| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und Sprengarbeit. | 
| Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 61 | 
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                        Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und Sprengarbeit.
                        Mit Abbildungen.
                        Neuheiten in der Explosivstoffindustrie und
                           								Sprengarbeit.
                        
                     
                        
                           In der österreichisch-ungarischen Armee ist seit einiger Zeit an Stelle des Dynamites
                              									ein neuer Sprengstoff, das Ecrasit eingeführt, welches
                              									wesentlich aus dem Ammonsalze des Trinitrokresols bestehen soll und von den
                              									Chemikern Kubin und Siersch der Nobel'schen Dynamitfabrik in
                              									Pressburg entdeckt wurde. Das Ecrasit wurde schon vor mehreren Jahren zur Füllung
                              									von Granaten verwendet, und Versuche damit in Gegenwart des Kaisers auf dem
                              									Steinfelde angestellt, wobei nach dem Berichte von Beobachtern ein bräunlicher
                              									Rauch, manchmal vermischt mit dunklen Flecken zu bemerken war. Nun wurde es auch als
                              									Normalsprengstoff für die Genietruppe eingeführt, jedoch bedarf es Zündhütchen von 2
                              									g Füllung, um mit Sicherheit zur Explosion gebracht zu werden.
                           Versuche mit Trinitrokresol an Stelle von Trinitrophenol (Pikrinsäure) wurden vom
                              									Referenten und Anderen schon vor sechs Jahren gemacht, und seither ist
                              									Trinitrokresol mehrfach zur Zusammensetzung von Explosivstoffen verwendet worden,
                              									wie es wahrscheinlich auch einen Hauptbestandtheil des französischen Cresylite ausmacht. Man hat auch um dieselbe Zeit
                              									Pikrinsäure durch Ammonpikrat zur Füllung von Granaten ersetzt.
                           Zur Erprobung der Kraft des Ecrasits wurde eine neue Stauchprobe normirt, welche von
                              									Oberstlieutenant Hess in Mitth.
                                 										über Geg. d. Artill. und Geniewesens, 1891 S. 215, mitgetheilt ist. 50 g
                              									Ecrasit, welche in einer cylindrischen Weissblechbüchse von 40 mm äusserem
                              									Durchmesser und 31 mm äusserer Höhe (Blechstärke 0,5 mm) einlaborirt sind, werden
                              									mit Hilfe eines verdämmten Zündhütchens von 2 g Füllung auf einer Unterlage
                              									detonirt, welche aus einer eisernen Platte, zwei Bleicylindern (30 mm Höhe, 40 mm
                              									Durchmesser) und zwei Stahlscheibchen (40 mm Durchmesser, 4,5 mm Höhe) besteht, und
                              									gegen vier Stifte an der Unterlagsplatte durch Drahtverschnürung fixirt ist. Die
                              									Mittelwerthe für o + u
                              									sind 38,0 und 35,1 mm, für u (den unteren Cylinder
                              									allein) 27,0 und 24,0 mm.
                           Mitte Juli d. J. wurden in Pressburg grössere Sprengungen mit dem Ecrasit
                              									vorgenommen. Nach österreichischen Berichten ist es von schwefelgelber Farbe, fühlt
                              									sich fett an, und wird durch Pressen, bezieh. Stampfen mit hölzernen Stempeln leicht
                              									in zusammenhängende Patronen geformt. Es soll gegen Feuchtigkeit,
                              									Temperaturunterschiede, Stoss und Reibung, selbst Gewehrschüsse unempfindlich sein,
                              									bei 100° schmelzen, und, directer Glut oder Flamme ausgesetzt, bloss verbrennen. Die
                              									verschiedenen Sprengungen zeigten grosse Ueberlegenheit gegen Dynamit, angeblich
                              									doppelt so starke Wirkung.
                           Ein Apparat zum Nitriren von Cellulose der
                                 										Rheinischwestfälischen Sprengstoff-Actiengesellschaft in Köln (D. R. P. Nr.
                              									54077, vom 22. Februar 1890) besteht aus einer gusseisernen Pfanne A (Fig. 1) mit Siebboden
                              										S, welche in ein Kühlgefäss B eingesetzt ist. Ein an der Seite angegossener 
                              									Kanal steht einerseits mit dem Ablaufstutzen der Pfanne, andererseits mit einem
                              									Säurebehälter in Verbindung. Eine Luftpumpe saugt durch letzteren hindurch die Säure
                              									nach beendigter Nitrirung ab, und sobald die nitrirte Cellulose entfernt ist, kann
                              									die Säure zu abermaliger Benutzung wieder in die Pfanne gelassen werden. Der Apparat
                              									ist sehr sinnreich, doch dürfte die Luftpumpe häufigen Reparaturen unterliegen, und
                              									der angegossene Kanal wird sich verstopfen, sowie zu localen Zersetzungen Anlass
                              									geben können.
                           Textabbildung Bd. 282, S. 62Fig. 1.Apparat zum Nitriren von Cellulose. Am 9. Juli d. J. hat die Miners Safety Explosive
                                 										Company in ihrer Fabrik in Stanfordle-Hope vor geladenen Gästen Versuche
                              									mit Ammonit angestellt. Dieselben bewegten sich in den
                              									üblichen Grenzen, und zeigten nichts, was nicht von Roburit, Securit, Bellit u. dgl.
                              									nahezu identischen Sprengmitteln bekannt wäre. Ein Stahlblock von 59 Pfund (etwa 26
                              									k) wurde von 23 Fuss (7 m Höhe) auf Ammonit fallen gelassen, ohne es zu detoniren;
                              									Sprengpulver explodirte bei dieser Hohe, und Nitroglycerinpulver schon bei 5 Fuss
                              									(1,50 m) Fallhöhe. Versuche mit Gewehrschüssen, Werfen in Feuer, Sprengen von
                              									Platten, Palissaden u.s.w. folgten. Hauptsächlich auffällig waren Mörserversuche,
                              									bei welchen ein cylindrisches Geschoss von 29 Pfund (13,25 k) Gewicht durch Ladungen
                              									von 5 g aus einem Mörser in üblicher Weise geschleudert wurde. Die erzielten
                              									Distanzen waren:
                           
                              
                                 Ammonit
                                 320
                                 Fuss
                                 
                              
                                 Dynamit
                                 289
                                 „
                                 
                              
                                 Roburit
                                 320
                                 „
                                 
                              
                                 Carbonit
                                 180
                                 „
                                 
                              
                                 Stonit
                                 255
                                 „
                                 
                              
                                 Securit
                                 197
                                 „
                                 
                              
                                 Tonite
                                 219
                                 „
                                 
                              
                                 Schwarzpulver
                                 136
                                 „
                                 
                              
                           Dass Dynamit weniger brisant sein solle als Roburit und Ammonit, lässt sich nach den
                              									bisherigen Erfahrungen schwer annehmen. Wir wissen nicht, ob auch in diesem Falle
                              									die zu derlei Sprengmitteln nöthigen stärker geladenen Zündhütchen genommen wurden;
                              									Erkundigung bei einem Augenzeugen Hess uns nur erfahren, dass die Besucher die
                              									hergerichteten Ladungen nicht prüfen konnten, und dass bei dem Schusse mit Dynamit
                              									eine unstäte Bewegung des Geschosses beobachtet wurde.
                           Ammonit ist eigentlich ein alter Bekannter. Ursprünglich hiess es Favier's Explosiv (vgl. 1885 256 * 410). Dann wurde es als Miners safety
                                 										explosive in England concessionirt und jetzt hat man den Namen auf Ammonit umgeändert. Nach dem Génié civil, 1891 S. 241, werden in Frankreich jetzt fünf Typen
                              									erzeugt:
                           
                              
                                 1) Grisounite für Flöze    (Explosionswärme
                                    											1480°)
                                 AmmonnitratTrinitronaphtalin
                                 95,5  4,5
                                 
                              
                                 2) Grisounite für Gestein    (Explosionswärme
                                    											1785°)
                                 AmmonnitratDinitronaphtalin
                                 92,0  8,0
                                 
                              
                                 3) Favier's Pulver Nr. 1
                                 AmmonnitratDinitronaphtalin
                                 87,012,0
                                 
                              
                                 4) Favier's Pulver Nr. 2
                                 AmmonnitratNatriumnitratDinitronaphtalin
                                 44,040,016,0
                                 
                              
                                 5) Favier's Pulver Nr. 3
                                 NatriumnitratMononitronaphtalin
                                 75,025,0
                                 
                              
                                 Type Nr. 3 gibt die besten
                                    											Resultate.
                                 
                              
                           In Frankreich wird es wie folgt erzeugt: Der Salpeter wird getrocknet, indem er
                              									durch eine archimedische Schraube in einer dampfgeheizten Röhre vorwärts geschoben
                              									wird, dann wird er in einem geheizten Mörser zerstossen und mit dem geschmolzenen
                              									Nitronaphtalin besprengt. Der so erzeugte Kuchen kommt in eine Walzenkörnmaschine,
                              									dann in ein Sieb. Die feinen Körner werden bei Seite gelegt, die groben werden unter
                              									schwachem Drucke warm zu Hohlcylindern gepresst, welche dann paraffinirt, mit feinem
                              									Pulver gefüllt und in Paraffinpapier gewickelt werden.
                           In England werden die beiden Materialien nach dem Trocknen aufgeheizten Kollergängen
                              									gemischt. Es wird nur loses Material verwendet, welches durch eine
                              									Schraubenfüllmaschine in dünne Hülsen aus Zinnfolie, ähnlich denen der Malerfarben,
                              									eingepresst wird, jedoch ist deren Hals geschlossen, der Boden aber mit einem
                              									Gewindedeckel versehen und mit wasserdichter Paste verdichtet. Das Zündhütchen wird
                              									eingeführt, indem man den Hals aufschneidet und dann mit einer Zange ankneipt. Die
                              									Patronen sind 8,5 Zoll (21,6 cm) lang und enthalten 4 Unzen (112 g) Ammonit, was bei
                              									einem Durchmesser von 1 Zoll (26 mm) einem specifischen Gewichte von 0,98
                              									entsprechen würde; dies macht entweder unverhältnissmässig grosse Bohrlöcher nöthig,
                              									oder gestattet nur geringe Kraft zu laden.
                           In den Mitth. über Gegenst. des Art.- und Geniewesens,
                              									1891 S. 67, entwickelt Oberstlieutenant Nikolaus Ritter v.
                                 										Wuich, der bekannte Ballist, eine hochinteressante Studie über die Bestimmung der Verbrennungstemperatur von
                                 										Explosivstoffen, welche um so actueller ist, als sie die rauchlosen Pulver
                              									mit in Betrachtung zieht. Wir müssen natürlich wegen ausführlicherer Kenntniss auf
                              									den Artikel selbst verweisen, wollen aber die wesentlichen Schlussfolgerungen hier
                              									summiren.
                           Wuich zog in den Kreis seiner Berechnung die folgenden
                              									Explosivstoffe mit den beistehenden Zersetzungsschemen:
                           
                              
                                 1) Schwarzpalver
                                 2KNO3 + 3C + S=
                                    												K2S + 3CO2 + 2N.
                                 
                              
                                 2) Pulver mit 1 Mol.
                                    											Trinitro-cellulose und 2 Mol. Dinitro-cellulose
                                 C6H7(NO2)3O5 + 2C6H8(NO2)2O5= CO2
                                    											+ 17CO + 10H2O + 7N+ 3H.
                                 
                              
                                 3) Pulver mit 1 Mol.
                                    											Trinitro-cellulose und 1 Mol. Dinitro-cellulose
                                 2C6H7(NO2)3O5+
                                    												2C6H8(NO2)2O5 = CO2+ 23CO + 15H2O + 10N.
                                 
                              
                                 4) Pulver mit 2 Mol.
                                    											Trinitro-cellulose und 1 Mol. Dinitro-cellulose
                                 2C6H7(NO2)3O5 + C6H8(NO2)2O5= CO2
                                    											+ 16CO + 11H2O + 8N.
                                 
                              
                                 5) Pulver aus reiner
                                    											Trinitro-cellulose
                                 2C6H7(NO2)3O5=
                                    												3CO2 + 9CO + 7H2O + 6N.
                                 
                              
                                 6) Nobel'sches Ballistit (1 Th.)Nitroglycerin, 1 Th.
                                    											Dinitro-cellulose)
                                 10C3H5(NO2)3O3+
                                    												9C6H8(NO2)2O5 = 26CO2+ 58CO + 61H2O + 48N.
                                 
                              
                                 7) Nitroglycerin
                                 2C3H5(NO2)3O3=
                                    												6CO2 + 5H2O + 6N + O.
                                 
                              
                           Die in neuerer Zeit in den Vordergrund getretenen Stärkenitrate konnten ausser
                              									Betracht gelassen werden, da sie die gleiche empirische Formel wie die
                              									Cellulosenitrate haben. Das Zersetzungsschema des Schwarzpulvers ist das allgemein
                              									angenommene, die der Nitrocellulose-Pulver bestimmte Wuich nach Andeutungen von Major Schwab,
                              									wobei angenommen wurde, dass Wasserstoff und Kohlenstoff möglichst vollständig
                              									verbrennen, das Schema des Ballistit ist von der Krupp'schen Fabrik angegeben und entspricht fast genau der wirklichen
                              									Zusammensetzung.
                           Wuich führt in seinen Berechnungen im Gegensatze 
                              									zu anderen Forschern die specifische Wärme als Function der Temperatur und
                              									nicht unabhängig davon ein. Mit Rücksicht auf Wiedemann's Versuche über Kohlensäure, wonach die specifische Wärme für je 1°
                              									um 0,000155 wächst, nimmt er diese Ziffer allgemein für die Verbrennungsproducte der
                              									Pulver an. Hieraus ermittelt Wuich die nachstehende
                              									Formel:
                           
                              t=\frac{-c_0+\sqrt{{c_0}^2+2\,Q_r\,.\,a}}{a}
                              
                           
                              
                                 worin
                                 c0 =
                                 absolute specifische Wärme der Explosions-producte,
                                 
                              
                                 
                                 Qr
                                    											=
                                 Wärmemenge, welche 1 k bei der Explosionabgibt (reducirte
                                    											Wärmemenge),
                                 
                              
                                 
                                 a =
                                 0,000155.
                                 
                              
                           Werden in diese Formel die von Bunsen und Schischkoff gefundenen Werthe für c0 = 0,18548 und für
                              										Qr= 620 Cal. eingeführt, so ergibt sich für das
                              									Schwarzpulver als Verbrennungstemperatur
                           t = 1874°.
                           Für die anderen Explosivstoffe erhielt Wuich folgende
                              									Daten:
                           
                              
                                 Laufende Nummer:
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 6
                                 7
                                 
                              
                                 Gewicht des Körpers    in Kilo
                                 0,801
                                 1,098
                                 0,846
                                 0,594
                                 4,538
                                 0,454
                                 
                              
                                 Verfügbare Wärme-    menge in Cal.
                                 806
                                 862
                                 914
                                 1010
                                 1133
                                 1427
                                 
                              
                                 Specifische Wärme    c0
                                 0,2183
                                 0,2146
                                 0,2121
                                 0,2064
                                 0,2110
                                 0,1971
                                 
                              
                                 Verbrennungstem-    peratur t°
                                 2110
                                 2234
                                 2329
                                 2516
                                 2697
                                 3005
                                 
                              
                                 Abgebbare Energie-    menge Er (redu-    cirte
                                    											Energie-    menge in k/m)
                                 341744
                                 365488
                                 387536
                                 428240
                                 480392
                                 605048
                                 
                              
                                 Reducirte Wärme-    menge Qr' (vom    absoluten Null-    punkt
                                    											gerechnet)    für Schwarzpulver    670 Cal.
                                 866
                                 920
                                 972
                                 1066
                                 1190
                                 1480
                                 
                              
                           Die Wärmemenge Qr' kann als Maass für die Kraftleistung
                              									angesehen werden, indem die Spannung nur von Qr' abhängt und
                              									dieser Grösse direct proportional ist.
                           Aus einer Tabulirung der für Qr erhaltenen Werthe und Beobachtung der
                              									dabei auftretenden Differenzen kommt Wuich zu dem
                              									höchst interessanten Schlusse, dass die Wärmemenge und damit
                                 										die Energiemenge Er sowohl mit dem Stickstoffgehalte wie mit dem
                                 										Sauerstoffgehalte des Explosivstoffes wächst, und zwar für die
                              									Nitrocellulosepulver innerhalb des Gebietes der betrachteten Stickstoffgehalte um
                              									rund 11 Cal. bezieh. 4664 k/m für je 0,1 Proc. Stickstoff und um
                              									durchschnittlich 15,2 Cal. bezieh. 6445 k/m für je 0,1 Proc. Sauerstoff.
                           Auch der Civilfachmann wird nicht verfehlen, Wuich's
                              									Studie als eine äusserst dankenswerthe Bereicherung unserer Kenntniss der
                              									Explosivstoffe zu würdigen und die mancherlei Lehren beherzigen, welche –
                              									insbesondere mit Rücksicht auf die bisher viel zu hoch angenommenen
                              									Explosionstemperaturen und den Einfluss der Zusammensetzung auf die Wirkung – daraus
                              									geschöpft werden können.
                           In der Einleitung zu seiner Studie erwähnt Wuich, dass
                              									die bisher angenommenen Verbrennungstemperaturen (z.B. für Schwarzpulver zwischen
                              									3000 und 4000°) viel zu hoch sein müssen. Auch Referent kam zu einer ähnlichen
                              									Ansicht, als er fand, dass die kleinen Pyramiden in seinem Kraftmesser (vgl.
                              									1883 250 * 122) bei der Explosion von Schwarzpulver oft
                              									ganz zerschmolzen, wenn sie aus weichem Stahl gemacht waren, jedoch mehrere Schüsse
                              									aushielten, wenn sie aus besonders gut gehärtetem Stahle hergestellt wurden, dass
                              									also die Explosionstemperatur nicht weit über 1600° betragen könne, jedenfalls aber
                              									unter 2000° sein müsse.
                           Lieutenant Willoughby Walke der Vereinigten Staaten
                              									Artillerie hat eine Reihe von Entzündungstemperaturen von Explosivstoffen bestimmt.
                              									Zu diesem Zwecke brachte er eine Patrone aus dünnem Kupfer in geschmolzenes Zinn
                              									oder Paraffin und las die Temperatur ab, bei welcher Explosion stattfand. Er fand so
                              									für
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Entzündungs-temperatur
                                 
                              
                                 Gepresste
                                 Schiesswolle
                                 
                                 186
                                 bis
                                 201°
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 lufttrocken
                                 137
                                 „
                                 139°
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 anderes Muster
                                 186
                                 „
                                 189°
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 getrocknet bei 65°
                                 136
                                 „
                                 141°
                                 
                              
                                 Collodiumwolle lufttrocken
                                 186
                                 „
                                 191°
                                 
                              
                                              „           anderes Muster
                                 197
                                 „
                                 199°
                                 
                              
                                 Hydronitrocellulose
                                 201
                                 „
                                 213°
                                 
                              
                                 Nitroglycerin
                                 203
                                 „
                                 205°
                                 
                              
                                 Dynamit Nr. I
                                 197
                                 „
                                 200°
                                 
                              
                                 Sprenggelatine
                                 203
                                 „
                                 209°
                                 
                              
                                           „           gecamphert
                                 174
                                 „
                                 182°
                                 
                              
                                 Knallquecksilber
                                 175
                                 „
                                 181°
                                 
                              
                                 Geschützpulver
                                 278
                                 „
                                 287°
                                 
                              
                                 Pikratpulver von Hill
                                 273
                                 „
                                 283°
                                 
                              
                                 Forcite Nr. 1
                                 184
                                 „
                                 200°
                                 
                              
                                 Atlas-Pulver (75 Proc.)
                                 175
                                 „
                                 185°
                                 
                              
                                 Emmensit 
                                 Nr. 2
                                 
                                 165
                                 „
                                 177°
                                 
                              
                                 „
                                 Nr. 3
                                 
                                 205
                                 „
                                 217°
                                 
                              
                           Einen interessanten Beitrag zu dem Einflüsse der Luftverdünnung auf die Verbrennung
                              									haben Versuche geliefert, welche Oberst Alfred Roth,
                              									Director der Munitionsfabrik in Thun, mit Satzringen
                              									von Zeitzündern in Thun (563 m Ortshöhe), Fondo del Bosco (1309 m) und auf dem
                              									Gotthard (2095 m) angestellt hat. Dieselben ergaben nach der Schweizerischen Zeitschrift für Artillerie und Genie, dass mit zunehmender
                              									Ortshöhe (abnehmendem Barometerstande) die Brennzeiten zunehmen, und zwar rund um 1
                              									Proc. der Tempirung für je 100 m Höhenunterschied (1,2 Proc. für 10 mm
                              									Barometerunterschied).
                           Vieille hat der französischen Akademie der
                              									Wissenschaften ein Memorandum über wellenförmige Pressungen,
                                 										entstanden durch Verbrennung von Explosivstoffen im geschlossenen Raume,
                              									vorgelegt (Comptes rendus, 1890 S. 639). Während in den
                              									üblichen Probemörsern von kleinen Dimensionen stets gleiche Pressungen gefunden
                              									wurden, hat Vieille mit einem Stahlrohre von 60 mm
                              									äusserem, 22 mm innerem Durchmesser und 1 m Länge ganz verschiedene Ergebnisse
                              									erhalten.
                           Die beiden Enden des Stahlrohres wurden mit Stauchmanometern versehen, deren Kolben
                              									mit Hilfe von Stahlschreibstiften auf einem sich drehenden Cylinder die Stauchcurve
                              									verzeichneten. Die Einzelheiten der Einrichtung sind ähnlich denen, welche von Vieille und Sarrau
                              									wiederholt benutzt wurden, und hier nicht von Belang. Die Versuche wurden mit
                              									Pulvern aller Art, von gekörntem Schiesswollpulver bis zum langsamsten Marinepulver
                              									durchgeführt.
                           Da die Versuchsbombe fast genau die üblichen Dimensionen eines Bohrloches hat und wir
                              									wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die Vorgänge in einem gut verdämmten
                              									Bohrloche anderer Natur seien, als man gewöhnlich 
                              									anzunehmen geneigt ist, so seien hier Vieille's
                              									Schlussfolgerungen wörtlich wiedergegeben:
                           
                              „Die Verbrennung einer explosiven Ladung im geschlossenen Raume gibt
                                 										gleichmässige Drücke auf die Wände des Gefässes in jedem Augenblicke nur unter
                                 										der Bedingung, dass diese Ladung gleichmässig vertheilt sei. Im Falle von
                                 										Gefässen mit geringem Durchmesser genügt es zur Erreichung desselben Erfolges,
                                 										dass diese Verkeilung in der Richtung der grossen Dimension des Probemörsers
                                 										gleichmässig sei.
                              
                           
                              „Sobald diese Bedingung nicht mehr erfüllt ist und besonders, wenn die Ladung an
                                 										einem Ende des Gefässes concentrirt ist, sieht man eine besondere Art der
                                 										Vertheilung der Pressungen entstehen, welche in eine Art Balanciren der Gasmasse
                                 										in der Richtung der grossen Achse des Probemörsers endigt. Es entstehen daraus
                                 										Condensationen, deren Bedeutung mit der Gasabgabe der Ladung wächst, d.h. mit
                                 										der Brisanz des Explosivstoffes oder für denselben Stoff mit der Ladedichte.
                              
                           
                              „Die Condensationen zeigen sich abwechselnd an den beiden Enden des Probemörsers
                                 										in Zeiträumen, welche im Verhältnisse zu seiner Länge sind und sehr nahe der
                                 										Dauer für die Fortpflanzung des Schalles in den Zersetzungsproducten bei der
                                 										Explosionstemperatur (1100 bis 1200 m in der Secunde für die Pulver B und 600
                                 										bis 700 m für die Schwarzpulver).
                              
                           
                              „Die Pressungen, welche aus diesen Condensationen entstehen, können in dem
                                 										Probemörser von 1 m Länge selbst das Dreifache des
                                 										normalen Druckes erreichen, welcher der vollständigen Verbrennung der Ladung
                                 										entspricht. Man bemerkt sie bei den geringsten Ladedichten, entsprechend einem
                                 										Normaldrucke von 1000 k mit den brisantesten Explosivstoffen, wie das gekörnte
                                 										Schiesswollpulver oder Jagdpulver; aber man erhält sie ebenso mit Stoffen
                                 										mittlerer Brisanz bei grösserer Ladedichte, entsprechend einem Normaldrucke von
                                 										2500 k.
                              
                           
                              „Die Bedeutung dieser Gascondensationen vermindert sich rasch mit der Länge des
                                 										Probemörsers. Mit keinem Explosivstoffe konnten wir davon die geringste Spur
                                 										finden, weder durch die Stauchungen, noch durch die Diagramme, wenn der
                                 										Probemörser 15 cm lang war.“
                              
                           Für die Sprengarbeit lassen sich aus Vieille's Arbeit
                              									bedeutungsvolle Schlüsse auf die Wirkung hohlgeladener Schüsse, sowie auf die
                              									Notwendigkeit gleichmässigen Verrammens der Ladung im Bohrloche ziehen.
                           Die grosse Explosion im Pulvermagazine „Vigna
                                    										Pia“ bei Rom ist durch die Tagesblätter genügend bekannt gemacht
                              									worden. Nach dem Esercito Italiano waren darin 265000 k
                              									Pulver, 24000 Geschützladungen, 35000 Zünder und 1000 Signalraketen aufbewahrt. Wenn
                              									man von der ungewöhnlich grossen Menge von explosivem Materiale absieht, welche in
                              									einem einzigen Magazine aufbewahrt war, so muss es doch auffallen, dass trotz
                              									vielfacher Unglücksfälle fertige, adjustirte Patronen und gar Signalraketen zugleich
                              									mit 265 t Pulver eingelagert wurden, Raketen enthalten häufig solche Beimischungen,
                              									welche unter ungünstigen Umständen Zersetzung und Selbstentzündung hervorrufen
                              									können, und es ist wahrscheinlich, dass auch die Explosion im Magazine Vigna Pia auf
                              									diese Weise entstand. Die Wirkung der Explosion war auf 40 km Entfernung zu hören,
                              									sie zerstörte sämmtliche Gebäude im Umkreise von 1 km und das Barometer in Rom fiel
                              									um 15 mm.
                           In einer dem Referenten verspätet zur Kenntniss gelangten Notiz in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen, 1890 S. 486, wird berichtet, dass in Zbeschau (Mähren) ein
                              									Arbeiter vor dem Abthun der Schüsse vorschriftsmässig die Funkenlänge an der
                              									Zündmaschine prüfte und dass dabei die Schüsse explodirten, trotzdem er die
                              									Leitungsdrähte nicht eingeschaltet hatte. Angestellte Versuche ober Tage zeigten,
                              									dass, wenn ein Draht auf dem Hartgummirande der Zündmaschine auflag, die zweite
                              									Polkugel aber nicht mit der Erde in Verbindung war,
                              									dennoch drei von fünf Schüssen explodirten, wobei die Rückleitung jedenfalls durch
                              									die Erde erfolgte, der Funke aber über den Hartgummirand hinüber in den
                              									Leitungsdraht sprang. Es haben mit dem Referenten wohl auch andere Fachgenossen
                              									häufig abenteuerlich klingende Geschichten über frühzeitige Explosionen von mit
                              									elektrischen Zündern versehenen Schüssen gehört; es wäre eine dankenswerthe Arbeit,
                              									einmal eingehende Versuche mit solchen Schüssen anzustellen.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)