| Titel: | Die erste städtische Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage. | 
| Autor: | Bujard | 
| Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 44 | 
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                        Die erste städtische
                           								Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage.
                        Die erste städtische
                           								Acetylenbeleuchtungs-Zentralanlage.
                        
                     
                        
                           Ingenieur Berdenich in Budapest, der in
                              									Oesterreich, insbesondere in Ungarn, eine Reihe von grösseren und kleineren
                              									Acetylenentwickelungsanlagen eingerichtet hat, beschreibt in der Zeitschrift für Calciumkarbidfabrikation und
                                       										Acetylenbeleuchtung, 1898 Nr. 6 und 7, die Einrichtung von grösseren
                              									Zentralen für Acetylenbeleuchtung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 44
                              Fig. 1Acetylenentwickelungsanlage.
                              a Entwickler; b Kühler; c
                                 										Dreiwegehalm; c1 Hahn; d Signalwerk; e
                                 										Gasbehälter; f Laterne; g Manometer; h Druckregler; i Hauptsperrung; k
                                 										Manometertafel; l Pumpe; m Telephon; n Trockner; o Gasmesser; p Chemischer
                                 										Reiniger; q Rohrmagazin; r Karbidmagazin; s Kanalstück.
                              
                           Die erste Stadt, welche das Acetylenlicht in ausgedehnterem Massstabe für
                              									Stadtbeleuchtung einführen liess, war Veszprém, wo seit Mai 1897 drei Strassen und
                              									drei Hauptplätze und so auch mehrere Geschäftslokale ständig mit Acetylen beleuchtet
                              									werden und zwar mit bestem Erfolg, so dass nun diese Stadt schon demnächst auch zum
                              									Ausbau eines für das ganze Stadtgebiet berechneten Acetylengaswerkes schreiten wird.
                              									Inzwischen haben die ungarischen Städte Tata-Tóváros die Acetylenbeleuchtung für
                              									Strassen und Private im ganzen Stadtgebiet definitiv eingeführt. Die beiden Städte
                              									Tata, zu deutsch Totis, und Tóváros (das s wird als sch ausgesprochen), zu deutsch
                              									Teichstadt, beide zusammen in Ungarn kurzweg Tata-Tóváros genannt, zählen derzeit
                              									als angrenzende Nachbargemeinden zusammen rund 12000 Einwohner, und sind an der
                              									Bahnstrecke Wien-Bruck-Budapest gelegen. Tata sowie auch Tóváros haben derzeit noch
                              									autonome Gemeindeverwaltung und gehören beide zu den mittleren Gemeinden
                              									Ungarns.
                           Tóváros ist eine neuere Ansiedelung, hat gerade, geregelte Strassen, mit ebenfalls in
                              									neuerer Zeit erbauten, mit wenigen Ausnahmen niederen Parterregebäuden, dagegen ist
                              									Totis eine ältere Stadt, mit systemlosen, sich herumschlingenden Gassen. Tóváros ist
                              									ganz flach gelegen, wogegen schon an der Grenze von Totis das Terrain dieser
                              									letzteren Stadt sehr unregelmässig zu werden beginnt und in bebautem Gebiet
                              									Höhenunterschiede von 3 bis 10 m bestehen. Die Flächenausdehnung beider Gemeinden
                              									ist eine verhältnismässig bedeutende; es beträgt die Gesamtlänge der Strassen in
                              									Totis an 10 km, in Tóváros über 8 km.
                           Beide Gemeinden besassen bisher, so wie die Provinzstädte in dieser Grösse in Ungarn
                              									heute noch überwiegend, Erdölbeleuchtung, und es kostete die Unterhaltung von 123
                              									Erdöllaternen beiden Gemeinden zusammen 2600 fl. österr.-ungar. Währung im Jahr.
                           Schon seit längerer Zeit stand die Lösung der Beleuchtungsfrage auf der Tagesordnung,
                              									zu welchem Behufe beide Gemeinden im Einvernehmen vorgingen, doch führten
                              									diesbezügliche Unterhandlungen mit Elektrizitäts- und Gasgesellschaften zu keinen
                              									positiven Resultaten, da die Gemeinden selbst kein Baukapital hatten, für
                              									Konzessionsunternehmungen aber – mit Rücksicht auf die nicht unbedeutenden
                              									Anlagekosten (das Elektrizitätswerk war mit 135000 fl. voranschlagt) und den
                              									verhältnismässig kleinen Lichtbedarf – für den Unternehmer keine genügenden
                              									Rentabilitätsgarantien geboten schienen.
                           Die 1897er grossen militärischen Herbstmanöver in Tata-Tóváros und Umgebung und der
                              									Besuch der beiden Kaiser gaben Veranlassung zur Beschleunigung der Beleuchtungsfrage
                              									und führten zu einer provisorischen Vereinbarung der Acetylengas-Aktiengesellschaft mit den beiden Gemeinden – welch letztere
                              									sich übrigens in Anbetracht des noch zur Verfügung stehenden äusserst kurzen
                              									Zeitraumes – kaum einer anderen Beleuchtungsart mehr hätten zuwenden können.
                           Laut des so zu stände gekommenen provisorischen Vertrags wurde der Bau eines für die
                              									ganzen Gebiete beider Städte berechneten Acetylengaswerkes samt Rohrnetz Mitte
                              									August 1897 in Angriff genommen, und musste die Ausführung in solcher Weise
                              									geschehen und forciert werden, dass bis zum Eintritt der Festtage – d.h. bis 6.
                              									September desselben Jahres – die Hauptstrassen und Hauptplätze, sowie diejenigen
                              									Gassen, in welchen für die zu erwartenden hohen Gäste Wohnungen vorgesorgt waren,
                              									mit Acetylen beleuchtet sein mussten.
                           Es war nun in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit von dem ganzen Rohrnetz der
                              									grössere, nahezu 8000 m betragende Teil herzustellen, mit über 100 Strassenlaternen
                              									und nahezu 250 sonstigen Flammen.
                           Das Rohrnetz selbst konnte nach den Normalien für die Leuchtgasanlagen definitiv
                              									hergestellt werden, die Acetylenentwickelungsanlage wurde aber, weil für grössere
                              									Zentralen keine Erfahrungen vorlagen, einstweilen provisorisch eingerichtet. Hierzu
                              									mussten wegen der Zeitkürze vorrätige Apparate benutzt werden, in Grössen, wie sie
                              									also gerade vorhanden waren.
                           Die Anordnung und Einrichtung der Gaserzeugungsanlage ist aus dem nebenstehenden
                              									Grundriss ersichtlich. Dieselbe ist in der Grenzlinie der beiden Gemeinden, jedoch
                              									ausserhalb der bebauten Gebiete gelegen und ist in einem Umkreis von über 200 m von
                              									sonstigen Baulichkeiten frei in der Mittellinie der Konsumgebiete.
                           Der Baugrund hat ein Ausmass von 1600 m, um auch für die definitive Anlage zu
                              									genügen, für welche folgende Gebäude projektiert sind:
                           
                              I. Steingebäude, in welchen separierte Räume für die
                                 										Gaserzeugungsapparate, Kühler und Reiniger, für den Stationsgasmesser und
                                 										Druckregler, sowie Trockner angelegt werden;
                              II. massives Wohnhaus für den Gasmeister und einen
                                 										Gehilfen;
                              III. Werkstätte und Magazine;
                              IV. Wasserturm mit Motor;
                              V. Gasometer;
                              VI. Kalkablagerungsschächte.
                              
                           Die provisorische Anlage umfasst mit Rücksicht auf die zu dieser Gelegenheit zur
                              									Verfügung gestandenen vorrätigen Apparate, in einem 8,4 m langen, 4 m breiten
                              									Riegelwandgebäude untergebracht, zu einer Doppelanlage kombiniert:
                           
                              1. 4 Gaserzeuger „Industrielle“;
                              2. 2 Gasometer mit je 3 cbm Gasfassungsraum;
                              3. 2 chemische Trockenreiniger;
                              4. 2 Schlangenkühler;
                              5. 2 Trockner.
                              
                           Diese Apparate sind, wie aus dem Grundriss (Fig. 1)
                              									ersichtlich ist, derart angeordnet, dass je zwei Entwickler und je ein Kühler,
                              									Reiniger und Trockner und ein Gasometer zu einer selbständigen Gaserzeugungsanlage
                              									kombiniert sind, so dass also zwei komplette Gaserzeugungseinrichtungen zur
                              									Verfügung stehen, von welchen jede für sich selbst abwechselnd, oder auch beide
                              									zusammen gleichzeitig betrieben werden können. Beide Erzeugergarnituren münden dann
                              									in ein gemeinschaftliches Hauptrohr, bezw. dieses geht durch den Hauptgasmesser,
                              									ferner ist der vor dem Ausgang vom Apparatenhaus in einem Schacht untergebrachte
                              									Druckregler ins gemeinschaftliche Hauptrohr eingeschaltet.
                           Die Gaserzeuger „Industrielle“, altes Modell der Pariser Société du Gaz Acétylène, sind nach dem Prinzipe:
                              										„Einbringen des Karbids ins Wasser“ konstruiert, und werden mit der Hand
                              									bedient. Die Konstruktion eines solchen Gaserzeugers veranschaulicht Fig. 2.
                           In einer cylindrischen Kühlwanne p aus Kesselblech steht
                              									der ebenfalls aus Eisenblech hergestellte, innen verzinkte Wasserbehälter o, der als eigentlicher Entwickler dient und mit Deckel
                              										b versehen ist, welcher mit Gasabführhahn e und Manometerhahn d
                              									armiert ist. Zum Einbringen des Karbids in den ⅔ mit Wasser gefüllten Entwickler
                              									dient der im Deckel zentrisch eingesetzte Fülltrichter c, welcher zum selbstthätigen Abschluss mit dem durch Führungsstange k zu handhabenden Schwimmerventil i versehen ist.
                           
                           Das durch den Fülltrichter c eingeworfene, bei
                              									Hinabdrücken des Schwimmerventils i in den Wasserraum
                              									gelangende Karbid zersetzt sich, und das sich entwickelnde Acetylengas steigt durch
                              									das Wasser in den oberen wasserfreien Gasraum des Entwicklers, von wo dasselbe durch
                              									den Hahn e abgeführt wird, wogegen der als Rückstand
                              									sich ablagernde Kalkschlamm jeweilig durch den Entleerungshahn r mit Kapsel q abgelassen
                              									wird.
                           Zwecks der Kühlung zirkuliert in der Wanne p Kühlwasser.
                              									– n ist das Wasserstandsglas.
                           Dieser Gaserzeuger arbeitet für gewöhnlich mit 160 bis 200 mm Druck, welcher bei
                              									eventuellen Störungen maximal 700 mm erreichen kann, weiter aber nicht, da das
                              									Zersetzungswasser und endlich das Gas selbst durch den Fülltrichter c hinausgetrieben wird, letzterer dient somit auch als
                              									Sicherheitsrohr.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 45
                              Fig. 2. Gaserzeuger „Industrielle“ der Pariser Société du Gaz
                                 										Acétylene.
                              
                           Mit dieser Konstruktion ist Berdenich zufrieden, rügt
                              									aber als einen zu Störungen Veranlassung gebenden Nachteil die Bedienung von
                              
                              									Hand!
                           Die Hauptmasse eines solchen Erzeugers sind: Durchmesser des Entwicklers 60 cm, Höhe
                              									desselben 1 m, wovon ⅔ auf Wasserraum, ⅓ auf Gasraum entfallen. Die maximale
                              									Leistungsfähigkeit ist eine stündliche Gasproduktion bei normaler Bedienung und
                              									Karbid, das 270 bis 300 l Gas liefert, von 3000 l, wobei 6 bis 8 Stunden hindurch,
                              									entsprechende Kühlung durch die Kühlwanne p
                              									vorausgesetzt, ohne Wechsel des Zersetzungswassers eine nachteilige
                              									Temperaturerhöhung, d. i. über 30° C., nicht eintritt.
                           Leider ist die infolge der ungleichmässigen Speisung mittels Handbedienung
                              									eintretende ungleichmässige Gaserzeugung und die dadurch bedingte ständige
                              									Druckschwankung im Entwickler ein die Qualität des produzierten Gases stets
                              									beeinflussender Faktor.
                           Von den Erzeugern geht das Gas durch Schlangenkühler, in welchen ein Teil der aus den
                              									Entwicklern mitgerissenen Wasserdämpfe kondensiert und sonstige eventuelle
                              									mechanische Beimengungen abgelagert werden, um dann in den in Fig. 3 abgebildeten chemischen Trockenreiniger zu
                              									gelangen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 45
                              Fig. 3. Reiniger der Société du Gaz Acétylène.
                              
                           Zur Absorbierung des Ammoniaks hat Berdenich anfangs in
                              									Anlehnung an de Boismenu Eisenchlorür, zur Ausscheidung
                              									des Schwefelwasserstoffes Eisensesquioxyd, weiter Eisen- und Kupfersulfat zur
                              									Entziehung des Phosphor Wasserstoffes und Siliciumwasserstoffes in den Reiniger
                              									eingebracht, hat aber dies Verfahren, weil zu kostspielig und für Laien zu
                              									kompliziert, verlassen und zur Entfernung von Ammoniak und Schwefelwasserstoff die
                              									gewöhnliche Leuchtgasreinigungsmasse angewandt. Die bedenklichsten Verunreinigungen,
                              									wie Phosphorwasserstoff und Siliciumwasserstoff, lassen sich hierdurch jedoch nicht
                              									entfernen.
                           Die Konstruktion der in Totis angewendeten Reiniger ist ebenfalls eine Type der Société du Gaz Acétylène in Paris, und wie aus
                              									beistehender Abbildung (Fig. 3) ersichtlich ist,
                              									besteht derselbe aus einem einfachen Cylinder mit Bleifutter, 80 cm hoch und 22 cm
                              									im Durchmesser, in welchen die Reinigungsmassen schichtenweise eingebracht werden.
                              									Doch ist diese Form eines Reinigers weder für kleine Anlagen noch weniger für
                              									grössere Anlagen entsprechend, da selbst bei kleinen Anlagen die gewählten
                              									Querschnitte bei den stark variablen Druckverhältnissen im Entwickler und den
                              									demzufolge wechselnden Durchgangsgeschwindigkeiten des Gases viel zu klein
                              									dimensioniert sind, und ist daher eine entsprechende gleichmässige Gasreinigung
                              									mit diesen Modellen nicht erreichbar gewesen. Auch ist die Füllung und Entleerung
                              									eines solchen Cylinders eine zu umständliche.
                           Von dem chemischen Reiniger geht das Gas in die Gasometer. Diese hatten einen
                              									Fassungsraum von je 3 cbm, zusammen also 6 cbm – somit zur Speisung von 300 Stück
                              									20-literigen Flammen für 1 Stunde genügend. – Die beiden Gasometer sind
                              									untereinander in der Weise verbunden, dass sie kommunizieren und sich auch beim
                              									Betriebe von nur einer Entwicklergarnitur gegenseitig ergänzen. – Die Ein- und
                              									Ausströmungsrohre mit 60 mm lichter Weite führen von unten durchs Sperrwasser in den
                              									Gasraum der Glocke und sind am tiefsten Punkte mit Kondenshähnen versehen.
                           Von dem Gasometer geht das Gas durch die Trockner. Dieselben sind auch nur einfache
                              									Gusseisencylinder (Fig. 4) von 570 mm Höhe und 170 mm
                              									Durchmesser, mit verzinntem Etagen-Blechkorbeinsatz, in welchem Calciumkarbid
                              									eingebracht und zur Trocknung des Gases verwendet wird. Diese Methode der Trocknung
                              									des Acetylengases ist äusserst wirksam, auch bei forciertem Betriebe, doch ist als
                              									Uebelstand zu erwähnen, dass in letzterem Falle, wenn nämlich der Entwickler schon
                              									stark mit Wasserdämpfen gesättigtes Gas abgibt und der Kühler nicht genügend
                              									kondensiert, das im Trockner befindliche Calciumkarbid rasch zersetzt wird, wobei
                              									natürlich das hier entwickelte ungereinigte Acetylen sich mit dem vom Gasometer
                              									kommenden gereinigten Gase mischt. Ausserdem lösen sich auch feine, trockene
                              									Kalkteilchen von der zersetzten Oberfläche des Karbids ab, werden vom Acetylen
                              									mitgerissen und verunreinigen das Gas, die Rohrleitung, Brenner u.s.w.
                           Wenn also ein solcher Karbidtrockner eingeschaltet wird, so ist die Anwendung eines
                              									feinen mechanischen Gasfilters nach dem Trockner, z.B. Asbestgewebe, Cellulose,
                              									sowie auch öfteres Auswechseln des Karbids im Trocknergefäss u.s.w. jedenfalls zu
                              									empfehlen.
                           Nach dem Trockner strömt das Gas durch den Gasmesser in das Hauptrohr, in welches
                              									noch vor Austritt aus der Gaserzeugungsanlage ein Druckregulator eingeschaltet
                              									ist.
                           Der Hauptgasmesser ist ein Haas'scher Trockenmesser von
                              									der Firma S. Elster, eine Gasuhr, die Berdenich, als besonders für Acetylengas geeignet,
                              									empfiehlt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 45
                              Fig. 4. Trockner.
                              
                           Als Druckregulator verwendet Berdenich einen Simon Lanz'schen Regler. Die Reiniger, Trockner,
                              									Gasmesser und der Druckregler sind mit Rohrumleitungen in der Weise angeordnet, dass
                              									mittels Schieberstellung im Bedarfsfälle eine Ausschaltung derselben einzeln oder
                              									zusammen auch während des Betriebes möglich ist.
                           Jeder einzelne Gaserzeuger ist mit Manometer versehen, ferner sind solche vor und
                              									nach dem Reiniger, für den Gasbehälter und vor und nach dem Gasmesser angebracht,
                              									deren Zeigerwerke auf einer Manometertafel vereinigt sind, so dass der Gasmeister
                              									die Funktion der einzelnen Apparate leicht überblicken und kontrollieren kann.
                           Den niedrigsten und höchsten Stand der Gasbehälterglocken zeigt ein elektrisches
                              									Läutewerk an. – Die Beleuchtung des Apparatenraumes geschieht von aussen, die
                              									Heizung ist eine indirekte.
                           Die Entwickler und deren Kühlwanne, endlich auch die Kühler sind mit einer
                              
                              									Wasserleitung verbunden, die Schlammablasshähne der Entwickler münden in einen
                              									Kanal, durch welchen der Kalkschlamm in Kalkgruben gelangt behufs seiner
                              									Sedimentierung.
                           Der Kalkrückstand ist nach Berdenich für Bauzwecke
                              									vorzüglich verwendbar, und es hat derselbe mit demselben auch schon kleine Gebäude,
                              									Brunnen u.s.w. ausgeführt.
                           Für eine wirksame Ventilation ist ebenfalls vorgesorgt. Verfasser beklagt das Fehlen
                              									geeigneter Kontrollapparate zur Prüfung der Qualität des Gases und ist zur Zeit mit
                              									Versuchen zur Lösung dieser Frage beschäftigt.
                           Ueber die Leistungsfähigkeit der Tata-Tóvároser provisorischen Gasanlage berichtet
                              										Berdenich etwa folgendes:
                           Mit einem Entwickler können im Durchschnitt stündlich rund 3000 l Gas erzeugt werden,
                              									wenn also von jeder Erzeugergarnitur je ein Entwickler gleichzeitig in Verwendung
                              									steht, können 6 cbm Gas pro Stunde produziert werden, d. i. 300 Stück 20literige,
                              									gleichzeitig brennende Flammen gespeist werden. Für den regelmässigen Betrieb ist je
                              									ein Entwickler in Verwendung, doch können im Bedarfsfalle gleichzeitig oder
                              									vielmehr in schneller Aufeinanderfolge beide, also alle vier Entwickler in Anspruch
                              									genommen werden, wodurch sich die Leistungsfähigkeit der Anlage auf das Doppelte des
                              									oben angegebenen Quantums erhöhen lässt, je eine Garnitur – also zwei Entwickler
                              									können von einem Mann bedient werden – doch ist es angezeigt, in den langen
                              									Winternächten Mitternachtsablösung vornehmen zu lassen, da die kontinuierliche,
                              									intensive Bedienung denselben eine längere Schicht als 8 Stunden nicht recht
                              									aushalten lässt.
                           Bezüglich der Einbringung des Karbids von Hand wurde die Erfahrung gemacht, dass eine
                              									solche bei Anlagen, deren stündliche Gasproduktion 5 cbm übersteigt, nicht rationell
                              									ist. An ihre Stelle sollte dann eine gleichmässige maschinelle Bedienung treten, da
                              									nach den gemachten Erfahrungen die Gasbildung im Entwickler als auch die Kühler,
                              									Reiniger u.s.w. zu einer richtigen Funktion eine möglichst gleichmässige
                              									Karbidzufuhr in den Entwickler verlangen.
                           Bezüglich des Rohrnetzes ist schon erwähnt worden, dass das Verteilungsnetz in den
                              									Hauptpunkten nach den Regeln der Leuchtgastechnik sofort definitiv eingerichtet
                              									worden ist. Besonders hervorgehoben wird, dass nach 8- bis 10monatlichem Betriebe
                              									eine Wasserabscheidung im Rohrnetz noch nicht wahrgenommen werden konnte.
                           Die Rohrdimensionen sind nach der bekannten Formel
                           
                              d=11,449\,\sqrt[5]{\frac{Q^2\,.\,s\,.\,l}{h}}
                              
                           berechnet, bezw. wurde zur Bestimmung der Rohrweiten für
                              									Acetylen kurzweg die Monier'sche Tafel für Leuchtgas
                              									genommen, der gefundene Durchmesser mit 3 dividiert und eine Stufe in der
                              									Normaltabelle nach aufwärts abgerundet, welches Verfahren stets hinlängliche Werte
                              									gegeben hat.
                           Bei der Anlage von solchen Gaswerken ist bei der Berechnung der Rohrdimension auf die
                              									Vergrösserung von vornherein Bedacht zu nehmen.
                           Als weiter gemachte Erfahrung ist anzuführen, dass peinlich reine, sorgfältige Arbeit
                              									bei den Acetyleninstallationen Grundbedingung ist, da sich die kleinste
                              									Oberflächlichkeit oder Nachlässigkeit stets nur zu bald schädlich bemerkbar
                              									macht.
                           Die Schmiederohrverschraubungen müssen mit feinem, gut eingeöltem Hanf, gut
                              									verarbeitetem Mennige und mit möglichst grosser Ueberdeckung hergestellt werden, da
                              									sonst die Dichtungen sehr rasch austrocknen; gefördert wird dies durch gut
                              									getrocknetes Acetylengas, und dann stellen sich sehr rasch Undichtheiten ein.
                           Die Gussrohrdichtungen erfordern ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit. Der gut
                              									eingeölte Dichtstrick soll möglichst fest eingetrieben werden, worauf dasselbe mit
                              									der Bleidichtung geschehen soll. Insbesondere ist bei letzteren Dichtungen zu
                              									beachten, dass dieselben nach Anarbeitung nicht längere Zeit den äusseren,
                              									wechselnden Temperatureinflüssen ausgesetzt werden, da sich sonst der Bleiring von
                              									der Peripherie der Muffe und des Rohrendes mit freiem Auge unbemerkbar ablöst und
                              									die kleinsten Haarrisse genügen, um dem Acetylengas das Entweichen zu gestatten. So
                              									war z.B. das Undichtwerden eines nach allen Regeln sorgfältig verlegten
                              									Gussrohrstranges, welcher die Luftdruckprobe tadellos aushielt, nach erfolgter
                              									Zuschüttung auf diesen Umstand zurückzuführen.
                           Verunreinigungen bezw. Ablagerungen im Rohrnetz konnten selbst nach längerem Betriebe
                              									nicht wahrgenommen werden, ausser sporadisch vorgekommenen Kohlenstoffablagerungen,
                              									welche aber nicht die Folge des Betriebes, sondern verhütbarer Gaszersetzungen im
                              									Rohre zuzuschreiben sind. So z.B. wurde bei Abmontierung der während der grossen
                              									Tata-Tóvároser Kaisermanöver extra installiert gewesenen Kaiserbeleuchtung, die
                              									Wahrnehmung gemacht, dass in einem Teile des Rohrnetzes an verschiedenen
                              									Biegungsstellen im Inneren der Rohre feiner Russ, reiner Kohlenstoff, in grösserer
                              									Quantität abgelagert war. Es war dies eine ganz lockere, spezifisch leichte,
                              									trockene, in der Luft in Flocken sich verteilende tiefschwarze Masse, welche sich in
                              									den Röhren ganz lose angesammelt hatte und leicht ausgeblasen werden konnte. Die
                              									Rohre selbst waren innen hellblank geblieben. Dieser feine Kohlenstoff war ein
                              									Zersetzungsprodukt des Acetylens und die Ursache bezw. Entstehung desselben war auf
                              									Flammenrückschlag zurückzuführen. Diese Erfahrung führte Berdenich zur Konstruktion seines in D. p. J.
                              									1898 310 227 beschriebenen Rückschlagventils.
                           Was die Strassenlaternen betrifft, so sind in Tata-Tóváros derzeit 158
                              									Strassenflammen installiert. Dieselben sind genau so angeordnet, wie dies bei
                              									Leuchtgas üblich, und sind die Kandelaber, Laternen, Laternenhähne genau dieselben,
                              									wie bei diesen, nur die Anschlussleitungen, welche mittels Anbohrung und Rohrschelle
                              									hergestellt werden, sind je nach der Entfernung der Laterne vom Hauptrohre mit ⅜ bis
                              									½ Zoll dimensioniert, wodurch Verstopfungen oder sonstige Mängel, welche auf zu
                              									schwaches Rohrkaliber zurückgeführt werden könnten, vermieden werden.
                           Die Laternen sollen möglichst gross und mit möglichst wenig Stäben gewählt
                              									werden, da solche beim Acetylen bedeutend wirksamere Schatten werfen, als bei
                              									Leuchtgas. Auen ist eine von allen Seiten möglichst geschlossene Strassenlaterne für
                              									Acetylen sehr empfehlenswert, da die Acetylenflamme dem Luftzuge ausgesetzt,
                              									insbesondere bei windigem Wetter äusserst unruhig flackert und hierbei sehr zu
                              									Russausscheidungen neigt, ja hierbei ein verhältnismässig sehr rasches Ansetzen der
                              									Brenner eintritt, wodurch auch die Flamme schnell ungünstig beeinflusst wird.
                           Als Brenner sind für Strassenflammen die Luftzuführungsbrenner „Ideal“
                              									verwendet. Es ist dies nach Berdenich's Erfahrungen bis
                              									heute der einzige Luftmischbrenner, der allen, an einen solchen Brenner stellbaren,
                              									gerechten Anforderungen entsprechen kann und leicht für verschiedene Gaskonsume
                              									eingestellt werden kann, der eine möglichst vollkommene Mischung und demzufolge
                              									Verbrennung zulässt, Wochen, ja Monate hindurch ohne jedwede Reinigung tadellos
                              									funktioniert und unter allen bisher bekannten Brennern auch der dauerhafteste
                              									ist.
                           Die Wartung der Laternen ist die sonst übliche. Die Verhütung des Verstaubens der
                              									Brenner, Dichthalten der Laternenhähne ist besonders zu beachten, und soll der
                              									Laternenwärter stets auf diese Punkte achten, so wie er auch dahin sorgfältigst
                              									instruiert werden muss, dass er beim Anzünden der Laternen sofort nach Oeffnen des
                              									Gashahnes mit der brennenden Lunte in die Laterne an den Brenner heranfahre, da eine
                              									Verspätung häufig Laternenexplosionen nach sich zieht. Sollte ein Einfahren mit der
                              									Lunte nicht sofort nach Oeffnung des Laternenhahnes möglich sein, soll er dies
                              									überhaupt unterlassen, sondern den Hahn wieder sperren, die Laternenthüre öffnen und
                              									die Laterne auslüften lassen und diese erst auf dem Rückwege anzünden.
                           Ausser diesen Strassenlaternen sind in Tata-Tóváros rund 300 Privatflammen
                              									installiert, doch darf nach Ausbau der definitiven Gaserzeugungsanstalt auf 1500
                              									Privatflammen gerechnet werden.
                           Die Gasabgabe geschieht mittels Gasmessers.
                           Die Anschlüsse für Privatinstallationen werden ebenfalls mittels Anbohrung
                              									hergestellt und wird als kleinste Zuleitung ½zölliges Schmiedeeisen-Gasrohr
                              									genommen.
                           Mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit der Luftgemische im Acetylenrohrnetz sind
                              									möglichst viele Schieber und Absperrungen in dasselbe eingeschaltet, auch für die
                              									Privatinstallationen sind Trottoirhähne im Gebrauch, damit, wenn bei Vornahme von
                              									neuen Anschlüssen Anbohrungen oder Reparaturen eine Ausserbetriebsetzung notwendig
                              									wird, eine möglichst kleine Rohrzone ausgeschaltet werden kann, das Lufteindringen
                              									also auf eine kleinere Rohrstrecke beschränkt wird. Hier könnte wohl eingewendet
                              									werden, dass im Stadtrohrnetz das Gas nie vollständig abgesperrt werden soll, und in
                              									der Leitung immer ein bestimmter Druck herrschen soll, doch ist diese bei Leuchtgas
                              									usuelle Regel für Acetylenleitungen praktisch nicht empfehlenswert, da die
                              									Gasverluste bei Anbohrungen unter Druck, dann sonstige dadurch entstehende Nachteile
                              									es für angezeigt erscheinen lassen, bei Acetylen einen anderen Vorgang zu befolgen
                              									wie bei Leuchtgas. Die Installationen wurden nach bekannten Regeln ausgeführt.
                           Als Gasmesser sind Haas'sche Trockengasuhren in
                              									Verwendung, und zwar seit dem Vorkommen der durch Flammenrückschlag erfolgten
                              									Gasmesserexplosionen sind dieselben alle mit Berdenich'schen Patent-Sicherheitskapseln (Rückschlagfangventile) versehen,
                              									welche gleichzeitig auch als mechanische Reiniger wirken. Wenn nun ein
                              									Flammenrückschlag bei regelmässigem Betriebe auch nicht zu befürchten ist, so ist
                              									ein solcher dennoch nicht ausgeschlossen, insbesondere aber leicht möglich, wenn in
                              									der Rohrleitung ein Acetylen-Luftgemisch entsteht. Dieser Fall ist aber, wie ja
                              									allen Acetylentechnikern nur zu gut bekannt ist, bei Neufüllung des Gasometers,
                              									Erzeugers, Reinigers, bei Oeffnen der Brennerhähne vor Anlassen des Gasometers
                              									u.s.w. nur zu oft möglich und kann dann beim vorzeitigen Anzünden eines mit
                              									Acetylen-Luftgemisch gespeisten Brenners, was ja speziell für kleine
                              									Acetyleninstallationen mit eigener Erzeugeranlage nie zu vermeiden ist, ein
                              									Flammenrückschlag in die Leitung ohne weiteres entstehen.
                           Als Kosten für die Gesamtanlage mit definitiver Gaserzeugungsanlage sind rund 75000
                              									fl. österr.-ungar. Währung ausgeworfen.
                           Hiervon entfallen
                           
                              
                                 auf
                                 die
                                 Gaserzeugungsanlage
                                 20000
                                 fl.
                                 
                              
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                                 das
                                 Tataer Rohrnetz
                                 27000
                                 „
                                 
                              
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                                 Tóvároser Rohrnetz
                                 20000
                                 „
                                 
                              
                                 Rest Diverses.
                                 
                                 
                                 
                              
                           Das Werk ist als Privatunternehmen angelegt, mit 40jähriger ausschliesslicher
                              									Konzession für die öffentliche und private Beleuchtung auf dem Gebiete der beiden
                              									Stadtgemeinden, welche für die als Minimum angenommenen 158 öffentlichen
                              									Strassenflammen, bei 1800 Jahresbrennstunden und 20 Kerzenstärken der einzelnen
                              									Flammen, 3000 fl. pro Jahr während der ganzen Konzessionsdauer als Minimum
                              									bezahlen.
                           
                           Der Preis des Gases für den Privatkonsum ist mit 1,25 fl. pro Kubikmeter
                              									festgesetzt.
                           Bei der derzeitigen Karbidsachlage in Oesterreich-Ungarn ist dieser Preis wohl noch
                              									kein. rentabler, da das zumeist aus der Schweiz und in letzterer Zeit auch aus
                              									Frankreich importierte Karbid inklusive Zoll und Fracht auf 36 fl. zu stehen kommt,
                              									also bei 300literiger Ausbeute, die aber nie erreicht wird, einen
                              									Selbstkostenpreis fürs reine Gas von 1,20 fl. ergibt. Voraussichtlich werden
                              									aber auch bald hier Karbidfabriken im Betriebe, sein, so dass der hohe Zoll und
                              									Fracht wegfällt, was mindestens ⅓ des bisherigen Preises ausmacht, wobei dann die
                              									Rentabilität des Tata-Tóvároser ersten Acetylengaswerkes schon bei 750 Flammen
                              									gesichert sein würde.
                           Bujard.