| Titel: | Feuerungstechnik.Neuere Dampfkessel. | 
| Fundstelle: | Band 309, Jahrgang 1898, S. 170 | 
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                        Feuerungstechnik.Neuere
                           								Dampfkessel.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 68 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Neuere Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Ueber den Wasserröhrenkessel nach der Bauart von Gehre,
                              									ausgeführt von der Rather Röhrenkesselfabrik in Rath
                              									bei Düsseldorf (1892 285 285) berichten Glaser's Annalen:
                           Die Wasserrohrkessel zeichnen sich dadurch vortheilhaft aus, dass sie in allen
                              									Theilen leicht zugänglich sind, wenig Platz einnehmen, ohne Anwendung starker
                              									Wandungen für hohen Druck gebaut werden können und dabei eine grosse Sicherheit
                              									bieten. Es kann bei diesen Kesseln auch die Aussenwandung, sowie die Heizfläche von
                              									Flugasche und Russ während des Betriebes gereinigt werden. Da die Ausnutzung der
                              									Wärme bei dieser Kesselbauweise sehr gut ist, die Leistungen für je 1 qm Heizfläche
                              									und Stunde jedoch bei den bisher gebauten Systemen verhältnissmässig gering, so war
                              									es wünschenswerth, die Leistung ebenso hoch zu bringen, wie z.B. bei einem
                              									Flammrohrkessel. Dass dieses bisher nicht erreicht werden konnte, liegt lediglich in
                              									der Dampfstauung, welche in den Rohren, sowie zum Theil in der Wasserkammer
                              									stattfindet. Der Kessel ist der Natur seiner Heizfläche nach darauf veranlagt,
                              									schnell Dampf zu erzeugen; der Dampf jedoch ist am freien Austritte aus den Rohren
                              									durch die sich ihm entgegenstellende Wassersäule in der Wasserkammerverhindert. Da die
                              									Dampferzeugung in den Rohren aber eine rasche ist, so erklärt es sich, wie Versuche
                              									dargethan haben, dass ein grosser Theil des einzelnen Rohres, und zwar innen am
                              									oberen Scheitel, anstatt mit Wasser, mit Dampf gefüllt ist. Zwar liegt hierin eine
                              									gewisse Regulirung für die Fähigkeit der Verdampfung des Kessels für je 1 qm
                              									Heizfläche und Stunde, denn je mehr Dampf entwickelt wird, um so grösser werden die
                              									Dampfräume in den Rohren, um so mehr Heizfläche der Rohre wird von Wasser entblösst
                              									und um so geringer wird die Dampferzeugung der Heizfläche. Ausserdem liegt in diesen
                              									Dampfräumen weiter die Gefahr des Krummwerdens der Rohre; denn ein Rohr, welches am
                              									oberen Scheitel mit Dampf und unten mit Wasser gefüllt ist, kann nicht gerade
                              									bleiben, sobald der Dampfraum eine gewisse Grösse erreicht. Ebenso ist die
                              									Aufnahmefähigkeit des Rohres für Wärme durch diesen Uebelstand herabgemindert; denn
                              									bekanntlich kann eine dampf berührte Heizfläche unter sonst gleichen Umständen nicht
                              									so schnell Wärme aufnehmen, als eine wasserberührte Heizfläche. Es ist ersichtlich,
                              									dass einzig und allein nur hierin der Grund zu suchen ist, weshalb die Leistung der
                              									übrigen Wasserrohrkessel in Bezug auf die Menge der Verdampfung hinter anderen
                              									Kesselsystemen zurücksteht.
                           Beim Gehre-Kessel ist nun die Wasserkammer durch wagerechte Scheidewände, die je nach
                              									der Anzahl der Rohre, welche über einander angeordnet sind, in kleine Kammern
                              									getheilt, deren obere Theile (Dampfräume) unter sich und mit dem Dampfraume des
                              									Oberkessels in Verbindung stehen.
                           Durch diese Anordnung von Wasserkammer ist nun erreicht worden, dass der Dampf die
                              									wirkliche Heizfläche der Rohre nicht mehr berührt, und dass die belastende
                              									Wassersäule, welche sich dem Dampfaustritte hemmend in den Weg stellt, beseitigt
                              									wird, so dass der Dampf aus dem Inneren der Rohre überall frei ausströmen kann.
                              									Die belastende Wassersäule fällt hier also ganz fort und der Effect des Kessels wird
                              									erhöht, da der Dampf schnell aus den Röhren entweicht und dem Wasser Platz macht. Es
                              									hat sich herausgestellt, dass dieser Kessel in Folge dessen in der Verdampfung ganz
                              									beträchtlich mehr leistet, als jeder andere Wasserrohrkessel, wobei berücksichtigt
                              									werden muss, dass die Zahlen, welche bezüglich der Verdampfung von anderen Seiten
                              									angegeben werden, insofern noch einer Berichtigung bedürfen, als das übergerissene
                              									Wasser hierbei niemals berücksichtigt worden ist. Die Erfahrung und auch eingehende
                              									Versuche haben gezeigt, dass, wenn ein Wasserrohrkessel nach den bisherigen Systemen
                              									nur bis zu 18 k für 1 Stunde und 1 qm Heizfläche beansprucht wird, der Dampf nass
                              									ist und deshalb die angegebenen Verdampfungsziffern nicht die richtigen sind;
                              									dasselbe gilt für jedes andere Kesselsystem. Man würde sich durch
                              									Wassergehaltsmessung leicht davon überzeugen können, dass diese Resultate nur
                              									scheinbare sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 309, S. 170
                              Wasserröhrenkessel nach der Bauart von Gehre, ausgeführt von der Rather
                                 										Röhrenkesselfabrik.
                              
                           Den Kesseln wird, trotzdem der entwickelte Dampf nach dem Vorhergesagten naturgemäss
                              									sehr trocken sein muss, stets noch eine Ueberhitzungsvorrichtung beigefügt. Dieser
                              									Verbundüberhitzer lässt sich vergrössern oder verkleinern, indem man eine beliebige
                              									Anzahl der Rohre für denselben bestimmen kann. Dadurch erzielt man die passendste
                              									Temperatur und kann die Heizfläche auf das kleinste Maass beschränken. Jedenfalls
                              									liefert der Gehre-Kessel einen Dampf, bei welchem ein Mitreissen von Wasser
                              									ausgeschlossen ist.
                           Der Kessel wird, je nach der Art des Betriebes und der Beschaffenheit des
                              									Kesselspeisewassers, in verschiedenen Bauarten hergestellt als Ein- oder
                              									Zweikammerkessel. Jeder Kessel erhält wenigstens einen über dem Rohrbündel
                              									angeordneten Oberkessel, welcher zum Theil als Wasser- und zum Theil als
                              									Dampfbehälter dient. Die Verbindung der Oberkessel mit den Wasserkammern erfolgt
                              									durch geschweisste schmiedeeiserne Stutzen.
                           
                           Durch die vorzügliche Dampfüberhitzung ist besonders für Maschinenbetrieb eine
                              									bedeutende Kohlenersparniss gesichert.
                           Bei Wasserrohrkesseln, welche ohne Ueberhitzer arbeiten, ist der Dampf, welcher zum
                              									Ablassen der Rohre verwendet wird, in der Regel nass und führt Wasser mit; in Folge
                              									dessen bilden sich mit der Zeit durch die Mischung von Wasser und Russ Krusten auf
                              									den Rohren, welche schwer zu beseitigen sind. Bei dem Gehre-Kessel ist ein
                              									Incrustiren der Rohre ausgeschlossen und die Heizfläche bleibt stets rein. Dieses
                              									Reinigen kann während des Betriebes geschehen.
                           Die Ausführung des Kessels geschieht vollständig in Schmiedeeisen. Die Verschlüsse,
                              									als Innenverschlüsse construirt, werden durch den Dampfdruck von innen angepresst,
                              									so dass eine Gefahr ausgeschlossen ist. Die Dichtung der Verschlüsse erfolgt durch
                              									Metall auf Metall ohne Dichtungsmaterial.
                           Die Kessel werden auch als Sicherheitsröhrenkessel zum Aufstellen in und unter
                              									bewohnten Räumen gebaut. Dieselben sind da von Vortheil, wo elektrische Beleuchtung
                              									oder Dampfheizung eingeführt werden soll. Sie bieten die Möglichkeit, gefahrlos auf
                              									beschränktem Raume genügenden Dampf zum Betriebe der Dampfmaschinen zu erzeugen,
                              									während zugleich der Abdampf der Maschine vorzügliche Verwendung für Heiz- und
                              									Kochzwecke finden kann.
                           Mit dem Gehre-Kessel ausgeführte Verdampfungsversuche haben gute Ergebnisse geliefert
                              									und auch einen anerkennenden Erlass des preussischen Ministeriums erzielt.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)