| Titel: | Der Roheisenerzprocess im basischen Martinofen. | 
| Autor: | Leo | 
| Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 13 | 
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                        Der Roheisenerzprocess im basischen
                           									Martinofen.Unter Anlehnung an: Examen du Procédé L.
                                    											Imperatori... par Cyriaque Helson,
                                 										ingénieur metallurgiste, und Note sur le Procédé au
                                    											minerai ou „Ore Process“ etc.; par M. A.
                                    											Pourcel (Mémoires et compte rendu des travaux de la Soc. des Ingén.
                                 										Civ., Mai 1891).
                           							
                        Von Dr. Leo.
                        Der Roheisenerzprocess im basischen Martinofen.
                        
                     
                        
                           Man erzeugt Stahl im Siemens-Martinofen indem man Schweisseisen- oder Stahlschrott im
                              									Roheisenbade auflöst: dieses Verfahren ist als „Schrottprocess“ bekannt.
                           Der Siemens-Martinofen ist in Folge dieses Verfahrens zur Zeit der geeignetste
                              									Apparat für die Verwerthung von Schrott, und die vorzüglichen Resultate, die man mit
                              									ihm in Rücksicht auf die Qualität des Productes erzielt, regten und regen noch heute
                              									zur steten und gewaltigen Verbreitung des in ihm zu bethätigenden Processes lebhaft
                              									an. Zudem hat der Martinstahl nach Einführung des Ferrosiliciums in die
                              									Stahlfabrikation den Tiegelstahl aus der Erzeugung von Stahlguss fast ganz
                              									verdrängt.
                           Das Ausbreitungsfeld wird dem „Schrottprocesse“ aber vielfach durch
                              									ökonomische Rücksichten verengt – er 
                              									setzt zum finanziellen Gedeihen die Möglichkeit voraus, zu erträglichen Preisen
                              									die erforderliche, nicht kleine Menge brauchbaren Schrotts beschaffen und unter
                              									gleicher Bedingung über ein möglichst phosphorarmes Roheisen verfügen zu können.
                           Die erstere Bedingung wird mehr oder weniger durch eine Modifikation des Verfahrens
                              									selbst zur Seite geschoben und in ihrer beschränkenden Wirkung entkräftet; man kann
                              									auch Stahl erzeugen indem man das anfänglich nur aus Roheisen erschmolzene Metallbad
                              									durch Zusatz von Eisenerz allmählich entkohlt.
                           Diese Modifikation ist der „Erzprocess.“
                           Beide Stahlerzeugungsarten an sich verdanken ihre Erfindung Réaumur; seit langen Jahren fanden sie Anwendung bei der
                              									Tiegelstahlfabrikation, ihre ganze Bedeutung für die einschlägige Industrie aber
                              									erhielten sie erst an dem Tage, an welchem das Regenerativsystem Siemens' ihre Anwendung im Herdofen möglich machte, der
                              									eine Massenproduction gestattet und heute Stahlbäder im Gewichte von 30 und mehr
                              									Tonnen fasst.
                           Manches Werk, bei dessen ursprünglicher Anlage nur eine beschränkte Production in
                              									Aussicht genommen werden konnte, hat später den Martinprocess aufgenommen und ist
                              									damit in die Reihe der Massenproducenten eingetreten, deren Zahl, nachdem man
                              									weiterhin durch die Annahme einer abermaligen Modifikation des Processes und deren
                              									allmähliche technische Vervollkommnung, des „basischen“ Verfahrens, auch der
                              									bis dahin vorausgesetzten unumgänglichen Verfügbarkeit phosphorarmen Roheisens
                              									enthoben war, ein rapides Anwachsen erfährt und noch weiterhin erfahren wird, seit
                              									durch die jüngsten technischen Errungenschaften nun auch der hindernde
                              									Schwefelgehalt des Roheisens für sie der Vergangenheit angehören kann.
                           Das Siemens'sche Regenerativsystem wurde zuerst bei
                              									Gusstahltiegelöfen in Anwendung gebracht – 1862 waren Modelle desselben in London
                              									ausgestellt –; es kam aber dann schnell und früher zu allgemeinerer Benutzung in
                              									England bei den Wärmöfen für Bessemerblöcke, als zur Massenerzeugung von Stahl im
                              									Herdofen, dessen Prototype den Gebr. Martin zu
                              									verdanken ist.
                           Der Martinofen, heute dank seiner Verbindung mit Siemens' Wärmespeichern vorzugsweise Siemens-Martinofen genannt, zuerst in
                              									Sireuil in Erscheinung getreten, fand zunächst seine Wiederholung zu Firminy.
                           Siemens stellte seine Versuche, Stahl zu erzeugen indem
                              									er ein reiches Eisenerz, sei es im rohen Zustande, sei es mehr oder weniger
                              									reducirt, auf flüssiges Roheisen reagiren Hess, in England an; es war dies ein
                              									Problem, dessen Lösung praktische Schwierigkeiten bot, die nur nach langen und
                              									zahlreichen Versuchen überwindbar waren.
                           Während – 1862 und später – die Lösung des Problems in Sireuil und Firminy gesucht
                              									wurde, nahm Mr. Attwood, Turhoë, Durham, ein Patent auf
                              									Stahlerzeugung durch Schmelzen einer Mischung von Schweisseisen (Schrott) und
                              									Spiegeleisen im Flammofen, zu welchem Siemens den
                              									Entwurf lieferte. Mr. Attwood modificirte bei
                              									Errichtung des Ofens zu Wolsingham den Bauplan, man weiss nicht in welchem Sinne,
                              									immerhin aber so, dass er gegen jede Inanspruchnahme seitens Siemens sich schützte. Man kennt den Zeitpunkt nicht genau, zu weichern
                              									Mr. Attwood Herdstahl zu erzeugen begann, aber schon
                              									1864 hatte er sechs kleine Oefen zu Chargen von 500 bis 1000 k mit der
                              									Erzeugung von Gruben- und Eisenbahnmaterial aus Gussstahl im Gange; abgesehen
                              									von der Disposition der Kanäle waren es Siemensöfen en miniature.
                           Es ist somit wahrscheinlich, dass die Herd Stahlerzeugung im Schrottprocesse nahezu
                              									gleichzeitig in Frankreich und in England eingeführt wurde; auf alle Fälle aber war
                              									es der Schrottprocess, mit dem man 1868 in den Werken zu Crewe – Great Western Eisenbahngesellschaft – und in den Werken
                              									zu Newport bei Middlesborough die Stahlerzeugung aufnahm.
                           Der Erfolg des Martin Verfahrens in Frankreich hatte die Aufmerksamkeit der
                              									englischen Hüttenleute erregt, die, trotz hohem Interesse für die Versuche Siemens, den Roheisenschrottprocess anzuwenden
                              									begannen, abwartend, dass das Erzverfahren erst seine Probe bestanden habe; seiner
                              									schnelleren Einführung und Verbreitung aber stand namentlich der Umstand hindernd
                              									entgegen, dass der Herd des Ofens sehr schnell der zerstörenden Einwirkung des
                              									Eisenoxyds unterlag. Wurde auch diesem Uebelstande später mit Abkühlung von
                              									Bodenplatte und Peripherie des' Arbeitsraumes durch Wasserberieselung abzuhelfen
                              									versucht, so hielt man es doch selbst im Kohlenlande nicht für vortheilhaft, ein
                              									Kühlsystern energisch gerade bei einer Partie des Ofens anzuwenden, wo die Hitze bei
                              									normalem Gange genügend zu concentriren so schwer ist.
                           Erst nach wiederholten Versuchen in verschiedenen Hütten West- und Südwestenglands in
                              									provisorisch in Schmelzöfen umgewandelten, mit regenerativer Feuerung versehenen
                              									Puddel- und Schweissöfen und namentlich erst nachdem in der Versuchshütte zu
                              									Birmingham für den Grossbetrieb brauchbare Resultate 1868 erreicht worden waren,
                              									legte Siemens die Hütte der Landore Siemens Steel Company nahe bei Swansea in Wales an; sie eröffnete
                              									1869 mit neun 7- bis Stonnigen Oefen den Betrieb. Im J. 1875 folgte, von Landore nur
                              									durch den Fluss Towe getrennt, eine zweite Werksanlage mit 16 gleich grossen
                              									Oefen.
                           Der Erzprocess in strenger Form wurde im normalen Betriebe in England bis jetzt
                              									nirgends, selbst in Landore nicht, durchgeführt; im Allgemeinen setzt man die Charge
                              									aus ¾ bis ⅘ Roheisen und 1/4 bis ⅕ Stahlschrott zusammen, schmelzt ein und frischt
                              									das Bad durch Zusatz reichen Eisenerzes zum Belaufe von 18 bis 25 Proc. vom Gewichte
                              									des Roheisens.
                           In Landore soll 1876 die normale Charge zusammengesetzt gewesen sein aus 6 t Roheisen
                              									Nr. 2 und 1,250 t Stahlschrott: dem Bade fügte man zur Entkohlung grossstückiges
                              									blaues Moctaerz in auf 1 bis 1,2 t geschätztem Gewichte zu. Thatsächlich aber ist
                              									der Chargenantheil an Schrott ganz bedeutend grösser gewesen, denn nach den
                              									Betriebsnotizbüchern der Werkmeister enthielten die Chargen meist 5 t Roheisen und
                              									3,0 bis 3,5 t Schrott, zu deren endlicher Entkohlung nur 0,5 bis 0,6 t Moctaerz
                              									gegeben wurden; die Chargendauer betrug dabei, je nach dem Zustande des Ofens, 12
                              									bis 15 Stunden.
                           Der Process war also in Landore damals ein Mittelding zwischen Schrott- und
                              									Erzprocess, und er wurde noch 1880 charakterisirt durch eine Chargenzusammensetzung
                              									aus 70 Proc. Roheisen Nr. 2, 22 Proc. Stahlschrott, 8 Proc. Spiegeleisen mit 20
                              									Proc. Mn und 20 Proc. vom Roheisengewichte reiche Erze von Mocta, Marbella oder
                              									Elba.
                           Im J. 1876 erzeugte man in Dowlais Blöcke zu Schienen mit einer
                              									Chargenzusammensetzung, die dem Roheisenerzprocesse 
                              									näher kommt; im Siebentonnenofen setzte man 6,5 t Roheisen sammt den nicht
                              									gewogenen Abfällen der vorhergegangenen Arbeit – geschätzt auf etwa 5 Proc. vom
                              									Roheisengewichte – und entkohlte das Bad mit 1,7 bis 1,8 t Moctaerzen.
                           In Hallside wurden 1877 zur Wochen arbeit von zwölf 5 bis 7 t fassenden Oefen in 128
                              									Chargen verbraucht:
                           
                              
                                 Roheisen Nr. 2Brucheisen
                                   683,40 t    64,20 t
                                 747,60 t
                                 
                              
                                 StahlschrottPfannenschalen, Stahl-
                                   142,35 t    13,55 t
                                 155,90 t
                                 
                              
                                 Erz
                                   222,30 t
                                 
                                 
                              
                                 Spiegeleisen mit 20 Proc. MnFerromangan mit 50 Proc.
                                    											Mn
                                     21,75 t      6,30 t
                                 8 t Mn
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                                 
                              
                                 Total
                                 1153,85 t.
                                 
                                 
                              
                           Die Chargen bestanden durchschnittlich aus 83 Proc. Roheisen und 17 Proc.
                              									Stahlschrott und erforderten zu ihrer Entkohlung gegen 30 Proc. vom Gewichte des
                              									anfänglichen Roheisen Erz – Cumberland-, Marbellaerze und Hammerschlacke.
                           Zehn Jahre später, 1887, chargiren die Barrow Steel
                                 										Company und die Werke zu Consett bei Newcastle ⅔ Roheisen Nr. 2 und ⅓
                              									Stahlschrott und entkohlen mit ⅕ vom Roheisengewichte Erz von Cumberland bezieh. von
                              									Elba. Heute ist das Metallbad der 25 t fassenden Oefen zu Consett aus 20 t Roheisen
                              									Nr. 2 und 5 t Stahlschrott eingeschmolzen und zu seiner Entkohlung werden 3,5 t
                              									Elbaerze erfordert.
                           Das von Siemens vor mehr als 20 Jahren eingeführte
                              									Arbeitsverfahren ist bis heute unverändert dasselbe geblieben, und dasjenige,
                              									welches man damals in Landore einhielt, hat sich, nahezu identisch mit dem
                              									ursprünglichen, überall in England und Schottland eingeführt; die Oefen sind der
                              									Form nach modificirt und ihre Fassungsfähigkeit ist gewaltig vergrössert worden,
                              									aber die Arbeitsweise ist beinahe unverändert geblieben.
                           Roheisen, Schrott und Erz gelangen kalt in den Ofen, das erstere, zu handlichen
                              									Stücken geschlafen, wird in den Ofen mehr geworfen als systematisch gelegt; gewandte
                              									Leute – drei Mann chargiren – tragen das Roheisen der Charge innerhalb 4 Minuten
                              									ein; ihm folgt der Schrott, dessen schwerste Stücke ihren Platz zunächst den
                              									Ofenköpfen erhalten. Gas- und Luftventile sind so regulirt, dass während der ganzen
                              									Einsatz- und Schmelzzeit die Flamme russig und kohlend bleibt und den geringst
                              									möglichen Abbrand veranlasst.
                           Es wird durchaus eine wirkliche Behändigkeit dazu erfordert, das Einschmelzen des
                              									Schrottes zu beschleunigen, dessen einzelne Stücke thatsächlich nur langsam ins
                              									Glühen kommen, einmal warm aber schnell in der russigen Flamme eingehen; bei der
                              									unvollkommenen Verbrennung entweicht natürlich eine ansehnliche Gasmenge ungenützt.
                              									Hat nach Verlauf von 3 bis 4 Stunden nach vollendetem Eintrag der Charge die
                              									Schmelzung stattgefunden, so werden die Ventile umgestellt, wird klare Flamme
                              									erzielt, das Bad nimmt hohe Temperatur an, die Schlacke muss flüssig werden, zu
                              									feiner Haut ausgegossen und erstarrt durchscheinend sein, bevor das erste Erz zur
                              									Entkohlung in Stücken und in Posten von 50 bis 200 k eingetragen wird. An allen
                              									Punkten der Badoberfläche statthabendes Aufkochen, veranlasst durch den Contact des
                              									Erzes mit dem geschmolzenen Metall, zeigt an, dass dessen vorläufig eine genügende
                              									Menge zum Eintrag gelangte; für ein 25tonniges Bad wiegen die partiellen
                              									Erzchargen 200 k und mehr. Der Erzzusatz wird wiederholt, sobald das Kochen des
                              									Bades nachlässt und die Schlacke nicht mehr durch zahlreiche Blasen von
                              									Kohlenoxydgas gehoben wird, welches ihre Oberfläche als kleine bläuliche Flämmchen
                              									bedeckt; nach mehrfach wiederholtem Erzzusatz deutet die gleiche Erscheinung ein
                              									Herannahen des Endes der Entkohlung an und veranlasst zur Probenahme. Am Korne des
                              									Bruchs und an der Zerbrechlichkeit der in Wasser abgekühlten Metallprobe wird der
                              									Fortschritt der Operation beurtheilt; wird das Metall dann als gussfertig erachtet,
                              									so wird das für nöthig gehaltene, vorher auf Rothglut gebrachte Spiegeleisen
                              									zugesetzt; der Zusatz von Ferromangan erfolgt in die Abstichrinne oder in die
                              									Gusspfanne selbst in Stücken von Nussgrösse und ebenfalls vorher erhitzt.
                           Ist das Metall weich und auf 0,20 Proc. C oder mehr herabgebracht, so wird nochmals
                              									kurz vor dem Abstiche ein leichtes Aufwallen im Bade mittels Einwerfens einiger
                              									kalter Stücke Hämatit veranlasst und dann noch zur Aus: gleichung der Temperatur die Masse des Bades selbst umgerührt, wobei das
                              									minder warme Metall vom Boden an die Oberfläche gebracht wird; der dazu benützte
                              									Eisenrundstab von 15 bis 20 mm Stärke muss, während einiger Augenblicke in die
                              									tiefste Partie des Bades eingeführt, zur Hälfte abgeschmolzen herausgezogen
                              									werden.
                           Die ganze Dauer einer Charge betrug beispielsweise zu Dowlais 1876 10 Stunden 20
                              									Minuten; man chargirte 6600 k Roheisen und etwa 400 k Bruch von der vorhergegangenen
                              									Arbeit, entkohlte das Metallbad mit 1800 k Moctaerzen und kohlte es wieder auf mit
                              									520 k Spiegeleisen, welches 14 Proc. Mn enthielt.
                           Der Verlauf der Arbeit war folgender: Um 11 Uhr 40 Minuten Morgens: Beginn des
                              									Eintragens von Roheisen und Bruch; beendet 12 Uhr 10 Minuten Mittags. Das
                              									Einschmelzen ist völlig erfolgt um 3 Uhr 30 Minuten Nachmittags, 3 Uhr 45 Minuten
                              									erster Erzzusatz, derselbe wird von Viertelstunde zu Viertelstunde mit je 10 bis 12
                              									Schaufeln fortgesetzt bis 9 Uhr 15 Minuten Abends. Probenahme, die 0,25 bis 0,30
                              									Kohlenstoff ergibt. 9 Uhr 40 Minuten Spiegeleisenzusatz; 10 Uhr Abstich. Dauer des
                              									Einschmelzens 3 Stunden 35 Minuten, der Entkohlung 5 Stunden 30 Minuten.
                           Mit der Vermehrung der Martinöfen ist, wenigstens für die continentalen Werke,
                              									allmählich die Beschaffung des erforderlichen guten Schrottes erschwert und fühlbar
                              									vertheuert worden und es darf deshalb nicht Wunder nehmen, wenn immer und immer von
                              									neuem die Durchführung des Erzprocesses zur Berathung gestellt wird. Roheisen, Erz
                              									und Kohlen sind Materialien, deren Beschaffung jederzeit und zu annehmbaren Preisen
                              									ausführbar bleibt; man kann in Folge dessen behaupten, dass unter allen bisher
                              									praktisch durchgeführten Processen im Martinofen, um grosse Productionen zu
                              									erreichen, dem Erzprocesse auf basischem Herde der
                              									Vorzug nicht abgesprochen werden kann.
                           Unter denjenigen Technikern, welche für diesen Gedanken eingetreten sind, hat
                              									Ingenieur M. L. Imperatori eine Reihe von Versuchen zur
                              									Durchführung des Erzprocesses angestellt; die Erfahrungen, welche er dabei zu
                              									sammeln Gelegenheit hatte, dienen dem Nachfolgenden zur Unterlage.
                           Er pulverte Eisenerz und Kohle aufs feinste und 
                              									mischte sie in solchem Verhältnisse zu einander, dass das Erz durch die Kohle
                              										zu Eisen reducirt werden kann, ohne in Roheisen
                                 										umgewandelt zu werden. Das zweckmässige Verhältniss wurde für reiche Erze,
                              									wie die von Elba, zu 22 bis 25 Proc. gepulvertem Koks bezieh. 26 bis 35 Proc. einer
                              									möglichst guten Kokskohle auf 100 Erze gefunden; die Mischung aus beiden wird sofort
                              									mit Wasser angefeuchtet, bis zur Consistenz von Hand oder mit Maschine geknetet und
                              									zu Ziegeln im Gewichte von 20 bis 30 k mit der Hand, mit Hilfe hydraulischer Pressen
                              									oder mit Dampfmaschinen, wie sie zur Fabrikation von Kohlenbriquettes oder zur
                              									Herstellung von basischen Steinen benutzt werden, in Formen gebracht.
                           Die Consistenz dieser Erzkohlenziegel ist um so grösser, einen je stärkeren Druck man
                              									dazu anwendet; sie nehmen durch das Trocknen eine gewisse Festigkeit an, die durch
                              									die mehr oder weniger vollständige Umwandlung des Eisenerzes aus dem Stande eines
                              									Sesquioxyds in das Hydroxyd Fe2O33H2O, welches dann
                              									wie Cement bindet, begründet wird.
                           Es handelt sich dabei ausschliesslich um reiche Erze, die möglichst arm an Kieselerde
                              									und Kalk sind, geröstet aber um Spathe und Hydrate; ihr Gehalt soll niemals geringer
                              									als 50 Proc. sein. Die Zumischung von Kalk in kleinen Stücken zur Ziegelmasse und in
                              									solcher Menge, dass er sich mit dem Kiesel des Erzes zu einer Singulo- oder
                              									Bisilicatschlacke verbindet, wird die Schmelzung der Ziegel auf dem Herde des Ofens
                              									in erwünschter Weise unterstützen.
                           Die Ziegel trocknen an der Luft und unter Bedachung in 7 bis 8 Tagen; hierauf in die
                              									Nähe der Oefen gebracht, werden sie durch die strahlende Hitze derselben in kurzer
                              									Zeit vollständig ausdörren. Im Allgemeinen werden sie auf dem Herde des Ofens nicht
                              									allein geschmolzen, denn die Gegenwart eines Eisenbades scheint einen günstigen
                              									Einfluss zu üben und die Zerstörung des Herdes zu verhindern oder wenigstens zu
                              									vermindern.
                           Man kann auch Chargen von Roheisen, Erzziegeln und Schrott gemischt verarbeiten; in
                              									diesem Falle hält man folgendes Verfahren ein: man setzt das Roheisen eben auf dem
                              									Herde des Ofens auf und unmittelbar auf dasselbe eine Lage Erzziegel, jeder im
                              									Gewichte von 20 bis 30 k. Das Eintragen eines grossen Quantums dieses Materials geht
                              									so schnell von statten, wie eine gewöhnliche Charge von Roheisen und grobem Schrott.
                              									Die Ziegel werden Seite an Seite gelegt bis sie das ganze Roheisen überdecken; auf
                              									sie kann man Schrott setzen. Nach etwa 1 Stunde ist alles geschmolzen und man trägt
                              									nun in dieses Bad Mengen von 30 bis 40 Ziegeln auf einmal und in Zwischenräumen von
                              									12 bis 15 Minuten wiederholt ein.
                           Das Bad arbeitet; zahlreiche blaue Flammen dringen durch die dasselbe bedeckende
                              									Schlacke; diese verliert allmählich ihre schwarze Farbe und färbt sich hellgrün, wie
                              									gare Hochofenschlacke.
                           Die Schlacke enthält nur weniges Eisen; selten erfordert das Weichmachen des Bades
                              									noch ferneren Zusatz von Erz. Man erreicht dies Resultat, indem man den Kohlenstoff
                              									der Erzziegel niedriger und in solchem Verhältnisse hält, dass er bei geringem
                              									Ueberschuss an Oxyd wohl Eisen, aber niemals gekohltes Eisen gibt. Der Ueberschuss
                              									an Oxyd wirkt entkohlend auf das Eisen. Das vollkommen entkohlte Bad ist so heiss,
                              									dass es das Ende einer eisernen Stange, welche man in das Bad hält und nur
                              									wenige Secunden davon beeinflussen lässt, wegschmilzt; man hat dann allein nöthig,
                              									die gewöhnlichen Zusätze von Ferrosilicium und Ferromangan zu geben, um Stahl zu
                              									erhalten, worauf man zum Abstiche schreiten kann.
                           Vorstehendes ist eine summarische Beschreibung des Verfahrens, wie es heute
                              									gehandhabt wird; die dasselbe charakterisirende Einfachheit, natürlich nicht auf den
                              									ersten Griff erreicht, ist das Ergebniss einer Reihe von Versuchen und dabei
                              									gemachten Erfahrungen, die Zeit und Mühe kosteten, und die mit nachstehend
                              									beschriebener Hitze ihren Anfang nahm.
                           
                        
                           Erste Versuchscharge.
                           Zur Anfertigung der Erzkohlenziegel wurde eine Form hergestellt in Gestalt eines
                              									abgestumpften Kegels, oben 0,25 m, unten 0,26 m im Durchmesser und 0,25 m hoch.
                           Um das Volumenverhältniss zwischen Erz und der erforderlichen Steinkohle zur
                              									Anfertigung von Ziegeln in den vorher angegebenen Dimensionen bei einem
                              									Gewichtsverhältnisse von 35 Kohle und 100 Erz bestimmen zu können, wurde das
                              									specifische Gewicht beider Substanzen ermittelt, dasselbe ergab sich für das Erz zu
                              									2,87 und für die Kohle zu 0,57. Daraus resultirte:
                           
                              
                                 Kohle
                                   7,05 k
                                 – Volum
                                 11,820
                                 
                              
                                 Elbaerz
                                 20,10 k
                                 –     „
                                   7,000
                                 
                              
                                 Kalkmilch zu 10 Proc.
                                 – 4 l.
                                 
                                 
                              
                           Diese Volumina wurden in Kasten abgemessen, in denen alsdann drei bis vier Ziegel auf
                              									einmal fertig gemacht wurden. Kohle und Erz innig mit einander gemischt, mit der
                              									Kalkmilch zu Teig angemacht, wurde in die mit Erdöl ausgestrichene Form gebracht und
                              									mit eisernen Stampfern über einer Eisenblechplatte festgeschlagen, welche weiter als
                              									Unterlage beim Trocknen dient. Aus der Form genommen behielten die Ziegel ihre Form
                              									gut bei.
                           Auf diese Weise wurden aus 1050 k Erz, 380 k Steinkohlenpulver und 25 k Kalk in
                              									Gestalt von Kalkmilch 62 Erzkohlenziegel hergestellt, 10 Tage hindurch an der Luft
                              									und 24 Stunden lang an Ofenhitze getrocknet. Die zur Verwendung gekommene Kohle war
                              									Kesselkohle minderer Qualität und enthielt etwa 9 Proc. Asche mit 2 Proc.
                              									Schwefel.
                           Die leitende Idee bei Zusammenstellung der Charge war folgende: Man weiss, dass etwa
                              									30 Proc. des durch die Oefen producirten Stahles zu denselben Oefen als Schrott in
                              									Form von Abfällen und Ausschuss – Schienenenden, verbrannte Stäbe, fehlerhafte
                              									Blöcke, Kappen, Eingüsse, Schalen u.s.w. – zurückkehren; um die Charge zu
                              									vervollständigen, ist es also nöthig, noch für 70 Proc. metall. Material zu sorgen.
                              									Gewöhnlich nimmt man 35 bis 40 Proc. Roheisen in die Charge und bleiben noch 35 bis
                              									30 Proc. anders zu beschaffendes Metall übrig; dies Quantum soll durch das Eisen aus
                              									den Erzkohlenziegeln ersetzt bezieh. beigestellt werden. Hiernach war die Charge
                              									zusammenzustellen aus: 800 k Roheisen, 1050 k Erz mit 60 Proc. = 630 k Eisen und 800
                              									k Abfällen und Schrott.
                           Es wurden auf den Herd des Ofens 800 k graues Roheisen von Bilbao und darauf die
                              									gefertigten 62 Erzkohlenziegel gesetzt, von denen beim Eintragen nur einer zerbrach:
                              									die Festigkeit der Ziegel war somit befriedigend, 
                              									sie waren so heiss, dass sie kaum mit der Hand aufgenommen werden konnten.
                              									Diese Ofenbeschickung wurde innerhalb 20 Minuten zur Ausführung gebracht.
                           Aus den Erzkohlenziegeln, welche auch im Ofen nicht zerfielen, traten zahlreiche
                              									kleine Gasflammen hervor. Die Ziegel waren nicht auf dem Herde ausgebreitet, wie es
                              									gewöhnlich mit dem Schrott geschieht.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)