| Titel: | Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in Chicago 1893. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 290, Jahrgang 1893, S. 121 | 
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                        Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in
                           								Chicago 1893.
                        Von Fr. Freytag, Lehrer für Maschinenbaukunde
                           								an der königl. höheren Gewerbschule zu Chemnitz i. S.
                        Mit Abbildungen.
                        Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in Chicago 1893.
                        
                     
                        
                           Die ausgestellten Dampfmaschinen befinden sich zum grössten Theil in der von drei
                              									gewölbten Eisenbögen überspannten, ringsum mit einer 15 m breiten Galerie versehenen
                              									Maschinenhalle von 150 m Breite und 258 m LängeHierzu
                                    											kommt noch ein zur Maschinenhalle gehöriger Anbau von 168 m Länge und 149 m
                                    											Breite., deren nach dem sogen. Ehrenhof zu liegende Façaden reich
                              									mit Säulengängen geschmückt und mit anderen Architekturschönheiten ausgestattet
                              									sind. Ein anderer Theil ist in einer auf der südöstlichen Ecke des Jackson-Parkes
                              									errichteten Kraftstation untergebracht, die zum Betreiben der das Ausstellungsgebiet
                              									umgebenden, von der General Electric Co. ausgeführten
                              									elektrischen Hochbahn dient. Einige Maschinen finden sich in anderen Gebäuden der
                              									Ausstellung, namentlich in der Bergbau- und Elektricitätsabtheilung, zerstreut.
                           Die Leistung der in der Maschinenhalle ausgestellten, hauptsächlich für
                              									Beleuchtungszwecke bestimmten Dampfmaschinen beträgt etwa 22000 , diejenige
                              									der übrigen Ausstellungsmaschinen etwa 10000 , so dass die in Chicago
                              									ausgestellten Dampfmaschinen eine Gesammtleistung von etwa 30000 
                              									repräsentiren. Man ist geneigt zu vermuthen, dass die grosse Anzahl der
                              									ausgestellten Dampfmaschinen einen Ueberblick über die Fortschritte des
                              									Dampfmaschinenbaues nach allen Richtungen hin gewähre, doch ist dies nicht der Fall;
                              									eine grosse Anzahl selbst im Dampfmaschinenbau hervorragender Firmen Nordamerikas
                              									einschliesslich der Neuenglandstaaten hat die Ausstellung entweder überhaupt nicht
                              									beschickt, oder sich nur in höchst bescheidener, der Ausdehnung ihres Geschäftes
                              									wenig angemessener Weise an derselben betheiligt.
                           Was das Ausland anbelangt, so sind nur England und Deutschland mit einigen wenigen
                              									Dampfmaschinen vertreten. Hierzu kommt noch, dass die Dampfmaschinen meistens zu
                              									elektrischen Beleuchtungszwecken bezieh. zum Betreiben der elektrischen Hochbahn
                              									dienen und deshalb als schnellaufende Motoren construirt sind. Aus diesem Grunde
                              									findet sich nur diese Maschinengattung in einiger Vollständigkeit auf der
                              									Ausstellung vor; sogen. normale Betriebsdampfmaschinen dagegen sind
                              									verhältnissmässig wenig und Fördermaschinen sind überhaupt nicht anzutreffen.
                           Die meist in liegender Anordnung gebauten Maschinen arbeiten zum grössten Theil mit
                              									zweifacher Expansion nach dem Verbundsystem und ohne Condensation, da, wie bereits
                              									1892 285 * 1 erwähnt, die Kosten des Herbeischaffens
                              									von Wasser in Nordamerika sehr oft grösser sind, als der in Folge
                              									Nichtcondensation entstehende Mehraufwand für Kohlen beträgt. Wo Condensation in
                              									Anwendung gebracht ist, werden die Condensatoren bezieh. Luftpumpen von einer
                              									besonderen Dampfmaschine aus betrieben.
                           Zur Regelung der Ein- und Ausströmung des Dampfes dienen zumeist von
                              									Schwungradregulatoren beherrschte Corlissteuerungen, seltener Flachschieber- und
                              									Kolbensteuerungen.
                           Was die Formgebung von Einzeltheilen anbelangt, so lässt dieselbe bei vielen
                              									amerikanischen Maschinen zu wünschen übrig; schwerfällige Pleuelstangen und
                              									Kreuzköpfe machen sich öfter bemerklich, auch trägt die mitunter eigenthümliche Form
                              									von als Rippenkörper ausgebildeten Grundplatten nicht zur Erhöhung des
                              									Gesammteindruckes bei.
                           Das Bestreben der Dampfmaschinenconstructeure Nordamerikas geht eben im Allgemeinen
                              									mehr dahin, billige als vollkommene Maschinen herzustellen. Dies macht sich beim
                              									Betrachten der von deutschen Firmen – z.B. von F.
                                 										Schichau in Elbing und R. Wolf in
                              									Magdeburg-Buckau – ausgestellten Dampfmaschinen ganz besonders bemerkbar.
                           Den für die Dampfmaschinen erforderlichen Betriebsdampf liefern mit sogen. füll oil
                              									geheizte Wasserrohrkessel bekannter amerikanischer Firmen, und zwar befindet sich
                              									eine Centralkesselanlage mit 49 Kesseln für etwa 22000  in dem an der
                              									südlichen Seite der Maschinenhalle liegenden Betriebshause von 30,5 m Breite und 140
                              									m Länge, eine andere mit 10 Kesseln für 3000  in einem 42 m langen und 12,8
                              									m breiten Raume der oben erwähnten Kraftstation. Im Bedarfsfalle lassen sich die
                              									Leistungen dieser Kessel noch erheblich steigern.
                           Das mit der Maschinenhalle verbundene Kesselhaus ist mit einer erhöhten Galerie zur
                              									bequemen Besichtigung der tiefer liegenden Kessel versehen und zeichnet sich,
                              									ähnlichen Einrichtungen früherer Ausstellungen gegenüber, durch eine peinliche
                              									Sauberkeit aus.
                           Das zum Heizen dienende Oel wird mittels einer Röhrenleitung von 200 mm lichter Weite
                              									von den Werken der Standard Oil Company in Whiting,
                              									Ind. (etwa 20 Meilen vom Mittelpunkte Chicagos entfernt), nach dem
                              									Ausstellungsplatze gedrückt; hier werden täglich etwa 230 cbm von diesem Oel (34° B.
                              									und 0,8536 spec. Gew.), welches eine Entzündungstemperatur von etwa 38° C. hat,
                              									verbraucht.
                           Von den amerikanischen Dampfmaschinen ist die liegende 2000 pferdige
                              									Vierfach-Verbundmaschine der E. P. Allis Co. in
                              									Milwaukee (Fig. 1 bis
                              										4) als grösste
                              									Maschine der Ausstellung in erster Linie zu nennen. Diese Maschine wurde am 1. Mai
                              									1893, ähnlich wie vor 16 Jahren in Philadelphia, von dem Präsidenten der Vereinigten
                              									Staaten am Schluss seiner Eröffnungsrede durch Druck auf einen Knopf elektrisch in
                              									Bewegung gesetzt. – Sie wirkt trotz
                              									ihrer gewaltigen Abmessungen durchaus nicht überwältigend auf die
                              									Ausstellungsbesucher, die wegen der verhältnissmässig tiefen Lage der Maschine erst
                              									in unmittelbarer Nähe derselben einen Begriff von ihren Grössen verhältnissen
                              									erhalten.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 122Allis' Maschine. Die zu zwei hinter einander liegenden Cylinder jeder Maschinenseite haben
                              									660, 1524, 1016 und 1778 mm Durchmesser bei 1928 mm Kolbenhub und sind derartig
                              									gelagert, dass der Hochdruck- und zweite Mitteldruckcylinder die eine Seite,
                              									der erste Mitteldruck- und Niederdruckcylinder die andere Seite der Maschine bilden.
                              									Sämmtliche Cylinder sind mit Ausnahme der Deckel von Dampfmänteln umgeben und mit
                              									den zwischenliegenden, senkrechten Aufnehmern (Receiver) von 915, 1372 und 1676 mm
                              									Durchmesser und 3200 mm Länge durch Rohre verbunden. Den Aufnehmern, aus je einem
                              									Bündel von Messingrohren bestehend, wird frischer Kesseldampf zugeführt, der zur
                              									Wiedererwärmung des durch die Rohre von einem zum anderen Cylinder strömenden
                              									Arbeitsdampfes dient. Der Niederdruckcylinder entlässt den Dampf in einen neben der
                              									Dampfmaschine liegenden senkrechten Einspritzcondensator (Fig. 2 und 3), dessen Construction,
                              									ebenso wie diejenige der ganzen Maschine, von Reynolds,
                              									dem Leiter der E. P. Allis Co. und früheren
                              									Werkstättenchef von Corliss, herrührt. Die Luftpumpe
                              									von 900 mm Durchmesser und 400 mm Kolbenhub wird bei diesem Condensator von einer
                              									besonderen, darüber liegenden Corliss-Dampfmaschine betrieben, deren Cylinder
                              									dieselben Abmessungen wie derjenige der Luftpumpe hat. An der kräftig gehaltenen
                              									Grundplatte ist die Kreuzkopfführung mit cylindrischer Bohrung befestigt; dieselbe
                              									bildet ein mit seitlichen Durchbrechungen versehenes Zwischenstück, dessen anderes
                              									Ende mit dem vorderen Cylinder verschraubt ist.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 123Allis' Maschine. Das Schwungrad von 9,145 m Durchmesser und 1,930 m Breite wiegt etwa 68000
                              									k und macht 60 minutliche Umdrehungen, hat mithin 28,715 m Umfangsgeschwindigkeit;
                              									es setzt sich aus zwölf einzelnen, durch Bolzen und Schrumpfbänder mit einander
                              									verbundenen Segmenten zusammen, welche mit den hohlen Armen, von elliptischem
                              									Querschnitt, wieder verschraubt sind. Auf dem Schwungrade liegen zwei über einander
                              									laufende Riemen zum Betreiben von zwei Westinghouse-Glühlichtdynamo von je 10000
                              									Lampen.
                           Die Schwungrad welle ist in der Mitte 534 mm und in den Lagern, deren Mitten 3,980 m
                              									von einander liegen, 482 mm stark. Das Gesammtgewicht der Maschine beträgt 315
                              									t.
                           Besondere Beachtung verdient die Steuerung, die Füllungen bis zu 11/12 des
                              									Kolbenhubes zulässt. Die hier als Räder ausgebildeten Schwingscheiben der vorderen
                              									Cylinder erhalten in der gewöhnlichen Weise von einem Excenter der Schwungradwelle
                              									ihre Bewegungen und übertragen dieselben mittels Kuppelstangen auf die ebenfalls
                              									radförmig ausgebildeten Schwingscheiben der hinteren Cylinder. Ein zweites Excenter
                              									bethätigt unter Zwischenschaltung einer Schwinge den um P drehbaren Hebel L (Fig. 4 und 5), dessen oberes Ende
                              									einen dreiarmigen Hebel aufnimmt. Der wagerechte, am Ende coulissenartig
                              									ausgebildete Arm dieses letzteren ist mit dem Regulator verbunden, während die
                              									senkrechten Arme mit den über den Schiebergehäusen liegenden Hebeln A in Verbindung stehen, so dass diese eine schwingende
                              									Bewegung annehmen, deren Grösse in irgend welchem Augenblicke von der jedesmaligen
                              									Regulatorstellung abhängig ist. Der Regulator stellt, wie dies bei Corliss-Maschinen
                              									gewöhnlich der Fall ist, einen Daumen ein, der als festliegend betrachtet werden
                              									kann, da er nur mit den Bewegungen des Regulators seine Lage ändert und behufs
                              									Oeffnen des Durchlasskanales im Cylinder mit einer auf der Schieberspindel sitzenden
                              									Klinka in Berührung kommt; je nach der Regulatorstellung erfolgt dann ein früheres
                              									oder späteres Auslösen der Klinke. Da aber das Excenter der Kurbel um wenigstens 90°
                              									voreilt, hat die Schwingscheibe bereits ihren Vorwärtshub beendet und wird sich nach
                              									rückwärts bewegen, wenn der Kolben annähernd in der Mitte seines Hubes steht; die
                              									Klinke wird sich dann von dem Daumen entfernen, und, wenn ein Abschneiden des
                              									Dampfes nicht bereits stattgefunden hat, dies überhaupt nicht mehr erfolgen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 290, S. 123
                              Allis' Maschine.
                              
                           Deshalb ist auf der Welle des Hebels A noch ein zweiter Hebel befestigt; der eine Rolle trägt, die ein Auslösen
                              									der Klinke verursacht; ihre Wirkung ist dieselbe, wie diejenige des festen Daumens der gewöhnlichen
                              									Corliss-Steuerung; da sie indess hin und her schwingt, ist sie von der Klinke,
                              									welche bei der Vorwärtsbewegung mit ihr in Berührung kommt, unabhängig und trifft
                              									oder überholt dieselbe bei irgend welcher Kolbenstellung, je nachdem sie von dem
                              									Regulator vor- oder rückwärts gezogen wird.
                           Eine 2000 pferdige liegende Verbundmaschine der E. P. Allis
                                 										Co. mit Kurbeln unter 90° befindet sich in der 26,5 m breiten und 42,7 m
                              									langen Maschinenhalle der Kraftstation und dient hier zum directen Betreiben eines
                              									zwischenliegenden 1500-Kilo-Watt-Thomson-Houston-Generators, der grössten
                              									Dynamomaschine in Nordamerika. Die Cylinder haben 812 bezieh. 1575 mm Durchmesser
                              									und 1524 mm Kolbenhub. Die Schwungradwelle ist in der Mitte 610 mm, in den 1066 mm
                              									langen Lagern, die 7,6 m von einander liegen, 558 mm stark und trägt zur Seite der
                              									65 t wiegenden Armatur ein 85 t schweres Schwungrad von 7,3 m Durchmesser, dessen
                              									Felgenkranz bei 508 mm Höhe eine Breite von 610 mm besitzt.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 124Fig. 8.Maschine von Russel und Co. In demselben Raume befindet sich auch noch eine 750 pferdige
                              									Tandem-Verbundmaschine der Allis Co. mit Cylindern von
                              									559 bezieh. 1118 mm Durchmesser für 1220 mm Kolbenhub, welche freitragend am Ende
                              									der Schwungradwelle eine 500-Kilo-Watt-Thomson-Houston-Maschine direct antreibt.
                              									Diese letztgenannten beiden Maschinen arbeiten ebenfalls mit stehenden
                              									Einspritzcondensatoren, System Reynolds, deren
                              									Luftpumpen wieder von darüber liegenden besonderen Maschinen betrieben werden.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 124Maschine von Rüssel und Co. In der Maschinenhalle der elektrischen Kraftstation befinden sich ferner
                              									eine 750 pferdige Tandem-Verbundmaschine der Providence
                                 										Steam Engine Co. in Providence, R. I., mit Cylindern von 508 bezieh. 965 mm
                              									Durchmesser bei 1220 mm Kolbenhub, welche mittels eines 1,220 m breiten Riemens
                              									einen 500-Kilo-Watt-Generator von Thomson-Houston
                              									antreibt, daneben eine mit einem Strassenbahngenerator der General Electric Co. direct gekuppelte 300 pferdige
                              									Tandem-Verbundmaschine von Mc Intosh und Seymour in
                              									Albany, N. Y., und ausserdem eine 1000 pferdige stehende Verbundmaschine der Lake Erie Engineering Works zu Buffalo, N. Y., mit
                              									Cylindern von 558 und 1118 mm Durchmesser für 915 mm Kolbenhub, welche mit 100
                              									minutlichen Umdrehungen direct eine 750-Kilo-Watt-Thomson-Houston-Gleichstromdynamo
                              									antreibt.
                           Diese Maschinen arbeiten sämmtlich mit unabhängigen Condensatoren verschiedener
                              									Bauart und sollen später näher besprochen werden.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 124Fig. 10.Maschine von Rüssel und Co. In der grossen Maschinenhalle hat die Allis
                                 										Co. ausser der erwähnten 2000 pferdigen Vierfach-Verbundmaschine auch eine
                              									500 pferdige Verbundmaschine mit Cylindern von 482 und 914 mm Durchmesser für 1220
                              									mm Kolbenhub ausgestellt, welche mit 90 Umdrehungen in der Minute zum directen
                              									Betreiben eines Westinghouse-Strassenbahngenerators dient und dieselbe Bauart wie
                              									die erstgenannte Maschine aufweist; ferner befindet sich ebendaselbst noch eine 250
                              									pferdige stehende Verbundmaschine derselben Firma, welche eine von den übrigen
                              									Ausstellungsmaschinen abweichende Form zeigt. Wie aus Fig. 6 ersichtlich,
                              									bildet bei dieser Maschine der ringförmige Raum AA den
                              									Hochdruck- und der über dem Kolben liegende Raum den Niederdruckcylinder. Die
                              									Pleuelstange ist direct am Boden des Trunkkolbens befestigt. Ein Excenter auf der
                              									Schwungradwelle bethätigt einen auf der Cylindermitte drehbar befestigten
                              									dreiarmigen Hebel, von welchem Lenkstangen zu den Ausströmschiebern führen, deren
                              									Construction die bei Corliss-Maschinen übliche ist, während die Einströmschieber
                              									durch ein zweites Excenter unter Vermittelung einer Sperrklinke bewegt werden,
                              									welche, wie Fig. 7
                              									ersichtlich, in ein auf dem Ende jeder Schieberspindel aufgekeiltes Sperrrad greift;
                              									die Einlasschieber sind wahrscheinlich hohle Cylinder mit Oeffnungen, deren Anzahl der Zähnezahl
                              									des Sperrades entspricht. Die Maschine arbeitet mit fester Expansion und der
                              									Regulator wirkt auf ein Drosselventil. Es mag noch erwähnt werden, dass von der Allis Co. auch die kleinste Maschine der Ausstellung
                              									herrührt; es ist dies das vollständige Arbeitsmodell einer auf die Grundplatte der
                              									Vierfach-Verbundmaschine gesetzten Corliss-Maschine von 50 mm Cylinderdurchmesser
                              									für 102 mm Kolbenhub. Diese kleine Maschine wird ebenfalls mittels Dampf
                              									betrieben.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 125Russel's Eincylindermaschine. Die Ausstellung von Russell und Co. in
                              									Massillon, Ohio, umfasst fünf Dampfmaschinen verschiedener Systeme. Eine von diesen
                              									ist als Tandem-Zwillingsmaschine (Fig. 8) mit
                              									Cylindern von 380 und 610 mm Durchmesser auf jeder Maschinenseite für 610 mm
                              									Kolbenhub gebaut und leistet mit 125 minutlichen Umdrehungen 600 ; sie
                              									arbeitet ohne Condensation und soll nach Angabe der Erbauerin an Dampf 5,6 k für 1
                              									indicirte  und Stunde erfordern.
                           Die Vertheilung des Dampfes wird bei sämmtlichen vier Cylindern durch eine
                              									Doppelschiebersteuerung mittels entlasteter Flachschieber (Fig. 9) geregelt, und
                              									zwar steuern die Grundschieber einen einzigen Kanal, während die auf den Rücken
                              									derselben gleitenden Expansionsschieber als dreifache Gitter schieb er ausgebildet
                              									sind; letztere werden von einem mit dem Schwungradregulator verbundenen drehbaren
                              									Excenter derart mitgenommen, dass die Maschine je nach den Widerständen mit
                              									Füllungen bis zu ¾ des Kolbenhubes arbeitet. Der in Fig.
                                 										8 ersichtliche Regulator besteht im Wesentlichen aus Gewichtsarmen, welche
                              									mit dem auf der Schwungradwelle frei beweglichen Excenter derart verbunden sind,
                              									dass dieses je nach der Geschwindigkeit der Maschine sich entweder vorwärts oder
                              									rückwärts um die Welle dreht; im ersteren Falle, d.h. wenn das Excenter in
                              									demselben Sinne wie die Maschine gedreht wird, erfolgt früheres, im letzteren Falle
                              									späteres Abschneiden des Arbeitsdampfes.
                           Die Ausströmschieber (Fig. 10) sind von cylindrischer
                              									Gestalt und werden unter Vermittelung der Schwingscheiben von demselben Excenter
                              									bewegt, welches auch die Grundschieber mitnimmt; die Verbindung mit den
                              									Schwingscheiben ist eine derartige, dass die Bewegung dieser Schieber während der
                              									Einströmperiode sehr langsam, vom Augenblicke der Ausströmung des Dampfes aus dem
                              									Cylinder an jedoch entsprechend schnell vor sich geht.
                           Es ist noch besonders hervorzuheben, dass der Regulator die Expansionsschieber beider Hoch- und Niederdruckcylinder bethätigt, was
                              									allerdings nur unter Einschaltung von besonderen Uebertragungshebeln u.s.w. möglich
                              									ist; hierdurch wird die Steuerung äusserst complicirt.
                           Die hohlen gusseisernen Kolben (Fig. 10) besitzen eine
                              									Breite gleich der Hälfte des Cylinderdurchmessers und tragen zwischen je zwei
                              									schmalen federnden Ringen noch einen breiten, schwalbenschwanzförmig mit den Kolben
                              									verbundenen Streifen von Antifrictionsmetall, wodurch, da dieses Metall sich
                              									bekanntlich bei der Erwärmung mehr als das Eisen ausdehnt, verhütet wird, dass die
                              									gusseiserne Umfläche des Kolbens mit der Cylinderwandung in Berührung tritt und
                              									Riefenbildungen eintreten; hiermit sollen sehr günstige Resultate erzielt worden
                              									sein.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 125Russel's Verbundmaschine. Die Stärke der aus Stahl gefertigten Kolbenstangen beträgt 1/7 vom
                              									Cylinderdurchmesser; ihre äusseren Enden tragen ein Gewinde für das zugehörige
                              									Muttergewinde in der mit einer unteren Aussparung versehenen Nabe des gusseisernen
                              									Kreuzkopfes (Fig. 11).
                              									In die genannte Aussparung legt sich ein mittels halbkreisförmiger Klammer und
                              									Schrauben angezogenes Passtück (Fig. 12). Der stählerne
                              									Kreuzkopfzapfen ist durch Nuth und Stahlbolzen gegen jede Verschiebung gesichert;
                              									die Gleitflächen des Kreuzkopfes sind mit Antifrictionsmetall ausgefüttert.
                           Der Rahmen der Maschine liegt in seiner ganzen Länge auf dem Fundament auf und ist
                              									mit den Hochdruckcylindern verschraubt; diese sind durch Zwischenstücke mit den
                              									Niederdruckcylindern verbunden. Die Abstützung der Cylinder auf dem Fundament
                              									erfolgt durch das Ueberströmungsrohr.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 126Fig. 17.Russel's Kreuzkopf. Um die Maschine anlassen zu können, ist die Excenterstange der
                              									Grundschieber auslösbar angeordnet.
                           Das Schwungrad von 3,050 m Durchmesser wiegt 16330 k und trägt einen Riemen von 1,5 m
                              									Breite.
                           Eine Eincylindermaschine derselben Bauart zeigen die Abbildungen Fig. 13 und 14; zwei derartige
                              									Maschinen von 432 mm Cylinderdurchmesser und 610 mm Hub, welche mit 150 Umdrehungen
                              									in der Minute je 200  entwickeln, sind in Chicago ausgestellt. Der
                              									Dampfverbrauch dieser Maschinen soll 8,2 bezieh. 10,0 k für 1 indicirte  und
                              									Stunde betragen, je nachdem Condensation angeordnet ist oder nicht.
                           Eine zweite Verbundmaschine der Firma Russell und Co.
                              									mit Cylindern von 330 bezieh. 520 mm Durchmesser für 508 mm Kolbenhub arbeitet mit
                              									einfacher Schiebersteuerung und leistet mit 180 Umdrehungen in der Minute 200
                              									; ihre hintere Ansicht zeigt Fig. 15. Der Dampf
                              									verbrauch soll der gleiche wie bei den vorstehenden Eincylindermaschinen sein.
                           Die Construction der Cylinder, Kolben und Schieber ist Fig. 16 zu entnehmen;
                              									letztere sind als Kanalschieber ausgebildet und auf dem Rücken mit Entlastungskolben
                              									versehen. Im Cylinder angesammeltes Condensationswasser kann durch die Dampfkanäle
                              									entweichen, da zwischen Schieberrücken und Entlastungskolben ein kleiner Spielraum
                              									gelassen ist; der Raum über dem Schieber steht durch kleine, nach den
                              									Ausströmkanälen führende Bohrungen mit der Atmosphäre in Verbindung.
                           Den Kreuzkopf veranschaulicht Fig. 17; derselbe
                              									besteht aus Gusseisen und trägt einen konisch eingesetzten Stahlzapfen. Die
                              									Schmierung der gebohrten Kreuzkopfführungen, sowie des Kreuzkopfzapfens erfolgt in
                              									der in Fig. 17 ersichtlichen Weise von einer auf der
                              									oberen Führung befestigten Schmierbüchse aus.
                           Der in Fig. 18 und 19 ersichtliche
                              									Regulator arbeitet bei allen Füllungsgraden mit constanter Voreilung. Die Regelung
                              									der Geschwindigkeit erfolgt durch ein inneres Excenter R, welches auf der Nabe des Rades A frei
                              									beweglich und durch Stangen K mit den um Bolzen L drehbaren Gewichtshebeln F, deren Centrifugalkraft durch Federn H
                              									Gleichgewicht gehalten wird, derart verbunden ist, dass es sich je nach der Stellung
                              									der Hebel F vor- oder rückwärts dreht: diese Bewegung
                              									wird durch den Bügel Q des inneren Excenters dem
                              									Hauptexcenter B mitgetheilt, welches über einer mit der
                              									Nabe des Rades A verschraubten Platte C geradlinig hin und her gleitet und damit den Schieber
                              									unter Vermittelung des Bügels D, sowie der Stange E auf stets dasselbe Voreilen einstellt. Mit Hilfe der
                              									Schrauben N lässt sich die Spannkraft der Federn H reguliren. Die als Scheiben ausgebildeten Kurbeln
                              									tragen je einen mittels Centrifugalöler geschmierten Zapfen.
                           Die Befestigung der Cylinder unter sich und mit dem Maschinenrahmen, sowie die
                              									Abstützung derselben auf dem Fundament geschieht in derselben Weise wie bei der von
                              										Russell und Co. ausgestellten 600 pferdigen
                              									Tandem-Zwillingsmaschine.
                           Textabbildung Bd. 290, S. 126Russel's Regulator. Die fünfte zur Ausstellung gebrachte Eincylindermaschine arbeitet
                              									ebenfalls mit einfacher Schiebersteuerung und leistet bei 235 Umdrehungen in der
                              									Minute 100 ; der Cylinder hat 330 mm Durchmesser für 458 mm Kolbenhub. Der
                              									Dampfverbrauch ist zu 10 bezieh. 11,8 k für 1 indicirte  und Stunde
                              									angegeben, je nachdem die Maschine mit oder ohne Condensation betrieben wird.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)