| Titel: | Materialprüfungen an fertigen Constructionstheilen. | 
| Autor: | Pr. | 
| Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 551 | 
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                        Materialprüfungen an fertigen
                           								Constructionstheilen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									28.
                        Materialprüfungen an fertigen Constructionstheilen.
                        
                     
                        
                           Bemerkenswert sind die Festigkeitsversuche, welchen Kolben und Cylindertheile des von
                              									der Société Cockerill in Seraing für die Hebeschleuſse
                              									von La Louvière im Canal du Centre, Belgien, gelieferten Druckwerkes vorher
                              									unterzogen wurden.
                           Nach Stahl und Eisen, 1890 Nr. 1 * S. 38, beträgt der
                              									Höhenunterschied der Wasserspiegel bei dieser Hebeschleuſse 15m,396, während jede der beiden Schleuſsenkammern
                              									von 43m Länge bei 5m,8 Breite von einem Preſskolben von 2m
                              									Durchmesser getragen wird.
                           Die beiden Preſscylinder sind durch Rohrleitungen verbunden, derart, daſs nach dem
                              									Grundsatze communicirender Gefäſse die niedergehende Schleuſsenkammer eine
                              									Mehrbelastung besitzen muſs, die durch eine stärkere Wasserfüllung bezieh. höheren
                              									Wasserstand in der Kammer erhalten wird.
                           Dem normalen Wasserstande von 2m,4 in den
                              									Kanalhaltungen entsprechend, wird der steigenden Kammer eine Füllung von 2,4 – 0,3 =
                              										2,1m Höhe, der niedergehenden eine solche von
                              									2,4 + 0,3 = 2,7m gegeben, während davon 75t Uebergewicht zur Ueberwindung der Kolbenreibung
                              									gerechnet werden.
                           Die Durchführung dieser Kolbenbewegung wird durch einen in die Rohrleitung
                              									eingeschalteten Schieber derart selbsthätig geregelt, daſs eine
                              									Kolbengeschwindigkeit von 0,07m/sec. eingehalten wird.
                           Die vom Kolben der niedergehenden Kammer zu tragende Wasserlast beträgt 43 . 5,8 .
                              									2,7 = 673,4t und mit Einrechnung des
                              									Eigengewichtes der Schleuſsenkammer insgesammt 1050t. Dies entspricht nach Abrechnung von ½ . 75 = 37,5t für Reibung des niedergehenden Kolbens einer
                              									Triebkraft von 1012t,5, welche eine Wasserpressung
                              									von (1012500 : 31416 = 32,2k/qc) oder 32at,2
                              									hervorruft, während der Probedruck für die Preſscylinder auf 40at vorgeschrieben ist.
                           Jeder Kolben (Fig.
                                 										7) besteht aus einem halbkugelförmigen Bodenstück mit Mannlochdeckel, aus
                              									einem Kopfstück mit 4 zu 4m messender
                              									quadratischer Abschluſsplatte und aus acht cylindrischen Mittelstücken von 75mm Wandstärke und 2130mm Baulänge. Zur Abdichtung der inneren Verbindungsflanschen ist Kupfer
                              									verwendet, welches in schwalben-schwanzförmige Nuthen eingepreſst wird. Die
                              									Gesammtlänge eines Kolbens beträgt 19m,45 bei
                              										200cm Durchmesser im cylindrischen Theil.
                           Der Preſscylinder ist ebenfalls aus Guſseisen und besteht aus 9 Stück 2m langen Theilen von 204cm innerem Durchmesser und 100mm Wandstärke, welche ihrer ganzen Länge nach mit
                              										50mm starken und 152mm hohen warm aufgezogenen Stahlringen verstärkt
                              									sind. Die Endringe jedes Cylindertheiles sind der Verschraubung wegen Winkelstahle,
                              									während die Abdichtung wie beim Kolben, aber mittels eingelegter dünner Bleiplatten
                              									bewerkstelligt wird. Um ein Abstreifen der Endwinkelringe zu verhindern, stützen
                              									sich dieselben auf einen 3mm stark vorspringenden
                              									Rand des Cylinderstückes.
                           Diese Stahlringe, welche dicht an einander gelegt werden, sind in Bezug auf ihre
                              									Zusammenziehung derart berechnet, daſs bei einer Wasserpressung von 36at das Guſseisen mit 1k/qmm, das Stahlmaterial der Schrumpfringe
                              									aber mit 7,5k/qmm
                              									beansprucht wird.
                           Jeder Cylindertheil ist vor der Verstärkung mit den Stahlreifen während einer Stunde
                              									einer Wasserpressung von 40at ausgesetzt, ohne die
                              									geringste Wasserdurchlässigkeit zu zeigen. Versuchsweise ist ferner ein solcher
                              									Cylindertheil mit 80at gepreſst, während ein
                              									gleicher mit Reifen verstärkter einer Pressung von 160at widerstehen muſste. Diese übermäſsig gepreſsten Cylindertheile wurden
                              									von der Verwendung ausgeschlossen, während die oberen mit Stahlreifen abgebundenen
                              									Cylindertheile mit den Vertheilungsröhren und der Stopfbüchsenpackung eine Stunde
                              									lang einer Druckprobe von 80at ausgesetzt blieben,
                              									bevor dieselben ihrer Bestimmung zugeführt werden durften.
                           Vorgeschriebene Bedingung für die Festigkeit der Materialien war: für Guſseisen 15k/qmm
                              									Zugfestigkeit und 70k/qmm Druckfestigkeit, für den Ringstahl 45k/qm Zugfestigkeit, 20 Proc. Dehnung bei
                              									einer Versuchsdauer von 15 Minuten bis erfolgtem Bruch.
                           Bei den bis zum Aeuſsersten getriebenen Preſsversuchen wurde ein unbereifter
                              									Cylindertheil bis 146at,5 gespannt und dabei
                              									zersprengt. Die gleichzeitig mit diesem Cylinder abgegossenen Versuchsstäbchen
                              									hatten eine mittlere Zugfestigkeit von 17k/qmm und eine Druckfestigkeit von 76,4k/qmm, sie
                              									übertreffen somit die vorgeschriebene Bedingung nicht unbeträchtlich.
                           Es wurde ferner ein vorschriftsmäſsig mit Stahlreifen verstärkter Cylindertheil
                              									mehrmals bis 200at gepreſst, um sich von der
                              									Widerstandsfähigkeit der Gummidichtung zu versichern, und später die Wasserpressung
                              									bis auf 265at gesteigert, wobei der guſseiserne
                              									Cylinder allein und ohne Knall zersprang, während die Stahlreifen unversehrt
                              									blieben.
                           Die Versuchsstäbe dieses Cylinders hatten eine mittlere Zugfestigkeit von 17,53k/qmm und eine
                              									Druckfestigkeit von 73,49k/qmm, während das Ringstahlmaterial 46,53k/qmm
                              									Zugfestigkeit bei 25,27 Proc. Dehnung beim Bruch durchschnittlich aufwies.
                           Zur gleichmäſsigen Uebertragung des Bodendruckes ist zwischen Grundquaderwerk und der
                              									Cylinderbodenplatte eine 5mm starke Blechtafel aus
                              									Blei eingelegt.
                           Die Wasserzuführung erfolgt von einem Ringrohr (Fig. 8) aus durch
                              									Vermittlung von 24 kleinen Stahlröhren, welche in einem Schrumpfring des oberen
                              									Cylindertheiles eingeschraubt sind, wodurch die Festigkeit der Cylinderwand wenig
                              									beeinträchtigt wird, während die Stopfbüchsen aus Dichtungsringen von Phosphorbronze
                              									zusammengesetzt sind.
                           
                           Zur Ergänzung ist noch erwähnenswerth, daſs bei der Hebeschleuſse von Les Fontinettes
                              									in Frankreich (vgl. 1887 263 * 312) das Gesammtgewicht
                              									einer Schleuſsenkammer 770t, der Kolbendurchmesser
                              										200cm, die Wasserpressung 25at beträgt. Der Cylinder besteht aus auf einander
                              									gelegten Stahlringen ohne Schweiſsnaht von 55mm
                              									Dicke, bei 140mm Höhe und Kupferdichtung von 2mm,5 Dicke. Ein solcher Cylinder widerstand einer
                              									Probepressung von 175at.
                           Beim Schleuſsenhebewerk von Anderton am Weaverflusse in England, entworfen von E. Clark, seit 1875 im Betriebe, ist der
                              									Kolbendurchmesser 90cm. Die Wasserzuführung
                              									erfolgte durch eine einzige Oeffnung in der Cylinderwand, was eine bedeutende
                              									Schwächung derselben bedingt und auch den Bruch des oberen Cylindertheiles im J.
                              									1882 zur Folge hatte.
                           Derartige senkrechte Schiffshebewerke sind in Anbetracht der groſsen Sicherheit des
                              									Betriebes da von groſsem Vortheile, wo in verhältniſsmäſsig kurzen Kanalhaltungen
                              									groſse Gefälle zu überwinden sind.
                           
                              
                                 Pr.
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
