| Titel: | Sicherheitssignalwesen auf See. | 
| Fundstelle: | Band 298, Jahrgang 1895, S. 97 | 
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                        Sicherheitssignalwesen auf See.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 73 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Sicherheitssignalwesen auf See.
                        
                     
                        
                           2) Fahrtsignale.
                           Bei Begegnung zweier Fahrzeuge wird an die Schiffsführung zweifellos in den meisten
                              									Fällen eine grössere Anforderung bezüglich Geschick und Geistesgegenwart gestellt,
                              									als solche lediglich für Beachtung der Seezeichen nothwendig sind. Es steht auch
                              									fest, dass gerade die Erkennung des Kurses des einen Schiffes der Leitung des
                              									anderen in den entscheidensten Fällen schwer fällt, ja unmöglich wird. Und man muss
                              									leider sagen, dass die Frage nach einem in praktischen Grenzen nicht versagenden
                              									selbsthätigen Verständigungsmittel bis zum heutigen Tage eine offene geblieben
                              									ist.
                           Bei hellem, klarem Wetter macht es ja keine Mühe, den Lauf eines Schiffes schon von
                              									Weitem zu beobachten und danach die eigenen Manöver einzurichten. Hier wird die
                              									Befolgung der Kapitalregeln der Steuermannskunst – nämlich dass die Steuerbordseite
                              									die Ehrenseite, rechts gesichtete Dampfer also Strassenrecht haben, und dass man nie
                              									ein Schiff vor dem Bug passiren soll, wenn man seiner Nähe nicht gewiss ist – zu
                              									einer sicheren Navigation führen. Die deutsche Verordnung zur Verhütung des
                              									Zusammenstossens der Schiffe auf See stellt es deshalb den Schiffen frei, die
                              									vorschriftsmässigen Kurse noch mit der Dampfpfeife anzugeben, in welchem Falle
                              									bedeuten soll: ein kurzer Ton: „ich richte meinen Kurs nach Steuerbord“, zwei
                              									kurze Töne: „ich richte meinen Kurs nach Backbord“, drei kurze Töne: „ich
                                 										gehe mit voller Kraft zurück“. Die Anwendung dieser Signale macht jedoch die
                              									Einhaltung der entsprechenden Manöver zur Pflicht. Es sind dies offenbar Warnsignale, welche eine Absicht ausdrücken, und wenn
                              									auch keine eigentliche Ruderverstellung erfolgt, so lässt sich doch bemerkbar
                              									machen, dass man nicht nach Backbord oder nicht nach Steuerbord fährt. Die Board of Trade-Committee hat dementsprechend die
                              									Warnsignale auf zwei Fülle reducirt, nämlich für die Wendung nach Steuerbord und für
                              									diejenige nach Backbord.
                           Verwickelter ist die Sachlage, wenn der nächtliche Schleier den Bootskörper verdeckt
                              									und man seine Fahrt begegnenden Fahrzeugen mit besonderen optischen Mitteln
                              									kenntlich machen muss, als welche die Positionslichter allgemein Verwendung finden.
                              									Hierüber bestimmt Artikel 3 der Verordnung vom 7. Januar 1880 Folgendes:
                           Ein Dampfschiff muss, wenn es in Fahrt ist, führen:
                           a) an oder vor dem Fockmast, in einer Höhe von nicht weniger als 6 m über dem
                              									Schiffsrumpf, und, wenn die Breite des Schiffes 6 m übersteigt, dann in einer Höhe
                              									von nicht weniger als der Schiffsbreite über dem Schiffsrumpf, ein helles
                              									weisses Licht, so eingerichtet und angebracht, dass es ein gleich massiges und
                              									ununterbrochenes Licht über einen Bogen des Horizonts von 20 Compassstrichen wirft,
                              									und zwar zehn Strich nach jeder Seite, von recht voraus bis zu zwei Strich hinter
                              									die Richtung quer ab (zwei Strich achterlicher als dwars) auf jeder Seite, und von
                              									solcher Lichtstärke, dass es in dunkler Nacht bei klarer Luft auf eine Entfernung
                              									von mindestens fünf Seemeilen sichtbar ist;
                           b) an der Steuerbordseite ein grünes Licht, so eingerichtet und angebracht, dass es
                              									ein gleichmässiges und ununterbrochenes Licht über einen Bogen des Horizonts von
                              									zehn Compasstrichen wirft, und zwar von recht voraus bis zu zwei Strich hinter die
                              									Richtung quer ab (zwei Strich achterlicher als dwars) an Steuerbord, und von solcher
                              									Lichtstärke, dass es in dunkler Nacht bei klarer Luft auf eine Entfernung von
                              									mindestens zwei Seemeilen sichtbar ist;
                           c) an der Backbordseite ein rothes Licht, so eingerichtet und angebracht, dass es ein
                              									gleichmässiges und ununterbrochenes Licht über einen Bogen des Horizonts von zehn
                              									Compasstrichen wirft, und zwar von recht voraus bis zu zwei Strich hinter die
                              									Richtung quer ab (zwei Strich achterlicher als dwars) an Backbord, und von solcher
                              									Lichtstärke, dass es in dunkler Nacht bei klarer Luft auf eine Entfernung von
                              									mindestens zwei Seemeilen sichtbar ist;
                           d) die Laternen dieser grünen und rothen Seitenlichter müssen an der Binnenbordseite
                              									mit Schirmen versehen sein, welche mindestens 1 m vor dem Lichte vorausragen, und
                              									zwar derart, dass die Lichter nicht über den Bug hinweg von der anderen Seite her
                              									gesehen werden können.
                           Für Segelschiffe fällt das weisse Licht fort. Zieht man nun in Betracht, dass ein
                              									Dampfschiff einem Segler auszuweichen hat, und alle an Steuerbordseite gesichteten
                              									Dampfer Strassenrecht besitzen, so ergibt sich zunächst die anscheinend leichte
                              									Regel: „Gleiche Lichter an einander gebracht, führen frei vorbei.“ Bei
                              									Uebertragung der Vorschrift in die Praxis ergeben sich jedoch Unbestimmtheiten,
                              									welche, abgesehen vom System, genaue Schätzungen der Stellung eines Schiffes von
                              									vornherein ausschliessen. Für das Topplicht ist ja zwar die Lage annähernd
                              									festgesetzt, nicht aber für die Positionslichter, denen die ganzen Seiten von vorn
                              									nach hinten frei stehen. Bemerkens werth erscheint hier die vom italienischen
                              									Capitän N. CanevaroRivista marittima, Januar 1879. zur
                              									Erreichung der Einheitlichkeit gemachte, aber nicht genügend beachtete Angabe, dass
                              									Topp- und Seitenlichter in einer zur Kielrichtung
                              									senkrechten Verticalebene und ausserdem in den drei Spitzen eines gleichseitigen
                              									Dreiecks anzubringen sind. Das geübte Seemannsauge wird dann leicht von dem
                              									Verhältniss der Höhe des Topplichtes zu dem Abstande des gesichteten Seitenlichtes
                              									von der Senkrechten durch das Topplicht auf die Lage des gesichteten Fahrzeugs
                              									schliessen.
                           Gibt auch die Aufstellung abgeblendeter farbiger Seitenlichter im Verein mit dem
                              									weissen Focklicht die Möglichkeit, den Kurs eines gesichteten Dampfers annähernd
                              									abzuwägen, so wird diese offenbar nahezu behoben, wenn das eine Bordlicht
                              									verschwindet, da das übrig bleibende nur anzugeben vermag, nach welcher Seite, ob
                              									rechts oder links von der Peilungslinie (Verbindungslinie zwischen gesehenem Dampfer
                              									und Beobachter), der Kurs des betreffenden Dampfers abfällt; ersterer selbst wird
                              									unbemerkt vom Beobachter innerhalb eines Winkels von etwa 110° schwanken können.
                           Zweifelsohne ist dies ein Mangel des herrschenden Systems, dem abzuhelfen dringend
                              									geboten und für welches mancher praktisch durchführbare Ersatz entwickelt worden
                              									ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 298, S. 98
                              Hopfgartner's Signallicht.
                              
                           Einfach würde sich die Anordnung von F. HopfgartnerMitth. Seew., 1881
                                    											S. 275. durchführen lassen, ohne dass wesentliche Aenderungen im
                              									gegenwärtigen Verfahren erforderlich würden. Nach Hopfgartner werden die beiden Seitenlichter in dieselbe Horizontalebene
                              									mit dem Focklicht gesetzt (Fig. 20) und zwar so, dass die drei Lichter ein gleichschenkliges Dreieck
                              									bilden, dessen Spitze dem Bug zugekehrt ist. Dabei wird zu beachten sein, dass die
                              									Lichter in ihrer ganzen Wirkungssphäre nicht vom Segel werk, der Takelung, dem
                              									Schornstein u.s.w. beeinträchtigt werden. Es ist dies beispielsweise zu
                              									bewerkstelligen, wenn das weisse Licht am Vormars oder Vorstängestag in Höhe der
                              									Fockrahe gehisst wird und die farbigen Positionslichter auf der Fockrahe selbst oder
                              									einem entsprechenden Ersatz ihren Platz erhalten. Der Scheitelwinkel des von den
                              									drei Lichtern gebildeten Dreiecks soll zweckmässig 67½° betragen und jedes der
                              									farbigen Lichter noch um 34° über den Bug hinaus nach der anderen Seite leuchten.
                              									Unter diesen Bedingungen ergeben sich Stellungen der Lichter zu einander, welche die
                              									hauptsächlichsten Kurse sehr scharf markiren. Nach Stellung (Fig. 20) befindet sich
                              									der Schiffslauf offenbar in der Peillinie; decken sich Roth und Weiss (Fig. 21), so fällt das
                              									gesichtete Schiff unter 33¾° (drei Strich) zur Peillinie nach Backbord ab. Aber auch
                              									Schiffsstellungen, bei denen bisher nur ein farbiges Licht zu erblicken möglieb,
                              									würden geschätzt werden können. Beispielsweise ergibt das scheinbare Verhältniss der
                              									Strecken Weiss-Roth zu Weiss-Grün (= 1 : 8) (Fig. 22), dass das
                              									begegnende Schiff unter 56 V zur Peillinie läuft.
                           Das Erkennen der Kursrichtung des gesichteten Schiffes soll ebenfalls durch das von
                              										J. Schellander vorgeschlagene Buglicht wesentlich
                              									erleichtert werden, dessen Princip darin besteht, dass vom Bug zwei Strich
                              									sowohl nach Steuerbord als auch nach Backbord weiss, die übrigen acht Striche
                              									dagegen grün bezieh. roth beleuchtet sind. Danach hat die gleichem Zwecke dienende
                              										Jacob Holm'sche Laterne eine erheblich andere und
                              									wirksamere Einrichtung, welche im Allgemeinen in Fig.
                                 										23 dargestellt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 298, S. 98
                              Fig. 23.Holm'sche Laterne.
                              
                           Der üblichen Topplaterne ähnlich, besitzt sie nach den Seiten, nach welchen die
                              									Flamme f die Lichtstrahlen werfen soll, runde oder
                              									prismatische Seitenwände, während sie nach hinten durch eine Blechwand a abgedeckt ist. Radial gestellte und bis dicht zur
                              									Flamme reichende Scheidewände s theilen das Innere der
                              									Laterne in fünf Felder, von denen das mittlere durch einen Blechschirm m abgeblendet ist, während die Felder w mit weissem, das Feld r
                              									mit rothem und g mit grünem Glase versehen sind. Die
                              									Laterne wird, mit der Rückwand a nach hinten und der
                              									Blechwand m gerade nach vorn gekehrt, einige Fuss unter
                              									die vorgeschriebene Topplaterne gehängt. Die Grösse des von dem Blechschirm m überdeckten Bogens wird so bemessen, dass man die
                              									Laterne bei Fahrt gerade aus überhaupt nicht gewahrt, und erst nach gewisser Drehung
                              									des gesichteten Dampfers, bei welcher das eine oder das andere Seitenlicht
                              									verschwindet, das entsprechende farbige Licht r oder
                              										g vom Holm'schen
                              									Apparate erscheint, das seinerseits nach weiterer Wendung des Dampfers, also wenn
                              									dieser dem Beobachter seine Breitseite zuzuwenden beginnt, eines der weissen Lichter
                              										w zu erkennen gibt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 298, S. 98
                              Fig. 24.Laternenanordnung von Marquardt.
                              
                           Friedrich Marquardt in Soest hat folgende
                              									Laternenanordnung vorgeschlagen, welche es ermöglichen soll, dass zwei sich
                              									begegnende Schiffe nach der kürzeren Strecke ausweichen (Fig. 24). Vorn im Schiff ist auf einem etwa 1 m über Bord ragenden
                              									Stempel die Laterne L aufgehängt, deren farbige Lichter
                              										co und oc durch eine
                              									bei 0,13 m Scheibenbreite etwa 0,78 m lange Scheidewand a getrennt werden, während seitliche, verschiebbare Blenden b die Leuchtfelder der Laternen nach Bedarf begrenzen,
                              									wie aus der Skizze ersichtlich ist. Hier ist angenommen, dass zwei Schiffe sich in
                              									grosser Nähe zur rechten Hand begegnen, so dass beide Roth sehen und nach links
                              									ausweichen.
                           Es erinnert diese Ausführung an den Artikel 9 des britischen Reglements vom Jahre
                              									1863, welcher dem Artikel 7 der deutschen Verordnung vom 7. Januar 1880 entspricht
                              									und lautet:
                           
                              „Offene Fischerboote und andere offene Boote brauchen keine Seitenlichter wie
                                 										andere Schiffe zu führen, doch müssen sie für den Fall, dass sie solche Lichter
                                 										nicht besitzen, eine Laterne führen, welche auf der einen Seite einen grünen,
                                 										auf der anderen Seite einen rothen Schieber hat.
                              
                           
                           
                              
                              „Bei Annäherung anderer Schiffe hat diese Laterne zu rechter Zeit ausgesetzt zu
                                 										werden, um Zusammenstoss zu verhindern, und zwar derart, dass das grüne Licht
                                 										nicht an der Backbordseite und das rothe Licht nicht an der Steuerbordseite
                                 										gesehen werden kann....“
                              
                           Die steten Veränderungen unterworfene Lage der Seitenlichter zum Focklicht erklärt
                              									die Schwierigkeit, aus den Lichtern den Kurs eines Schiffes abzuleiten. Erschwerend
                              									tritt noch der Umstand zu, dass die Aufstellung der Seitenlichter nicht auf allen
                              									Schiffen gleichmässig erfolgt; während beispielsweise die Engländer die Lichter vor
                              									dem Fockmast aufstellen, bringen sie Packetschiffe mittschiffs, andere wieder
                              									(Franzosen) sehr weit achter an. Aber selbst, wenn eine kaum schwer zu erlangende
                              									Einheitlichkeit in dieser Hinsicht zu erzielen sein würde, müssen diejenigen
                              									Vorsichtsmaassregeln beim Steuern zur Vermeidung von Schiffszusammenstössen
                              									praktisch gerade in den entscheidenden Momenten als wenig zuverlässig angesehen
                              									werden, welche aus der Stellung der Positionslichter zu einander abgeleitet worden
                              									sind.
                           Sicherer erscheinen demgegenüber Steuerregeln, welche von der gemeinschaftlichen
                              									Peilung ausgehen, wenn auch hier die erwünschte Einfachheit nicht geboten ist,
                              									abgesehen davon, dass bei Ausübung der Peilung meist ohne stichhaltigen Grund ein
                              									erhebliches Abweichen vom Kurs herbeigeführt wird.
                           Der französische Marineofficier Jules Vavin hatte
                              									deshalb seiner Zeit vorgeschlagenRevue maritime et coloniale, October
                                    										1873., vor dem Bug eines jeden Schiffes durch geeignete Laternen eine
                              									sogen. „gefährliche Zone“ zu markiren, welche zu meiden das gefährdete Schiff
                              									trachten müsste. Es ist auch ersichtlich, dass der Zweck erreicht würde, wenn die
                              									Zone sich auch nur je einen Strich zu jeder Seite des Bugs erstrecken würde. Die
                              									Erhellung des Kielwassers in ähnlicher Weise müsste ein Schiff auch gegen
                              									Ueberlaufenwerden sichern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 298, S. 99
                              Fig. 25.Viscovich's Schiffspositionslichter.
                              
                           Den Gedanken der Zonenbildung vor dem Schiff hat 1886 Capitän Conte F. ViscovichMitth. Seew., 1887 S. 104. weiter
                              									ausgebildet. Sein System von Schiffspositionslichtern würde die bestehenden
                              									internationalen Ausweichregeln in keiner Weise berühren, dagegen Fahrtrichtung und
                              									Kursänderung eines begegnenden Schiffes in praktisch ausreichender Weise derart
                              									bezeichnen, dass der wachthabende Officier feststellen kann, ob er sich in der 1)
                              									sehr gefährlichen, 2) gefährlichen, 3) minder gefährlichen oder 4) gefahrlosen Zone
                              									befindet. Viscovich setzt 1 m über jedes farbige Licht
                              										ab ein weisses cd,
                              									welches ein Feld von 67° bestreicht (Fig. 25), so
                              									zwar, dass die Strahlen des Steuerbordlichtes um 22° auf Backbord-Bugseite und die
                              									des Backbordlichtes um ebenso viel auf Steuerbordseite fallen, d.h. die Lichtfelder
                              									sich an dieser Stelle überdecken. Die Maximalentfernung der weissen Laternen cd über Wasser soll 5 m betragen. Es ergeben sich nun
                              									folgende vier Fälle:
                           1) Vier Lichter – zwei weisse, ein rothes, ein grünes – die Schiffe fahren
                              									direct gegen einander – sehr gefährliche Zone.
                           2) Drei Lichter – zwei weisse, ein farbiges – Kurse der Schiffe schneiden sich unter
                              									einem Winkel von 0 bis 22° – gefährliche Zone.
                           3) Zwei Lichter – ein weisses, ein farbiges – Kurse der Schiffe schneiden sich unter
                              									einem Winkel von 22 bis 45° – minder gefährliche Zone.
                           4) Ein Licht – ein farbiges – Kurse der Schiffe schneiden sich unter einem Winkel von
                              									mehr als 45° – gefahrlose Zone.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 298, S. 99
                              Fig. 26.Buglicht der Board of Trade.
                              
                           Auch in der letzten Washingtoner maritimen Conferenz wurde die Frage eingehend
                              									erörtert, ob es nicht besser wäre, die Lichter vor dem Bug sich kreuzen zu lassen,
                              									d.h. die inneren Blendschirme nicht so anzuordnen, dass man jedes Licht vorn nur bis
                              									zum Bug hin sehen könnte, sondern so, dass die Strahlen des einen Seitenlichtes noch
                              									über den Bug auf die andere Seite des Schiffes fielen. Der deutsche Abgeordnete,
                              									Capitän MensingHansa, 1894 S. 91., hatte ½ Strich
                              									in Vorschlag gebracht und damit wohl das ganze Kreuzungsfeld zu beiden Seiten der
                              									Schiffslängsachse gemeint. Allerdings ist dieser Vorschlag von der Conferenz dahin
                              									aufgefasst worden, dass diese Grösse als Winkel zwischen Kiel und den Strahlen eines
                              									Lichtes gelten solle. Die Board of Trade setzt nun 1/1 Strich (2,8°)
                              									für den letzteren Winkel fest; es ist dies vollständig ausreichend, während ½ Strich
                              									für ein halbes Feld zweifellos zu gross ist. Nimmt man einen Winkel von 4° für den
                              									Ausschlag nach einer Seite an (Fig. 26), so kreuzen
                              									sich die Strahlen bei einer Schiffsbreite von 10 m in einer Entfernung von 70 m vor
                              									den Lichtern und es ergibt sich auf 1 Seemeile Entfernung vom Kreuzungspunkt ein
                              									Sector von 2 × 130 = 260 m für das von beiden Lichtern bestrichene Feld. Bei einer
                              									Wahl von 2° wird dieser Sector auf 130 m, also eine ausreichende Grösse ermässigt,
                              									dagegen allerdings der Kreuzungspunkt auf 140 m vor die Lichter verschoben. Eine
                              									weitere Verkleinerung des Winkels müsste vermieden werden, da sonst der Bug wieder
                              									auf zu weite Entfernung hin verdunkelt würde. Trotzdem wurde noch neuerdings in
                              									englischen Schifffahrtskammern der Wunsch nach kleinerem Winkel als 2° geäussert, um
                              									eine Uebereinstimmung mit Tagessignalen zu erzielen.
                           Ein allgemeines Vorgehen in dem oben entwickelten Sinne ist aber bis heute nicht
                              									eingetreten, man ist vielmehr bei dem ursprünglichen, nicht ausreichenden System
                              									stehen geblieben. Auch die neuesten Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd in Bremen und der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft führen die
                              									Positionslichter am Ende der Back zu beiden Seiten. Die Laternen sind in festen
                              									eisernen Leuchtthürmen untergebracht, zu denen man von den darunter liegenden
                              									Laternenkammern gelangt. Ebenso ist für die Topplaterne oben am Mast ein festes eisernes Gehäuse
                              									vorgesehen nach oben geführte Leitungen ermöglichen den Ersatz untauglich gewordener
                              									Lampen. Zu einer Garnitur gehören drei Satz von der Seewarte in Hamburg geprüfter
                              									Positionslaternen, von denen ein Satz nur in den festen Thürmen zu verwendende
                              									Apparate für elektrische Beleuchtung eingerichtet sind. Die Topplaternen mit
                              									elektrischem Licht zu speisen, hat sich als eine Nothwendigkeit herausgebildet, weil
                              									mit der rasch gewachsenen Geschwindigkeit auch die Lichtweite hat im Schritt
                              									gehalten werden müssen. Es bleibt ja zu berücksichtigen, dass eine Wegstrecke von 1
                              									Seemeile, d. i. von ¼ deutschen Meile, in etwa 3 Minuten zurückgelegt wird.
                           Die Stärke der Signallichter ist naturgemäss so zu
                              									bemessen, dass deren Wirkung eine rechtzeitige ist. Zwei einander begegnende
                              									Schnelldampfer müssen ihre gegenseitige Lage auf so weite Entfernungen zu erkennen
                              									vermögen, dass jedes Ausweichmanöver noch bequem und sicher ausgeführt werden kann.
                              									Für die Leuchtweite ist nicht allein die Stärke der Lichtquelle, sondern auch die
                              									scheinbare Farbe des Lichtes wesentlich, da gerade die letztere die Sichtbarkeit
                              									beeinflusst. Wir haben es hier mit weissem, grünem und rothem Licht zu thun. Nach
                              									Prof. Weber's (Kiel) im J. 1891 durchgeführten
                              									Versuchen soll als zulässiges Minimum gelten: für vveisses Topplicht 20 Kerzen, für
                              									grünes Licht 25 und für rothes 15 Kerzen. Im Nebel erscheint bekanntlich das Roth
                              									noch röther, weil rothe Lichtstrahlen nicht absorbirt werden. Das Grün dagegen,
                              									welches Spuren von Roth und Gelb enthält, wird gelblich, weil nach Absorption der
                              									blauen Strahlen die nach dem Roth zu liegenden hervortreten, wie ja auch das weisse
                              									Licht im Nebel sich röthet. Es wird deshalb nicht erforderlich sein, die rein rothen
                              									Laternen nach ihrer Farben Wirkung zu prüfen, wohl aber ist man hierzu in Bezug auf
                              									die grünen gezwungen. Um Verwechselungen des grünen Seitenlichtes mit dem weissen
                              									Topplicht oder gar mit der rothen Positionslaterne zu verhindern, wird man ein Grün
                              									wählen, dessen Strahlen im Spectrum thunlichst weit ab von den rothen Linien des
                              									letzteren liegen. Doch ist auch hierin eine Grenze gezogen, weil durch die starke
                              									Aufsaugung der Strahlen im Nebel die Sichtweite an sich beeinträchtigt würde. Weber will das Spectrum des Steuerbordlichtes nur bis
                              									zur gelben Natriumlinie des Sonnenspectrums (Wellenlänge 0,000589 mm) zulassen. Um
                              									die Farben sehr lebhaft zu machen, hatte der im Dienste des Königs von Siam stehende
                              									hydrographische Capitän Loftus für die Laternen
                              									zusammengesetzte Linsen benutzt, welche aus zwei Lagen 6,5 mm dicker Glasplatten
                              									bestanden; zwischen letzteren war entsprechend gefärbtes Glycerin eingefüllt. Diese
                              									unter dem Namen Loftus' patent glycerine-lens ship sidelights eingeführten Laternen
                              									wurden 1891 in Shoeburyness Versuchen unterzogen; man fand Sichtweite der grünen
                              									Laterne zu 5486 m, die der rothen zu 8230 m.
                           Erst kürzlich sind die Resultate anderer, für die Installation der Signallaternen
                              									wichtiger Experimente allgemein bekannt geworden. So wurden 1890 von deutscher Seite
                              									3000 an Bord befindliche Lichter, von denen beiläufig etwa zwei Drittel als
                              									mangelhaft bezeichnet werden mussten, auf ihre Leistungen geprüft, wobei sich ergab,
                              									dass 1 Kerze weissen Lichtes bei dunkler klarer Nacht im Mittel 1,4 Seemeilen, bei
                              									regnerischem Wetter aber 1 Seemeile sichtbar war. Der International Maritime
                              									Congress stellte 1889 fest, dass bei sehr klarem Wetter ein Licht von 1 Kerze
                              									gut auf 1 Seemeile, das von 3 Kerzen ebenso auf 2 Seemeilen wahrnehmbar wäre; 10
                              									Kerzen konnten mit gewöhnlichem Glas 4 Seemeilen und 29 Kerzen schwach, 33 Kerzen
                              									dagegen ohne Schwierigkeit 5 Seemeilen gesehen werden. An einem anderen
                              									ausnahmsweise klaren Abend waren
                           
                              
                                 3,2
                                 Kerzen
                                 auf
                                 3
                                 Seemeilen,
                                 
                              
                                 5,6
                                 „
                                 „
                                 4
                                 „
                                 
                              
                                 17,2
                                 „
                                 „
                                 5
                                 „
                                 
                              
                           kenntlich. Demgegenüber stehen aber wieder die Angaben der
                              									holländischen Regierung, welche durch ihre Amsterdamer Experimente Sichtweiten für
                              									weisses Licht bei 1 Kerze zu 1 Seemeile, bei 3,5 Kerzen zu 2 Seemeilen und bei 16
                              									Kerzen zu 5 Seemeilen, für grüne jedoch bei 1 Kerze zu 0,8 Seemeilen gelangt war. Um
                              									das grüne Licht auf 1 bezieh. 2, 3, 4 Seemeilen wirksam zu machen, musste man mit
                              									Lichtstärken von 2 bezieh. 15, 51, 106 Kerzen arbeiten. Es ist hieraus für das Grün
                              									eine sehr rasche Abnahme abzuleiten, welche sich noch mehr bei Regenwetter bemerkbar
                              									macht, an dem Weiss noch sehr wenig verliert. Wichtig ist deshalb, für das Glas eine
                              									Farbe zu wählen, welche der Intensität des Lichtes so wenig wie möglich Abbruch
                              									thut; empfohlen wird hierzu ein klares Blaugrün. Dagegen werden Gelbgrün und
                              									Grasgrün schon auf kurze Entfernung von Weiss nicht unterscheidbar. Dem rothen
                              									Backbordlicht sind allerdings weitere Grenzen gezogen, wenn auch ein intensives
                              									Kupferroth am geeignetsten befunden worden ist.
                           Die Positionslichter sollen es ermöglichen, Lage und Kurs eines gesichteten Schiffes
                              									festzustellen. Dass dies bei dem herrschenden Signalsystem in wenig genauer Weise
                              									möglich ist, steht ausser Zweifel. Nur ganz annähernd lässt sich aus dem scheinbaren
                              									Abstand der beiden Lichter bezieh. aus der Aenderung derselben der Weg eines
                              									Dampfers annehmen. Jedoch auch diese Möglichkeit entfällt in dem Augenblick, in dem
                              									nur ein Seitenlicht sich dem Beobachter zeigt. Das Ausweichen der Schiffe bestimmt
                              									die bereits citirte Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf
                              									See vom 7. Januar 1880; aus dieser ergibt sich im Grossen und Ganzen, dass dem auf
                              									Steuerbordseite gesichteten Dampfer das Strassenrecht zukommt, dass der
                              									manövrirfähigere Dampfer dem vom Winde abhängigen Segelboot gegenüber die geeigneten
                              									Maassregeln zu ergreifen hat; vorausgesetzt wird aber immer, dass die üblichen
                              									Positionslaternen für die Bestimmung des Kurses ausreichend seien. Man verlässt sich
                              									hier immerhin einer gewissen Uebung der Schiffsleitung, welche jedoch oft in
                              									entscheidenden Fällen dank der Unvollkommenheit des jetzigen Systems versagt
                              									hat.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)