| Titel: | Von der Frankfurter elektrotechnischen Ausstellung. | 
| Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 4 | 
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                        Von der Frankfurter elektrotechnischen
                           								Ausstellung.
                        Mit Abbildungen.
                        Von der Frankfurter elektrotechnischen Ausstellung.
                        
                     
                        
                           Die Dampfkessel.
                           Für die Dampfkessel der Ausstellung ist ein sehr übersichtlich für die Beschauer
                              									angelegtes langes Kesselhaus vorgesehen, in welchem die ausgestellten 20 Kessel
                              									neben einander, mit der Feuerseite gegen den Durchgang gerichtet, angeordnet sind.
                              									Neben diesem Kesselhause ist noch ein Sondergebäude mit einer 120pferdigen
                              									Halblocomobile von C. Wolf-Buckau vorhanden. Diese
                              									Dampfkessel sind sämmtlich betriebsfähig aufgestellt und abwechselnd im Betriebe, um
                              									die Dampfmaschinen der Ausstellung zu speisen.
                           Ferner sind innerhalb der sonstigen Ausstellungsgebäude noch einige Locomobilen für
                              									Dynamobetrieb gezeigt, welche aber nicht in Betrieb genommen werden.
                           Einen eigenthümlichen Eindruck macht hier ebenso wie auf den letztjährigen
                              									Ausstellungen das übermässige Hervordrängen der Wasserröhrenkessel. So wenig die
                              									Wichtigkeit dieser hervorragenden Kesselart unsererseits verkannt wird, so verleitet
                              									dieses Ueberwiegen einer Kesselgruppe doch leicht zu einer Ueberschätzung ihres
                              									Werthes bezieh. ihrer Bedeutung in der gesammten Industrie und gibt ein unrichtiges
                              									Bild ihrer Stellung gegenüber der Verbreitung der übrigen Kessel arten.
                           Hier auf einer elektrotechnischen Ausstellung findet man allerdings eine Erklärung
                              									für diese übermässige Beschickung mit Wasserröhrenkesseln insofern, als diese
                              									Kesselgruppe eine besondere Bedeutung für den Dampfbetrieb in Städten besitzt und
                              									die Hauptverbreitung der Elektricität sich doch wohl auf die Städte erstreckt. Aber
                              									gerade diese Erklärung hat auch ihren Uebelstand, weil durch sie der Irrthum
                              									verbreitet wird, als ob diese Kessel bezüglich ihrer Aufstellung in bewohnten
                              									Gebäuden anderen polizeilichen Vorschriften unterliegen, als die übrigen Kessel.
                              									Dies ist aber nicht der Fall, wenn man für einen nutzbringenden Betrieb der
                              									Wasserröhrenkessel vernünftigerweise die Anwendung von Dampfsammlern bezieh.
                              									Oberkesseln als unbedingt erforderlich voraussetzt.
                           Als einzige Erklärung des massenhaften Angebots für ihre Anwendung in Städten dürfte
                              									wohl nur ihre verhältnissmässig gedrängte Anordnung, also der geringere
                              									Flächenbedarf berechtigt sein. Im Uebrigen sind Vortheile wie Nachtheile dieser
                              									Kesselart gleichwerthig, ja vielleicht auch etwas unterwerthig gegenüber den andern
                              									Kesselgruppen.
                           Unbedingt ist aber zu betonen, dass die Zahl der in den letzten Jahren ausgestellten
                              									Wasserröhrenkessel zu der Zahl der industriell verwertheten Wasserröhrenkessel in
                              									keinem richtigen Verhältniss steht. Man darf es wohl nur einer geschickten, etwas
                              									reclamehaften Ankündigung der Wasserröhrenkessel zuschreiben, dass ihnen im
                              									grossen Publikum, selbst bei technisch Gebildeten eine höhere Bedeutung zugemessen
                              									wird, als anderen, älteren Kesselarten. Dieser Umstand hat die Wasserröhrenkessel
                              									fast zu einem Modekessel gestempelt.
                           Eine weitere Erklärung für diese Verbreitung der Wasserröhrenkessel auf den
                              									Ausstellungen finden wir in ihrer fabriksmässigen Herstellung als Stückware bezieh.
                              									Lagerware, während andere Kesselarten gewöhnlich – Ausnahmen wohl zugestanden – nur
                              									für den besonderen Fall ihrer Anwendung entworfen und gebaut werden.
                           Auf der Ausstellung in Frankfurt a. M. werden nicht weniger als 13 betriebsfähige
                              									Wasserröhrenkessel mit einer gesammten Heizfläche von rund 2000 qm seitens neun
                              									verschiedener Firmen geboten.
                           Wir finden ferner 5 Flammrohrkessel mit zusammen etwa 390 qm Heizfläche von drei
                              									Firmen und endlich einen Heizröhrenkessel von 30 qm Heizfläche, sowie die oben
                              									bereits erwähnte Halblocomobile von Wolf. Letztere
                              									entspricht der Abbildung auf Seite 199 in Bd. 281 dieser Zeitschrift. Die Maschine
                              									ist eine Verbundmaschine von 120 . Der Durchmesser des kleinen Cylinders
                              									beträgt 370 mm, der des grossen Cylinders 630 mm, die Kurbelwelle macht 110 Umläufe
                              									in der Minute; die beiden Schwungräder, wovon das eine mit Andrehvorrichtung
                              									versehen ist, haben 2400 mm Durchmesser. Der Hochdruckcylinder ist mit selbsthätiger
                              										Rider'scher Expansionssteuerung versehen, welche
                              									durch einen schweren Porter-Regulator beeinflusst wird; der Füllungsgrad des
                              									Niederdruckcylinders ist von Hand verstellbar. Die Schmiervorrichtungen entsprechen
                              									den Anforderungen eines dauernden Betriebes. Die Locomobile ist mit
                              									Einspritzcondensator versehen. Durch die an den Seiten des Kessels und auf der
                              									Rauchkammer angebrachten schmiedeeisernen Podeste mit Geländern ist eine bequeme
                              									Zugänglichkeit zu allen Theilen der Maschine gesichert worden.
                           Die von der Locomobile entwickelte Kraft wird durch lederne Gliederriemen der Firma
                              										A. Cahen-Leudesdorff und Co. in Mühlheim a. Rhein
                              									zum Betriebe einer Gleichstrommaschine von 115 Volt und einer Wechselstrommaschine
                              									von 2000 Volt, beide von der Firma Kremenezky, Mayer und
                                 										Co. in Wien ausgestellt, verwendet.
                           Die Kesselfabrik Kaiserslautern, vormals Herrmann und Schimmelbusch
                              									hat einen eigenartig angeordneten Wasserröhrenkessel nach System Hohlfeld ausgestellt.
                           Die Kessel bestehen aus drei Röhrenbündeln und sind in der Weise hergestellt, dass
                              									immer zwei Cylinder durch eine Anzahl eingedrillter Rohre ohne weitere Verschlüsse
                              									verbunden sind. Die Speisung geschieht in den untersten, hinteren Cylinder, dann
                              									rückt das Wasser durch das letzte Rohrsystem in den hinteren oberen Cylinder, tritt
                              									von hier in den nächsten oberen Cylinder und durch das mittlere 
                              									Gegendeckel geschlossen wird. Zur Führung der Heizgase sind auswechselbare
                              									Chamotteplatten eingesetzt. Zur Reinigung ist nun an der Stirnseite Raum nöthig.
                           Der ausgestellte Kessel hat 80 qm wasserberührte Heizfläche und ist auf 10 at
                              									Betriebsdruck geprüft. Derselbe liefert den Dampf für eine 120pferdige
                              									Tandemmaschine der gleichen Firma.
                           Der Wasserröhrenkessel von E. Willmann in Dortmund hat
                              									121,5 qm Heizfläche und arbeitet mit 10 at Ueberdruck. Die Länge der beiden
                              									Oberkessel beträgt 6,200 m.
                           Der Kessel besteht aus dem Röhrensystem, welches vorn durch die Rohrkammer vereinigt
                              									ist, und den darüber liegenden zwei Oberkesseln. Die Oberkessel sind an ihrem
                              									hinteren Ende durch einen, bei grösseren Kesseln durch zwei, schmiedeeiserne Stutzen
                              									verbunden. An den vorderen Enden sind die Oberkessel durch schmiedeeiserne Stutzen
                              									mit der Rohrkammer verbunden. Die Einrichtung der Rohre ist 1889 272 * 360 beschrieben.
                           Die als Dampfraum an der dem Feuer abgewendeten Seite der Rohrkammer liegende Kammer
                              									steht nur mit einem der beiden Oberkessel, die andere Wasserkammer an der vom Feuer
                              									berührten Rohrwand nur mit dem anderen Oberkessel in Verbindung.
                           Um in den Dom zum Dampfaustritt zu gelangen, muss der Dampf den eisten Oberkessel,
                              									dann den Verbindungsstutzen und den zweiten Oberkessel passiren und scheiden sich
                              									auf diesem langen Weg sämmtliche Wassertheilchen aus, wodurch der Dampf trocken
                              									wird.
                           Die Speisung des Kessels geschieht am hinteren Ende eines der geneigt liegenden
                              									Oberkessel. Die Dampfentwickelung findet hauptsächlich in den Siederöhren statt und
                              									muss das Wasser, um bis zu diesen zu gelangen, erst den hinteren Theil des einen
                              									Oberkessels, den Verbindungsstutzen und dann den anderen Oberkessel passiren, an
                              									dessen vorderem Ende es in den Wasserraum der Rohrkammer durch den Stutzen tritt.
                              									Die Ausscheidung der Schlammtheile u.s.w. erfolgt demgemäss durch die allmähliche
                              									Erwärmung schon in den geneigt liegenden Oberkesseln. In Folge dessen lagert sich
                              									der Schlamm am hinteren Ende derselben ab, und kann von da während des Betriebes
                              									abgeblasen werden, zu welchem Zwecke sich an jedem Oberkessel ein Stutzen mit
                              									Abblasehahn befindet.
                           In der vorderen Wand der Rohrkammer befinden sich Löcher, welche den in der Rohrwand
                              									angeordneten Löchern entsprechen, und durch welche die Siederöhren eingebracht
                              									werden. Diese Löcher werden durch conische Verschlussdeckel, welche durch das zu
                              									verschliessende Loch gehen, mittels eines Kupferringes gedichtet. Dadurch wird
                              									erzielt, dass der Dampfdruck auf den Verschluss dichtend wirkt, zudem wird jeder
                              									Deckel durch das Loch, welches er dichten soll, eingeführt. Das Herausfliegen eines
                              									Deckels, selbst nach dem Reissen einer Schraube ist nicht möglich. Sollte eine
                              									Schraube reissen, so dichtet der Deckel durch den Kesseldruck noch immer. Auch bei
                              									Verunreinigung der Dichtungsflächen oder Abnutzungen, welche im späteren Betriebe
                              									vorkommen werden, ist der Verschluss noch zuverlässig, da eventuell der Kupferring
                              									jederzeit ersetzt werden kann.
                           Der ausgestellte Babcock-Wilcox-Kessel entspricht der
                              									Beschreibung auf Seite 119 274, der Kessel von Dürr und Co. in Ratingen der Beschreibung auf Seite 241
                              										278. Letzterer Kessel hat 157 qm Heizfläche und
                              									arbeitet mit 8 at Ueberdruck.
                           Die von der Rheinischen Röhrenkesselfabrik A. Büttner
                                 										und Co. in Uerdingen ausgestellten Schnellumlaufkessel besitzen einen über
                              									dem Steigstutzen nach hinten gekrümmten Aufsatz, um das von den Dampf blasen
                              									mitgerissene Wasser in die Abflussrichtung abzulenken. Der Oberkessel liegt bis zum
                              									Scheitel und fast in seiner vollen Länge im Heizraum.
                           Während der eine Kessel mit Donneley-Feuerung arbeitet,
                              									ist ein zweiter Kessel mit Thillmann'scher
                              									Korbrostfeuerung versehen. Letztere ähnelt der ersteren; die Röhren des Wasserrostes
                              									sind aber U-förmig gekrümmt und schwach geneigt über
                              									einander angeordnet, so dass sie den Feuerungsraum hinten und an beiden Seiten
                              									einschliessen. An beiden Enden münden die Röhren in Kammern, welche mit dem
                              									Wasserraum des Dampfkessels in üblicher Weise verbunden sind.
                           Drei Kessel sind von L. und C. Steinmüller ausgestellt.
                              									Zwei derselben haben je 210 qm Heizfläche und arbeiten mit 10 at Ueberdruck, während
                              									der dritte bei 75 qm Heizfläche mit 12 at Ueberdruck arbeitet.
                           Letztere beide Kesselausführungen unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch die
                              									Kammerverschlüsse.
                           Der Dampfkessel von C. Weinbrenner in Neunkirchen bei
                              									Siegen ist ein stehender Rauchröhrenkessel mit Feuerbüchse und engen Rauchröhren,
                              									wie er bis zu 30  Anwendung findet. Die Heizflächen sind seitlich im Kessel
                              									angebracht, und die Feuerbüchse ist von einer abnehmbaren Wand umgeben. Der
                              									Wasserumlauf wird dadurch regelmässig, weil das an den Heizflächen aufgestiegene
                              									Wasser, soweit es nicht verdampft ist, in dem äusseren Raume von sichelförmigem
                              									Querschnitt frei zurückfliessen kann; zugleich wird auf diese Weise wenig Wasser vom
                              									Dampf mitgerissen. Kesselstein und Schlamm werden sich grösstentheils in dem
                              									äusseren freien Raum ablagern, in dessen unterem Theile nur geringe Wasserbewegung
                              									stattfindet und von wo die Niederschläge leicht zu entfernen sind; die Reinigung der
                              									Oberflächen von Röhren und Feuerbüchse ist dadurch erleichtert, dass der Kessel Raum
                              									zum Einsteigen bietet und die Heizflächen durch Abnahme der getheilten Wand
                              									freigelegt werden. Die Reinigung der Rauchröhren von Russ und ihre Erneuerung
                              									geschieht durch eine Oeffnung in dem Blech aufsatz, aus welchem der Schornstein
                              									seitlich abzweigt. Der ausgestellte Kessel hat 30 qm Heizfläche und liefert Dampf
                              									von 8 at Spannung.
                           Der Flammrohrkessel des Blechwalzwerks Schulz-Knaudt,
                              									A.-G., Essen (Ruhr), ist für 12 at Betriebsdruck concessionirt; er gehört in die
                              									Klasse der Cornwallkessel und hat das Feuerrohr seitlich gelagert, wodurch ein
                              									lebhafter Wasserumlauf und leichtere Zugänglichkeit behufs Reinigung erzielt wird.
                              									Das gewellte Feuerrohr (Patent Fox) ist sowohl in den Längs- wie in den Rundnähten
                              									vollständig geschweisst. Der Kessel hat 60 qm benetzte Heizfläche, 2,0 qm totale
                              									Rostfläche und beim niedrigsten Wasserstande 13,1 qm Spiegelfläche, 15,2 cbm
                              									Wasserinhalt und 4,4 cbm Dampfraum; er liefert bei Feuerung mit guter westfälischer
                              									Kohle in der Stunde etwa 1500 k Dampf von 12 at, entsprechend einer Leistung von 200
                              									. Sein Wassergehalt für jede  beträgt 76 l; in diesem grossen
                              									Wassergehalt und der dadurch begründeten grossen Kraftansammlung liegt ein
                              									Hauptvorzug des Grosswasserraumkessels. Die einfache Construction lässt auf geringe
                              									Reparaturbedürftigkeit schliessen. Auf der Ausstellung betreibt dieser Kessel 
                              									u.a. eine Dreifach-Expansionsmaschine, wozu er sich vermöge seiner hohen
                              									Dampfspannung besonders eignet; ausgeführt ist er in der Kesselschmiede von Ew. Berninghaus in Duisburg.
                           Die Dampfkesselanlage der Actiengesellschaft H.
                                 									Paucksch, Landsberg a. d. Warthe, besteht aus drei gleich grossen
                              									Patent-Cornwallkesseln; jeder derselben ist 10 m lang, hat 2,1 m Durchmesser und
                              									zwei Feuerrohre, die vorn 0,8 m Durchmesser haben; die Heizfläche eines jeden
                              									Kessels beträgt 80 qm, und der Dampf wird mit 8 at Ueberdruck geliefert. (Vgl. 1889
                              										274 121.)
                           Jedes der Flammrohre besteht aus 16 Schüssen, von welchen die drei ersten, je 1116 mm
                              									lang und 800 mm weit, ein Stück eines gewöhnlichen glatten Rohres bilden. Die
                              									folgenden Schüsse sind 500 mm lang. Die lichte Weite des vierten Schusses ist 750
                              									mm, während die folgenden abwechselnd 650 mm und 750 mm Weite haben. Die nach aussen
                              									gekehrten Börtelungen haben oben breitere Ränder und sind so mit den versteifenden
                              									Ringen vernietet, dass die Schüsse unten in einer Flucht liegen, während sie oben
                              									sichelförmige Stirnflächen, die Verbreiterung der Börtelungen, dem Gasstrom
                              									entgegenstellen. Diese Anordnung hat den Zweck, die Heizgase während ihres
                              									Durchganges durch die Flammrohre in stark wirbelnde Bewegung zu versetzen. Versuche
                              									von Prof. Lewicki in Dresden haben eine Verdampfung von
                              									über 30 k für 1 qm Heizfläche ergeben.
                           Die drei combinirten Kessel in der Ausstellung liefern den Dampf für die grosse
                              									600pferdige Maschine, welche in der Mitte der grossen Maschinenhalle ebenfalls von
                              									der Actiengesellschaft H. Paucksch ausgestellt ist;
                              									zwei Kessel genügen für diese Leistung, der dritte bildet die Reserve.