| Titel: | Die Theorie des Krempelns. | 
| Autor: | Alfred Haussner | 
| Fundstelle: | Band 305, Jahrgang 1897, S. 105 | 
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                        Die Theorie des Krempelns.
                        Von Professor Alfred
                                 									Haussner in Brünn.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 84 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Die Theorie des Krempelns.
                        
                     
                        
                           5) Widerstandsfähigkeit der Krempelhäkchen.
                           Von vornherein ist wohl anzunehmen, dass beim „Kratzen“ die Häkchen kräftiger
                              									werden beansprucht werden, weshalb unmittelbar für diesen Fall die Festigkeits- und
                              									Elasticitätsverhältnisse untersucht werden mögen. Beim Kratzen ist eben/die Wolle
                              									noch nicht so aufgelöst, es ist die Tendenz vorhanden, selbe, wie die
                              									vorangegangenen Betrachtungen gezeigt haben, in beide Belege zu vertheilen, was
                              									nicht anders ausführbar ist, als dass die Wolle oft sehr kräftig gezogen wird,
                              									während beim Herauskämmen der Wolle aus einem der Belege ohnehin die Wolle, bei
                              									richtiger Häkchenstellung, aus diesem herausrutscht in Folge einer auftretenden
                              									Theilkraft.
                           Wenn S die Spannung der Fasern, welche bei B in Fig. 19 an dem
                              									Häkchen hängen, wirklich auf BCA einwirkt, so ist klar,
                              									dass dasselbe nicht bloss auf Biegung beansprucht wird, sondern dass auch, wie schon
                              									aus der in Fig. 2 bemerkten, für die Vertheilung der
                              									Fasern als so ungemein wichtig erkannten und in Fig.
                                 										19 wiederholten Kräftezerlegung hervorgeht, eine Componente
                              										\overline{BJ} vorhanden ist, welche den oberen Theil des
                              									Häkchens auf Druck beansprucht. Wenn wir deshalb eine Gleichung für die Festigkeit
                              									des Häkchens benutzen, so sollte es strenge genommen jene sein, welche für die
                              									combinirte Druck -und Biegungsbeanspruchung zu benutzen ist:
                           
                              \frakfamily{N}=\frac{P}{F}+\frac{M\,y}{J}
                              
                           in welcher \frakfamily{N} die Beanspruchung
                              									für die Flächeneinheit, P die auftretende Axialkraft,
                              										F der Querschnitt, M
                              									das Biegungsmoment, y die Entfernung der
                              									meistgespannten Faser von der neutralen Schicht und J
                              									das Trägheitsmoment bedeutet.
                           Nun scheint es mir aber gerade hier nicht empfehlenswerth, diese für den Gebrauch
                              									recht unhandliche Formel zu benutzen, weil besondere Genauigkeit hier wohl nicht
                              									angebracht sein dürfte, immer nur auf Wahrscheinlichkeitswerthe hingearbeitet werden
                              									kann, schliesslich die Componente \overline{BJ} (auf Druck)
                              									relativ recht klein ausfällt und ohnehin auf einen gewissen Sicherheitsgrad gedacht
                              									werden muss.
                           Es dürfte daher als ausreichend erkannt werden, wenn nur die einfache Gleichung für
                              									die Biegungsfestigkeit benutzt wird:
                           M = \frakfamily{S}
                              									. W.
                           Hier bedeutet M das
                              									Biegungsmoment im gefährlichen Querschnitt, \frakfamily{S} die zu
                              									gestattende Beanspruchung für die Flächeneinheit und W
                              									das sogen. Widerstandsmoment.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 305, S. 105
                              Fig. 19.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 305, S. 105
                              Fig. 20.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 305, S. 105
                              Fig. 21.
                              
                           In unserem Falle ist offenbar der gefährliche Querschnitt bei A zu suchen, so dass:
                           
                              M = S . a,
                              
                           worin S die in der Fig. 19 ersichtliche, grösste Faserspannung, a die senkrecht zum Beleg gemessene Länge der Häkchen
                              									ist. Was die Faserspannung anbelangt, so hängt sie natürlich von der Zahl der Fasern
                              									ab, welche gleichzeitig von einem Häkchen erfasst und gezogen werden. Soll nun
                              									wirklich eine gründliche Auflösung der Watte, des Pelzes u. dgl. erfolgen, so muss
                              									bei eigentlichen Kratzbeschlagen, nicht etwa bei jenem Zahnbesatz, wie er bei
                              									Vorreissern vorkommt, durch geeignete Geschwindigkeitsverhältnisse, dichte
                              									Häkchenstellung u. dgl. darauf hingearbeitet werden, dass nur wenige Fasern,
                              									vielleicht nur höchstens vier, gleichzeitig auf ein
                              									Häkchen einwirken, wie es Fig. 3 dargestellt hat, so
                              									dass die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, dass deshalb, weil gemäss dem früher
                              									ausführlich Erörterten die Wolle gleichmässig in beide
                              									Belege überzugehen strebt, auf jeder Seite des Häkchens dann eine Faser hängen
                              									bleibt, wodurch die grösste Gewähr für die vollständige Auflösung der Wolle, für das
                              									Herausfallen von Schmutz u. dgl. gegeben ist. Es soll weiter unten versucht werden,
                              									einen Weg für die Berechnung einer solchen Wollvertheilung zu geben.
                           
                           Die Wolle, welche aufgelöst werden soll, ist aber nicht selten so verknotet,
                              									dass erfahrungsgemäss häufig die Wollfaser reisst, ehe sie sich aus der
                              									Verschlingung mit Nachbarfasern löst. Dass dieses besonders leicht bei der
                              									Querschnittsform Fig. 10 eintritt, wurde schon
                              									hervorgehoben und begründet. Nach all dem dürfte es als gerechtfertigt anerkannt
                              									werden, wenn für S die vierfache mittlere Zugfestigkeit des
                                 										verarbeiteten Faser Materials genommen wird.
                           Doch scheint es mir damit nicht genug. Wir dürfen uns die Wolle nicht langsam,
                              									vorsichtig, allmählich in die Länge gezogen denken, sondern mit Rücksicht auf die
                              									vorkommenden bedeutenden Geschwindigkeiten der Kratzbelege ist an eine stossweise
                              									Inanspruchnahme zu denken, somit, wie es auch anderwärts bei analogen
                              									Beanspruchungsfällen geschieht, so vorzugehen, als ob das Doppelte der bei ruhiger
                              									Belastung wirksam gedachten Kraft biegen würde. Demgemäss dürften wir dem in der
                              									Praxis vorkommenden Arbeitsvorgang am nächsten kommen, wenn wir setzen:
                           2 × 4 P . a = \frakfamily{S} . W . .
                              									. . . 8)
                           worin P die mittlere
                              									Zugfestigkeit für eine Faser bedeutet. Rechnen wir aus
                              									dieser Gleichung die einzige auf den Querschnitt des Häkchens Bezug habende Grösse
                              										W, so wird:
                           W=8\,a\,.\,\frac{P}{\frakfamily{S}} . . . . .
                              									9)
                           Wohl in den allermeisten Fällen wird das Häkchen wenigstens unten kreisrund sein, mag
                              									auch oben der Querschnitt durch Schleifen weitgehend verändert worden sein. Deshalb
                              									können wir setzen:
                           
                              W=\frac{\pi}{32}\,d^3=0,1\,d^3=8\,.\,a\,.\,\frac{P}{\frakfamily{S}}
                              
                           Somit folgt der Durchmesser des Drahtes:
                           d=2\,\sqrt[3]{10\,a\,.\,\frac{P}{\frakfamily{S}}} . . . . .
                              									10)
                           Daraus ergibt sich die Nummer des Drahtes. Nach der deutschen
                              									Drahtlehre ist z.B. die Nummer das Zehnfache des Werthes von d.
                           Führen wir in die Formel 10 statt der Zugfestigkeit P
                              									die Reisslänge B ein, was bei Fasermaterialien üblicher
                              									ist, so haben wir, wenn N die metrische Feinheitsnummer
                              									bezeichnet:
                           
                              R = P . N
                              
                                 
                                 Vgl. z.B. Fischer-Müller,
                                    											„Handbuch der mechanischen Technologie“, Bd. 3 S. 28.
                                 
                              
                           folglich:
                           d=2\,\sqrt[3]{10\,\frac{a}{N}\,.\,\frac{R}{\frakfamily{S}}}
                              									. . . . . 11)
                           Nehmen wir einen besonderen Fall, um die Brauchbarkeit von Formel 10 (und der daraus
                              									hergeleiteten Formel 11) zu zeigen. Es sei a = 7 mm, P
                              									= 2,5 g (für Baumwolle etwa) und \frakfamily{S} = 30 pro qmm für
                              									Stahl, so wird:
                           d=2\,\sqrt[3]{10\,\times\,7\,\times\,\frac{0,0025}{30}}=0,35\mbox{
                                 										mm},
                           ein Werth, welcher ganz der Praxis entspricht, welche durch
                              									blosses Tasten auf diese Dimension gekommen ist, welcher Umstand aber auch wohl als
                              									Bestätigung für die Richtigkeit der gemachten Annahmen anzusehen sein dürfte.
                              									Andererseits lässt es sich dann auch begreifen, warum solche Häkchen manchmal
                              									brechen und warum für eine rationelle Maschinenkrempel die Einführung des
                              									Vorreissers geradezu nothwendig war, um die Wolle den nicht sehr
                              									widerstandsfähigen Krempelhäkchen, welche nur dem Zuge weniger Fasern widerstehen
                              									können, anzupassen.
                           Nehmen wir nur bei dem vorigen Beispiel an, dass wir ein Kratzhäkchen nur von 0,2 mm
                              									Durchmesser in sonst gleicher Weise beanspruchen, so zeigt sich, wenn wir, nur um
                              									eine beiläufige Vorstellung zu gewinnen, so rechnen, als ob die angewendete
                              									Grundformel für die Festigkeitsrechnung auch über die Elasticitätsgrenze des Drahtes
                              									gültig wäre, dass dann \frakfamily{S} = 160 k pro qmm, wobei ganz
                              									abgesehen ist von der Druckbeanspruchung und nur die Biegung berücksichtigt worden
                              									ist. Bei \frakfamily{S} = 160 k pro qmm würden aber wohl wenige
                              									Drähte Stand halten.
                           Aber auch von diesem Falle abgesehen, dürfen wir nicht übersehen, dass der im
                              									Beispiel weiter oben eingeführte Werth \frakfamily{S} = 30 k
                              									schon in der Nähe der Proportionalitätsgrenze für ungehärtetes Material liegt, dass also bei der so ausserordentlich häufig
                              									statthabenden Beanspruchung desselben Häkchens, auch bei diesem Werthe
                              										(\frakfamily{S} = 30) die Gefahr des Bruches nahe liegt. Nun
                              									liegt es allerdings, meiner Ansicht nach, gar nicht im Interesse guter
                              									Arbeitsleistung und auch die Rücksicht auf thunlichste Schonung der Fasern gebietet
                              									(ich verweise auf das insbesondere, was ich über das Ausziehen bei Fig. 10 hervorgehoben habe), mit dem Durchmesser der
                              									Kratzhäkchen nicht zu weit herunterzugehen. Andererseits kann man dickere
                              									Kratzhäkchen nicht so dicht setzen als dünnere und daher auch bei dickeren Häkchen
                              									nicht so viele Angriffsstellen in der Flächeneinheit des Belages schaffen als bei
                              									dünneren. Die Forderung, möglichst viele Häkchen in der Flächeneinheit zu haben, um
                              									die Leistungsfähigkeit der Krempel zu erhöhen, drängt aber ausserordentlich zur
                              									Verkleinerung des Häkchendurchmessers. Um die sich solcherart entgegenstehenden
                              									Forderungen so viel wie möglich zu erfüllen, bleibt nichts anderes übrig, als wie
                              										das beste, festeste Material für die Häkchen zu
                              									nehmen. Gehärteter Tiegelgusstahl und der in neuerer
                              									Zeit in vorzüglichen Qualitäten erzeugte, allerdings nicht besonders billige Nickelstahl scheinen mir hierfür die geeignetsten
                              									Materialien zu sein.
                           Für die Dimensionen des Krempelhäkchens erachte ich aber noch einen Punkt besonders
                              									maassgebend, der wohl andeutungsweise schon berührt worden ist. Es scheint mir sehr
                              									empfehlenswerth, mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Fasern sich doch um das
                              									Häkchen legen sollen, von vornherein den Durchmesser des Drahtes, oder, was dasselbe
                              									ist, seine Nummer der mittleren Dicke der Wolle anzupassen. Gewiss ist es dabei
                              									nicht nöthig, übermässig ängstlich zu sein. Doch dürfte es mit Bezug auf jene
                              									Erfahrungen, welche beim Krümmen von aus Fasern erzeugten Gebilden gemacht worden
                              									sind, ganz passend sein, wenn man für gewöhnlich den Durchmesser des Häkchens nicht
                              									unter dem zehnfachen Durchmesser (natürlich ist dafür ein mittlerer Werth gemeint)
                              									des zu bearbeitenden Fasermaterials nimmt, also allgemein:
                           D = μ . δ . . . . . 12)
                           wenn δ der Durchmesser des
                              									Fasermaterials ist. Bezeichnet wieder N dessen
                              									metrische Feinheitsnummer, wobei also N die Anzahl der
                              									Meter bedeutet, welche 1 g wiegen, so ist:
                           N . F . s = 1 oder
                              										N\,.\,\frac{\pi\,\delta^2}{4}\,.\,s=1,
                           
                           wobei F der Querschnitt und
                              										s das specifische Gewicht des Fasermaterials ist.
                              									Somit wird:
                           
                              
                                 
                                 
                                    \delta=2\,\sqrt{\frac{1}{\pi\,.\,N\,.\,s}}
                                    
                                 
                                 
                              
                                 und
                                 
                                 13)
                                 
                              
                                 
                                 
                                    d=2\,\mu\,\sqrt{\frac{1}{\pi\,.\,N\,.\,s}}=9/8\,\mu\,\sqrt{\frac{1}{N\,.\,s}}
                                    
                                 
                                 
                              
                           als Drahtdurchmesser zu wählen sein. In dieser Formel kann N, die Feinheitsnummer, in m,
                                 										s in g pro cbcm eingesetzt werden; hierauf folgt d in mm.
                           Dann ist aber die Entfernung a, die Häkchenausdehnung
                                 										senkrecht zum Belage, nicht mehr willkürlich. Es ergibt sich vielmehr aus
                              									derjenigen Gleichung, welche uns unmittelbar auf die Formel 10 geführt hat,
                              									dass:
                           0,1\,d^3=8\,a\,.\,\frac{P}{\frakfamily{S}},
                           folglich:
                           a=\frac{1}{80}\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{P}\,.\,d^3 . . . .
                              									. 14)
                           Aus dieser Formel erhält man a in
                              									mm, wenn d in mm, \frakfamily{S} in
                              									k pro qmm und P in k eingesetzt wird.
                           Führt man in 14 die Reisslänge und die metrische Feinheitsnummer ein, so bekommt man
                              									mit Bezug auf die Ausdrücke 11 und 13:
                           
                              a=\frac{1}{80}\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{\frac{R}{N}}\,.\,\left[9/8\,\mu\,\sqrt{\frac{1}{N\,.\,s}}\right]^3=\frac{1}{80}\,.\,\frac{\mbox{S}\,.\,N}{R}\,.\,\frac{927}{512}\,.\,\mu^3\,.\,\frac{1}{N\,.\,s}\,.\,\sqrt{\frac{1}{N\,.\,s}}
                              
                           Reducirt folgt:
                           a=0,023\,\mu^3\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{s\,.\,R}\,.\,\sqrt{\frac{1}{N\,.\,s}}
                              									. . . . . 15)
                           Berücksichtigen wir, dass s . R =
                                 										σ die specifische Faserfestigkeit istVgl. Fischer-Müller,
                                    											„Handbuch der mechanischen Technologie“, Bd. 3 S. 28., so
                              									wird:
                           a=0,023\,\mu^3\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{\sigma}\,.\,\sqrt{\frac{1}{N\,.\,s}}
                              									. . . . . 16)
                           Nehmen wir einen besonderen Fall. Es sei eine sehr feine Sea-Island-Baumwolle zu
                              									krempeln mit 0,00011 qmm Faserquerschnitt, einer Zerreissungsfestigkeit von σ = 31,8 k pro qmm; die metrische Nummer N beträgt dabei rund 6150, das specifische Gewicht s =1,5 g pro cbcm. Dem angegebenen Faserquerschnitt
                              									entsprechend ist der Durchmesser nur ungefähr 12 mmm. Wenn wir hierbei μ = 10, wie weiter oben als nicht gut zu
                              									unterschreitende Grenze angegeben, nehmen würden, so erhielten wir so dünne Häkchen,
                              									dass dieselben entweder abbrechen oder (praktisch) zu kurz ausfallen würden. Nehmen
                              									wir deshalb μ = 20, dann wird, falls wir für
                              										\frakfamily{S} = 30, wie weiter oben belassen:
                           
                              a=0,023\,\times\,8000\,.\,\frac{30}{31,8}\,.\,\sqrt{\frac{1}{6150\,\times\,1,5}}=1,8\mbox{
                                 										mm.}
                              
                           Dies ist auch natürlich nicht gut ausführbar, zeigt aber, wie
                              									nothwendig es dann ist, wenn man nicht fortwährend beschädigte Häkchen benutzen
                              									will, dass nur bestes Material, wie weiter oben bereits bemerkt, gehärteter
                              									Tiegelgussstahl o. dgl., hier gerade gut genug ist, um das leider nicht selten
                              									vorkommende Brechen der Häkchen zu vermeiden. Denn gehen wir mit
                              										\frakfamily{S} von 30 k auf 120 k pro qmm hinauf, was bei dem
                              									genannten Material noch zulässig sein kann, so wird a=7
                              									mm, was als eine ganz annehmbare Abmessung zu bezeichnen ist. Dass gerade
                              									bezüglich dieser Dimension das Material einen so merklichen Einfluss ausübt, hängt
                              									damit zusammen, dass in Formel 16 a sich proportional zur
                                 										Häkchenfestigkeit
                              									\frakfamily{S}
                              									zeigt.
                           Noch etwas hängt auf das innigste mit den Festigkeitseigenschaften des Häkchens
                              									zusammen: es ist das elastische Ausbiegen unter der
                              									Anstrengung, welche dasselbe bei der Arbeit erfährt.
                           Was dieses Ausbiegen anbelangt, so hätten wir auch, strenge genommen, hierfür die
                              									immerhin nicht einfache Gestalt desselben zu berücksichtigen. Ich möchte aber
                              									meinen, dass für die hier beabsichtigten Zwecke es ausreicht, wenn wir uns für
                              									Ermittelung der Häkchenausbiegung das Häkchen so vorstellen, als ob es ganz gerade
                              									nach der Linie AB verlaufen würde. Unter dieser Annahme
                              									und ohne Berücksichtigung des Schiefstehens zwischen AB
                              									und BS ist die Ausbiegung
                              										\overline{BB_1}=e (Fig. 20)
                              									allgemein:
                           e=\frac{1}{3}\,.\,\frac{S\,.\,a^2}{E\,.\,J} . .
                              									. . . 17)
                           Dabei bedeutet E den
                              									Elasticitätsmodul, der für Stahl zwischen 22000 und 25000 k für 1 qmm zu nehmen ist,
                              									der höhere Werth für gehärteten Tiegelgusstahldraht. J
                              									bedeutet wieder das Trägheitsmoment des Querschnittes, ist für uns, weil wir den
                              									Draht einfach cylindrisch annehmen und auf andere Querschnitte nicht eingehen
                              									wollen, also mit: J=\frac{\pi}{64}\,d^4 (für den Kreis) zu
                              									setzen. Führen wir in diese allgemeine Formel die in unseren vorangegangenen
                              									Gleichungen enthaltenen Werthe ein, so folgt:
                           e=
                                 										\frac{8}{3}\,.\,\frac{P}{E}\,.\,\frac{a^3}{\frac{\pi}{64}\,d^4},
                           wenn wir S = 8 P wieder wegen der
                              									stossweisen Inanspruchnahme setzen. Nun ist aber:
                           P=\sigma\,.\,\pi\,\frac{\delta^2}{4},
                           wobei σ die specifische
                              									Faserfestigkeit und S der mittlere Faserdurchmesser
                              									ist. Daher wird:
                           
                              e=\frac{8}{3}\,.\,\frac{\sigma}{E},.\,\frac{\pi}{4}\,.\,\delta^2\,.\,\frac{a^2}{\frac{\pi}{64}\,d^4}
                              
                           Abgekürzt und μ . δ = d oder
                              										\delta=\frac{d}{\mu} eingeführt, kommt:
                           e=\frac{128}{3}\,.\,\frac{\sigma}{E}\,.\,\frac{d^2}{\mu^2}\,.\,\frac{a^3}{d^4}=\frac{128}{3\,\mu^2}\,.\,\frac{\sigma}{E}\,.\,\frac{a^3}{d^2}
                              									. . . . . 18)
                           Nun folgt aber aus 14, wenn
                           
                              P=\sigma\,.\,\frac{\pi\,\delta^2}{4}=\sigma\,.\,\frac{\pi}{4}\,.\,\frac{d^2}{\mu^2}
                              
                           eingeführt wird:
                           
                              a=\frac{1}{80}\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{\sigma}\,.\,\frac{4}{\pi}\,.\,\frac{\mu^2}{d^2}\,.\,d^3=\frac{1}{20\,\pi}\,.\,\frac{\frakfamily{S}}{\sigma}\,.\,\mu^2\,.\,d
                              
                           also:
                           
                              d=\frac{20\,\pi}{\mu^2}\,.\,\frac{\sigma}{\frakfamily{S}}\,.\,a.
                              
                           Führen wir diesen Werth für d in
                              									Gleichung 18 ein, so folgt:
                           e=\frac{128}{3\,\mu^2}\,.\,\frac{\sigma}{E}\,.\,\frac{\mu^4}{400\,\pi^2}\,.\,\frac{\frakfamily{S}^2}{\sigma^2}\,.\,\frac{a^3}{a^2}=\frac{2\,\mu^2}{185}\,.\,\frac{\frakfamily{S}^2}{E\,.\,\sigma}\,.\,a
                              									. . . . . 19)
                           Nach dem Vorangegangenen bietet wohl auch die Einführung von metrischer Nummer u.
                              									dgl. keine besondere Schwierigkeit. Doch scheint mir gerade die Gleichung 19, welche die
                              									Bedingungen für die elastische Ausbiegung derjenigen Häkchen angibt, die nach den ja
                              									näher begründeten Forderungen bezüglich Festigkeit, Verarbeitung des Materials
                              									(Coefficient μ) u. dgl. nicht nach blossen Annahmen
                              									hergestellt sind, für die allgemeine Betrachtung besonders günstig. Wir bemerken,
                              									dass für dasselbe Faser- und Drahtmaterial, dessen charakteristische Eigenschaften
                              									in 19 berücksichtigt erscheinen, die Ausbiegung e
                                 										proportional zu der Häkchenlänge, gemessen senkrecht gegen Beschlag, sich
                              									ergibt.
                           Sei beispielsweise für die bereits weiter oben benutzte Sea-Island-Wolle: μ = 20, σ = 31,8 k/qmm, a = 8 mm, weiters \frakfamily{S} =
                              									120 k/qmm, E = 25000 k/qmm, so wird:
                           
                              e=\frac{2\,\times\,400}{185}\,.\,\frac{120\,\times\,120}{25000\,\times\,31,8}\,.\,8=0,63\mbox{
                                 										mm}
                              
                           Dies ist nicht besonders viel,
                              									weil wir einen sehr festen Draht genommen haben. Gehen wir aber mit
                              										\frakfamily{S} herunter, es braucht gar nicht viel zu sein,
                              									so wird, weil nach Gleichung 16 a nur mit der ersten
                              									Potenz, e aber nach 19 mit der zweiten Potenz von
                              										\frakfamily{S} wächst, die Ausbiegung gleich merklich
                              									grösser. Aber selbst der hier gefundene Werth kann unter Umständen so viel sein,
                              									dass dadurch die Kratzarbeit ernstlich gestört, wenn nicht überhaupt unmöglich
                              									gemacht wird. Denken wir uns, die Linie AB der Fig. 20 sei in Fig. 21
                              									unter dem Winkel e gegen die Häkchenwiderlage AD geneigt. Wird nun B
                              									durch den Faserzug nach E1 gebracht, so entfernt sich dabei B von der
                              									Häkchenunterlage um das Stück CB1. Bei einem Tambour wäre es gerade so, als ob der
                              									Radius um \overline{CB_1} vergrössert worden wäre. Nun ist im
                              									rechtwinkeligen Dreieck
                              										BCB_1\,:\,\overline{CB_1}=\overline{BB_1}\,.\,cos\,\epsilon.
                           Nehmen wir nun Winkel ε =75°, wie es ungefähr einem der
                              									photographischen, nach der Natur aufgenommenen Bilder in dem bereits mehrmals
                              									erwähnten Buche von Dobson entspricht,
                              										\overline{BB_1}=0,6\mbox{ mm}, wie es in dem vorangegangenen
                              									Beispiele gerechnet worden ist, so zeigt sich: \overline{CB_1}=0,15\mbox{
                                 										mm}. Dieser Werth ist aber sehr bedenklich. Erinnern wir uns nur
                              									daran, dass man zusammenarbeitende Krempelbelege in der Praxis oft so nahe wie nur
                              									irgend möglich stellt, ohne dass sie sich wirklich berühren. Man nimmt nicht selten
                              									ein feines Blatt Papier, welches noch zwischen beide Belege gehen soll. Dass dabei
                              									der gerechnete Werth von 0,15 mm, um welchen etwa der Tambourhalbmesser grösser
                              									wird, um so bedenklicher ist, weil auch von dem mitarbeitenden Belege eine Erhöhung
                              									der Krempelzahnlänge in dem Sinne, wie es aus dem Vorgesagten hervorgeht,
                              									stattfindet, so dass also die Belege sich um 0,15 + 0,15 = 0,3 mm nähern, ist wohl
                              									ohne weiteres klar. Weil nun in anderen Fällen noch stärkere Ausbiegungen e vorkommen, so scheint es mir als unabweislich, aus
                              									der geführten Berechnung den Schluss zu ziehen, dass man die Krempelzähne so
                              									anordnen, abbiegen solle, dass die Strecke CB1 der Fig. 21
                              									möglichst klein wird. Das wird aber erreicht dann, wenn die
                                 										Verbindungslinie von Häkchenspitze und Häkchenfuss nahezu senkrecht zur
                                 										Unterlage steht. Richten wir in Fig. 20
                              									AB so, dass Winkel DAB =
                              									90°, und macht man noch
                              									\overline{BF}=\overline{FB_1}=\frac{e}{2}, der Hälfte der
                              									voraussichtlichen Ausbiegung, wenn Winkel FAD = 90°, so
                              									wird das ausgebogene Häkchen B1C1A sich sogar in
                              									derselben Höhenlage befinden, wie das unbeanspruchte, was als der günstigste
                              									Zustand, mit Rücksicht auf die berührten Folgen der Häkchenausbiegung anerkannt
                              									werden dürfte. Es bleibt wohl kaum etwas anderes übrig, als jene charakterisirten,
                              									so weit vorgebogenen Häkchen als principiell falsch zu erklären.
                           Vergessen wir eben nicht, dass so stark schief gestellte Häkchen in Folge der
                              									erwähnten elastischen Ausbiegung bei verhältnissmässig weit gestellten Belegen
                              									einander unbeabsichtigt nahe kommen und dass bei enger gestellten Belegen es dann
                              									nicht zu vermeiden ist, dass die Häkchen des einen Beleges zwischen jene des anderen
                              									eindringen, so dass sie sich gegenseitig reiben und vorzeitig, sowie ganz unnöthiger
                              									Weise abnutzen.
                           Um nicht missverstanden zu werden, sei ausdrücklich bemerkt, dass mit diesem
                              									Vorbiegen nicht etwa der Häkchenwinkel SBC (Fig. 20), dessen Nothwendigkeit ja früher ausführlich
                              									begründet worden ist, beanstandet worden ist, sondern der Winkel BAD, welcher keineswegs vom Winkel SBC bedingt ist.
                           Von untergeordneter Bedeutung erscheint mir der Winkel CAD des Häkchens. Er ist nothwendiger Weise grösser als 90°, sofern man
                              									der, nach dem Vorigen sehr zu empfehlenden Forderung, Winkel BAD = 90°, gerecht werden will. Ist nämlich Winkel SBC = α im Sinne der Fig. 2 bestimmt,
                              									andererseits Winkel BAD = 90°, so ist hier Winkel ABC = (90° – α). Es hängt
                              									somit im Dreieck ABC der Winkel BAC, unter welchem der Häkchenfuss gegen die zur Unterlage Normale steht,
                              									von dem Verhältniss ab, welches man für die beiden Häkchenstücke AC und CB wählt. Um nicht
                              									zu schief durch die Unterlage zu kommen beim Setzen der Häkchen auf der Maschine,
                              									bezieh. damit die Theile AC nicht zu schief gegen die
                              									Unterlage stehen, sei der Ansicht Ausdruck geliehen, dass es sich empfiehlt, AC verhältnissmässig lang zu nehmen, wenn auch
                              									innerhalb der üblichen Grenzen der Winkel CA B
                              									thatsächlich als nicht von hervorragender Bedeutung anerkannt werden dürfte. Gewiss
                              									soll dabei auch Rücksicht genommen werden darauf, dass das Häkchenknie nicht zu tief
                              									sitzt, damit beim Einwärtsgleiten der Fasern längs der Häkchen die Faserenden nicht
                              									zu tief in den Beschlag versinken.
                           Wie aus Fig. 20 durch Vergleich der Häkchenlagen ACB und AC1B1 sofort zu erkennen ist, ändert sich auch der
                              									Winkel SBC in SB1C1, er wird grösser, d.h. wenn wir das Häkchen gerade
                              									nur dem Reibungswinkel entsprechend (vgl. Formel 7) biegen würden, so wäre,
                              									abgesehen davon, dass schon anfänglich nur gerade Gleichgewicht herrschen würde, in
                              									der ausgebogenen Stellung das Verschieben unmöglich. Gewiss ist, dass ja eben
                              									deshalb, weil die niemals genau bestimmbaren Reibungsverhältnisse hier mitspielen,
                              									der früher mit a bezeichnete Winkel ohnehin nicht
                              									mathematisch genau bestimmbar ist. Aber sowohl dem Umstände, dass die Fasern gleiten
                              									können sollen, wie auch den Folgen der in Fig. 20
                              									skizzirten Elasticitätsverhältnisse kann man gerecht werden, wenn man eben von
                              									vornherein Winkel SBC etwas kleiner nimmt, als der
                              									Gleichung ctg α = f (7)
                              									entspricht.
                           Immerhin ist bei den gewöhnlich gebrauchten Kratzbelegen die Aenderung des eben
                              									berührten Winkels in Folge elastischer Ausbiegung nicht sehr merklich. Bedenklicher
                              									ist es, dass dann, wenn man, um schwächere Häkchen zu bekommen, möglichst nahe mit der Spannung
                              										\frakfamily{S} bis zur Elasticitätsgrenze geht, eine bleibende Verbiegung der Häkchen eintritt. Also auch
                              									hier wieder der Hinweis, ein möglichst festes Material zu nehmen, dessen
                              									Elasticitätsgrenze thunlichst hoch liegt!
                           Ganz besondere Verhältnisse zeigen sich aber dann, wenn die Krempelhäkchen
                              									unverhältnissmässig lang gemacht werden, wie es bei den sogen. Volants in den Streichgarnkrempeln vorkommt. Wird so
                              									ein langes, sehr dünnes Häkchen, häufig ganz geradlinig von A nach B verlaufend (Fig. 20), von einem Faserzug S gebogen, der
                              									jedoch nach jener Seite wirkend zu denken ist, nach welcher sich die Häkchen neigen,
                              									so wird durch die bedeutende elastische Durchbiegung selbst bei verhältnissmässig
                              									ganz geringfügigen Kräften merklich, dass Winkel α ganz
                              									bedeutend kleiner und damit die Tendenz grösser wird, vom Rücken solcher Häkchen
                              									eher abzurutschen, als bei dem mit dem Volant zusammenarbeitenden Tambourbeleg,
                              									welcher kürzere und daher straffer stehende, weniger sich elastisch durchbiegende
                              									Häkchen besitzt. Gelegentlich der Anwendung des im Vorstehenden ganz allgemein
                              									Besprochenen auf die Krempelmaschinen soll darauf zurückgekommen werden.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)