| Titel: | Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs. | 
| Autor: | R. Zaloziecki | 
| Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 86 | 
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                        Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs.
                        Von R. Zaloziecki.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 69 d.
                           								Bd.)
                        Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs.
                        
                     
                        
                           Nach diesen Betrachtungen allgemeiner Natur will ich versuchen, in grossen Umrissen
                              									den wahrscheinlichen Process der Bituminisation der Thierreste, d.h. den Uebergang
                              									derselben in Erdöl und Erdwachs zu skizziren. Um ein vollständiges Bild
                              									entrollen zu können, ist es unerlässlich, nicht etwa bei der Veränderung des bereits
                              									vorliegenden Substrats zu beginnen, sondern die Beschaffung desselben auch in den
                              									Kreis der Betrachtungen zu ziehen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil der Reichthum
                              									des local gewonnenen Erdöles bei Vielen Bedenken wecken könnte bezüglich dessen
                              									Abstammung aus thierischen Organismen. Es ist einigermassen schwierig, sich die
                              									Anhäufung des thierischen Restproductes local so abondant vorzustellen, damit noch
                              									nach dessen Zersetzung, wobei der grösste Theil verschwindet, sich unterirdische
                              									Oellagerstätten bilden, welche Jahre lang täglich ungeheure Quantitäten zu Tage
                              									fördern, wie die Beispiele von Pennsylvanien und Balachany (auf der Halbinsel Apscheron) beweisen. Es
                              									ist dies wohl ein Grund dafür, warum die Vorstellung vom thierischen Ursprung des
                              									Bitumens sich so schwierig Eingang verschafft. Ueber dieses Hinderniss lässt uns vor
                              									allen das Beispiel der Kohlenlager, der nachgewiesenen pflanzlichen Verwesungsreste,
                              									welche in ihrer Reichhaltigkeit und Mächtigkeit trotz intensiver, Jahrzehnte
                              									dauernder Ausbeutung kaum beeinflusst wurden und fast unerschöpflich genannt werden
                              									können, hinweg helfen. Dieser immens entwickelten Flora vorweltlicher Epochen musste
                              									auch eine reiche Fauna entsprechen, wofür uns auch die Paläontologie directe Beweise
                              									liefert, und ebenso wie durch Verwesung der durch Generationen nach einander auf
                              									einem Landstriche wuchernden üppigen Vegetation sich mächtige Kohlenflötze
                              									entstanden gedacht werden können, ist auch die Voraussetzung zulässig, dass eine
                              									Anhäufung von Thieren bezieh. deren Leichen local durch besondere Verhältnisse durch
                              									Jahrhunderte oder Jahrtausende begünstigt und dass durch besondere, aber
                              									gleichartige Bedingungen die Zersetzung dieser örtlich enorm angehäuften Quantitäten
                              									einheitlich in dem Sinne der Bituminisation ermöglicht wurde.
                           Nicht alle Plätze der Erde sind gleichmässig von Thieren bewohnt; es lassen sich von
                              									vornherein solche ausscheiden, die keine Bedingungen für die Entwickelung der Fauna
                              									an sich tragen, andere dagegen, welche derselben sehr förderlich sind. Zu letzteren
                              									gehören in erster Linie Küstenstriche in gemässigten und warmen Zonen, welche
                              									Lebensbedingungen für Land- und Wasserthiere und gemischte Bewohner in sich
                              									vereinigen können, und dann auch durch ein reiches Thierleben ausgezeichnet sind.
                              									Ueberdies bieten Seeküsten öfters durch ihre Entwickelung günstige Depotplätze für
                              									die Anschwemmungen der zugehörigen Meere, ermöglichen demnach eine Concentration des
                              									thierischen Leichenmaterials aus grossen Umkreisen. Besonders begünstigte Plätze für
                              									Thierkolonien werden in erster Linie Lagunen sein, ferner ruhige, wenig bewegte
                              									Einschnitte und Buchten, deren diesbezügliche Capacität durch vorgelagerte Insel
                              									oder vorspringende Halbinsel gehoben wird. An diesen Stellen können auch ungestört
                              									die Leichen der abgestorbenen Generationen in Sand und Schlamm gebettet werden und
                              									die Zahl dieser Massengräber wird vermehrt durch Anschwemmungen aus dem offenen
                              									Meere, wenn die Meeresströmung günstig gerichtet ist. Je länger sich diese
                              									Bedingungen erhalten, d.h. die Configuration der Küste und die Richtung der
                              									Meeresströmung unverändert bleibt, desto grösser wird die Zahl der untergegangenen
                              									und begrabenen Thiergenerationen sein, desto mächtiger werden die mit Sand und
                              									Schlamm und Kalk
                              									gemischten organischen Ablagerungen wachsen, desto mächtiger das Material zu einem
                              									nachträglichen Zersetzungsvorgange sich häufen. Schliesslich werden diese Stellen in
                              									Folge weiterer Sedimentirung oder einer secundären Hebung aus dem Bereiche der Küste
                              									entfernt, machen weiteren Strichen Platz, auf welchen sich der Vorgang so oft
                              									wiederholt, bis das ganze Terrain aus dem Bereiche der marinen Uferablagerung sich
                              									heraushebt, oder in Folge Aenderung der Küstengliederung die günstigen Bedingungen
                              									für die Ansammlung thierischer Ueberreste wo anders verschoben werden. In diesen mit
                              									Thierresten im Laufe von Jahrhunderten oder Jahrtausenden reichlich beladenen
                              									marinen Ufersedimenten kann die weitere Arbeit der Zersetzung und Bituminisirung
                              									beginnen und aus dem reichen Rohmaterial kann auch auf einen reichen Ertrag
                              									gerechnet werden.
                           Alles, was über Erdöl bekannt ist, bestätigt diese Voraussetzung, zum Mindesten
                              									widerspricht keine bekannte Thatsache derselben. Wir finden Erdöl hauptsächlich in
                              									marinen Sedimenten, die Sande, Conglomerate, Schiefer und Thone, welche primäres Oel
                              									liefern, deuten auf einen marinen Ursprung und die darin eingeschlossenen
                              									Versteinerungen gehören der Seefauna an. Ich erinnere hier an die fossilen Korallen
                              										Zaphrentis im Corniferouskalke der devonischen Oelschichten in Kanada, an die mit Erdöl
                              									durchtränkten Zellen von Heliophyllum und Favosites und die Oel einschliessenden Kammern der Orthoceratiten im Trentonkalk bei PackenhamH. Höfer, das Erdöl und seine Verwandten (Bolley's Technologie, 47). H. Höfer,
                                       												Petroleumindustrie Nordamerikas, Wien 1877. u.s.w., und
                              									besonders an einen beinahe vollständigen Mangel von Pflanzenabdrücken in den
                              									Oelgesteinen, denn die wenigen Fucoidenreste, wie sie
                              									in Pennsylvanien und in den Mergeln der karpathischen Ropiankaschichten sich haben
                              									auffinden lassen, sind beinahe die einzigen Repräsentanten der fossilen Pflanzen in
                              									ölführenden Gesteinen und selbst diese wurden in neuerer Zeit zum Theil als
                              									Kriechspuren der Mollusken angesprochen.
                           Eine fast gewöhnliche Erscheinung in den Petroleumterrains sind die Soolquellen,
                              									welche in Amerika, am Kaukasus und in Galizien die Petroleumquellen begleitend
                              									aufgefunden wurden. Jod und BromBr. Radziszewski, Rozprawy i sprawozdania kom.
                                       												balneologioznej T. l. Kr., 1877 S. XXXV (poln.). sind in
                              									den Rohölwässern nachgewiesen worden und kommen alkalische, Bitter- und
                              									Schwefelquellen in der Nähe von Petroleumbrunnen im NordkaukasusAperçu des mines du Ministère du Domain de
                                       												l'état, 1878. und im transkaspischen OelterrainSjörgen, Jahrbuch der geologischen
                                       												Reichsanstalt, 1887 S. 47. vor, und deuten diese
                              									Erscheinungen auf einen Zusammenhang des Erdöles mit mariner Thätigkeit hin.
                           Bei der Vergleichung der ergiebigen Petroleumfelder in geographischer Beziehung zeigt
                              									sich die auffallende Thatsache, dass dieselben das Vorterrain der Gebirgszüge
                              									behaupten und der Erstreckung derselben im Ganzen und Grossen folgen, so die
                              									Oelterrains der Vereinigten nordamerikanischen Staaten dem apallachischen
                              									Gebirgszuge, die galizischen und moldauisch-wallachischen Fundstätten dem
                              									Nordabhange der Karpathen und die kaukasischen dem Nord- und Südabhange des
                              									gleichnamigen Gebirges. Ordnen wir ferner die productiven Oelbrunnen, soweit
                              									dieselben in den bekannten grösseren Terrains aufgeschlossen wurden, in sogen.
                              									Oellinien oder Oelzonen, so stellt sich eine merkwürdige Uebereinstimmung
                              									derselben mit der Richtung der Haupt- oder Nebenkammlinien des entsprechenden
                              									Gebirgszuges heraus, indem die ölführenden Antiklinalen meistens parallel mit den
                              									Hauptsätteln oder antiklinalen Aufbrüchen des Gebirges verlaufen. Diese Erscheinung
                              									findet eine völlige Erklärung in dem Umstände, dass vorweltliche Seeuferbildungen
                              									als grössere Herde der Erdölerzeugung vorzüglich in Betracht kommen müssen, was sich
                              									folgendermassen entwickeln lässt. – Die in einer frühen geologischen Epoche spärlich
                              									vorkommenden festen Landstriche müssen gleichsam als Orientirungslinien unserer
                              									heutigen Erhebungen betrachtet werden, d.h. sie waren von ihrem Erscheinen an in der
                              									Regel mit einer Tendenz zu Hebung behaftet. Dieses, älteren Continentenanfängen
                              									innewohnende Hebungsbestreben, welches von der Erkaltungs- und Schwindungstendenz
                              									unseres Planeten ihren Ursprung ableitet (indem durch verschiedene kosmische und
                              									mechanische Einflüsse diese Erdpunkte zuerst zur Erstarrung gebracht wurden und
                              									dieselbe sich sodann um dieselben herum fortgepflanzt hat), konnte anfänglich durch
                              									Eruptionsvorgänge gestört oder örtlich verschoben werden. Nachdem jedoch die
                              									vulkanische Thätigkeit in Folge der tiefer greifenden Erstarrung und Bildung einer
                              									dickeren Erdkruste quantitativ abgenommen hat, wie das zweifelsohne im Beginne der
                              									Sedimentperiode und mit dem Auftreten organischer Lebewesen der Fall sein musste,
                              									waren die bereits gehobenen Partien in erster Linie dazu berufen, weiter gehoben zu
                              									werden und im Ganzen und Grossen die Anfänge unserer Gebirge zu bilden. An diesen
                              									Landstrichen, die naturgemäss mehr die Entwickelung in einer Dimension zeigten,
                              									demnach ursprünglich schmal waren und nachträglich erst erweitert wurden, brandeten
                              									die vorweltlichen Oceane mit ihrer reichen Thierbevölkerung und setzten an den
                              									günstigen Uferplätzen ihre Trümmer und Reste ab. Es lagerten sich auf die früher
                              									besprochene Weise Schichtencomplexe, mit thierischen Ueberresten reichlich
                              									durchsetzt, ab, die der Hebung gleichartig wie der ganze schmale Landstrich
                              									ausgesetzt waren und den ganzen Mechanismus der Gebirgsbildung als örtliche Vorlagen
                              									durchgemacht haben. Da die gebirgsbildenden Kräfte senkrecht auf die Richtung der
                              									heutigen Gebirgszüge wirkten, mussten die den jetzigen Hauptgebirgskämmen
                              									anliegenden Terrains, welche alte Seeuferbildungen event. Oellagerstätten in sich
                              									aufnahmen, gleichgerichteten Faltungen und Stauungen unterworfen worden sein und
                              									Sättel bilden, welche den Hauptantiklinaten parallel gerichtet erscheinen.
                           Wie kommt es jedoch, dass, nachdem die heutigen Hauptgebirgszüge oder richtiger deren
                              									Vorterrains als alte Seeuferplätze angesehen werden können, nicht alle Gebirge
                              									ölführende Vorsättel aufweisen, wozu das Beispiel der Alpen vorerst anzuführen ist?
                              									Die Motivirung dessen könnte mehrseitig sein, in einem Falle anders wie in dem
                              									anderen, und man wäre wahrhaftig im Allgemeinen um Ursachen nicht verlegen; obwohl
                              									es sehr schwer fallen würde, dieselben in einem speciellen Falle anzuwenden. Als
                              									allgemeine Ursachen könnte man erstens anführen, dass die Gebirgsbildung zu alt ist,
                              									d.h. die Hebung war früher bewerkstelligt, bevor überhaupt Thierformen in Massen
                              									auftraten, zweitens konnten die klimatischen Bedingungen an den der heutigen
                              									Gebirgsfläche entsprechenden ehemaligen Küstenzonen dem Thierleben ungünstiggewesen sein oder
                              									deren Ansiedelung vollkommen ausschliessen, drittens waren die alten Meeresufer in
                              									Bezug auf die Küstengliederung oder Wasserströmung für eine Ansammlung und
                              									Ablagerung des organischen Materials ungünstig gelegen, viertens waren die
                              									zugehörigen Meere gering an Ausdehnung oder Seebecken kleineren Umfanges, bei denen
                              									ausserdem eine einseitige Concentration der Mineralwasserbestandtheile die
                              									Thieranpassung erschwerte, und fünftens konnten die Bedingungen für eine
                              									gleichmässig im Sinne der Bituminisation verlaufende Zersetzung fehlen, trotzdem ein
                              									reichliches Material vorhanden sein konnte. Ausserdem könnten noch andere Ursachen
                              									angegeben werden, obgleich die heutige Kenntniss der geographischen Vertheilung der
                              									Bitumena in qualitativer und noch mehr in quantitativer Beziehung durchaus nicht
                              									vollkommen ist und durch weitere bergmännische und geologische Forschungen ergänzt
                              									werden muss, denn was heute darüber bekannt ist, kann entweder auf selbsthätig
                              									auftretende Oelspuren und Gasausströmungen oder auf bergmännischen Betrieb in
                              									verhältnissmässig geringen Tiefen auf Grundlage von oberflächigen Anzeichen
                              									zurückgeführt werden. Das Auftreten von Oelspuren und die Gasexhalationen sind
                              									jedoch secundäre Erscheinungen der Oellagerstätten, die durch besondere Verhältnisse
                              									zu Stande kommen, wie bekannt dadurch, dass entweder bei der gebirgsbildenden
                              									Faltung die oberen Schichten in ihrem Zusammenhange gelockert und für den Austritt
                              									von Oel und Gas durchlässig, oder aber bei der Entstehung von Dislocationen und
                              									Transgressionen von Rissen und Sprüngen, die bis zur Oberfläche reichen, durchsetzt
                              									werden. Das Studium der freiwilligen Oelaustritte hat das bestätigt und die Anlage
                              									von Bohrlöchern und Schächten in oder nahe der Antiklinalachse als Schurfregel
                              									abgeleitet, welche auch vom ökonomischen und technischen Standpunkte warm
                              									befürwortet wurde aus dem Grunde, weil die Tiefen der erhofften Erschliessung der
                              									Oellager in der Sattelbildung durch Herausbiegung der inneren und unteren Schichten
                              									nach oben gemindert werden. Es bleibt jedoch nicht ausgeschlossen, dass an vielen
                              									Orten, wo undurchlässig und intact gebliebene Deckschichten in dem Gefüge milder
                              									Sättel, flacher oder schwach geneigter Schichtcomplexe das Oel an dem Zutagetreten
                              									hindern, sich in grösseren oder geringeren Tiefen Oelschätze finden, welche der
                              									Ausbeutung harren, – vom Zufall abgesehen jedoch erst auf Grund von fortschreitenden
                              									geologischen und orographischen Kenntnissen vergangener Epochen und Fortschritten
                              									der Bohrtechnik dem Inneren entwunden werden.
                           Nachdem ich die Beschaffung des Materials zur Erdölbildung etwas eingehender
                              									besprochen und aus Eigenthümlichkeiten und Erscheinungen der Oellagerstätten
                              									dieselben in einen genetischen Zusammenhang mit den in marinen Uferbildungen
                              									reichlich zur Ablagerung gelangten fossilen Thierleibern zu bringen bestrebt war,
                              									will ich nun auf die Zersetzung derselben, wie solche in der Bildung von Erdöl und
                              									Erdwachs ihre Bethätigung und zeitlichen Abschluss fand, eingehen. Die Frage kann
                              									ebenso wenig, wie überhaupt alle die Genesis des Erdöles berührenden, vorerst mit
                              									voller Sicherheit und unumstösslicher Gewissheit beantwortet werden, ihre Lösung
                              									schliesst jedoch, sobald die ins Spiel kommenden Factoren eine gebührende
                              									Berücksichtigung erfahren, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit nicht aus, und
                              									darf ein Versuch in dieser Richtung nicht unterlassen werden, selbst wenn er
                              									vorläufig nur den Zweck hätte, eine Discussion über diesen Gegenstand
                              									anzubahnen.
                           Prof. EnglerZur Bildung von Erdöl, ibid. hat
                              									sehr treffend bei Besprechung der Ursache des Fehlens stickstoffhaltiger
                              									Verbindungen im Erdöl ausgeführt, dass die Stickstoffsubstanz des Thierkörpers durch
                              									eine ausserordentliche Zersetzlichkeit ausgezeichnet ist, somit zuerst der
                              									Zersetzung anheimfallen muss, und da die Zersetzungsproducte der Eiweisskörper
                              									entweder gasförmig oder in Wasser löslich sind;
                              									waren auch die Bedingungen zu ihrer Wegschaffung vorhanden. Die zurückbleibenden
                              									stickstofffreien Thiersubstanzen, die Fette, sind dann durch eine weitere,
                              									jedenfalls anders geartete Zersetzung zu Erdöl umgeformt worden. In dieser
                              									Darstellung ist bereits eine Zweitheilung des Umwandelungsprocesses der Thierreste
                              									zu Erdöl auf Grund der verschiedenen Zusammensetzung der Bestandtheile des
                              									Thierkörpers zum Ausdrucke gebracht. Da diese Auffassung auch durch Thatsachen, wie
                              									die Existenz und Zusammensetzung der Leichenfette, Fettwachse, Adipocire bewiesen
                              									wird, so muss sie allen diesbezüglichen Betrachtungen als Grundlage gegeben und die
                              									Umwandelung der Thierreste in Erdöl daher voraussetzlich in zwei Phasen getheilt
                              									werden.
                           Wie bekannt, ist der erste Process, die Zersetzung organischer Reste in Ammoniak und
                              									Stickstoffbasen, uns sehr geläufig und spielt sich jederzeit und an allen Orten, wo
                              									stickstoffhaltige Substanzen bei Gegenwart von Keimen der Einwirkung der Luft und
                              									der Feuchtigkeit ausgesetzt werden, ab. Es ist dies die bekannte Fäulnissgährung,
                              									welche durch Spaltpilze und andere Mikroorganismen bedingt wird und eine Zerstörung
                              									organischer Substanz mit sich bringt. Nichts steht im Wege, diese Art der Zersetzung
                              									auch auf Thierreste geologischer Epochen zu übertragen, weil dieselben Bedingungen
                              									auch ehemals wirken und im Allgemeinen dieselben Erscheinungen hervorbringen
                              									mussten. An geeigneten Stellen der Meeresufer, welche den Stapelplatz für Thierreste
                              									boten, war an Feuchtigkeit kein Mangel und auch die Luft und mit ihr alle möglichen
                              									Keime konnten Zutritt haben und Fäulniss hervorrufen. Der grössere Salzgehalt des
                              									Seewassers verursachte jedoch eine Verzögerung und Einschränkung dieses Processes,
                              									und ist diesem Umstände vielleicht die grösste Bedeutung bei der Erdölbildung
                              									beizumessen, da dadurch event. ein völliges Verschwinden und Vergähren organischer
                              									Substanzen – wie es bei einem Fäulnissvorgange unter günstigen Bedingungen der Fall
                              									ist – hintangehalten wurde; denn soll aus einem Material, welches durchwegs
                              									zersetzliche Bestandtheile enthält, die nur durch den Grad der Zersetzlichkeit
                              									unterschieden sind, ein Product entstehen, in welchem die Zersetzungsproducte der
                              									leichter zersetzlichen Substanzen fehlen, welches jedoch aus Umwandelungsproducten
                              									der schwerer zersetzlichen zusammengesetzt ist, wie das Erdöl und Erdwachs, so
                              									müssen Bedingungen vorhanden gewesen sein, welche die eingeleitete Zersetzung,
                              									nachdem sie die erste Phase durchgemacht hat, unterbrachen und im anderen Sinne
                              									verlaufen liessen. Ohne diese Voraussetzung wäre das Ueberdauern
                              									kohlenwasserstoffhaltiger complicirter Verbindungen, wie sie in Form von Erdöl und
                              									Erdwachs aus Fetten oder fetten Säuren
                              									entstanden gedacht werden, undenkbar, denn dieselben würden unfehlbar in
                              									normalen Verhältnissen den Säuregährungen unterliegen und sich in eine Reihe
                              									niederer, durch Wasser wegschaffbarer Fettsäuren aufgelöst haben. Prohibitive
                              									Bedingungen sind meiner Ansicht nach in dem Salzgehalte des Seewassers zu suchen,
                              									dessen conservirende Eigenschaften bekannt sind und welche verursachen, dass die
                              									Thätigkeit der Fäulnissorganismen bedeutend verzögert werden kann, diejenige der
                              									Säurepilze gar nicht oder nur beschränkt zur Wirkung gelangt. Die Verzögerung der
                              									Fäulniss bringt es mit sich, dass die erst theilweise zerlegten thierischen
                              									Substanzen Zeit gewinnen, von Schlamm und Sandfluthen überdeckt zu werden, dass
                              									dieselben in fortschreitend ungünstigere Zersetzungsbedingungen durch theil weisen
                              									Abschluss der Luft, durch Anreicherung der Salze und Häufung der Zersetzungsproducte
                              									innerhalb des überdeckten Raumes, welche nur langsam durchdiffundiren können, kommen
                              									und schliesslich durch länger dauernde Ueberlagerung mit Schlamm, Sand und
                              									Gesteinstrümmern vollständig von der Einwirkung der Luft abgeschnitten und vor
                              									weiterer Zersetzung im Sinne der Säuregährung – welche auch im ursprünglichen
                              									Stadium der Verwesung in Folge Concurrenz der Fäulnissorganismen nicht zur vollen
                              									Entwickelung gelangen konnte – bewahrt werden. Relativ günstige Bedingungen für die
                              									Fäulniss und abträgliche für die Säuregährung verursachen demnach, dass eiweiss- und
                              									stickstoffhaltige Körper vollständig zerlegt und ausgelaugt, während die
                              									stickstofffreien thierischen Fette verhältnissmässig unversehrt innerhalb der
                              									Schlamm- und Sand- oder Kalkschichten der Seeuferablagerung aufgespeichert werden
                              									und in diesem Zustande Zeitalter überdauern und erst nachträglich durch den Druck
                              									der mittlerweile anwachsenden geologischen Schichtenbildungen anderweitige
                              									Zersetzungen eingehen können.
                           Die in alten Seeufersedimenten derart umgewandelten thierischen Ueberreste, welche
                              									fast ausschliesslich aus Fetten oder Fettsäuren bestehen, entsprechen den analog
                              									zusammengesetzten bekannten Fettwachsen oder Adipociren und können in diesem
                              									Zustande als das erste Stadium der Zersetzung angesehen und bezeichnet werden.
                              									Dieselben sind als ein charakteristisches Zwischenproduct der Zersetzung thierischer
                              									Reste zu betrachten, bilden den Abschluss des ersten Processes, den der
                              									Fäulnissgährung, und stellen das Ausgangsmaterial zur nachfolgenden Umwandelung zum
                              									grossartigen Processe der Bituminisation im engeren Sinne, welche die Bildung der
                              									Bitumina zum Resultate hat. Wenn ich die Analogie mit der Kohlenbildung heranziehen
                              									sollte, so müsste das Adipocire mit dem Torfe oder Lignite in eine Parallele
                              									gestellt werden, welche zusammen als erste event. jüngste Umwandelungsproducte
                              									hinzustellen wären und den gemeinsamen Charakter tragen würden, dass zu ihrer
                              									Bildung Agentien beigetragen haben, die verwandt oder gleich sind wie die auf der
                              									Oberfläche der Erde wirkenden. Zugleich jedoch muss auch zugestanden werden, dass in
                              									chemischer Hinsicht zwischen Adipocire und Torf event. Lignit kein näherer
                              									Zusammenhang auffindbar ist und noch weniger zwischen den Reactionen, welche die
                              									Bildung des Adipocires aus Thiersubstanz und der Vertorfung der Pflanzensubstanz
                              									bedingen – doch steht auch solcher in Folge der Verschiedenheit des
                              									Ausgangsmaterials nicht zu erwarten.
                           Verfolgen wir jedoch die Zersetzung des Adipocires weiter oder trachten wir auch
                              									die Vorgänge der Bituminisation zu erklären. In der Einleitung war bereits im
                              									Allgemeinen die Rede von den Bedingungen dieser Art der Zersetzung, welche hier zu
                              									Hilfe gerufen werden müssen. Die Berechtigung dieser Factoren ist kaum abzustreiten,
                              									doch können wir im Allgemeinen einzelnen von diesen eine wichtige, primäre, anderen
                              									eine untergeordnete, secundäre beimessen. Eine strenge Scheidung in die zwei
                              									Kategorien ist zwar schwer durchzuführen, d.h. man kann nicht ohne weiteres angeben,
                              									welche von den mitgetheilten Factoren als Veränderlichkeitstendenz, erhöhte
                              									Temperatur, hoher Druck, mechanische und chemische Wirkung des Wassers und seiner
                              									Bestandtheile, Einfluss der Luft, Wechselwirkung des Gesteines, Capillaritätskräfte,
                              									Zeitwirkung, hauptsächliche und welche untergeordnete Eingriffe bei der Zersetzung
                              									üben. Es scheint mir jedoch, dass mit hohem Druck, erhöhter Temperatur und
                              									Wasserwirkung bei der grossen Veränderlichkeitstendenz und der unermesslichen
                              									Zeitwirkung, die uns zur Verfügung steht, man eine Deutung versuchen kann; – zum
                              									Mindesten sind das Factoren, welchen unter allen Umständen, wenn nicht
                              									ausschliessliche, so doch hohe Bedeutung beizumessen ist.
                           Da wir das Adipocire verlassen haben unter Verhältnissen, welchen die Voraussetzung
                              									dieser Bedingungen fehlte, so müssen wir eine gehörige Zeit verstreichen lassen, bis
                              									die Annahme derselben zulässig geworden ist, d.h. wir müssen warten, bis die
                              									thierischen Fette, welche aus dem Fäulnissprocess unversehrt herausgekommen sind,
                              									von jüngeren geologischen Bildungen überlagert werden. Diese Zwischenzeit könnte
                              									damit ausgefüllt werden, dass wir die Fette, welche bekanntlich in diesem Zustande
                              									im Thierkörper enthalten sind, nach und nach in Fettsäuren übergehen und das sich
                              									abspaltende Glycerin auswaschen lassen. Nach dieser einleitenden Vorbereitung haben
                              									wir mit Fettsäuren, also einem Substrat, zu operiren, mit welchem Engler seine Versuche angestellt hat und dessen
                              									Zersetzungsmodus im Ganzen und Grossen durch seine Untersuchungen gegeben ist. Da
                              									keine gegentheiligen Behauptungen vorliegen, werde ich auch diese Zersetzungsform
                              									für Fettsäuren, unter Einfluss von Druck und Wärme, als typisch hinstellen und
                              									dieselben als primäre Gleichungen der Fettbituminisation oder Grundlage der Erdöl-
                              									und Erdwachsbildung bezeichnen. Die Zersetzung der Fettsäuren durch
                              									Druckdestillation kann nach Engler veranschaulicht
                              									werden durch die Gleichungen
                           
                              
                                 CnH2n +
                                       												1CO2H
                                 =
                                 CnH2n + 2
                                    											+ CO2
                                 
                              
                                 CnH2n –
                                       												1CO2H
                                 =
                                 CnH2n +
                                    												CO2
                                 
                              
                                 CnH2n +
                                       											2
                                 =
                                 CmH2m + 2
                                    											+ Cn – mH2(n –
                                       												m)
                                 
                              
                           Da nun bei der Untersuchung dieser Destillate eine nähere
                              									Charakterisirung der dabei in bedeutender Menge (37 Proc.) auftretenden
                              									ungesättigten oder, richtiger, von concentrirter Schwefelsäure absorbirbaren
                              									Bestandtheilen nicht vorliegt, so ist es nicht ausgeschlossen, dass neben den
                              									Aethylenen sich auch in geringer Menge Acetylene bilden nach der Gleichung
                           CnH2n = CmH2m
                              									+ Cn – mHn – m
                           Es ist dies um so wahrscheinlicher, als Markownikof und OgloblinBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
                                    											Bd. 18 S. 2234. dieselben im Erdöle in geringen Mengen
                              									nachgewiesen haben und Mendelejef die Anwesenheit
                              									dieser
                           Reihe auf Grund verschiedener Reactionen voraussetzt und als Stütze seiner
                              									Hypothese verwendet.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)