| Titel: | Herstellung von Blech aus schmiedebarem Eisen und Stahl unmittelbar aus dem flüssigen Metall von H. Bessemer. | 
| Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 218 | 
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                        Herstellung von Blech aus schmiedebarem Eisen und Stahl unmittelbar aus dem
                           								flüssigen Metall von H. Bessemer.
                        Mit Abbildungen.
                        Herstellung von Blech aus schmiedebarem Eisen und Stahl unmittelbar
                           								aus dem flüssigen Metall.
                        
                     
                        
                           Der Gedanke, der dem von H. Bessemer vor dem Iron and
                                 									Steel Institute am 6. October gehaltenen Vortrage, wie er in der Ueberschrift
                              									angedeutet zu Grunde liegt, ist, wie auch der Vortragende einräumt, durchaus nicht
                              									neu, sondern von ihm und andern schon seit Jahren verfolgt. Wir berichteten u.a.
                              									über eine Ausführung Norton & Hodgson's 1890 278 * 483 für Metall, ferner eines Verfahrens für Glas
                              									von Simons 1889, 274 * 247.
                              									In dem erwähnten Vortrage gibt Bessemer eine Uebersicht
                              									über seine dahinzielenden früheren Versuche und schlägt alsdann nachstehende von Stahl und Eisen Nr. 111891 wiedergegebene Ausführung
                              									vor:
                           Textabbildung Bd. 282, S. 218Fig. 1.Blech aus flüssigem Metall. Die Walzen L und M (Fig. 1) bestehen aus zwei hohlen
                              									Trommeln, durch welche je eine hohle Stahlachse NN
                              									geht, mittels der das zum Kühlen der Walzen erforderliche Wasser zugeführt wird.
                           Textabbildung Bd. 282, S. 218Fig. 2.Metall-Behälter mit Ausguss. Die Lager, welche die Walze M tragen, sind
                              									fest, während jene, welche die Walze L tragen, in einem
                              									entsprechenden Schlitten beweglich sind und durch. einen hydraulischen Presskolben
                              										X, der in ununterbrochener Verbindung mit einem
                              									Accumulator steht, angedrückt werden. Durch diese Einrichtung wird bei einem
                              									übermässigen Metallzufluss die Walze L zurückbewegt und
                              									eine schädliche Spannung in der Maschine vermieden. Die hierdurch an dieser Stelle
                              									des Bleches entstehende Vergrösserung der Dicke, die sich parallel über die ganze
                              									Breite erstreckt, wird bei den nächsten Kaliber beseitigt.
                           Die Walzen werden am besten einen Durchmesser von 0,9 bis 1,2 m erhalten und jede
                              									derselben nur an einem Ende einen Rand, so dass sie
                              									eine Art von Trog zur Aufnahme des flüssigen Metalles bilden. Um einen regelmässigen
                              									und ruhigen Zufluss des Metalles zu erhalten, dient ein kleiner Eisenkasten,
                              										Fig. 2, der mit Graphit oder feuerfestem Thon
                              									ausgekleidet ist. Im Boden dieses Behälters sind 10 bis 12 kleine Oeffnungen von
                              									ungefähr 6 mm Durchmesser mittels einer Reihe von Messingzapfen eingeformt. Mit zwei
                              									Handhaben, welche in entsprechende Ausschnitte, die in den Walzenständern
                              									hergestellt sind, eingelassen werden, wird der Behälter auf die Seitenständer
                              									aufgesetzt. Der Behälter muss vor seiner Verwendung gut getrocknet und seine
                              									Innenfläche bis zur Rothgluth erhitzt werden. Zu diesem Zweck wird ein Ofen, der an
                              									seiner oberen Seite 2 oder 3 rechteckige Oeffnungen besitzt, in der Nähe der Walzen
                              									aufgestellt. Die Grösse dieser Oeffnungen entspricht dem Inneren des Reservoirs, das
                              									über den Oeffnungen umgekehrt aufgestülpt wird, so dass die heissen
                              									Verbrennungsproducte frei durch die ganze Reihe kleiner Oeffnungen streichen und die
                              									Innenfläche des Behälters auf helle Rothglut erhitzen. In diesem Zustand wird der
                              									Behälter unmittelbar nach Ankunft der mit flüssigem Metall gefüllten Pfanne in seine
                              									richtige Stellung zwischen die Walzenständer gebracht.
                           Ein Paar Schienen Q, die über dem Ständer angeordnet
                              									sind, dienen zum Transport der Pfanne R, die auf Räder
                              									gesetzt ist und das Metall direct zu den Walzen oder einer beliebigen Anzahl von
                              									Walzenpaaren bringt, die in einer Linie aufgestellt sind.
                           Die Pfanne ist mit Ausflussvorrichtungen gewöhnlicher Art versehen, mittels welcher
                              									man den Zufluss des Metalles zum Behälter Fig. 2
                              									regeln kann. Die kleinen Strahlen des Behälters liefern eine Metallmenge, die nur
                              									unbedeutend je nach der Metallhöhe im Behälter schwankt. Infolge der geringen
                              									Druckhöhe des Metalls im Behälter werden die Strahlen ruhig und ohne zu spritzen
                              									auffallen. Die Strahlen fallen nicht direct auf die Walzen, sondern in einen kleinen
                              									Sumpf, der zwischen den dünnen Häutchen, die an der kalten Oberfläche der Walzen
                              									erstarrt sind, gebildet ist; das Metall ist stets frei von Schlacke. Die
                              									Geschwindigkeit der Walzen bietet ebenfalls ein Mittel, um die Menge des zwischen
                              									ihnen zurückgehaltenen Metalles zu regeln, und da ein Paar Walzen von 1,2 m
                              									Durchmesser nur etwa 4 Umdrehungen in der Minute zu machen brauchen, so kann eine
                              									schnell laufende Maschine leicht mit Differentialgetriebe versehen werden, so dass
                              									man die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen augenblicklich bis zu dem sehr geringen
                              									Mass verändern kann, das während des Walzprocesses erforderlich ist.
                           Das dünne Metallblech, das an der Unterseite der Walzen herauskommt, wird von den
                              									Führungsplatten S und T
                              									aufgenommen, an deren letzteren ein Schermesser U
                              									befestigt ist. Unter der Fühlungsplatte S ist ein
                              									ähnliches Messer angeordnet, das mittels eines Daumens rasch vorwärts bewegt werden
                              									kann und das dünne Blech durchschneidet. Das auf diese Art abgeschnittene Stück
                              									passirt nachher noch das Walzenpaar VV, von dem es in
                              									Folge seines eigenen Gewichtes abwärts rutscht, und sodann das Paar WW, von welchem aus es auf einen horizontalen Tisch
                              									gelangt oder in einen Wasserbehälter gleitet und so abgekühlt in Haufen
                              									aufgeschichtet wird.
                           Die Dicke der Bleche, die sich auf diese Art herstellen lassen, hängt viel von dem
                              									Durchmesser der Walzen ab. Wenn Trommeln von 3 bis 4 m im Durchmesser angewendet
                              									werden, so kann man wahrscheinlich Platten von 19 mm und mehr Dicke erzeugen. Der
                              									mittlere Raum 
                              									zwischen Trommeln von so grossem Durchmesser würde eine Art Coquille
                              									vorstellen.
                           Bei der Herstellung von Blechen aus Stahl, deren anfängliche Dicke nicht mehr als 2,5
                              									mm ist, dürfte es auf den ersten Blick scheinen, dass die fertige Tafel bei nur noch
                              									zweimaligem Durchgang durch die Walzen nicht genügend bearbeitet würde, um denselben
                              									Grad von Zähigkeit und Dichte zu erlangen, der durch das häufige Walzen, welches das
                              									gegenwärtige Verfahren bedingt, erlangt wird. Doch ist dabei zu bedenken, dass
                              									Flusseisen eine krystallinische Substanz ist und dem Gesetze aller krystallinischen
                              									Körper insofern folgt, als die Grösse der Krystalle abhängt von der Anhäufung des
                              									Materialsund der Zeit, die zu ihrer Bildung zur Verfügung steht. Je länger die
                              									verfügbare Zeit und je grösser die Anhäufung, um so grösser werden die Krystalle;
                              									ihre Spaltungsflächen sind auch um so bestimmter und lassen sich leichter von
                              									einander trennen.
                           Ein Gussblock von etwa 300 mm im Geviert, der in einen Schweissofen eingesetzt ist,
                              									geht während zwei oder drei Stunden in den krystallinischen Zustand über und
                              									entwickelt eine grobkrystallinische Structur; aber beim Walzen von flüssigem Stahl
                              									in der vorgeschlagenen Weise haben wir an Stelle eines Blocks von 250 mm eine Tafel
                              									von nur 1/100
                              									jener Dicke, und an Stelle der zwei oder drei verfügbaren Stunden im gewöhnlichen
                              									Falle hier einen Uebergang von vollständiger Flüssigkeit zu vollständiger Erstarrung
                              									in einer halben Secunde Zeit und in einer Masse von bloss 2,5 mm Dicke. Wenn sich
                              									Krystalle während einer Periode in der Zeit von einer halben Secunde, die zum
                              									Uebergang erforderlich ist, bilden, so können sie nur wenig, wenn überhaupt etwas,
                              									von den Eigenschaften besitzen, die in grossen Massen während der Ruhestunden in den
                              									Durchweichungsgruben entwickelt werden; deshalb ist es höchst wahrscheinlich, dass
                              									das homogene flüssige Metall auf einmal in einen vollkommen homogenen
                              									unkrystallinischen Körper übergeht und in rascher Folge im flüssigen, halbflüssigen
                              									und festen Zustand der Pressung ausgesetzt, die volle Cohäsionskraft und Zähigkeit
                              									entwickeln wird, deren das Metall fähig ist.
                           Mit Bezug auf die Productionsgrösse wollen wir voraussetzen, das Walzwerk sei mit
                              									einem Paar Walzen von 4 Fuss Durchmesser und 18 Zoll Breite ausgerüstet, die 4
                              									Umdrehungen in der Minute machen. Ferner soll das Blech eine anfängliche Dicke von
                              										1/10 Zoll
                              									haben und durch das dritte Walzenpaar 1/20 Zoll Dicke erhalten; wir erhalten dann beim
                              									ersten Walzenpaar eine Oberflächen-Geschwindigkeit von 50 Fuss in der Minute und
                              									machen 100 Tafeln von 18 × 12 × 1/20 Zoll, die 300 Pfund wiegen, entsprechend einer
                              									Erzeugung von einer Tonne Blech in 7½ Minuten.