| Titel: | Der Stickstoff der Roherdöle und Paraffinöle. | 
| Autor: | B. | 
| Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 276 | 
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                        Der Stickstoff der Roherdöle und
                           								Paraffinöle.
                        Nach einem Vortrag gehalten von G.
                                 										Beilby.
                        (Journal of Society of Chemical
                                    											Industry, 1891 S. 120.)
                        Der Stickstoff der Roherdöle und Paraffinöle.
                        
                     
                        
                           Ich habe früher bereits nachgewiesen, dass das gewöhnliche Rohöldestillat von einer
                              									Durchschnittsprobe der Schottischen Oelschieferkohle ⅕ bis 1/4 des
                              									Gesammtstickstoffs der Schieferkohle enthält. Das Oel enthält zwischen 1,16 und 1,45
                              									Proc. Stickstoff in Form von basischem Theer, welcher sich leicht mit Schwefelsäure
                              									(spec. Gew. 1,220) verbindet und sich durch dieselbe fast völlig abscheiden lässt.
                              									Diese basischen Theere bilden die Hauptverunreinigungen der Rohöle. Wenn letztere
                              									fractionirt werden, so hinterbleibt ein kokiger Rückstand, welcher etwa 3 Proc.
                              									Stickstoff enthält. Werden die an Schwefelsäure gebundenen basischen Theere durch
                              									Alkali frei gemacht und überdestillirt, so ist der Procentgehalt an Stickstoff in
                              									den einzelnen Fractionen ziemlich constant und schwankt zwischen 3,24 und 3,54 Proc.
                              									Der Destillationsrückstand enthält etwa 4 Proc. Stickstoff. Der Stickstoff zeigt
                              									also die Neigung, sich in den Destillationsrückständen des basischen Theers und der
                              									Rohöle anzusammeln. Ich habe seiner Zeit noch auf folgenden Punkt aufmerksam
                              									gemacht: „In Watt's Dictionary (I, 426) findet sich eine Uebersicht über Analysen von
                                 										bituminösen Naturproducten, welche 1 bis 2,3 Proc. Stickstoff enthalten und
                                 										dadurch auf organischen Ursprung hindeuten. Hiernach ist es interessant zu
                                 										constatiren, dass, während alle Rohöle oder Naphta, welche künstlich durch
                                 										trockene Destillation kohlenstoffreicher Producte erzeugt sind, Stickstoff in
                                 										Form von basischen Theeren enthalten, die natürlichen amerikanischen Erdöle
                                 										keinen Stickstoffgehalt aufweisen. Diese Behauptung stützt sich auf die
                                 										zahlreichen Untersuchungen, welche während 12 Jahren in der Raffinerie der Oakbank-Werke vorgenommen sind. Wenn also diese
                                 										Erdöle aus Ablagerungen organischer Wesen durch den unterirdischen
                                 										Destillationsprocess entstanden sind, was ist aus dem organischen Stickstoff
                                 										geworden?“
                           Da diese Beobachtung von grossem Werth sein kann für die Studien über den Ursprung
                              									der natürlichen Erdöle, beschloss ich, die amerikanischen Erdöle daraufhin nochmals
                              									genau zu untersuchen und die Untersuchungen auch auf verschiedene andere natürliche
                              									Erdöle auszudehnen. Die Resultate dieser vor einigen Jahren ausgeführten
                              									Untersuchungen sind folgende:
                           
                        
                           Amerikanisches Erdöl.
                           Roherdöl wird auf etwa 90 Proc. abdestillirt. Im Gegensatz zu Schieferkohlenrohöl
                              									gibt der hinterbleibende Erdölrückstand mit verdünnter Schwefelsäure keine
                              									Abscheidung von basischem Theer; concentrirte Schwefelsäure dagegen scheidet
                              									einen dicken, pechartigen Theer aus.
                           Der Theer riecht nicht nach Pyridinbasen, welche für Schieferkohlentheer
                              									charakteristisch sind. Alle unten angeführten Stickstoffbestimmungen wurden mit
                              									Natronkalk in sehr langen, und ganz allmählich erhitzten Röhren vorgenommen. Da die
                              									Menge Ammoniak sehr gering war, wurde dasselbe in Salzsäure absorbirt und durch
                              									Platinchlorid gefällt.
                           Es wurden von dem Rückstand, dem beim Fractioniren hinterbleibenden Koks und von dem
                              									mittels concentrirter Schwefelsäure aus dem Destillate abgeschiedenen Theer Analysen
                              									gemacht, welche folgende Zahlen ergaben:
                           
                              
                                 
                                 Stickstoff in Proc.
                                 
                              
                                 Rückstand (10 Proc. des Rohöles)
                                 0,080
                                 
                              
                                 Koks (1/10 des Rückstandes)
                                 0,375
                                 
                              
                                 Theer (1/17 des Rückstandes)
                                 0,710
                                 
                              
                           Der im Koks und Theer gefundene Stickstoff macht zusammen 0,078 Proc. des in dem
                              									Rückstande gefundenen bezieh. des Gesammtstickstoffs aus. Da der Rückstand 10 Proc.
                              									des Rohöles ausmacht, so ist der gefundene Stickstoff gleich 0,008 Proc. im Rohöl.
                              									Ein Theil des Stickstoffs im Roherdöl mag mit den 90 Proc. Destillat entwichen sein;
                              									diese Menge kann allerdings nicht gross sein, da das Destillat schon ein fast reines
                              									Brennöl darstellt und nur wenig Theer enthält. Ich muss also meine früheren Angaben
                              									dahin berichtigen, dass amerikanisches Roherdöl wenigstens 0,008 Proc. Stickstoff
                              									enthält.
                           
                        
                           Russisches Roherdöl.
                           Boverton-Redwood hat mir einige Proben von Bakuerdöl,
                              									sowie „Rückstand oder Astatki“ gesandt, welche analysirt wurden und folgende
                              									Resultate ergaben:
                           
                              
                                 
                                 Stickstoff in Proc.
                                 
                              
                                 Baku-Roherdöl
                                 0,05
                                 
                              
                                 Baku-„Rückstand“
                                 0,05
                                 
                              
                           Vom Bakuerdöl wird nur wenig Brennöl abdestillirt, so dass der „Rückstand“
                              									nicht sehr concentrirt wird, daher ist auch der Unterschied im Stickstoffgehalt
                              									bemerkbar.
                           
                        
                           Galizischer Ozokerit.
                           Eine Probe von Roherdwachs aus Galizien wurde analysirt und enthielt 0,188 Proc.
                              									Stickstoff.
                           
                        
                           Schottisches Erdöl und schottischer Ozokerit.
                           Als 1885 zu Midcalder gebohrt wurde, stiess man zuerst auf sehr harten
                              									kristallinischen Kalkstein, welcher durchbrochen wurde. Unter diesem Kalkstein fand
                              									sich eine grünbraune halbfeste durchscheinende Masse von Erdwachs. Nach der Lage
                              									dieses Wachses schien es wahrscheinlich, dass dieser Ozokerit aus Schieferkohle
                              									destillirt war und sich in den Fugen des Kalksteins condensirt hatte. – Schottisches
                              									Erdöl oder schottischer Ozokerit enthielten 0,296 Proc. Stickstoff.
                           Da nur eine kleine Menge dieses Wachses zu gewinnen war, so war es unmöglich,
                              									dasselbe auf Oel und Paraffin zu verarbeiten; dem Aussehen nach zu schliessen,
                              									schien es ziemlich rein und reich an festem Paraffin zu sein.
                           Das Boxburnerdöl, welches von Stenart analysirt wurde,
                              									scheint dem zu Midcalder gefundenen Erdöl ähnlich zu sein, auch einen ähnlichen
                              									Ursprung zu haben. Stenart zeigte, dass dieses
                              									Boxburnerdöl nur 16 Proc. bei der Raffination verlor, im Vergleich zu 27 Proc.,
                              									welche künstlich destillirtes Oel im günstigsten Falle verlor. Dieser Verlust ist
                              									grösstentheils basischen Theeren zuzuschreiben und kann als Maass der in den Oelen
                              									vorhandenen Theermenge bezieh. des Stickstoffs in den Oelen gelten. Wenn wir die
                              									natürlichen Destillate mit den künstlichen desselben Ursprungs vergleichen, so
                              									finden wir Stickstoff:
                           
                              
                                 im natürlichen Milcalder Erdöl
                                 0,296
                                 Proc.
                                 
                              
                                 im künstlichen Retortendestillate
                                 1,160
                                 „
                                 
                              
                           Durch natürliche Destillation im Erdinneren werden erklärlicher Weise weit reinere
                              									Destillate mit weniger Stickstoff und basischem Theer erzeugt, als durch künstliche,
                              									so dass die minimalen Mengen von Stickstoff im amerikanischen und russischen Erdöl
                              									nichts gegen die Annahme beweisen, dass diese Oele durch Destillation aus
                              									organischen Resten gebildet sind. Der wahre Stickstoffgehalt eines Destillates muss
                              									stets nach der Natur der Stoffe beurtheilt werden, denen dasselbe entstammt. Wir
                              									können nicht erwarten, dass Kohle, welche zumeist ihre Entstehung den Holztheilen
                              									der Bäume und Pflanzen verdankt, ein so Stickstoff- und theerhaltiges Destillat
                              									geben kann, als das aus Schieferkohle erhaltene, welche aus thierischen Resten und
                              									stickstoffreichen Bestandtheilen (Samen der Pflanzen u.s.w.) entstanden zu sein
                              									scheint. Aus den angeführten Daten geht die Neigung des Stickstoffs, in den
                              									Rückständen sich anzusammeln, zur Genüge hervor; daher auch die geringe Menge
                              									Stickstoff in den durch natürliche Destillation gebildeten Oelen. Man kann sich den
                              									unterirdischen Destillationsprocess von Oelen z.B. aus Schieferkohle leicht
                              									vorstellen. Wenn die glühende Lava genügend Wärme durch Leitung zuführt, so
                              									destilliren Oele und condensiren sich an kälteren Stellen, von wo sie vielleicht
                              									wieder abdestillirt werden, um sich von neuem zu condensiren u.s.f. Wenige
                              									Destillationen genügen nun, den Stickstoffgehalt zu einem geringen Bruchtheil des
                              									Anfangsgehaltes zu reduciren. Aller Stickstoff, welcher dabei z.B. in Ammoniak
                              									übergeführt wird oder in Form von anderen flüchtigen Basen auftritt, verschwindet
                              									aus den Oelen.
                           Zusammenstellung der Stickstoffbestimmungen:
                           
                              
                                 Schottisches Schieferkohlenöl
                                    											(Retorten-    destillate)
                                 1,160
                                 Proc.
                                 N
                                 
                              
                                 Schottisches Erdöl (Ozokerit)
                                 0,296
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Amerikanisches Erdöl (Rückstand)
                                 0,080
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Baku-Erdöl
                                 0,050
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Baku-Rückstand
                                 0,050
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Galizischer Ozokerit
                                 0,188
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Schottischer basischer Theer
                                 3,900
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Amerikanischer Theer aus Rückständen
                                 0,710
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Schottischer Rohölkoks
                                 3,200
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Amerikanischer Rohölkoks
                                 0,375
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           
                        
                           Discussion.
                           Henderson sagt, wie er aus Beilby's Vortrag entnommen habe, nehme derselbe an, dass Erdöl durch
                              									trockene Destillation organischer Substanzen in unterirdischen Räumen entstanden
                              									sei. Er (Henderson) wisse nicht, ob hierfür ein
                              									positiver Beweis gegeben werden könne, ob z.B. in ölreichen Districten Phänomene
                              									beobachtet wären (vulkanische Ausbrüche u.s.w.), durch welche eine derartige
                              									Destillation verursacht sein könne. Indessen schienen Beilby's Resultate gegen die Hypothese zu sprechen, dass Erdöl aus
                              									Metallcarbureten durch Einwirkung von überhitztem Wasserdampf bei sehr hohen
                              									Temperaturen entstanden sei.
                           Beilby führt für seine Annahme noch folgende Gründe
                              									an:
                           1) Die Retortendestillate von fossilen Ablagerungen im Torf, in der Kohle oder
                              									Schieferkohle enthalten Stickstoff, gewöhnlich in Form von Basen.
                           2) Eine Anzahl von Erdölen enthalten den Stickstoff wahrscheinlich als Ammonbasen,
                              									welche sich durch Schwefelsäure abscheiden lassen.
                           3) Die Thatsache, dass der Stickstoff bei der Destillation grösstentheils in den
                              									Rückständen hinterbleibt, könne möglicher Weise Aufschluss über die Frage geben:
                              									weshalb die natürlichen Erdöle den Retortendestillaten gegenüber so wenig Stickstoff
                              									enthalten.
                           4) Das natürliche Vorkommen des Ozokerits an den Säumen der Schieferkohlenlager macht
                              									es sehr wahrscheinlich, dass derselbe eine Ausschwitzung von Schieferkohle ist.
                           
                              
                                 B.