              									hatten.
                           Betrachten wir nun das fertige Rohr, welches z.B. aus dem Blockwalzwerk hervorgeht,
                              									so bemerken wir an ihm mehrere merkwürdige Eigenschaften. Zunächst bringt die
                              									Bearbeitungsweise, der technologische Vorgang der Neuordnung der Stofftheilchen, es
                              									mit sich, daſs sich gleichsam Fasern bilden, welche schraubenförmig die Rohrwand
                              									durchziehen und zwar so, daſs die inneren Fasern eine stärkere Steigung als die
                              									äuſseren annehmen. Somit liegen die Fasern gleichsam in Kreuzung über einander, und
                              									schraubenförmig gebildete Faserschichten um einander. (Diese Faseranordnung hat
                              									Geheimrath Dr. Wedding durch mikroskopische
                              									Untersuchung von Rohrquerschnitten auch nachgewiesen und an schönen Präparaten für
                              									das bewaffnete Auge deutlich erkennbar gemacht.) Mit dieser Faserlagerung aber steht
                              									nothwendig eine hohe Festigkeit des Rohres in unmittelbarem Zusammenhang. In der
                              									That zeigen die Mannesmann-Röhren 5- bis 6mal so viel
                              									Widerstandsfähigkeit gegen inneren Druck, als gleich groſse geschweiſste Röhren. Ein
                              									Rohr von 37mm äuſserem, 30mm innerem Durchmesser gab erst bei einem inneren
                              									Wasserdrucke von 1700at nach, aber nur indem es
                              									sich ausweitete, nicht aber zersprang.
                           
                           Eine weitere Folge der günstigen Faserlagerung ist, daſs sich das fertige Rohr sehr
                              									gut weiter bearbeiten, z.B. biegen, börteln, platt schlagen, auftreiben, ausweiten,
                              									überhaupt noch umgestalten läſst, ohne irgendwie in die Gefahr zu gerathen,
                              									Nathrisse zu bekommen; die vorgelegten Muster zeigen Beispiele von wahrhafter
                              									Miſshandlung der Probestücke.
                           Auf der anderen Seite bedingt die starke Theilchenverlegung, welche das neue
                              									Verfahren an dem Werkstück ausführt, daſs Fehler im Rohstoff, insbesondere unganze
                              									Stellen im Stahl, Blasen oder Querrisse nicht zulässig sind, vielmehr zur Folge
                              									haben, daſs das Stück bei der Durchwalzung zerbricht. So ist denn das Gelingen eines
                              									Rohres zugleich schon eine Probe auf die Güte des Rohstoffes. Auch erklärt sich
                              									hier, warum Schmiedeeisen sich zu Mannesmann-Röhren
                              									nicht eignet, es hat im heiſsen Zustande eine zu geringe Festigkeit, einen nicht
                              									ausreichenden Zusammenhang der kleinsten Theilchen. Wohl aber sind Kupfer,
                              									Delta-Metall, Heiſsmessing neben dem Stahl in dessen verschiedenen Stufen an
                              									Kohlenstoffgehalt als Rohstoffe geeignet.
                           Einleuchtend ist, daſs für groſse Röhrenlieferungen die Beschaffung tadelloser
                              									Rohstücke ihre Schwierigkeiten hat; die Mannesmann-Röhrenwerke haben sich deshalb genöthigt gesehen, eigene Stahlöfen,
                              									für Tiegelstahl wie für Siemensstahl, anzulegen. Erst nachdem dies geschehen war,
                              									konnte diejenige Regelmäſsigkeit der Ablieferung festgehalten werden, welche für den
                              									Groſsbetrieb unerläſslich ist.
                           Im Betrieb befinden sich jetzt vier Werke für Stahlröhren, das eine, die
                              									Mutterwerkstatt, in Remscheid, das zweite in Komotau in Böhmen, ein kleineres in
                              									Bous bei Saarbrücken und ein besonders groſses in Landore in Wales (England). Ein
                              									fünftes Werk, für Kupferröhren bestimmt, errichten Gebrüder
                                 										Heckmann in Duisburg; dasselbe wird im kommenden Herbst in Betrieb
                              									gelangen.
                           Die Anwendungen, welche die nach dem neuen Verfahren hergestellten Röhren finden
                              									können und in beträchtlicher Menge bereits finden, sind sehr mannigfaltig. Erwähnt
                              									sei, daſs sie sich für Triebwellen, wo sie, mit 9/10 Höhlung, auf rund die Hälfte des
                              									Gewichtes der üblichen Wellen gebracht werden, bereits trefflich bewährt haben. Im
                              									Brückenbauwesen können die Röhren sowohl in runder Form, als namentlich bei
                              									Anwendung rechteckiger Querschnitte groſse Dienste leisten. Denn die schon
                              									hervorgehobene Eigenschaft der Mannesmann-Röhren, sich
                              									noch umgestalten zu lassen, hat dazu geführt, aus ihnen Balken von
                              									Rechteckquerschnitt herzustellen, was auf dem Querwalzwerk geschieht. Kleinere
                              									Proben liegen hier vor. Den Balken kann man sogar an seiner oberen und unteren Wand
                              									in der Mitte des Balkens stärker als am Ende machen und somit ihn als Körper von
                              									gleicher Festigkeit herstellen. Ja man kann ihn an seinen beiden Enden luftdicht
                              									verschlieſsen und dadurch, bei der Wahl einer genügend kleinen Wanddicke, so leicht
                              									erhalten, daſs er auf dem Wasser schwimmt, was mancherlei Vortheile in sich
                              									schlieſsen würde. Auch für die Eisenbahnen kann das Mannesmann-Rohr Anwendung finden, indem man ihm eine für die Schiene
                              									geeignete Querschnittform geben kann; eine solche Schiene böte neben der
                              									Tragfestigkeit auch eine groſse Widerstandsfähigkeit gegen den Radflanschendruck und
                              									lieſse sich im Verhältniſs zu ihrem Gewicht weit fester machen, als unsere übliche
                              									Schiene. Auch für die Wagenachsen läſst sich das neue Verfahren mit Vortheil
                              									anwenden. Das Muster einer unbearbeiteten hohlen Eisenbahn-Wagenachse, welches bei
                              									den Probestücken befindlich ist, zeigt, wie durch Zusammenziehen der Enden eines
                              									kräftigen Rohres demselben die Zapfen angeschmiedet, die Anläufe und Stauchungen
                              									nach Belieben gegeben werden können. Es eröffnet sich somit hier sowohl ein weites
                              									Anwendungsfeld für die neuen Röhren, als auch bedeutsame Verbesserungen in Fahrpark
                              									und Gestänge dabei in Aussicht genommen werden dürfen.
                           Höchst wichtige Anwendungen können die neuen Röhren auch im Bedarf für Heer und
                              									Flotte finden. Da das Mannesmann-Rohr das Ausarbeiten
                              									auf der Ziehbank so vorzüglich verträgt, läſst sich dasselbe für Gewehrmäntel,
                              									Lanzen, Fuhrwerkstheile u.s.w., welche sehr leicht und doch fest sein sollen, sehr
                              									gut verwerthen; so viel mir bekannt, sind auch Versuche hierzu von der
                              									Heeresverwaltung in Aussicht genommen. Für schwere Hohlkörper, wie Granaten mit
                              									bereits angewalztem Boden, dann für Gewehrläufe, vielleicht sogar für Geschütze
                              									möchten die Röhren dienen können; in der That ist denn auch ein Stück, welches als
                              									Kanonenseele vielleicht brauchbar wäre, unter den Probestücken als Muster eines
                              									dickwandigen Rohres aus sehr hartem Stahl vorgeführt.
                           Es steht wohl auſser Zweifel, daſs wir in dem Mannesmann'schen Verfahren eine epochemachende Erfindung vor uns haben;
                              									sie ist angethan, eine ganz bedeutsame Wandlung im Walzwerkfach herbei zu führen, ja
                              									hat eine solche bereits kräftig eingeleitet.