| Titel: | Rationelle Turbinenformerei. | 
| Autor: | Max Kaerger | 
| Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 57 | 
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                        Rationelle Turbinenformerei.
                        (Abdruck nur mit Genehmigung des Herrn Verfassers
                           								gestattet.)
                        Mit Abbildungen.
                        Rationelle Turbinenformerei.
                        
                     
                        
                           Der Turbinenbau, den wir seinen Grundgesetzen nach als
                              									bereits abgeschlossen betrachten können, hat in den letzten Jahrzehnten dadurch
                              									einen bedeutenden Aufschwung genommen, daſs in Folge der Concurrenz bedeutender
                              									Firmen, die diesen Theil des Maschinenbaues als Specialität betreiben, eine gute
                              									constructive Durchbildung und eine rationelle Herstellung der Turbinen herbeigeführt wurde. Die Berechnung der
                              									verschiedenen Turbinengattungen bietet nichts Neues; nur durch die Wahl richtiger
                              									Coefficienten und durch die eingehende Behandlung eines jeden Einzelfalles bezüglich
                              									der verschiedensten Wasserverhältnisse können wir den besten Nutzeffect verzeichnen.
                              									Die Constructionsprinzipien nach J. C. B. Lehmann und
                              									Andern stehen mustergültig da, sowohl in der Berechnung aller Turbinenkategorien,
                              									als auch in einem Verfahren, Fehler in der Ausführung durch eine ebenso einfache als
                              									vorzügliche Lehmformerei möglichst verschwinden zu lassen.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 277, S. 57
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 277, S. 57
                              
                           Gegenüber der Lehmformerei bietet die Kernformerei, d.h. das
                              									Aufstellen des Schaufelkranzes mittels Kernstücken (Fig.
                                 										1 und 2), groſse Schwierigkeiten und selbst
                              									bei der accuratesten Arbeit der einzelnen Kernstücke treten in der Aufstellung
                              									derselben Fehler hervor, welche bei groſsem Durchmesser des Turbinenrades sich
                              									summiren und ganz ungenaue Winkel ergeben. Die Kernstücke werden bekanntlich mittels
                              									einer Kernform gepreſst und nachher im Trockenofen getrocknet. In Folge dieses
                              									Vorganges schwinden die Stücke mehr oder weniger, so daſs bei der Aufstellung der
                              									Gesammtform die Theilung und die vorgeschriebenen Winkel des Schaufelkranzes nie
                              									genau stimmen. Auſserdem erfordert diese Formerei sehr viel Arbeitszeit und bei
                              									flottem Betriebe kann diese Art der Turbinenfabrikation nie concurrenzfähig sein.
                              									Mit der Lehmformerei läſst sich sehr viel erreichen; sie erfordert zwar
                              									gewissenhafte Arbeiter bedingt aber wenig Raum, und die kleinste Gieſserei kann die
                              									gesteigertsten Anforderungen in der Fabrikation vollkommen befriedigen. Ebenso ist
                              									die Controle der Schaufelrichtung und der Winkel eine sehr einfache und sichere.
                           In der Herstellung der Turbinenform unterscheidet man verschiedene Stadien, welche im
                              									Nachstehenden beschrieben werden sollen.
                           I. Die Herstellung des Holzmodells der Schaufeln, welche windschiefe Flächen
                              									bilden.
                           II. Das Formen der windschiefen Schaufeln.
                           III. Das Aufstellen der Schaufeln.
                           IV. Zusammenstellung der Gesammtform.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 277, S. 58
                              
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 277, S. 58
                              
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 277, S. 58
                              
                           
                              
                              Fig. 6., Bd. 277, S. 58
                              
                           I. Die windschiefen Flächen sind nach den Forderungen der theoretischen
                              									Constructionen, die wir im Prinzip als bekannt voraussetzen, durchaus nicht so
                              									einfach und lassen sich nach denselben ohne specielle Kunstgriffe nur schwer richtig
                              									herstellen. Demnach muſs auf die Richtigkeit der Winkel und der Zellenquerschnitte
                              									groſse Sorgfalt verwendet werden. Zunächst wird ein Segment des Kranzprofils (Fig. 3) mit nöthigen Zugaben für Schwinden des Lehms
                              									durch die Schablone aufgedreht. Mit dem Richtscheit reiſst man auf der
                              									Eintrittsfläche (Fig. 4) die Theilung an und zieht
                              									mittels Winkel und Lineal die Schnittlinien einer radial und senkrecht durch den
                              									Theilriſs gelegten Ebene. Auſserdem werden mit dem Parallelreiſser (Fig.
                                 										5) die Parallelrisse vorgezeichnet, welche zum Abtragen der Schaufelcurven
                              									nöthig sind. Hierauf trägt man nach dem Querschnitt und Grundriſs der
                              									Schaufelzeichnung den inneren und äuſseren Schaufelschnitt in die betreffenden
                              									Parallelrisse auf (Fig. 6). Das Ausschneiden der
                              									windschiefen Fläche geschieht mit einem recht dünnen und schmalen Sägeblatt und das
                              									Einhalten der Curven des inneren und äuſseren Schnittes erfordert einige Uebung und
                              									Geschicklichkeit.
                           
                              
                              Fig. 7., Bd. 277, S. 59
                              
                           
                              
                              Fig. 8., Bd. 277, S. 59
                              
                           
                              
                              Fig. 9., Bd. 277, S. 59
                              
                           
                              
                              Fig. 10., Bd. 277, S. 59
                              
                           Die für den Tischler brauchbare Curve ist die Rückcurve der
                              									Schaufel, welche auch zuerst angerissen und ausgeschnitten wird. Damit zur
                              									Bearbeitung des in den Klotz eingeleimten Holzes noch genügend Material stehen
                              									bleibt, feilt man 2 bis 3mm der windschiefen
                              									Fläche weg und leimt dann einzelne passend Fig. 9.
                              									gehobelte sich anschmiegende Leisten (Fig. 7), von
                              									der Grundfläche angefangen, in den Lehmklotz ein. Das Abtragen der Curvenpunkte auf
                              									den zugehörigen Parallelrissen geschieht nach der angegebenen Weise. Nachdem die
                              									Schaufel sauber ausgehobelt ist, werden an die Seitenflächen (Fig. 7) Kernmarken angeleimt und auſserdem ein
                              									schmaler abnehmbarer Streifen (Fig. 8) hergestellt,
                              									welcher die Wandstärke der Rückcurve repräsentirt.
                           
                              
                              Fig. 11., Bd. 277, S. 59
                              
                           
                              
                              Fig. 12., Bd. 277, S. 59
                              
                           Derselbe ist schwer zu ersetzen und darf nicht verloren gehen.
                              									Um das Verziehen des Holzmodells zu verhindern (Fig.
                                 										9), dienen zwei in die Höhlung der Vorderfläche eingeleimte Leisten. Damit
                              									das Holzmodell im feuchten Sand nicht leidet, wird sofort für alle ferneren Abgüsse
                              									ein eisernes Modell hergestellt (Fig. 10), das wegen
                              									des schweren Gewichtes zur leichteren Handhabung einen eingeschraubten Griff erhält.
                              									Die Kerne der Hohlguſsschaufeln formt man aus Lehm, und zur Erleichterung der
                              									Herstellung muſs ein Kernkasten für dieselben hergestellt werden. Am besten
                              									geschieht dies, indem man das Holzmodell einstampft (Fig.
                                 										11), heraushebt, die untere Höhlung mit Lehm ausschmiert (Fig.
                                 										12) und die obere Fläche derselben mit dem Lineal, welches auf den Rändern
                              									der Sandform geführt wird, glatt streicht. Der getrocknete Kern, welcher genau der
                              									Schaufelkrümmung entspricht, dient als Modell zur Anfertigung eines Kernkastens. Um
                              									an Gewicht zu sparen, stellt man überhaupt alle Leitschaufeln, ferner die
                              									Laufschaufeln der Reactionsturbinen und Actionsturbinen, als Girardturbinen und
                              									Actionsturbinen mit Kranzeinschnürung, aus 5mm
                              									starkem Blech her.
                           
                              
                              Fig. 13., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 14., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 15., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 16., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 18., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 20., Bd. 277, S. 60
                              
                           Das Biegen der Blechschaufeln wird auf einem guſseisernen
                              									convexen Klotz (Fig. 13 und 14) ausgeführt, der auf die angegebene Art in Lehm (Fig. 15) aufgedreht und ausgeschnitten wird. Zur
                              									Bearbeitung des abgegossenen Leit- und Laufrades müssen an der Blechschaufel unten
                              									und oben 5mm Zugabe sein. Der in Lehm (Fig. 16, 17 und 18) ausgeschnittene Schaufelklotz gibt auch zu
                              									gleicher Zeit die Abwickelungsfläche der Schaufel und darf man nicht versäumen, vor
                              									dem Abguſs desselben auf die Krümmung ein Papierblatt aufzulegen und die Abwickelung
                              									der Fläche vorzuzeichnen.
                           
                              
                              Fig. 17., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 19., Bd. 277, S. 60
                              
                           
                              
                              Fig. 21., Bd. 277, S. 60
                              
                           Auf dem Abwickelungsblatt (Fig.
                                 										19 und 20) verzeichnet man auch die Punkte
                              									der Parallelrisse, verbindet dieselben und controlirt die Längen der
                              									Verbindungslinien mit dem Grundriſs der Schaufelzeichnung, da durch ungenaues
                              									Anreiſsen der Curven erhebliche Fehler entstanden sein könnten. Die Begrenzungslinie
                              									der Schaufel (Fig. 21) sitzt 5mm im Schaufelkranz und erhält die Schaufel gegen
                              									Verschiebung vier Lappen, die man an der Papierschablone ansetzt. Für jedes
                              									Turbinenrad werden nach der Papierschablone die betreffende Anzahl Blechschaufeln
                              									angerissen, ausgehauen und auf dem guſseisernen convexen Klotz warm gebogen.
                           
                           II. Zur Formerei der Hohlguſsschaufeln gehört als Formeinrichtung nur ein Oberkasten.
                              									Man formt das Modell (Fig. 22) mit der Krümmung nach
                              									unten so ein, daſs kein hervorstehender Theil das Abheben des aufgesetzten
                              									Oberkastens behindert. Als Fixirung des Kastens dienen vier Holzpflöcke. Auf den
                              									gelagerten Kern kommen die modellirten Gypsstücke (Fig.
                                 										8) zu liegen; das Eisen läuft daher im Oberkasten über den durch die
                              									Schaufel begrenzten Kern nicht hinaus. Die Gypsstücke werden durch Auftragen von
                              									Gyps am Modell selbst hergestellt. Alle Abgüsse fallen nach dieser Formerei sehr
                              									sauber aus und bedürfen weiter keiner Bearbeitung. Die Rückschaufeln der J. C. B. Lehmann'schen Combinationsturbinen (Fig. 23) erhalten in die Wandstärke der Rückcurve drei
                              									gebohrte Löcher von 15mm Durchmesser, welche den
                              									Zutritt der vom Mantel durch den Kranz zugeführten Luft in die Zellen gestatten.
                           
                              
                              Fig. 22., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 23., Bd. 277, S. 61
                              
                           III. Als Formeinrichtung zum Aufstellen der Schaufeln gehören guſseiserne Grundringe
                              									von 25 bis 50mm Dicke für alle möglichen
                              									Raddimensionen. Auf den centrirten Grundring wird eine 25 bis 30mm starke Lehmschicht aufgetragen.
                           
                              
                              Fig. 24., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 25., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 26., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 27., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 29., Bd. 277, S. 61
                              
                           
                              
                              Fig. 30., Bd. 277, S. 61
                              
                           Hierauf zieht man den Theilkreis, d.h. einen Kreis vom
                              									mittleren Durchmesser des Turbinenrades, markirt die Theilung der Schaufeln, legt
                              									die Centrumlatte (Fig. 24) mit der vorher bestimmten
                              									unteren Schaufelschräge an und reiſst (Fig. 25)
                              									dieselbe durch die Theilpunkte vor. Um den aufzustellenden Schaufeln an dieser Kante einen festen Halt
                              									zu geben (Fig. 26), werden in die Theilpunkte breite
                              									Kopfnägel eingesteckt. Die einzelnen Schaufeln werden nun nach einander aufgestellt
                              									und in die Kanalweiten passend geschnittene Lehmstücke (Fig. 27) eingeklemmt. Stimmen die untere und obere Schräge genau, so geht
                              									auch jede Schaufel durch eine um das Centrum gedrehte Schablone hindurch. Die Kanäle
                              									stampft man mit Formsand aus und bekleidet nur das Kranzprofil mit einer 15 bis
                              										20mm dicken Lehmschicht, die durch die
                              									Schablone glatt gestrichen wird. Nach dem Trocknen des Klotzes wird aus den Kanälen
                              									je eine Schicht von 5mm Stärke herausgekratzt; es
                              									entsteht das richtige Kranzprofil (Fig. 28), und 5mm Schaufelrand ragt zum Einguſs hervor.
                           
                              
                              Fig. 28., Fig. 31., Bd. 277, S. 62
                              
                           
                              
                              Fig. 32–34., Bd. 277, S. 62
                              
                           Bei Girardturbinen und Actionsturbinen mit Rückschaufelung
                              									setzt man noch die Kernmarken (Fig. 28, 29 und 30) für
                              									Ventilationslöcher mit Drahtstiften an, schwärzt den Klotz und nach dem Trocknen ist
                              									derselbe zum Einbau in die Gesammtform fertig. Alle Leiträder der verschiedensten
                              									Construction werden auf dieselbe Weise aufgestellt und eine gewisse Anzahl von
                              									Schaufeln, z.B. 4, 6, 8 (Fig. 31), die eine feste
                              									Verbindung mit den Radkränzen herstellen sollen, werden aus Composition etwa 12 bis
                              										15mm stark abgegossen, aufgestellt und nachdem
                              									der Klotz getrocknet ist, mit der Säge wieder herausgeschnitten. Soll das Leitrad einen
                              									haubenförmigen Aufsatz besitzen (Fig. 32), so müssen
                              									die Hälfte der Schaufeln mit demselben ausgehauen sein, und es bekommt zum
                              									Aufstellen der Schaufeln die Schablone dasselbe Profil. Eine ganz eigenartige
                              									Behandlung erfährt das Aufstellen des Leitrades (Fig.
                                 										33) mit verwandten Kanälen. Die eine Hälfte der Schaufeln (Fig. 34) hängt nach der inneren, die andere Hälfte
                              									nach der äuſseren Peripherie über. Zur Befestigung und zum Halt des ganzen Aufbaues
                              									dienen dünne um die Schaufel und radial nach dem Centrum gespannte Drähte. Sobald
                              									der Klotz getrocknet und dadurch stabil geworden ist, sind die Drähte überflüssig. –
                              									Regulirungen mittels Klappen oder senkrechten Schiebern bedingen eine gute Auflage
                              									und Abdichtung der Klappen oder Schieber. Diesen Zweck erfüllen kleine
                              									schmiedeeiserne Stege (Fig. 35, 36 und 37), welche auf
                              									die Oberkante der Blechschaufeln nach der Aufstellung aufgesetzt werden. Als Einguſs
                              									in die Wandstärke des Kranzes dienen schwalbenschwanzförmige Ansätze. – Im
                              									Allgemeinen sei noch bemerkt, daſs die Blechschaufeln nie ganz genau gebogen sind,
                              									und beim Aufstellen derselben stellen sich kleine Fehler in der Kantenrichtung
                              									heraus, die leicht durch ein Nachrichten des Bleches zu beseitigen sind, und es
                              									bleibt diese Arbeit der Geschicklichkeit des Arbeiters überlassen.
                           
                              
                              Fig. 35., Bd. 277, S. 63
                              
                           
                              
                              Fig. 36., Bd. 277, S. 63
                              
                           
                              
                              Fig. 37., Bd. 277, S. 63
                              
                           IV. Die Zusammenstellung der Gesammtform geschieht meistentheils aus groſsen
                              									Kernstücken, der Armsegmente, dem Kern der Radnabe u.s.w. und dem Schaufelkranz.
                           
                              
                              Fig. 38–39., Bd. 277, S. 63
                              
                           Auf das Ganze kommt ein Oberkasten u.s.w. Bei Leiträdern mit
                              									haubenförmigem Zellenaufsatz (Fig. 38) wird es
                              									nöthig, ein Modell desselben separat aus Lehm anzufertigen, um dasselbe in den
                              									Oberkasten einstampfen zu können. Meistentheils sind Haubengestelle aus Eisenstäben
                              										(Fig. 39) für mehrere Durchmesser vorhanden.
                              									Dieses Gestell ist mit Sand auszufüllen und mit einer Lehmschicht zu bekleben,
                              									welche mit einer um die Wandstärke des Schaufelklotzes gröſseren Schablone geglättet
                              										wird. Ist der
                              									Oberkasten hergestellt, so wird die provisorische Haube abgenommen, der
                              									Schaufelklotz eingesetzt, der Oberkasten aufgelegt und die Form ist zum Abguſs
                              									fertig. – Messungen an der Ausführung des fertigen Turbinenrades ergeben ganz genaue
                              									Winkel, und auch die Abmessungen der Kanalweiten sind durchschnittlich gleich.
                           Die Lehmformerei in dieser Specialität läſst in sauberer Ausführung nichts zu
                              									wünschen übrig, während die Kernformerei weit hinter derselben zurücksteht.
                           Max Kaerger, Ingenieur.