| Titel: | Neuere Locomotiven. | 
| Fundstelle: | Band 305, Jahrgang 1897, S. 145 | 
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                        Neuere Locomotiven.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 128 d.
                           								Bd.)
                        Neuere Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Die bei stationären Dampfmaschinen mit Anordnung von Dampfmänteln zum Heizen der
                              									Arbeitscylinder, sowie deren Deckel erzielten Ersparnisse an Brennmaterial sucht man
                              									schon seit geraumer Zeit auch bei Locomotiven herbeizuführen.
                           Bezügliche Versuche, welche A. Borodine in den Jahren
                              									1880 bis 1885 auf der russischen Süd-Westbahn mit einer gewöhnlichen
                              									Personenzuglocomotive und einer gleichartigen Verbundmaschine anstellte, haben
                              									ergeben, dass mit Anwendung eines Dampfmantels bei der gewöhnlichen Locomotive für
                              									ganz geringe Füllungsgrade nicht unbeträchtliche Dampfersparnisse zu erreichen sind,
                              									die jedoch bei stärkeren Füllungen verschwinden. Bei der Verbundmaschine ergab sich
                              									sogar ein Mehrverbrauch an Dampf.Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens.
                                    											1887 S. 198. Diese ungünstigen Ergebnisse ermuthigten nicht zu
                              									weiteren Versuchen. Erst in der Neuzeit beschäftigt man sich wieder lebhafter mit
                              									der Frage der Anordnung von Dampfmänteln an den Cylindern der Locomotiven. Ueber die
                              									Ergebnisse bemerkenswerther Versuche, welche behufs Ermittelung der Wirkung des
                              									Dampfmantels bei Locomotiven von einer Commission der Institution of Mechanical
                              									Engineers angestellt wurden, berichtet The Engineer vom
                              									6. November 1896, S. 465, bezieh. Engineering vom 4.
                              									December 1896, S. 715 u. ff.
                           Die Versuche wurden auf Veranlassung des Chefingenieurs John
                                 										A. F. Aspinall der Lancashire and Yorkshire
                                 										Railway mit der Personenzuglocomotive Nr. 1093 der genannten Eisenbahn im
                              									regelmässigen Dienste vorgenommen. Die Maschine diente zur Beförderung des 7 Uhr 30
                              									Minuten Vormittags von Manchester nach dem etwa 122 km entfernten York und 3 Uhr
                              									Nachmittags von dort nach Manchester zurückkehrenden Schnellzugs; sie hat vier
                              									gekuppelte Räder von je 2,160 m und vorderes zweiachsiges Drehgestell mit Rädern von
                              									je 0,927 m Durchmesser. Die Cylinder von je 482 mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub
                              									sind, wie dies in England zumeist üblich, mit darüber liegenden Schieberkasten
                              									wagerecht und innerhalb der Rahmen angeordnet. Das Leergewicht von Locomotive und
                              									Tender beträgt 56 287, das Dienstgewicht 70925 t. Der Tender fasst ungefähr 8,18 cbm
                              									Wasser. Der aus Stahl gefertigte Kessel hat 1270 mm Durchmesser und 3,235 m Länge.
                              									Die äussere Feuerkiste ist aus Stahl, die innere aus Kupfer hergestellt. Die
                              									Heizfläche der 220 vorhandenen Rohre von je 44,4 mm äusserem Durchmesser
                              									beträgt 103, diejenige der Feuerkiste 10, insgesammt demnach 113 qm. Die Rostfläche
                              									beträgt 1,74 qm, ihr Verhältniss zur Heizfläche 1: 65. Der Schornstein liegt 3,048 m
                              									über Schienenoberkante.
                           Vor den Versuchen wurden die Cylinder ausgebohrt und behufs Schaffung eines
                              									Dampfmantels mit einem gusseisernen Futter versehen, wodurch sich ihr innerer
                              									Durchmesser auf 444,5 mm verminderte. Die vorderen Cylinderdeckel wurden aussen mit
                              									Platten belegt und in den so entstandenen Zwischenraum Heizdampf geleitet, während
                              									an die hinteren Deckel behufs theilweiser Ummantelung je ein schmiedeeiserner Ring
                              									mit Platten auf beiden Seiten geschraubt wurde. Es fanden vier Versuchsfahrten am
                              									18. und 19. September 1894 und zwar je eine mit und
                              									eine ohne angestellte Heizmäntel auf der Hin- bezieh.
                              									Herfahrt zwischen Manchester und York statt.
                           Bei jedem Versuche wurden die verbrauchten Kohlen, das Speisewasser, die Temperatur
                              									desselben, die Spannung des Arbeitsdampfes im Kessel und in den Dampfmänteln, die
                              									Fahrgeschwindigkeit u.s.w. genau gemessen, ferner zur Bestimmung der indicirten
                              									Leistung der Maschine Indicatordiagramme genommen und auch die Zusammensetzung der
                              									Rauchgase durch Analysen festgestellt.
                           Die zu den Versuchsfahrten verwendete Kohle war von der Mitchel Main Colliery, Wombwell bei Barnsley. Zur Ermittelung des
                              									Heizwerthes derselben wurden von den auf dem Tender aufgestapelten Kohlensäcken im
                              									ungefähren Gewicht von je 90 k Proben entnommen. Die Zeit der Entleerung eines jeden
                              									Sackes wurde wie auch das Gesammtgewicht der verfeuerten Kohle sorgfältig notirt.
                              									Ein Hauptaugenmerk sollte nach den für die Versuche aufgestellten Grundsätzen auf
                              									die Erhaltung des Feuers gelegt werden, derart, dass der Zustand desselben vor und
                              									nach Beendigung einer jeden Versuchsfahrt möglichst derselbe blieb; dies liess sich
                              									indess schwer durchführen, da die Steigungsverhältnisse der Strecke an den beiden
                              									Endpunkten derselben ganz bedeutende Unterschiede zeigten. Die Flugasche in der
                              									Rauchkammer wie auch die Schlacken in der Feuerkiste wurden nach Beendigung einer
                              									jeden Versuchsfahrt, die Rückstände in dem Aschenkasten aber erst am Ende einer
                              									jeden Doppelfahrt gewogen.
                           Der mittlere Heizwerth der Kohle wurde zu 14200 Wärmeeinheiten für 1 Pfund trockener
                              									Kohle, der Kohlenverbrauch während der vier Versuchsfahrten zu entsprechend 2,87,
                              									3,07, 2,73 und 2,79 Pfund (engl.) für 1 i/Std. ermittelt.
                           Die Analyse der Rauchkammergase ergab folgende Zusammensetzung derselben.
                           
                           Bei der Hinfahrt:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                 12,85
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 4,15
                                 „
                                 
                              
                                 Kohlenoxydgas
                                 0,80
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 82,20
                                 „
                                 
                              
                           Bei der Rückfahrt:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                 15,10
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 1,97
                                 „
                                 
                              
                                 Kohlenoxydgas
                                 0,85
                                 „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 82,08
                                 „
                                 
                              
                           Zum Messen des Speisewassers diente ein in dem Verbindungsrohr zwischen Injector und
                              									Tender eingeschalteter Wassermesser, System Siemens.
                           Das sich während der Fahrt in den Dampfmänteln bildende Condensationswasser wurde
                              									drei kleinen vor der Rauchkammer der Locomotive aufgestellten Behältern zugeführt
                              									und zwar wurde das Condenswasser aus den Mänteln der Arbeitscylinder, dasjenige aus
                              									den Mänteln der vorderen und dasjenige aus den Mänteln der hinteren Deckel zusammen
                              									gemessen.
                           Während des am ersten Tage 2½, am zweiten Tage 1½ Stunden andauernden Aufenthalts in
                              									York wurden die in jedem Mantelpaare condensirten Dampfmengen ebenfalls gemessen.
                              									Die Ergebnisse waren folgende:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 In den Mänteln condensirte Dampfmengenin
                                    											Pfunden (engl.) für 1 StundeWährend der Fahrt Beim Stillstand
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 18. Sept.
                                 19. Sept.
                                 18. Sept.
                                 19. Sept.
                                 
                              
                                 Mäntel
                                 der
                                 Arbeitscylinder
                                 267
                                 241
                                 35,0
                                 26,7
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 vorderen
                                 Deckel
                                 123
                                 103
                                 16,0
                                 13,7
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 hinteren
                                 „
                                   65
                                   55
                                 12,0
                                 15,8
                                 
                              
                           Die Fahrzeiten wurden von Station zu Station notirt, ferner auch diejenigen Zeiten,
                              									während welcher der Dampf nach den Cylindern abgeschnitten war, sorgfältig
                              									aufgeschrieben, um damit die wirkliche Fahrzeit, sowie die Zeitdauer zu erhalten,
                              									innerhalb welcher bei jedem einzelnen Versuche der Dampf Arbeit verrichtete. Bei der
                              									jedesmaligen Abnahme von Indicatordiagrammen wurde der Kesseldruck, die Spannung des
                              									Dampfes in den verschiedenen Mänteln, die Lage der Steuerung, sowie die Steigung der
                              									Bahnstrecke vermerkt.
                           Die Fahrgeschwindigkeit in Meilen (engl.) für 1 Stunde wurde beständig von einem
                              									Geschwindigkeitsmesser, System Boyer, auf einem
                              									Papierstreifen registrirt, der auf einer von der hinteren Achse des Drehgestelles
                              									aus betriebenen Trommel befestigt war.
                           Es wurde versucht, während der Abnahme der Diagramme die Anzahl der minutlichen
                              									Umdrehungen der Treibachse zu zählen, doch war dies bei der grossen Geschwindigkeit
                              									der Maschine unmöglich. Um die Richtigkeit der Angaben des Geschwindigkeitsmessers
                              									zu controliren, wurde derselbe nach Beendigung der Versuche von einer kleinen
                              									stehenden Dampfmaschine aus, auf deren Kurbelwelle ein Tourenzähler befestigt war,
                              									betrieben. Hierbei stellten sich je nach der Grösse der Geschwindigkeit Unterschiede
                              									von 2 bis 3 Proc. heraus.
                           Nach übersichtlicher Zusammenstellung der während der 4 Versuchstage erhaltenen Daten
                              									ergab sich, dass die Locomotive bei den Fahrten von Manchester nach York mit
                              									Dampfmantel 24,49, ohne denselben 26,70 Pfund (engl.) Dampf für 1 i/Std. verbrauchte, woraus zu Gunsten der
                              									Mantelheizung eine Ersparniss von 8,3 Proc. resultirt. Bei den Fahrten von York nach
                              									Manchester stellte sich der Dampfverbrauch für 1 i/Std. auf 24,48 bezieh. 24,87 Pfund (engl.), entsprechend einer
                              									Ersparniss von 1,5 Proc. mit angestellten Mänteln.
                           An Brennmaterial ergab sich im ersteren Fall ein Gewinn von 0,14 Pfund für 1
                              										i/Std. oder von annähernd 5 Proc. zu
                              									Gunsten der Mantelheizung. Derselbe würde sicher höher ausgefallen sein, doch war
                              									das Traingewicht bei der Fahrt mit geheizten Mänteln um etwa 8 Proc. grösser als bei
                              									der Fahrt mit ungeheizten Mänteln. Die Fahrgeschwindigkeit war in beiden Fällen
                              									nahezu dieselbe. Bei den Fahrten von York nach Manchester stellte sich dagegen der
                              									Verbrauch an Brennmaterial mit geheizten Mänteln um 0,28 Pfund für 1 i/Std. oder um 10 Proc. grösser heraus als mit
                              									ungeheizten Mänteln. Das Traingewicht war in beiden Fällen dasselbe, die
                              									Geschwindigkeit bei der Fahrt mit ungeheizten Mänteln aber um etwa 3 Meilen (engl.)
                              									in der Stunde grösser, demnach auch die Arbeitsleistung der Maschine entsprechend
                              									höher als bei der Fahrt mit geheizten Mänteln.
                           Diese Zahlen bestätigen allerdings die Ergebnisse der seiner Zeit von Borodine angestellten Versuche, wonach der ökonomische
                              									Werth des Dampfmantels bei Locomotiven, gleichwie dies auch bei stationären
                              									Dampfmaschinen der Fall ist, mit der Vergrösserung der Füllung abnimmt bezieh. ganz
                              									verschwindet, doch lassen sich wegen der nur kurzen Dauer der Versuche, sowie in
                              									Anbetracht der erheblich von einander abweichenden Steigungsverhältnisse der Strecke
                              									bei der Hin- und Herfahrt zwischen Manchester und York kaum endgültige Schlüsse über
                              									die Wirkung des Dampfmantels bei Locomotiven daraus ableiten.
                           In den letzten Jahren sind auf den preussischen Staatseisenbahnen Versuche mit
                              									Locomotivfeuerkisten aus Flusseisen an Stelle von
                              									Schweisseisen bezieh. Kupfer angestellt worden, über welche v. Borries in dem Organ für die Fortschritte des
                                 										Eisenbahnwesens, 1897 1. Heft, berichtet. Hiernach ist die Anwendung
                              									flusseiserner Feuerkisten an Personenzuglocomotiven einstweilen nicht, an
                              									Güterzuglocomotiven nur bei sehr gutem Speisewasser zu empfehlen. Das Centralblatt der Bauverwaltung bringt über denselben
                              									Gegenstand in der Ausgabe vom 27. Juni 1896 die folgenden Mittheilungen: „Nach
                                 										den auf den preussischen Staatsbahnen angestellten Probeversuchen hat die Dauer
                                 										der flusseisernen Feuerkisten nur 3 Jahre betragen, unter ungünstigen
                                 										Verhältnissen, insbesondere bei mangelhaftem Speisewasser, noch erheblich
                                 										weniger, in einem Falle sogar nur etwa 6 Monate. Auch hat sich gezeigt, dass
                                 										während des Betriebes nicht selten Risse in den Feuerkistenwandungen entstanden
                                 										sind, deren Ausbesserung nicht nur schwierig war, sondern auch mehrfach zu
                                 										bedeutenden Kosten und Zeitverlusten Anlass gegeben hat. Unter diesen Umständen
                                 										unterliegt es keinem Zweifel, dass trotz des verhältnissmässig niedrigen
                                 										Beschaffungspreises der flusseisernen Feuerkisten die Anwendung derselben mit
                                 										Rücksicht auf die mit der Auswechselung verbundenen Kosten und den geringen
                                 										Werth des Altmaterials im Allgemeinen unwirthschaftlich sein würde.
                           
                              Für die Folge soll daher von der Beschaffung flusseiserner Feuerkisten bei
                                 										Locomotiven im Allgemeinen abgesehen werden. Nur in solchen Fällen, in denen es
                                 										sich darum handelt, ältere Locomotiven durch Auswechselung der Feuerkiste soweit
                                 										in Stand zu setzen, dass dieselben bis zu ihrer Ausmusterung noch einige Jahre
                                 										Verschubdienst zu leisten vermögen, wird als Feuerkistenmaterial Flusseisen in
                                 										Betracht kommen können.“
                              
                           
                           Demgegenüber ist anzuführen, dass im Eisenbahnbetriebe der Vereinigten Staaten
                              									sehr günstige Erfahrungen mit der Verwendung von Flusseisen zu Feuerkisten gemacht
                              									worden sind.
                           Um nun die Ursachen festzustellen, welche an dem hier in Deutschland eingetretenen
                              									Misserfolg möglicher Weise die Schuld tragen, wandte sich die Redaction der
                              									Zeitschrift Stahl und Eisen an einen früheren
                              									Mitarbeiter, den Ingenieur aus dem Materialien-Abnahmebureau der Pennsylvania Railroad Co., Paul Kreuzpointner, um
                              									bestimmte Angaben über den dortigen Betrieb mit Feuerkisten aus Flusseisen zu
                              									erhalten. Diesem Ersuchen wurde durch Einsendung eines bezüglichen Berichtes Folge
                              									gegeben, der in Stahl und Eisen vom 1. März 1897
                              									veröffentlicht und in seinen hauptsächlichsten Punkten nachstehend wiedergegeben
                              									ist.
                           Nach Kreuzpointner liegen drei Ursachen den bisherigen
                              									Misserfolgen zu Grunde: „Entweder verstehen die deutschen Hüttenleute es nicht,
                                 										das richtige Metall herzustellen – was kaum glaublich ist – oder die
                                 										Construction der Kessel und Feuerkisten und die Behandlung der Bleche in den
                                 										Werkstätten ist so fehlerhaft, dass dabei das beste Material vor der Zeit zu
                                 										Grunde gehen muss, oder die Liebe zum Alten, das Vorurtheil der betreffenden
                                 										Behörden und Angestellten und der Unwille, die Eigenthümlichkeiten des
                                 										Flusseisens im Dienst zu studiren, sind so gross, dass ein Misserfolg
                                 										unausbleiblich ist.“ (!)
                           Weitere beachtenswerthe Aeusserungen Kreuzpointner's
                              									sind folgende:
                           Der Härtegrad muss insofern berücksichtigt werden, als
                              									zu hartes Material leicht Sprüngen ausgesetzt ist. Als die Pennsylvania-Bahn im J.
                              									1861 anfing, die schweisseisernen und kupfernen Feuerkisten durch anderes Material
                              									zu ersetzen, wurden zuerst Tiegelstahlbleche angewendet. Diese erwiesen sich
                              									überall, wo man sie versucht hat, für die Bearbeitung und im Betrieb zu hart. Gelang
                              									es, diese Bleche nach vieler Mühe zu börteln und in den Kessel zu bringen, so
                              									zeigten sich manchmal nach der Abkühlung des Kessels feine, durch die ganze Länge
                              									des inneren Feuerkistenbleches gehende Risse, wodurch dieselben unbrauchbar
                              									wurden.
                           Im Laufe der Zeit zeigte dann die Erfahrung, die ja die beste Lehrmeisterin ist, dass
                              									ein Metall von 38,6 bis 46,4 oder 47,8 k/qmm Zugfestigkeit mit einer Dehnung von etwa 24
                              									Proc. auf 200 mm Länge am besten ist.
                           Eine äusserst wichtige Rolle spielt in Bezug auf die Lebensfähigkeit eines
                              									Locomotivkessels die Dicke der verwendeten Bleche. Es ist nicht allein von
                              									besonderer Wichtigkeit, dass die durch brennende Kohle oder Holz erzeugte Wärme sich
                              									möglichst schnell und ohne grossen Verlust dem Wasser an der anderen Seite des
                              									Bleches mittheilt, sondern die an der Wasserseite des Bleches befindlichen Moleküle
                              									des Metalles dem Gesetze der Ausdehnung und Zusammenziehung durch grössere oder
                              									geringere Wärme ebenso schnell folgen können wie die an der Feuerseite des Bleches
                              									befindlichen Moleküle. Je grösser der Unterschied in den Wärmegraden auf beiden
                              									Seiten der Feuerkiste, je grösser der Zeitraum, der zur Fortpflanzung der
                              									Wärmewellen von der Feuerseite des Bleches nach der Wasserseite, desto ungleicher
                              									und grösser sind die Spannungen in dem Metalle – Ungleichheiten, welche durch den
                              									unvermeidlichen ungleichen Hitzegrad, der zwischen der Feuerlinie und dem höher
                              									gelegenen Theile des Bleches besteht, noch complicirter gemacht werden. Diese
                              									verderblichen Folgen der ungleichen Spannungen bezieh. der Verschiedenheit des
                              									Wärmegrades auf beiden Seiten der Feuerkistenbleche werden noch durch den
                              									anhaftenden Kesselstein auf der Wasserseite vermehrt.
                           An der Pennsylvania-Bahn sind die inneren Feuerkistenbleche für Locomotiven von 9,8
                              									at Dampfdruck und weniger ¼ engl. Zoll = 6,35 mm dick.
                              									Für Locomotiven mit mehr als 9,8 at bis zu 14 at sind sie 5/10 Zoll = 7,937
                              									mm dick. Wenn Bleche von ⅜ Zoll = 9,525 mm Dicke verwendet wurden, stellten sich
                              									Zerstörungen durch Sprünge ein, veranlasst durch zu grosse ungleiche Spannungen; bei
                              									Verwendung dünnerer Bleche verschwand das Uebel. Der vielerfahrene Werkführer der
                              									Kesselschmiede in Altoona verwendete in einem Falle in Ermangelung des richtigen
                              									Materials Bleche von nur 3/16 Zoll = 4,762 mm Dicke, womit keinerlei
                              									Ungelegenheiten hervorgerufen wurden. Man kann die Thatsache nicht oft genug
                              									wiederholen, dass, wo alle anderen Umstände die gleichen sind, zu dicke Bleche in
                              									einem flusseisernen Kessel bald die Unbrauchbarkeit des Kessels und theuere
                              									Reparaturen herbeiführen. Zur Verhütung des sich auf der Wasserseite der
                              									Feuerkistenbleche ablagernden Kesselsteins bei schlechtem Speisewasser verwenden die
                              									amerikanischen Eisenbahnverwaltungen häufig Soda; auch erfolgt, nachdem vordem der
                              									Dampfdruck langsam erniedrigt, das gründliche Auswaschen des Kessels mit warmem oder
                              									heissem Wasser innerhalb verhältnissmässig kurzem Zeitraume. Man will in Amerika
                              									ferner die Bemerkung gemacht haben, dass Locomotivkessel, welche stets eine Woche
                              									ununterbrochen unter Feuer und im Dienste sind, selbst bei harter Arbeit
                              									verhältnissmässig weniger Reparatur bedürfen als solche mit leichterem Dienst und
                              									daher wechselnden Hitzegraden.
                           In den Locomotivschuppen der Pennsylvania-Bahn befinden sich grosse, stets mit
                              									heissem Wasser gefüllte Kessel, welches zum Auswaschen der Locomotiven benutzt wird.
                              									Seitdem mit warmem Wasser ausgewaschen wird, haben sich Reparaturen bedeutend
                              									vermindert, und die lästigen Sprünge, welche entstehen, wenn mit kaltem Wasser
                              									ausgewaschen wird, kommen nicht mehr vor.
                           Aus den obigen Angaben über Dicke der Bleche für Feuerkisten u.s.w. und einem zur
                              									Probe eingesandten Ausschnitt einer neuen Flusseisenplatte, wie auch eines dem
                              									unteren Theile des Langkessels einer Locomotive, welche im J. 1893 erbaut und 3
                              									Jahre auf der preussischen Staatsbahn in Betrieb war, entnommenen Blechstückes
                              									schliesst Kreuzpointner auf Grund seiner
                              									Erfahrungen:
                           1) Die Bleche sind viel zu dick, um praktisch nützlich sein zu können.
                           2) Es scheint eine galvanische Wirkung, hervorgerufen durch messingene oder kupferne
                              									Siederöhren, das Zerfressen des Flusseisens zu begünstigen.
                           3) Die physikalischen wie chemischen Eigenschaften des mir zugesandten Materials
                              									bewegen sich innerhalb der gegenwärtig an der Pennsylvania-Bahn gültigen
                              									Lieferungsbedingungen und kann deshalb die Beschaffenheit des Materials Ursache
                              									jenes Misslingens nicht sein.
                           Was die Dicke der Bleche anbelangt, so ist es als ein sehr grösser Missgriff und als
                              									gegen Naturgesetz und Erfahrung zu bezeichnen, 15 mm und 17 mm dicke Bleche in
                              									irgend einem Theile eines flusseisernen Kessels zu verwenden, es sei denn als
                              									Verbindungsring o. dgl. Flusseisen ist ein so dichtes, homogenes Metall, dass
                              									dasselbe die Wärme unzweifelhaft auf andere Weise in Bewegung setzt als das Kupfer.
                              									Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass 6 mm dicke kupferne Feuerkistenbleche in Bezug
                              									auf Wärmeübertragung auf das Wasser besser wirken würden als 17 mm dicke, wenn die
                              									Weichheit des Kupfers solche geringe Dicken nicht ausschlösse.
                           Diesen Auslassungen Kreuzpointner's gegenüber entgegnete
                              										v. Borries in Stahl und
                                 										Eisen vom 1. April 1897 ungefähr das Folgende:
                           Es kann den Anschein erwecken, als ob die Versuche der preussischen Staatsbahnen mit
                              									flusseisernen Feuerkisten ohne die nöthige Rücksicht auf die Erfahrungen der
                              									amerikanischen Bahnen ausgeführt sind. Dies ist, wie auch aus meinen Berichten im
                              										Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens,
                              									1893 S. 168 und 1897 S. 7, unzweifelhaft hervorgeht, durchaus nicht der Fall.
                           Die einzigen Abweichungen, auf welche die hiesigen Misserfolge zurückgeführt werden
                              									können, sind nachstehend bezeichnet.
                           1) Das Material der Bleche war im Durchschnitt etwas weicher, da seine Festigkeit
                              									zwischen 36 und 41 k lag, während Kreuzpointner 38,6
                              									bis 47,8 k angibt. Diese geringe Verschiedenheit kann ein etwas rascheres Rosten
                              									verursacht haben, ist aber auf das Ergebniss jedenfalls ohne erheblichen Einfluss
                              									geblieben.
                           2) Die Bleche sind 9 mm anstatt 7,9 mm stark ausgeführt worden, was nach dem hier in
                              									Frage kommenden Dampfüberdruck von 12 at richtig erschien.
                           Dass die Ueberschreitung einer Wandstärke von rund 8 mm die hier festgestellten
                              									Schäden zur Folge haben würde, war nicht zu vermuthen. Eine Wandstärke von 9 mm hat
                              									auch die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn bei ihren flusseisernen Feuerkisten für 15 at
                              									Ueberdruck angewandt und ist auch zu denselben Ergebnissen wie wir gelangt.
                           3) Die Locomotiven werden hier in der Regel nach jeder Dienstleistung kaltgestellt,
                              									während sie in Amerika in der Regel von einem Auswaschen zum anderen in Feuer
                              									bleiben. Diese Verschiedenheit der Behandlung ist in der Art der Ausnutzung der
                              									Locomotiven und in der Beschaffenheit der hiesigen Kohlen begründet, deren fest
                              									anhaftende Schlacken ein vollständiges Ausreissen des Feuers nach jedem Dienste
                              									erfordern, um den Rost gründlich reinigen zu können. Dass das hiesige Verfahren die
                              									Entstehung von Spannungen, Rost und Furchen an Nähten und Stehbolzenköpfen
                              									befördert, ist in meinen bezüglichen Berichten schon hervorgehoben. Ob sich dasselbe
                              									zu Gunsten der flusseisernen Feuerkisten allgemein durch das amerikanische ersetzen
                              									lässt, muss einstweilen bezweifelt werden. Jedenfalls würden hierzu für die meisten
                              									unserer Kohlen Roste mit Wasserkühlung nöthig sein, damit sich die Schlacken nicht
                              									festsetzen. Versuche mit derartigen Rosten sind im Gange, aber noch nicht
                              									abgeschlossen. Schüttelroste amerikanischer Bauart haben sich hier als ganz
                              									unbrauchbar erwiesen.
                           4) Die amerikanischen Bahnen waschen ihre Kessel bei schlechtem Wasser stellenweise
                              									häufiger aus, blasen vereinzelt auch auf Zwischen- und Endstationen ab und verwenden
                              									zum Theil Soda im Tender, um den Kesselstein lose zu halten. Ersteres ist jedenfalls
                              									zu empfehlen und geschieht auch hier vielfach; letzteres wird nur bei
                              									entsprechender Zusammensetzung des Kesselsteins wirksam sein, dem hier vielfach
                              									vorkommenden Eisengehalt gegenüber aber jedenfalls unwirksam bleiben. Uebrigens wird
                              									bei den preussischen Staatsbahnen jetzt weit gründlicher damit vorgegangen, dass das
                              									schlechte Speisewasser vor dem Gebrauch chemisch gereinigt wird. Die flusseisernen
                              									Feuerkisten werden daher demnächst der zu starken Erhitzung und ihren Folgen weniger
                              									als bisher ausgesetzt sein.
                           Ein Hauptübelstand der flusseisernen Feuerkisten, das häufige Rinnen der Siederohre,
                              									Stehbolzen und Nähte bei schlechtem Speisewasser, ist durch Unterschiede in der
                              									hiesigen und der amerikanischen Ausführung nicht zu erklären, da eben keine
                              									Unterschiede vorhanden waren. Uebrigens haben viele amerikanische Bahnen dieselben
                              									Schwierigkeiten.
                           v. Borries theilt schliesslich noch mit, dass binnen
                              									Kurzem Gelegenheit zu einem Versuch mit einer flusseisernen Feuerkiste von 7,5 mm
                              									Wandstärke gegeben sein wird. Auch ist eine Feuerkiste aus Nickelflusseisen in
                              									Ausführung, deren Wandstärke mit Rücksicht auf die grössere Festigkeit dieses
                              									Materials zu 7 mm angenommen wurde.
                           Ueber denselben Gegenstand finden sich weitere Mittheilungen in dem Organ des Centralverbandes der preussischen
                                 										Dampfkessel-Ueberwachungsvereine vom 15. Juli 1897, S. 333. Es wird hier,
                              									nach The Railway Age vom 16. April 1897, anlässlich von
                              									Erörterungen, welche in den Vereinigten Staaten gegenwärtig im Gange sind, um eine
                              									Aenderung der durch die Master Mechanics Association
                              									festgesetzten und namentlich hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung sehr
                              									scharfen Vorschriften für die Lieferung von Kesselblechen für Locomotiven
                              									herbeizuführen, ein Briefwechsel veröffentlicht, welcher im Anschluss an das
                              									Vorhergehende von Interesse sein dürfte.
                           Die Briefschreiber sind John Tonge, der Vorsteher des
                              									Maschinenwesens der Minneapolis- und St. Louis-Eisenbahngesellschaft, und eine
                              									bekannte Locomotivbauanstalt in Philadelphia.
                           Ersterer sendet an die letztere Blechprobestreifen, welche aus der inneren Feuerkiste
                              									einer von ihr im J. 1877 bezogenen Locomotive mit 406 mm Cylinderdurchmesser
                              									stammen. Die Locomotive, welche inzwischen über 1120000 km grösstentheils im
                              									Personenzugdienst zurückgelegt hat, ist als Durchschnitt aus 30 gleichartigen
                              									Maschinen anzusehen; sie wurde in den ersten 4 Jahren ihres Dienstes mit Holz und in
                              									den späteren 16 Jahren mit Kohle theils aus Iowa, theils aus Pennsylvanien gefeuert.
                              									Das Speisewasser auf den 18 in Betracht kommenden Stationen war sehr verschieden
                              									beschaffen; nach der Klassifikation der American Association
                                 										of Railroad Chemists, welche sechs verschiedene Gütenummern aufstellt,
                              									hatte das Wasser auf
                           
                              
                                 1
                                 Station
                                 Nr.
                                 INr.Ienthältweniger als 137 mgr Kesselsteinbildner in 1
                                                															l.„II„137–283mgrKesselsteinbildnerin1 l.„II½„283–342„„„1 l.„III„342–513„„„1 l.„IV„513–684„„„1 l.„V„über 684„„„1 l.
                                 
                              
                                 4
                                 Stationen
                                 „
                                 II
                                 
                              
                                 1
                                 Station
                                 „
                                 II½
                                 
                              
                                 7
                                 Stationen
                                 „
                                 III
                                 
                              
                                 3
                                       „
                                 „
                                 IV
                                 
                              
                                 2
                                       „
                                 „
                                 V,
                                 
                              
                           
                           d.h. also, das Speisewasser liess theilweise recht viel
                              									zu wünschen übrig. Trotzdem bestand die einzige Ausbesserungsarbeit, welche
                              									innerhalb der 20 Jahre Dienst an der Feuerkiste vorzunehmen war, in der
                              									Auswechselung einer einzigen Blechplatte; jetzt soll die ganze Buchse erneuert
                              									werden.
                           Die Untersuchungen, welche die Locomotivfabrik mit den alten Probestreifen anstellen
                              									liess, hatten als Ergebniss:
                           
                              
                                 
                                 1. Blechplatte(oben)
                                 2. Blechplatte(Thür)
                                 3. Blechplatte(Seite)
                                 4. Blechplatte(Seite)
                                 
                              
                                 
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,19
                                 0,26
                                 0,27
                                 0,28
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,06
                                 0,06
                                 0,07
                                 0,08
                                 
                              
                                 Phosphor
                                   0,096
                                   0,073
                                   0,078
                                 0,02
                                 
                              
                                 Schwefel
                                   0,016
                                   0,020
                                   0,017
                                   0,017
                                 
                              
                                 Silicium
                                   0,038
                                   0,056
                                   0,056
                                   0,056
                                 
                              
                           während ferner die Zerreissproben mit Streifen von 51 mm Länge
                              									und etwa 35,5 mm Breite und einer Dicke, welche zwischen 8,15 und 9,42 mm wechselte,
                              									ergaben:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Länge
                                 Breite
                                 Dicke
                                 Zerreiss-festigkeit
                                 Dehnung
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 mm
                                 mm
                                 mm
                                 k/qmm
                                 Proc.
                                 
                              
                                 1.
                                 Blechplatte
                                 (oben)
                                 50,8
                                 35,31
                                 9,42
                                 44,01
                                     36,50
                                 
                              
                                 2.
                                 „
                                 (Thür)
                                 50,8
                                 35,25
                                 8,15
                                 48,10
                                 35
                                 
                              
                                 3.
                                 „
                                 (Seite)
                                 50,8
                                 35,31
                                 8,23
                                 47,80
                                 34
                                 
                              
                                 4.
                                 „
                                 „
                                 50,8
                                 35,20
                                 8,43
                                 51,18
                                 25
                                 
                              
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)