| Titel: | Seewesen.Schiffstreiber. | 
| Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 61 | 
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                        Seewesen.Schiffstreiber.
                        Mit Abbildungen.
                        Schiffstreiber.
                        
                     
                        
                           I. Rudersport. Elastische Treiber.
                           Die üblichen Riemen mit vollem Holmquerschnitt weisen bei ihrer Beanspruchung auf
                              									Biegung in einer verhältnissmässig kurzen Zeit schadhafte Stellen auf, welche I auf
                              									der Druckseite sich als Querrisse ausbilden I und zu baldigem Bruche des Holzes in
                              									der Dollengegend führen. Die Nothwendigkeit, dem I Ruder eine gewisse Elasticität
                              									und genügende Leichtigkeit zu verleihen, hat die Einführung metallener, aus Rohren
                              									hergestellter, Holme verhindert. Eine alte englische Construction versucht eine
                              									Verbesserung durch Ausbildung des Schaftes zu einem ⌶-Träger. Das gleiche Ziel kehrt in der von Oertz
                              									und Liebing angegebenen Ausführung wieder (Fig. 1). Es sind zwei flache Schienen ss, von denen die eine auf
                              									Zug, die andere auf Druck beansprucht wird, an den Enden unter Einlage von
                              									Keilstücken k mit einander verbunden und in der Mitte
                              									etwa durch einen Steg t aus einander gesprengt. Die an
                              									entsprechender Stelle angeordneten starken Beilagen b
                              									ermöglichen die Befestigung der Belederung, mit welcher das Ruder in die Gabel zu
                              									liegen kommt; die letztere greift dann mit dem einen Zinken zwischen die Schienen
                              										ss hindurch. Es wird sich hier darum handeln,
                              									dem Riemen eine gewisse Elasticität zu bewahren, welche nur von dem, dem Blatte am
                              									nächsten liegenden Theile erwartet werden kann. Da aber gerade hier die Verbindung
                              									zwischen Holm und Blatt stattfindet, dürfte eine baldige Lockerung des Verbandes und
                              									Unbrauchbarkeit des Riemens eintreten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 61
                              Fig. 1.Holm von Oertz und Liebing.
                              
                           Unter den Ruderdollen sind diejenigen Ausführungen, bei denen das Ruder mit einem
                              									Gelenk an dem in den Bordrand gesteckten Splint hängt, als unvortheilhaft zu
                              									bezeichnen, weil es nicht möglich ist, das Ruder zu drehen, ein Uebelstand, welcher
                              									sich namentlich beim plötzlichen Eintritte von Hindernissen bemerkbar macht. Brinkmann verleiht dem Riemen eine genügende
                              									Drehbarkeit, indem er das Gelenklager entsprechend ausbildet. Der Schaft wird mit
                              									einer Büchse b (Fig. 2 und 3) versehen, welche einen
                              									Anschlag n trägt. Die Büchse ist in einer Hülse k drehbar, deren Schlitz z
                              									durch einen Vorsteckstift c unterbrochen wird. Die
                              									Hülse k ist ihrerseits an dem im Bord festen Bolzen p beweglich befestigt. Es ist ersichtlich, dass sich
                              									der Ruderholm in der Hülse um 90° drehen kann, welche Bewegung der Anschlag n begrenzt. Der Schlitz z
                              									ist auf 180° herumgeführt, damit dasselbe Gelenklager für Vor- und Rückwärtsfahrt
                              									benutzt werden könne.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 61
                              Ruderdolle von Brinkmann.
                              
                           Aber auch die Rudergabel, die gebräuchlichere Form der Dolle, hat man zu
                              									vervollkommnen getrachtet. Die Gabel, in welcher der Riemen ruht, muss sich um die
                              									Verticale drehen können, eine Forderung, welche durch Festklemmen und Festrosten
                              									häufig nicht erfüllt wird. Es wird deshalb ein besonderes Lager für die Gabel in
                              									Vorschlag gebrachtD. R. P. Nr. 82807., welches gemäss Fig. 4 die folgende
                              									Einrichtung zeigt. An der Bordwand wird der Lagerkörper a befestigt, welcher Büchsen bc
                              									aufweist. Ein Einsatzkörper d mit Mutter f liegt gegen die Büchsen oben und unten mit Kugeln g an, so dass die Reibung zu einer rollenden wird. In
                              									die Büchse d ist der kantige Bolzen h eingesteckt, welcher mittels eines Scharniers die
                              									Gabel trägt, deren federnde Arme k den Riemen klemmen,
                              									so dass er nicht zu entgleiten vermag.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 61
                              Fig. 4.Lager für die Ruder.
                              
                           
                           Eine amerikanische Construction (Davis, Detroit)
                              									stützt sich auf das angebliche Bedürfniss, die Gabel in der lothrechten Ebene zu
                              									verdrehen, um schief gezogene oder sonst aus der Façon gekommene Riemen benutzen zu
                              									können, ohne dass ein Bearbeiten des Holmes an der Auflagestelle erforderlich würde.
                              									Die eigentliche Gabel a1 sitzt deshalb einmal in der Auslegerplatte c, dann aber auch mit dem Bolzen a im Ständer
                              										b1. Dieser letztere
                              									lässt sich mit Hilfe der Stellschrauben bb0 dem erwähnten Zwecke entsprechend neigen, welche
                              									Lagenänderung auf die Gabel a1 übertragen wird. Zwei einstellbare Federn df verhindern, dass der mit dem erforderlichen Spiel im Ständer b1 eingesetzte Zapfen
                              										a klappert. Uns scheint die Ausführung zu
                              									verwickelt und der Zweck zu fremd, um die Complicirtheit des Apparates zu
                              									rechtfertigen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 62
                              Fig. 5.Lager für die Ruder von Davis.
                              
                           Interessanter ist jedenfalls der gleichfalls amerikanische VersuchD. R. P. Nr. 86029., die ungleichmässige Beanspruchung der Arme bei Handhabung eines Ruders
                              									auszugleichen. Gewöhnlich ist man gezwungen, in Folge der schrägen Lage des
                              									Rudergriffes mit der einen Hand weiter auszuholen als mit der anderen und beim
                              									Vollenden des Ruderschlages näher heranzuziehen. Es ergibt sich hieraus auch eine
                              									Verdrehung des Körpers, so dass dieser nicht die gleich grosse Kraft auszuüben
                              									vermag, als wenn er geradeaus arbeitete. Es soll nun der Schaft an dem bootsseitigen
                              									Ende so weit verlängert und derart abgebogen werden, dass ein von beiden Händen zu
                              									erfassender Griff daran befestigt werden kann. Die Befestigung erfolgt mit einem
                              									Universalgelenk, welches ein gleichmässiges Vor- und Zurückgehen der beiden Hände,
                              									aber auch ein Verdrehen des Ruders in der üblichen Weise gestattet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 62
                              Fig. 6.Anordnung der Ruder, wobei Hand- und Blattbewegung gleich
                                 										gerichtet sind.
                              
                           Die lästige Seite des üblichen Ruderns, rückwärts fahren zu müssen, hat dazu
                              									Veranlassung gegeben, derartige Anordnung zu treffen, dass Hand- und Blattbewegung
                              									gleich gerichtet sind. Es würde dies z.B. schon gelingen, wenn man den zweiarmigen
                              									Hebel, als welcher der Riemen wirkt, in einen einarmigen verwandelt. In Fig. 6 sind die beiden Ruder a an einem in der Höhenrichtung einstellbaren Pfosten b gelenkig angeordnet. Zugfedern c sollen das Gewicht der Ruder aufnehmen. Der mit dem
                              									Gesichte in der Fahrtrichtung sitzende Ruderer erfasst die Riemen, legt sie nach
                              									vorn und zieht sie dann durch, so dass der Vorwärtstrieb resultirt. Es ist leicht
                              									ersichtlich, dass mit einer solchen Anordnung ungewohnte Handhabungen verbunden
                              									sind. Denn der Ruderer muss das Ruder heben, um es über Wasser nach vorn zu legen;
                              									anderenfalls pflegt man das Heben mit dem Körpergewichte etwas zu unterstützen. Ein
                              									Umlegen des Ruderblattes könnte durch Einschaltung von Gelenken erzielt werden.
                           Man hat in der Praxis vorgezogen, die Unterstützung für das Ruder am Bord bezw.
                              									Aussenbord zu belassen und eine Umkehrung der Bewegung durch Einschaltung geeigneter
                              									Uebertragungsmittel herbeizuführen. Aus der Reihe möglicher Combinationen seien hier
                              									ein paar markante, neuere Ausführungen angezogen. Nach Hoerndli in Strassburg i. E. wird ein aus Zahnradsegmenten a0 (Fig. 7) bestehendes Gelenk benutzt. Die Segmente a0 drehen sich um
                              									Bolzen a, welche auf einem Träger b festsitzen, der mit Zapfen in den am Bord festen
                              									Lagern c zu schwingen vermag, um das Ruderblatt heben
                              									und senken zu können An die Stelle der Radübertragung lassen sich Stahlbänder
                              									setzen. Durch dieses Gelenk wird die Bewegung der Handhabe b
                                 											0
                                 									 auf den Ruderschaft c0 in leicht erkenntlicher Weise übertragen; das Ruder kann auch hart an
                              									Bord gelegt werden. Soll noch eine Wendbarkeit des Ruderblattes hinzukommen, so
                              									werden Griff b0 und
                              									Schaft c0 in den an den
                              									Radsegmenten festen Muffen m drehbar eingesetzt. In
                              									diese letzteren reichen die Futter d, an denen Segmente
                              									der konischen Zahnräder e angeschraubt sind. Die
                              									Zahnräder e kämmen mit anderen, auf den Bolzen a lose sitzenden, mit den Scheiben h verbundenen Radstücken f, über welch letztere das gekreuzte Stahlband g
                              									geführt ist. Wird nun der Hebel b0 gedreht, so macht der Schaft c0 die Drehung mit,
                              									unabhängig von der übrigen Bewegung des Ruderapparates.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 62
                              Fig. 7.Anordnung der Ruder nach Hoerndli, wobei Hand- und Blattbewegung
                                 										gleich gerichtet sind.
                              
                           Die Bewegungsübertragung kann natürlich auch mit Hilfe von Hebeln und Schubstangen
                              									erfolgen, eine Abänderung, welche unter Umständen der mit Zahnrädern u. dgl.
                              									arbeitenden Construction vorzuziehen sein wird. Eine französische Ausführung (Flisseau, Paris) verfolgtdenn auch diesen
                              									Gedankengang. Zwei stählerne Arme a0
                              									h (Fig. 8) tragen
                              									Stielhülsen bg, von denen
                              									diejenige b dem Handgriffe, diejenige g dem Ruderschafte als Scheide dient. Die freien Enden
                              									der Arme a0 und h sind unter einander durch eine bewegliche Querstange
                              										d verbunden, welche eine schwingende Bewegung in
                              									ihrer Längsachse ausführen kann. Sie steht mit den Armen a0 und h
                              									durch Drehzapfen mit einer Kugellagerung in Verbindung und ihre schwingende Bewegung
                              									gestattet, die Lage des Ruders zu verändern, d.h. wenn man die Handhabe c mit dem Arme a0 hebt, geht der Arm h
                              									mit dem Ruder k ausserhalb des Bootes nieder, und
                              									umgekehrt verursacht der Niedergang der Handhabe das Heben des Ruders. Die
                              									Querstange d schwingt in einem Lager a, welches auf einer festen Achse mit Kopfstück f im Vereinigungspunkte der beiden Ruderstützen l und m und der Strebe s mit Scharniergelenk angebracht ist. Die beiden
                              									Ruderstützen l und m,
                              									welche die ganze Vorrichtung tragen, sind auf dem Bootsrande mittels der Klauen n und o gut befestigt. Die
                              									Strebe s ist unterhalb des Bootsrandes mittels des
                              									Scharniers s1 und der
                              									Bolzen s aussen am Bootskörper angebracht. Die Arme a0 und h sind ferner durch eine Verbindungsstange p mittels Drehzapfen mit glatter oder Kugellagerung
                              									verbunden. Die Arme a0
                              									und h sowohl wie die Stange p sind auf Drehstiften befestigt. Der Arm h
                              									ist so ausgebildet, dass die Vorrichtung an die Bootsseite angelegt werden kann. Es
                              									ist ersichtlich, dass, wenn die Handhabe c die Lage a1
                              									b1
                              									c1 einnimmt, der Holm
                              										h1
                              									g1
                              									k1 zu liegen kommt.
                              									Durch das Lager a ist auch die Möglichkeit gegeben, das
                              									Ruder zu heben und zu senken, allerdings nicht, das Blatt zu wenden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 63
                              Fig. 8.Anordnung der Ruder nach Fliesseau, wobei Hand- und Blattbewegung
                                 										gleich gerichtet sind.
                              
                           Die von Schmidlin in Pyrmont angegebene
                              										RudervorrichtungD. R. P. Nr. 74906. benutzt wieder Zahnrad und Kette, ist aber im Uebrigen ein Rückschritt und
                              									praktisch unbedeutend, so dass wir uns darauf beschränken können, sie erwähnt zu
                              									haben.
                           Hingegen bietet das Gelenkruder nach Friedrich in
                              									Leipzig-Reudnitz bemerkenswerte Momente. Das Ruder ist wieder in den Griff g und den Holm h zerlegt
                              										(Fig. 9); beide Theile drehen sich um Bolzen
                              										ef zwischen Spannstücken unter Vermittelung
                              									des Scharniers i. Der Kloben, welcher das Ruder trägt,
                              									ist in zwei Scheiben bc getheilt, die gegen
                              									einander verdrehbar sind, und von denen der untere b
                              									mit Zapfen d in zwei am Bord festen Augen a schwingen kann. Ein Riegel h kann die Scheiben bc
                                 										zu einem Ganzen vereinigen, oder sie gegen einander frei geben. Im ersteren
                              									Falle ist das Ruder benutzbar, im zweiten wird das Ruder längsseitig gedreht und um
                              									die Zapfen d umgelegt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 63
                              Fig. 9.Gelenkruder nach Friedrich.
                              
                           Eine gerade Bewegung des Körpers könnte offenbar auch dadurch erreicht werden, dass
                              									man das Ruder nicht um eine senkrechte, sondern um eine wagerechte Achse schwingen
                              									liesse. Setzt man die Riemen a (Fig. 10) in Büchsen b,
                              									welche mit Bolzen c im Bord drehbar sindD. R. P. Nr. 65013., so würde man durch Hin- und Herschieben der Verbindungsstange h eine Pendelbewegung der Ruder erzielen. Freilich muss
                              									in diesem Falle darauf Bedacht genommen werden, den Widerstand der Ruderschaufeln,
                              									welche nicht aus dem Wasser gehoben werden können, für den Rückzug zu vermindern.
                              									Die Schafte a sind deshalb in den Büchsen b drehbar und greifen mittels Kurbeln g in Schlitze der Stange h
                              									so ein, dass die Schaufeln vor dem Rückgange um 90° gedreht werden, und in dieser
                              									Stellung das Wasser mit der Seite durchschneiden; ein wenn auch verminderter
                              									schädlicher Widerstand bleibt demnach bestehen. Aehnliches gilt von der
                              									Rudervorrichtung des Franzosen Laforesterie in
                              										Paris.D. R. P. Nr. 68853.
                              								
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 63
                              Fig. 10.Anordnung der Ruder, um eine gerade Bewegung des Körpers zu
                                 										erzielen.
                              
                           
                              (Fortsetzung folgt.)