| Titel: | Ueber die neuesten Erfahrungen an Verbundlocomotiven. | 
| Autor: | Fr. | 
| Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 115 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber die neuesten Erfahrungen an
                           								Verbundlocomotiven.
                        Ueber die neuesten Erfahrungen an Verbundlocomotiven.
                        
                     
                        
                           Das wachsende Interesse, welches seitens der Eisenbahnverwaltungen und
                              									Locomotivconstructeure den seit ungefähr 5 Jahren eingeführten, nach dem
                              									Verbundsystem arbeitenden Locomotiven entgegengebracht wird, hat nach den bisher
                              									ganz allgemein angestellten Beobachtungen seinen Grund in den vermeintlichen
                              									Vorzügen dieser Maschinen den gewöhnlichen Locomotiven gegenüber, als welche
                              									hauptsächlich geringerer Brennmaterialverbrauch, geringerer Funkenauswurf und
                              									gröſsere Leistungsfähigkeit bezeichnet werden.
                           Diese Annahmen sind indeſs durch unlängst zum erstenmale zunächst an einer Verbund-
                              									und einer Normal-Schnellzugslocomotive der preuſsischen Staatsbahnen angestellte
                              									wissenschaftliche Versuche zum Theil nicht bestätigt worden;
                              									dieselben haben aber gleichzeitig und über Erwarten die hohe Wichtigkeit der
                              									Verhältnisse des sogen. Auspuff- oder Blasrohres für die Anfachung des Feuers im
                              									Locomotivkessel in klares Licht gestellt.
                           Wie die Deutsche Bauzeitung, 1890 Heft 28 * S. 168,
                              									berichtet, geschah die Prüfung unter sonst gleichen Verhältnissen während längerer
                              									Zeit mit einem Sonderzuge von 50 Achsen, der abwechselnd mit einer
                              									Verbund-Schnellzugslocomotive von 12at Ueberdruck
                              									und einer normalen Schnellzugslocomotive von nur 10at Dampfüberdruck mit Geschwindigkeiten von 10 bis 90km in der Stunde und bei ganz geöffnetem Regulator
                              									mit Cylinderfüllungen von 0,1 bis etwa 0,7 befördert wurde.
                           An jedem der betreffenden Dampfcylinder beider Locomotiven wurden durch Indicatoren
                              									eine ganze Reihe von Diagrammen über die geleistete Dampfarbeit abgenommen und aus
                              									diesen später der wirkliche Dampf verbrauch ermittelt; ein Geschwindigkeitsmesser
                              									verzeichnete gleichzeitig die Zuggeschwindigkeit und ein Vacuummesser die
                              									Luftverdünnung in der Rauchkammer. Die Verbundlocomotive hatte eine Auspufföffnung
                              									von 144mm Durchmesser, deren Querschnitt 10,7
                              									Proc. vom Hochdruckkolben betrug, während die Normallocomotive eine Auspufföffnung
                              									von nur 120mm Durchmesser und einen Querschnitt
                              									von nur 9 Proc. eines Dampfkolbens hatte. Die Folge davon war, daſs bei der
                              									Normallocomotive mit 10at Dampfdruck, 0,25 Füllung
                              									und 50km Zuggeschwindigkeit 7 bis 8cm Wassersäule Luftverdünnung in der Rauchkammer
                              									erzielt wurde, dagegen die Verbundlocomotive mit 12at Dampfdruck unter gleichen Verhältnissen nur 2½cm Wassersäule Luftverdünnung ergab. Die
                              									Normallocomotive lieferte in der Stunde 40 bis 45k
                              									Dampf auf 1qm Heizfläche, während die
                              									Verbundlocomotive höchstens bis 30k erzeugte; als
                              									die letztere einen engeren Auspuff erhielt, stieg die Luftverdünnung in der
                              									Rauchkammer und die Verdampfung genau so wie bei der normalen Maschine. Die an den
                              									Cylindern der Verbundlocomotive und einem Cylinder der Normallocomotive zahlreich
                              									abgenommenen Diagrammcurven ergaben eine ganze Reihe von schätzenswerthen
                              									Resultaten, namentlich über die Expansionsverhältnisse.
                           Die anderen sehr wichtigen Ergebnisse aus den Beobachtungen und Aufzeichnungen sind
                              									die folgenden:
                           1) Der Rückdruck des verbrauchten Dampfes auf die betreffenden Kolben zeigte sich vom
                              									Füllungsgrade und der Fahrgeschwindigkeit an beiden Locomotiven gleich abhängig.
                           2) Die vermuthete Dampfersparniſs, wie solche an Güterzuglocomotiven beobachtet
                              									worden ist, hat sich an der Versuchs Verbundlocomotive nicht nachweisen lassen.
                           3) Das normale Verhältniſs der Durchmesser der beiden Cylinder der Verbundlocomotive
                              									ist nur bei einem Füllungsgrade zu erreichen, auch die
                              									Fahrgeschwindigkeit ändert dasselbe.
                           
                           4) Für eine Reihe von Füllungsgraden zeigten daher die beiden Cylinder der
                              									Verbundlocomotive nicht unwesentliche Unterschiede in den Arbeitsleistungen.
                           5) Der groſse Unterschied der Luftverdünnung in der Rauchkammer der Verbundlocomotive
                              									gegen diejenige in der Rauchkammer der Normallocomotive, welche dreifach mehr
                              									erzielte, zeigt den hohen Einfluſs der Gröſse der Auspufföffnung bei der Verbrennung
                              									im Kessel. Nach den allgemein gemachten Erfahrungen findet bei den
                              									Verbundlocomotiven ein Funkenwerfen gar nicht oder bei den schwersten Zügen doch nur
                              									in ganz geringem Maſse statt und daraus kann geschlossen werden, daſs die
                              									Verbrennung in deren Kesseln bei erheblich geringerer Luftverdünnung in der
                              									Rauchkammer vor sich geht; auch hat sich gezeigt, daſs die Dampferzeugung für die
                              									schwersten Züge ausreichend ist.
                           Hierdurch wird also bewiesen, daſs auch bei geringem Vacuum eine genügende
                              									Dampferzeugung erzielt werden kann, wenn sonst das Feuer mit der nöthigen Sorgfalt
                              									behandelt wird; auch der Minderverbrauch an Kohle, welchen man bisher ganz allein
                              									dem Verbundsystem als solchem in Rechnung gestellt hat, ohne vorher genau geprüft zu
                              									haben, welchen bedeutenden Antheil verbesserte Auspuffverhältnisse daran haben
                              									können, ist zum groſsen Theil hierauf zurückzuführen. Jedenfalls werden weiter
                              									fortgesetzte wissenschaftliche Versuche die Feststellung dieses Antheils ergeben und
                              									damit wohl die, viele Eisenbahnverwaltungen beschäftigende Frage, ob die Vorzüge des
                              									Verbundsystems bei Locomotiven wirklich so groſs sind, daſs demnächst sämmtliche
                              									Locomotiven nach denselben herzustellen sein würden, ihrer Erledigung etwas näher
                              									rücken.
                           Es wird diese Festsetzung um so weniger zu vermeiden sein, als man in England, ohne
                              									das Verbundsystem anzuwenden, lediglich durch Aenderung der Auspuffverhältnisse
                              									allein auch mit gewöhnlichen Locomotiven erheblich gröſsere Kohlenersparniſs erzielt
                              									hat, als die allgemeinen Erfahrungen angeben.
                           Nach dem Bericht des Prof. Salomon über die Locomotiven
                              									auf der Pariser Weltausstellung 1889, in der Zeitschrift des
                                 										Vereins deutscher Ingenieure, 1889 Heft 52 * S. 1236, hat der
                              									Locomotiv-Direktor der London- und Südwestbahn, Adams,
                              									bereits vor einigen Jahren die Construction eines ringförmigen Auspuffrohres
                              									angegeben, dessen Ausströmöffnung ungefähr in Höhe der oberen Siederohrreihe liegt;
                              									der hohe Dampfstrahl wirkt jetzt auſser wie sonst auch noch auf den Innenraum des
                              									Ausströmrohres saugend, und da in den letzteren von der Seite her hauptsächlich die
                              									aus den unteren und mittleren Rohrreihen kommenden Rauchgase strömen, so wird die
                              									Zugwirkung in sämmtlichen Rohren gleichmäſsiger als bei gewöhnlichen Blasrohren
                              									ausfallen. Adams selbst hat bei seiner Verwaltung diese
                              									Construction in umfangreichem Maſse eingeführt und macht über die Erfolge
                              									nachstehende Angaben:
                           
                           Mitte 1885 betrug bei 505 vorhandenen Locomotiven der Kohlenverbrauch für ein
                              									Locomotivkilometer ungefähr 8k,43; er nahm mit
                              									fortschreitender Einführung des oben genannten Exhaustors allmählich ab und stellte
                              									sich Ende 1887 bei im Ganzen 534 Locomotiven, von denen 253 das neue Blasrohr
                              									hatten, durchschnittlich auf nur 7k,41 und, falls
                              									die Ersparniſs nur der abgeänderten Ausströmung zuzuschreiben wäre, betrügen die
                              									letzteren, sofern alle 534 Locomotiven entsprechend geändert würden, ungefähr 2k,15 für das Locomotivkilometer. Diese mit
                              									einfachen Mitteln erzielten Ersparnisse haben auch in Frankreich und Oesterreich zu
                              									Versuchen geführt; ehe indeſs ein endgültiges Urtheil über dieselben gegenüber den
                              									Verbundlocomotiven gefällt werden kann, ist es wohl wünschenswerth, wenn erst
                              									weitere Versuche seitens der Bahnverwaltungen, namentlich auch an
                              									Verbund-Güterzugslocomotiven angestellt würden, denn dadurch allein wird es möglich
                              									sein, dem Verbundsystem an Locomotiven nur dasjenige in Rechnung zu stellen, was ihm
                              									wirklich zukommt.
                           Im Uebrigen ist diese Brennmaterialersparniſs nach der Aussage des
                              									Eisenbahn-Bauinspektors Schrey in der am 25. Februar
                              									1890 abgehaltenen Sitzung des Vereins deutscher Maschineningenieure, wie Glaser's Annalen, 1890 Nr. 307 S. 168, berichten, nur
                              									ein nebensächlicher Vorzug der Verbundlocomotive, da der Hauptvortheil derselben
                              									unstreitig in der Erhöhung der Leistung liegt.
                           Diese ist gerade beim gegenwärtigen Stande der Dinge eine äuſserst willkommene Sache
                              									und selbst erheblich gröſsere Anlagekosten können der Vermehrung der Leistung
                              									gegenüber keine Rolle spielen, wenn sonst den unabänderlich zu stellenden Ansprüchen
                              									an Einfachheit der Unterhaltung und Handhabung genügt wird. Da man nun mit der
                              									Grenze der Leistung an das Dampferzeugungsvermögen des Kessels gebunden ist und eine
                              									gröſsere Dampferzeugung als die gegenwärtig bereits erzielte in den letzteren
                              									ziemlich aussichtslos ist, so kann es sich nur noch darum handeln, die erzeugte
                              									Dampfmenge nutzbringender zu verwenden. Dies ist durch Einführung des Verbundsystems
                              									bei den Locomotiven geschehen, da man hier den Dampf in erheblich höherem Umfang
                              									expandiren lassen kann als bei der gewöhnlichen Locomotiv-Schiebersteuerung, und
                              									darin ist namentlich ihre groſse Ueberlegenheit begründet.
                           Die gröſsere Leistungsfähigkeit der Verbundlocomotive wurde im vorigen Herbst durch
                              									Versuche nachgewiesen, welche bei den Tages-Schnellzügen zwischen Hamburg und
                              									Hannover auf der Strecke Uelzen – Lehrte mit langen Steigungen 1 : 300 angestellt
                              									wurden. Bei 60km Geschwindigkeit wurden trotz der
                              									starken Belastung die Fahrzeiten inne gehalten und hierbei auf langen Steigungen bis
                              									600 wirkliche Pferdestärken geleistet, während die Leistung älterer Normalmaschinen
                              									450  betrug, ein Verhältniſs, welches zeigt, daſs die Verbundlocomotive zu
                              									ganz erheblichen Leistungen fähig ist.
                           
                           Eine interessante Anwendung der Verbundwirkung ist noch von Baurath Klose in Stuttgart gemacht, indem derselbe eine
                              									Adhäsions- und Zahnradlocomotive in der Weise zur Verbundwirkung eingerichtet hat,
                              									daſs der Dampf, welcher aus der Adhäsionsmaschine austritt, in die Zahnradmaschine
                              									gelangt und das Zahnrad mit Verbundwirkung getrieben wird.
                           Diese Anordnung hat nicht nur groſse Einfachheit für sich, sondern auch besseres
                              									Arbeiten, da in den Niederdruckcylindern der Dampfdruck auf die Kolben weit
                              									gleichmäſsiger ist; auch ergänzen sich beide Maschinen gegenseitig in der Leistung.
                              									Wenn die Adhäsionsmaschine schleudert, so tritt eine gröſsere Menge Dampf in den
                              									Verbinder, was zur Folge hat, daſs nicht nur die Adhäsionsmaschine alsbald mit
                              									Schleudern aufhört, weil sie mehr Gegendruck bekommt, sondern auch die
                              									Zahnradmaschine durch stärkeres Arbeiten den Verlust an Zugkraft ausgleicht.
                           
                              
                                 Fr.