| Titel: | Neues von der Druckluft. | 
| Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 509 | 
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                        Neues von der Druckluft.
                        Neues von der Druckluft.
                        
                     
                        
                           Gegen die Zweckmäſsigkeit der Druckluft in ihrer Anwendung zu
                              									Kraftvertheilungsanlagen, insbesondere gegen die von Prof. Riedler aufgestellten günstigen Annahmen macht sich eine sehr scharfe
                              									Gegnerschaft bemerkbar, welche ausschlieſslich im Lager der Elektrotechniker sich
                              									vorfindet. Die Elektrotechnik sieht sich sehr bedroht, da, wie bereits früher
                              									berichtet wurde, zur Ausführung von Druckluftanlagen eine sehr kapitalkräftige
                              									deutsche Gesellschaft gebildet ist und in dieser seitens der elektrotechnischen
                              									Gesellschaften eine
                              									scharfe Concurrenz erblickt wird. Ist es der Elektrotechnik bisher auch noch nicht
                              									gelungen, eine gröſsere Kraftvertheilungsanlage in Betrieb zu setzen, so scheint
                              									doch – so weit die Rechnung einen Schluſs gestattet – erwiesen, daſs die Ziffer des
                              									Nutzeffectes nicht wesentlich hinter der Nutzziffer einer Druckluftanlage
                              									zurücksteht. Uebertrieben ist allerdings entschieden die Behauptung, daſs die
                              									Druckluftanlage einer elektrischen Anlage weit nachstehe, was Nutzungswerth und
                              									Nutzwirkung anbelange. Eine derartige Behauptung rechtfertigt sich wohl schon
                              									deshalb nicht, weil eine sichere Berechnung des Stromverlustes in Straſsenleitungen
                              									bisher nicht vorliegt.
                           Ganz zweifellos ist der Umstand, daſs jedes der beiden streitigen
                              									Kraftvertheilungssysteme eigenartige besondere Vorzüge besitzt, um deren Willen
                              									sicher in manchen Fällen der Ausschlag zu Gunsten eines Systems gegeben werden wird.
                              									Ferner ist sicher anzunehmen, daſs eine Concurrenz von Druckluft und Elektricität in
                              									derselben Stadt beiden Systemen wirthschaftlich nicht nützen, sondern nur schaden
                              									kann, daſs aber eine Verquickung beider Systeme in derselben Unternehmerhand gewiſs
                              									oft von Vortheil sich erweisen wird.
                           Die Anhänger der Druckluftvertheilung haben soeben eine groſse Niederlage erlitten
                              									durch die Ablehnung des Concessionsgesuches zur Errichtung einer Druckluftanlage in
                              									der Stadt Hannover. Gegen die Druckluft werden in dem der Abweisung zu Grunde
                              									liegenden Gutachten viele Gründe angeführt, welche rein örtlicher Natur sind, und es
                              									darf nicht übersehen werden, daſs diese Gründe wahrscheinlich die endgültige
                              									Entscheidung schwerer beeinfluſst haben, als die vorgelegten technischen
                              									Erörterungen, welche sich in durchaus abfälliger Kritik über das Druckluftsystem
                              									ergehen und dieses als schon jetzt minderwerthiger gegenüber der elektrotechnischen
                              									Kraftvertheilung hinstellen.
                           Die Frage war für Hannover besonders schwerwiegend, weil dort bereits ein städtisches
                              									Elektricitätswerk besteht, welches die Kraftvertheilung ebenfalls übernehmen will.
                              									Um sich hier keine gefährliche Concurrenz zu machen, ist wahrscheinlich die
                              									Ablehnung des Concessionsgesuches erfolgt.
                           Das Gutachten, welches von Dr. O. Gusinde ausgefertigt
                              									ist, ergeht sich über diesen Punkt in folgenden Worten:
                           
                              „Die Stadt besitzt eine eigene groſse und mit technischer Vollkommenheit
                                 										errichtete elektrische Centralstation. Dieselbe ist zunächst für
                                 										Beleuchtungszwecke bestimmt. Es ist aber selbstverständlich, daſs die Anlage
                                 										auch motorischen Zwecken dienen wird. Hierauf ist von vornherein Rücksicht zu
                                 										nehmen. Denn so lange ein Elektricitätswerk ausschlieſslich für
                                 										Beleuchtungszwecke benutzt wird, ist die erzeugte Energie theuer. Eine bei den
                                 										Consumenten nutzbare Energiemenge von etwa 1 -Stunde kostet in diesem
                                 										Falle etwa 35 bis 45 Pf. Dient das Werk aber gleichzeitig auch Tags über für
                                 										motorische Zwecke, so kann der Preis der elektrischen Energie für Kraftabgabe
                                 										verhältniſsmäſsig billig bemessen werden, denn Verzinsung, Abschreibung,
                                 										Reparaturen, Gehälter und Löhne können zunächst fast ausschlieſslich bei der
                                 										Lichtlieferung in Anrechnung kommen, bei der man an theuere Preise gewöhnt ist.
                                 										Voraussichtlich kann die Stadt den Kraftabnehmern 1 -Stunde für 15 bis
                                 										20 Pf. berechnen und trotz dieses mäſsigen Preises – durch bessere Ausnutzung
                                 										der Gesammtanlage auch Tags über – die Wirthschaftlichkeit der Anlage
                                 										erhöhen.“
                              
                           Besonders wird darauf hingewiesen, daſs bei einmal vorhandener Druckluftanlage der
                              									Absatz des Elektricitäts Werkes erschwert werden würde, weil die Abnehmer bei der
                              									Verwendung von Druckluft beharren dürften, selbst wenn ihnen der Bezug von
                              									Elektricität billiger geboten würde. (!)
                           Ohne auf die polemischen und lokalen Erörterungen der nach Lage der Sache zweifellos
                              									wichtigen Denkschrift näher einzugehen, seien im Folgenden einige technische Angaben
                              									derselben auszugsweise nach dem Elektrotechnischen
                                 										Anzeiger wieder gegeben:
                           Für eine allgemeine Energie-Vertheilung in groſsen Städten zu Kraft- und Lichtzwecken
                              									von einer Centralstation aus kommen bei dem heutigen Stande der Technik vor allem in
                              									Betracht die Uebertragung durch Druckluft und durch Elektricität.
                           Bei Beurtheilung des Werthes und der Lebensfähigkeit der beiden Uebertragungsarten
                              										sind maſsgebend die
                              									Wirthschaftlichkeit bezieh. der Gesammtwirkungsgrad der Anlage, sowie die Vortheile
                              									und Nachtheile der besonderen Betriebsverhältnisse.
                           Bei der Druckluft-Vertheilung treiben in der Centralstation aufgestellte
                              									Dampfmaschinen unmittelbar Luftcompressoren. Die comprimirte Luft wird in groſse
                              									Windkessel geliefert und von da durch ein Rohrleitungsnetz den an den
                              									Verbrauchsorten aufgestellten Luftmotoren zugeführt.
                           Unter Berücksichtigung der von den Professoren Radinger
                              									und Riedler über die Pariser Druckluftanlage
                              									veröffentlichten Betriebsresultate wird man als Wirkungsgrad der Reihe nach
                              									annehmen:
                           
                              
                                 für
                                 die
                                 Dampfmaschinen
                                 90
                                 Proc
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 Compressoren
                                 77
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 Ventile
                                 95
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 das
                                 Rohrnetz (wie bei Gasrohrnetzen)
                                 93
                                 „
                                 
                              
                           Der Wirkungsgrad der Druckluftanlage einschlieſslich des
                              									Rohrnetzes beträgt demnach
                           0,90 . 0,77 . 0,95 . 0,93 = 0,61, d. i. 61 Proc.
                           Bei der Energie-Vertheilung auf elektrischem Wege treiben die Dampfmaschinen in der
                              									Centralstation Dynamomaschinen an. Die von diesen erzeugte elektrische Energie wird
                              									durch kupferne Leitungen an die Verbrauchsstellen übergeführt und daselbst
                              									unmittelbar zur Beleuchtung oder durch aufgestellte Elektromotoren zur
                              									Arbeitsleistung verwendet. Hierbei ist als Wirkungsgrad anzunehmen:
                           
                              
                                 für
                                 die
                                 Dampfmaschinen
                                 90
                                 Proc.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 Dynamomaschinen
                                 92
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 das
                                 Leitungsnetz
                                 93
                                 „
                                 
                              
                           und der Wirkungsgrad der elektrischen Anlage mit Einschluſs
                              									des Leitungsnetzes beträgt
                           0,90 . 0,92 . 0,93 = 0,77, d. i. 77
                              									Proc.
                           Es ergibt sich somit ein wesentlicher Vortheil zu Gunsten der elektrischen
                              									Kraftübertragung. Prof. Riedler hat nun eine Reihe von
                              									Verbesserungen und Vervollkommnungen an Compressoren und Ventilen in Vorschlag
                              									gebracht, nach deren Durchführung er den Wirkungsgrad bis zu 76 Proc. zu erhöhen
                              									hofft. Die Verluste im Rohrnetz nimmt er aber, im Widerspruch mit den Erfahrungen
                              									bei Gasrohrnetzen, als verschwindend an. Ob und in welchem Maſse sich die Riedler'schen Erwartungen erfüllen lassen, muſs die
                              									Zukunft entscheiden.
                           Zur Beurtheilung des Gesammtwirkungsgrades sind ferner noch die bei den Consumenten
                              									aufgestellten Luft- bezieh. Elektromotoren zu vergleichen.
                           Die Resultate der von Radinger bei der Pariser
                              									Druckluftanlage angestellten Versuche sind in nachstehender Tabelle angegeben:
                           Luftverbrauch (bei atmosph. Druck)
                              									für 1 nutzbare -Stunde.
                           
                              
                                 Bei Luftmotoren von
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                              
                                 
                                 cbm
                                 cbm
                                 cbm
                                 
                              
                                 Ohne Vorwärmung
                                 38
                                 52
                                 72
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung
                                 22
                                 30
                                 45
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung und Wassereinspritzung
                                 16
                                 22
                                 27
                                 
                              
                           Da nach den Angaben von Radinger und Riedler in Paris 1cbm
                              									Luft in der Centrale 0,11366 indicirte -Stunden erfordert, betragen die
                              									Gesammtwirkungsgrade der Pariser Luftdruck-Uebertragung:
                           
                              
                                 Bei Luftmotoren von
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                              
                                 
                                 Proc
                                 Proc
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Ohne Vorwärmung
                                 (26) 23
                                 (19) 17
                                 (14) 12
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung
                                 (46) 40
                                 (35) 30
                                 (23) 20
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung und Wassereinspritzung
                                 (63) 55
                                 (46) 40
                                 (37) 32
                                 
                              
                           Die eingeklammerten Zahlen sind die Wirkungsgrade, die sich nach Riedler durch einzuführende VervollkommnungVervollkommung noch erreichen lieſsen.
                           
                           Bei den Elektromotoren kann man erfahrungsgemäſs bei Leistungen von 10 , 4
                              									 und 1  der Reihe nach Wirkungsgrade von 85, 80, 70 Proc. zu Grunde
                              									legen. Es betragen dann die Gesammtwirkungsgrade der elektrischen Uebertragung bei
                              									Elektromotoren von:
                           
                              
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                              
                                 0,77 . 0,85 = 65 Proc.
                                 0,77 . 0,80 = 61
                                    											Proc.
                                 0,77 . 0,70 = 54 Proc.
                                 
                              
                           Der Vergleich der beiden letzten Tabellen zeigt, daſs die Uebertragung durch
                              									Elektricität zweifellos wirthschaftlicher ist als durch Druckluft. Die
                              									thatsächlichen praktischen Verhältnisse ergeben dasselbe Resultat.
                           In Paris kostet 1cbm Luft 1,5 Cts. = 1,2 Pf.
                              									Derselbe Preis ist auch für das Fürther Druckluftprojekt zu Grunde gelegt. Es
                              									ergeben sich hierbei folgende
                           
                              Preise für die nutzbare
                                 										-Stunde:
                              
                           
                              
                                 Bei Luftmotoren von
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                              
                                 
                                 Pf.
                                 Pf.
                                 Pf.
                                 
                              
                                 Ohne Vorwärmung
                                 46
                                 62
                                 86
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung
                                 26
                                 36
                                 55
                                 
                              
                                 Mit Vorwärmung und Wassereinspritzung
                                 19
                                 26
                                 32
                                 
                              
                           Dem gegenüber liefern auf elektrischem Wege:
                           die Berliner Elektricitätswerke die
                              									-Stunde zu etwa 20 Pf.,
                           das Städtische Elektricitätswerk
                                 										Königsberg die -Stunde zu etwa 20 Pf.,
                           das Städtische Elektricitätswerk
                                 										Gummersbach die -Stunde zu etwa 15 Pf. und
                           das Eisenacher Elektricitätswerk die
                              									-Stunde zu etwa 12 Pf.
                           So weit unser Auszug aus dem Gusinde'schen Gutachten.
                              									Der Streit wird eine sichere Entscheidung erst erfahren, wenn in Deutschland
                              									gleichwerthige Anlagen nach beiden Systemen eingeführt werden.
                           Wenn im Vorstehenden aber behauptet wird, daſs der Wirkungsgrad der elektrischen
                              									Kraftübertragung 77 Proc. derjenige der Kraftübertragung durch Druckluft nur 61
                              									Proc. betrage, wobei allerdings zugegeben wird, daſs durch Verbesserungen und
                              									Vervollkommnungen der Wirkungsgrad nach Riedler auf 76
                              									Proc. gebracht werden kann, so darf in der Vergleichstabelle der Wirkungsgrad des
                              									elektrischen Kabels nicht zu 93 Proc. gleich demjenigen der Druckluftleitung gesetzt
                              									werden. Dies erweckt offenbar den Eindruck, als ob die Länge beim elektrischen Kabel
                              									keine Rolle spiele. Thatsache ist nun aber, daſs in einer mittelgroſsen Stadt der
                              									Verlust in der Leitung bei Annahme eines nicht zu starken, noch ausführbaren
                              									Kabelquerschnittes und bei Annahme von Gleichstrom und niedriger Spannung mindestens
                              									40 Proc. betragen würde. Es ergibt sich daraus ein Gesammtwirkungsgrad für die
                              									elektrische Kraftübertragung von 0,9 . 0,92 . 0,6 ~ 50 Proc. gegenüber einem
                              									erreichbaren Wirkungsgrad von 76 Proc. bei Druckluftanlagen.
                           Was den Vergleich der Luftmotoren mit den Elektromotoren betrifft, so muſs man auch
                              									hier mit den zu erreichenden Verbesserungen rechnen, also vor allen Dingen mit dem
                              									Verbrauch an Luft bei entsprechender Vorwärmung, Wassereinspritzung und angemessener
                              									Expansion und Compression in gut construirten Maschinen. Pröll berechnet den theoretischen Verbrauch an Druckluft bei günstigen in
                              									der Praxis gut einzuhaltenden Vorbedingungen zu 7cbm für die indicirte stündliche Pferdekraft. Mit Rücksicht auf den
                              									Verlust, welcher bei Dampfmaschinen beobachtet wird, ist man jedenfalls berechtigt,
                              									den wirklichen Verbrauch an Luft bei Maschinen von 10  und darüber, welche
                              									mit Expansionsregulirung versehen sind, zu etwa 10cbm für die indicirte oder zu 12cbm für
                              									die effective Pferdekraft und Stunde anzunehmen. Hierbei gehen wir ganz sicher, da
                              									ein so starker Verlust wie bei Dampfmaschinen durch Kondensation des Dampfes im
                              									Cylinder, bei Luftmaschinen wegen des schlechten Leitungsvermögens der Luft
                              									keinesfalls statt hat. Statt der letzten Zahlenreihe der Tabelle des erwähnten
                              									Aufsatzes
                           
                              „Luftverbrauch für die nutzbare -Stunde“
                              
                           
                              
                                 bei Luftmotoren von
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                              
                                 
                                 16
                                 22
                                 27cbm
                                 
                              
                                 wäre ¾ der Werthe zu setzen, also
                                 12
                                    16,5
                                 20cbm.
                                 
                              
                           Der Cubikmeter Druckluft, bezogen auf atmosphärische Pressung und Temperatur, kann
                              									aber schon zu einem Preise von 0,7 Pfennigen verkauft werden, wobei die
                              									Druckluftgesellschaft noch sehr gute Geschäfte macht. Der Pariser Einheitspreis von
                              									1,2 Pf. ist hierbei gar nicht maſsgebend, da er viel zu hoch ist. Wir erhalten also
                              									das Resultat, daſs bei Luftmotoren die nutzbare -Stunde in mittelgroſsen
                              									Städten
                           
                              
                                 bei
                                 10 
                                 4 
                                 1 
                                 
                                 
                              
                                 nicht
                                 19
                                 26
                                  32 Pf.,
                                 sondern nur
                                 
                              
                                 \frac{7}{12}\,.\,\frac{3}{4}=\frac{21}{48}, d.
                                    											i.
                                      8,3
                                    11,4
                                 14 Pf.
                                 kosten würde.
                                 
                              
                           Die Sache kehrt sich also gerade um, und es erscheinen sogar bei kleinen
                              									Kraftleistungen die Luftmotoren vollkommen concurrenzfähig mit elektrischen Motoren.
                              									Die Behauptung Radinger's, daſs bei Wassereinspritzung
                              									der Kohlenverbrauch für die Stunde und Pferdekraft nur 0,3 Pf. koste, ist durchaus
                              									zutreffend und deckt sich vollkommen mit dem durch Rechnung zu bestimmenden Werthe.
                              									Die Kosten der Vorwärmung und Wasserdampfbildung fallen thatsächlich ganz auſser
                              									Betracht.
                           Bezüglich des etwa im Rohrnetz durch Undichtigkeiten auftretenden Luftverlustes ist
                              									auf die Versuche am St. Gotthard-Tunnel zu verweisen,
                              									wo eine mit 6at Druck angefüllte Druckluftleitung
                              									in 12 Stunden nur 3⅓ Proc. Verlust zeigte. Aehnliche Versuche in Eastbourne mit einer 3 englische Meilen langen Leitung
                              									hatten ebenso günstige Ergebnisse. Man kann also die Beobachtungen in Paris, welche
                              									nur geringe Verluste feststellten, vertrauensvoll entgegennehmen. Ganz
                              									unberücksichtigt ist der Umstand geblieben, daſs Druckluftanlagen vorzugsweise auch
                              									Motoren über 10  betreiben sollen, während die Kunst der elektrischen
                              									Kraftübertragung in Städten mit 10  aufzuhören scheint, denn gröſsere
                              									Beträge sind in den hierüber veröffentlichten Tabellen nicht bekannt gegeben.
                           Für jetzt sei einer sehr interessanten Veröffentlichung gedacht, welche von Dr. R. Pröll in DresdenProjekt einer städtischen Druckluftanlage von 7500 indicirten 
                                    											von Dr. R. Pröll, Civilingenieur, herausgegeben
                                    											von Dr. R. Pröll und O.
                                       												L. Kummer und Co. in Dresden. Mit 7 lithographirten Tafeln. Dresden
                                    											1890. Verlag von C. Tittmann.
                              									ausgeht. Dieselbe enthält sich jeder allgemeinen Parteinahme bezüglich der
                              									Streitfrage, gibt aber eine peinlich genaue Berechnung für eine städtische
                              									Druckluftvertheilungsanlage. Die Pröll'schen Vorschläge
                              									werden nicht ermangeln, ihre überzeugende Beweiskraft entsprechend geltend zu
                              									machen.
                           Wir geben im Folgenden einen Auszug aus dem genannten Buche, indem wir gleichzeitig
                              									bezüglich der vortrefflichen zeichnerischen Durcharbeitung des Projekts und der
                              									neuen Druckluftmotor-Constructionen auf unsere Quelle verweisen.
                           Durch die Zahlen, die eine genaue Berechnung, gestützt auf stattgehabte Versuche,
                              									ergeben hat, soll der Nachweis geführt werden, daſs bei entsprechender Construction
                              									der Details, Einführung sachgemäſser Verbesserungen, rationellster Umsetzung der in
                              									der Kohle steckenden Wärme in Dampfarbeit und dieser in Nutzarbeit durch die
                              									Secundärmaschinen, sehr wohl eine Anlage zu schaffen ist, die nicht allein geeignet
                              									erscheint, in umfassendster Weise Druckluft für alle möglichen Verwendungen den
                              									Interessenten zur Verfügung zu stellen, sondern auch mit den zur Zeit bestehenden
                              									elektrischen Centralanlagen, welche zur Licht- und Krafterzeugung dienen,
                              									concurriren kann.
                           
                           Zur Erzeugung von 7500 indicirten  sind 10 Dreifachexpansionsmaschinen
                              									angenommen, von denen jede bei ökonomisch günstigster Füllung entsprechend 20facher
                              									Expansion und 10at Admissionsspannung im
                              									Hochdruckcylinder 750 indicirte  entwickelt. Die Maschinen arbeiten
                              									selbstverständlich mit Condensation und ist mit Rücksicht auf die hierzu
                              									erforderlichen Wassermengen der Ort für die Centralanlage passend zu wählen.
                           Die Luftcompressoren liegen in der Verlängerung der Kolbenstangen; je zwei werden
                              									durch eine Maschine betrieben. Die in den Cylindern verdichtete Luft gelangt mit
                              									etwa 7at Ueberdruck in die Windkessel.
                           Die Dampfmaschinen arbeiten normal mit 60 Umgängen in der Minute. Der Hoch- und
                              									Mitteldruckcylinder liegt auf der einen, der Niederdruckcylinder mit Condensator auf
                              									der anderen Seite. Beide Hälften arbeiten auf eine Welle mit um 90° versetzten
                              									Kurbeln, welche in der Mitte ein Schwungrad von 5m,5 Durchmesser trägt. Dasselbe dient nur zur Ueberwindung der Todpunkte,
                              									weshalb es nebst Welle entsprechend leicht gehalten werden kann. Die Cylinder sind
                              									mit zwangläufiger Ventilsteuerung versehen, zu deren Betrieb in üblicher Weise eine
                              									Steuerwelle parallel der Maschinenachse gelagert ist. Die Expansion des
                              									Hochdruckcylinders wird nach Erforderniſs entweder von einem Druckregulator oder
                              									Geschwindigkeitsregulator beherrscht, welche in einer eigenartigen Wechselwirkung zu
                              									einander stehen.
                           Der Dampfverbrauch für die indicirte  und Stunde kann nach den neuerdings
                              									vorliegenden Ergebnissen bei Dreifachexpansionsmaschinen zu 5,5 bis 6k angenommen werden.
                           Nach Zeuner's mechanischer Wärmetheorie ist die zur
                              									Verdichtung der Luft von p = 1 auf p1 = 8at,5 Druck erforderliche Arbeit, wenn dieselbe ein
                              									Endvolumen von v1
                              									erlangt:
                           
                              L=\frac{p_1\,v_1}{\varkappa-1}\,\left[1-\left(\frac{p_1}{p}\right)^{\frac{\varkappa-1}{\varkappa}}\right]
                              
                           Es ist hierin κ der sogen.
                              									Exponentialcoefficient, der je nach des Art des comprimirten oder expandirenden
                              									Gases oder Dampfes, bezieh. den Verhältnissen, unter denen sich die Compression oder
                              									Expansion vollzieht, einen bestimmten Werth hat, auf den wir späterhin zurückkommen
                              									werden.
                           Es ist, wenn v das dem Drucke p entsprechende Volumen bedeutet:
                           
                              \left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{\varkappa-1}{\varkappa}}=\left(\frac{v_1}{v}\right)^{\varkappa-1},\
                                 										\mbox{also}\
                                 										L=\frac{p_1\,v_1}{\varkappa-1}\,\left[1-\left(\frac{v_1}{v}\right)^{\varkappa-1}\right];
                              
                           da aber auch
                           
                              \frac{p\,v}{p_1\,v_1}=\left(\frac{v_1}{v}\right)^{\varkappa-1}\
                                 										\mbox{ist},
                              
                           so folgt
                           L=\frac{p_1\,v_1}{\varkappa-1}\,\left[1-\frac{p\,v}{p_1\,v_1}\right],\
                                 										L=\frac{p_1\,v_1-p\,v}{x-1}.
                           Hierzu kommt noch die Volldruckarbeit, abzüglich der Gegendruckarbeit, welche = p1v1 – pv ist; es beträgt somit die gesammte indicirte
                              									Compressionsarbeit
                           
                              
                                 K=\frac{p_1\,v_1-p\,v}{x-1}+p_1\,v_1-p\,v=(p_1\,v_1-p\,v)\,\left(\frac{1}{\varkappa-1}+1\right),
                                 
                              
                                 K=(p_1\,v_1-p\,v)\,\frac{\varkappa}{\varkappa-1},
                                 
                              
                           oder durch v dividirt:
                           \frac{K}{v}=\left(p_1\,\frac{v_1}{v}-p\left)\,\frac{\varkappa}{\varkappa-1}.
                           Aus \frac{p}{p_1}=\frac{1}{8,5} folgt
                              										\frac{v_1}{v} nach der Beziehung
                              										\frac{v_1}{v}=\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{1}{\varkappa}}=\left(\frac{1}{8,5}\right)^{\frac{1}{1,25}},\,.\,\varkappa=1
                              									entspricht als Mittelwerth zwischen κ = 1,41
                              									(adiabatische Zustandsänderung), und κ = 1
                              									(isothermische Zustandsänderung), aber mehr ersterem Werthe zuneigend, der
                              									Voraussetzung einer äuſseren Kühlung. Aus dieser Annahme folgt  \frac{v_1}{v}=0,18, mithin ist, wenn K' die für die Maschine auf 2 Compressoren zu
                              									übertragende Arbeit bedeutet:
                           
                              K' = 2K
                              
                           und
                           
                              \frac{K'}{2\,v}=(8,5\,.\,0,18-1)\,\frac{1,25}{0,25}\,.\,10000
                              
                           
                              =0,53\,.\,5\,.\,10000=26500,
                              
                           für v in Cubikmeter gemessen.
                           Es ist bei 0m,7 Cylinderdurchmesser der
                              									Luftcompressoren und 1m,25 Hub
                           v = 0,385 . 1,25,
                           also
                           K' = 26500.2.0,385.1,25,
                             K' = 25506k für den Hub.
                           Bei 60 Umgängen in der Minute ist
                           K' = 25506 . 2 = 51012k
                           in der Secunde, also in :
                           N'=\frac{51012}{75}=680.
                           Wird der Maschinenwirkungsgrad = 0,9 gesetzt, so erhält man
                              									für eine Maschine  \frac{680}{0,9}=755= rund 750 indicirte
                              									.
                           Die Luftcompressoren werden von den nach hinten austretenden Kolbenstangen der
                              									Dampfcylinder unmittelbar angetrieben. Die Berechnung ergibt für jeden Compressor
                              									einen Cylinderdurchmesser von 700mm bei 1250mm Hub. Von einer Wassereinspritzung in den
                              									Cylinder zur Abführung der Compressionswärme ist grundsätzlich Abstand genommen, da
                              									dieselbe in der Praxis zu mannigfachen Anständen Veranlassung gegeben hat. Wenn auch
                              									die äuſsere Kühlung nicht so wirksam ist wie die innere, durch direkte
                              									Wassereinspritzung erzeugte, so gestattet doch der Wegfall jeder Wasseransammlung im
                              									Cylinder, die Compressoren mit höherer Spielzahl arbeiten zu lassen, als es ohnedies
                              									möglich wäre. Um hierbei auch den höchsten Effect bei ruhigstem Gange zu erreichen,
                              									sind für die Compressoren zwangläufig gesteuerte Ventile (Patent Riedler) in Aussicht genommen.
                           Bei Anwendung derselben unterliegt es keinem Bedenken, die hohe Umlaufzahl von 60 in
                              									der Minute für den Maschinenbetrieb anzunehmen, da der Schluſs der Ventile
                              									stoſsfrei, eine Folge der durch den Zwanglauf des Steuerungsmechanismus fest
                              									vorgeschriebenen Geschwindigkeit, vor sich geht.
                           Nach den von der Anlage in Paris durch Prof. Riedler
                              									veröffentlichten Betriebsdiagrammen, den täglichen Verbrauch an Druckluft
                              									betreffend, entspricht die durchschnittliche Leistung der Maschinen täglich der
                              									Normalarbeit über ungefähr 11 Stunden hinweg, es würde also der tägliche
                              									Luftverbrauch 62366 . 11 = 686026cbm oder bei 10
                              									Proc. Verlust in der Leitung und 325 Tagen im Jahr (Sonn- und Festtage weniger
                              									gerechnet) 686026 . 0,9 . 325 = rund 200 Millionen Cubikmeter (bezogen auf
                              									atmosphärische Spannung und Temperatur) betragen.
                           Bei der Compression der aus der Atmosphäre angesaugten Luft, welche für Hub und
                              									Compressor angenähert \frac{0,4331}{778}\,.\,1000=0^k,557 wiegt,
                              									setzt sich die aufgewendete mechanische Arbeit in Wärme um, welche ins Kühlwasser
                              									übertritt. Erstere stellt sich nach den früheren Berechnungen für Hub und Compressor
                              									auf \frac{25506}{2}=12753^k, was einen Wärmebetrag von
                              										\frac{12753}{428}\,\sim\,30 Cal. ergibt. Nimmt man an, daſs
                              									das Kühlwasser eine Temperatur von 10° hat und 40° warm abflieſst, so müſste 1k Kühlwasser 30 Cal. aufnehmen, folglich wären zur
                              									Kühlung eines Compressors für den Hub \frac{30}{30}=1^k, also bei
                              									120 Hüben in der Minute =\frac{120}{60}=2^k Wasser in der Secunde
                              									nöthig.
                           Der zum Betriebe der Maschinen erforderliche Dampf wird in 15 Wasserrohrkesseln (z.B.
                              									Svstem Dürr) von je 200qm Heizfläche erzeugt. Die Kessel sind mit zwei groſsen Wasser- und einem
                              									Dampfbehälter versehen, von welchem zwei getrennte Dampfleitungen mit
                              									zwischenliegenden Dampfsammelröhren nach den Maschinen führen. Zwei Batterien von je
                              									drei Kesseln geben die Feuergase an einen gemeinschaftlichen Schornstein ab. Eine
                              									Batterie von drei Kesseln steht in Verbindung mit einem kleineren Schornstein.
                           Um jede Rauch- und Ruſsbelästigung zu vermeiden und das Brennmaterial (Braunkohle)
                              									möglichst vortheilhaft zu verbrennen, sind die Kessel mit einer vom Civilingenieur
                              										Schneider in Dresden projectirten Generatorfeuerung
                              									versehen, wie solche auch die groſse Druckluftanlage in Birmingham besitzt.
                           Bei einem Preise von 60 Pf. für 1hl guter
                              									böhmischer zur Vergasung geeigneter Braunkohle von etwa 5000 Calorien Brennwerth
                              									loco Centrale (Elbe bei Dresden) und der Annahme, daſs in den Generatoren etwa ⅔ der
                              									im Brennmittel verfügbaren Wärmeeinheiten zur Dampferzeugung frei werden, ergibt
                              									sich eine etwa fünffache Verdampfung; 1k
                              									Wasserdampf erfordert zu seiner Bildung ungefähr 650 W.-E., mithin verdampft 1k Braunkohle der angeführten Art nach Vergasung in
                              									den Generatoren \frac{2}{3}\,.\,\frac{5000}650{=5,13\,\sim\,5^k}
                              									Wasser. Nimmt man ferner an, daſs mit Rücksicht auf die zeitweilig schwächere
                              									Ausnützung der Generatoren bezieh. stärkere Beanspruchung der Kessel in Folge des
                              									ungleichmäſsigen Betriebes für die indicirte Pferdestärke und Stunde
                              									durchschnittlich 7k Dampf erzeugt werden müssen,
                              									so würde die erforderliche Dampfmenge in der Stunde 7500 . 7 = 52500k betragen. Nach dem vorhin angegebenen
                              									durchschnittlichen Verbrauch an Luft täglich, der eine elfstündige Normalarbeit der
                              									Maschinen bedingt, würde hiernach der Verbrauch an Dampf täglich 52500 . 11 =
                              										577500k, d. i. jährlich (300 Werktage und 25
                              									volle Tage für die Sonn- und Festtage gerechnet) 325 . 577500 = 187687500, also der Verbrauch an Kohlen jährlich
                              									187687500 :  5 = 37537500k betragen.
                           Man kann rechnen, daſs 100k von der angenommenen
                              									Kohlensorte 75 Pf. kosten, so daſs sich die Ausgabe an Kohlen jährlich auf 375375 .
                              									0,75 = 281531,25 M. stellt, welchen Betrag wir indeſs der Sicherheit halber, da noch
                              									der Transport der Lowrys von der Ankunftsstelle zur Verwendungsstelle hinzukommt und
                              									Verluste beim Anlassen und Ausgehen einzelner Generatoren entstehen, auf rund 300000
                              									M. erhöhen.
                           Der ungestörte Betrieb und die Anpassung der Luftförderung an den Luftverbrauch
                              									erfordert eine bestimmte Regulirungsvorrichtung an den Dampfmaschinen, welche vom
                              									Verfasser des Projects herrührt und patentirt worden ist. Die Vorrichtung besteht in
                              									einem Druckregulator und einer eigenartigen Verbindung desselben mit dem Stellzeug
                              									eines Geschwindigkeitsregulators, sowie dem Steuerungsmechanismus der Dampfmaschine.
                              									Sie hat den Zweck, letztere selbsthätig auf eine höhere oder niedrigere
                              									Umdrehungszahl einzustellen, je nachdem eine gröſsere oder geringere Zufuhr von
                              									Druckluft zu den Windkesseln oder der Rohrleitung nöthig erscheint, ohne indeſs die
                              									Wirkung eines Geschwindigkeitsregulators zu beeinträchtigen, der in gewöhnlicher
                              									Weise den Gang der Dampfmaschine beherrscht, im vorliegenden Falle aber die Aufgabe
                              									hat, die Ueberschreitung einer Maximaltourenzahl zu verhindern.
                           Die Dampfmaschinen mit den Luftcompressoren und den Windkesseln befinden sich in
                              									einer Halle von 123m Länge und 25m Breite, welche von einer Eisenconstruction
                              									überdacht ist. An dem einen Ende befindet sich ein Reserveraum zur Aufstellung von
                              									noch 2 Maschinen, also zur Vergröſserung der Centralen um 1500 indicirte .
                              									Auf der anderen Seite ist ein Raum zur Anlage einer Reparaturwerkstatt,
                              									Maschinenmeisterstube und Aufstellung einer elektrischen Beleuchtungsmaschine
                              									vorgesehen. Die Halle hat sieben Portale, welche zwischen und an den Enden der in
                              									ihr befindlichen fünf
                              									Windkessel ins Innere führen. Die Windkessel liegen zur Hälfte im Boden. Sie sind
                              									unter einander verbunden, aber durch Schieber einzeln abstellbar. An der Hinterwand
                              									der Maschinenhalle zieht sich das Kesselhaus hin, ebenso lang, aber nur 12m breit, ebenfalls von einer Eisenconstruction
                              									überdacht. Auf dem einen Ende ist noch Raum zur Anlage einer Batterie von drei
                              									Kesseln zu 200qm Heizfläche, an dem anderen Ende
                              									befinden sich die Materialkammern. Hinter dem Kesselhaus befinden sich die
                              									Schornsteine und Generatoren, sowie die Gleisanlage zum Heranfahren der Kohlen an
                              									die Generatoren.
                           Die Rohrleitung im Maschinenhaus bestellt aus einer doppelten Druckluftleitung,
                              									welche von den Windkesseln abzweigt, einer Kaltwasserleitung zum Betriebe der
                              									Condensatoren, einer Leitung zur Abführung des warmen Wassers aus diesen, einer
                              									Speiseleitung für die Kessel, einer doppelten Dampfleitung von diesen nach den
                              									Dampfmaschinen und einer Druckluftleitung zwischen den Compressoren und Windkesseln,
                              									von welcher die vorhin angedeutete Regulirvorrichtung bethätigt wird. Die Dächer
                              									sind mit Aufsätzen zur Lüftung der Räume versehen.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)