| Titel: | Allgemeine Fragen der Technik. | 
| Autor: | P. K. von Engelmeyer | 
| Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 97 | 
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                        Allgemeine Fragen der Technik.
                        Von Ingenieur P. K. von
                                 									Engelmeyer, Moskau.
                        (Fortsetzung von S. 65 d. Bd.)
                        Allgemeine Fragen der Technik.
                        
                     
                        
                           Unsere kritische Uebersicht war nicht darauf gerichtet, eine erschöpfende
                              									Darstellung der früheren Leistungen zu geben. Es war uns vielmehr daran gelegen, die
                              									Thatsache festzustellen, dass die allgemeinen Fragen der Technik bereits eine ganze
                              									Litteratur ins Leben gerufen haben. Indem wir uns vorbehalten, zu der Kritik
                              									zurückzukehren, wollen wir jetzt einige allgemeinere Gesichtspunkte entwickeln und
                              									beginnen mit der Frage:
                           
                              Was ist die Technik?
                              Fassen wir den allgemeinsten Sprachgebrauch des Wortes „Technik“ ins Auge,
                                 										so müssen wir sagen: Die Technik ist die Kunst,
                                    											Naturerscheinungen planmässig und auf Grund der erkannten natürlichen
                                    											Wechselwirkungen der Dinge ins Leben zu rufen. Hierüber mögen sich
                                 										einige Erläuterungen anschliessen.
                              Die Technik ist eine Kunst. Unter Kunst verstehen wir jede objektivierende
                                 										Thätigkeit, d. i. eine solche, bei welcher eine Idee der That als Ziel
                                 										vorausgeht und die That darauf gerichtet ist, eine Naturerscheinung
                                 										hervorzubringen, welche die abstrakte Idee konkret ausdrückt. Das Ziel bedingt
                                 										die That teleologisch. Die That muss aber auch logisch, d. i. ursächlich,
                                 										bedingt werden.
                              Der allgemeine Sprachgebrauch misst der Technik einen doppelten Sinn bei: erstens
                                 										wird unter Technik jener Teil einer Kunst gemeint, der nach aussen gerichtet
                                 										ist, und zweitens wird unter Technik eine ganze Thätigkeit verstanden, diejenige
                                 										nämlich, bei welcher der Mensch speziell nützliche Erscheinungen hervorzubringen
                                 										anstrebt. Im ersten Sinne spricht man von der Technik eines Malers, eines
                                 										Musikers, eines Arztes, eines Richters. Im zweiten Sinne spricht man von der
                                 										Technik ohne Prädikat und versteht darunter die Kunst eines Ingenieurs, eines
                                 										Maschinenbauers, eines Chemikers u. dgl. Der Begriff der Technik im ersten Sinne
                                 										hat sich von den klassischen Griechen und Hörnern auf uns vererbt. Der zweite
                                 										Sinn hat sich erst im 18. Jahrhundert allmählich herausgebildet. Die Wörter
                                 											„τέχνη“ und „techna“ wurden gebraucht in der Industrie, im
                                 										Handel, im Gewerbe, in den schönen Künsten, in der Redekunst, in der Medizin, in
                                 										der Wissenschaft und in der Litteratur. Sie bedeuteten die Mittel und Wege,
                                 										irgend einen Plan durchzusetzen. Technicus nannte man in Rom einen Lehrer, bei
                                 										dem man die Technik einer Kunst erlernen konnte. Warum die industrielle Technik
                                 										im klassischen Altertum nicht in den Sprachgebrauch gelangte, ist leicht
                                 										erklärlich: in den Artes illiberales der Sklaven sah man nur ein verächtliches
                                 										Seitenstück zu den Artes liberales des freien Bürgers.
                              Als die klassische Welt von kriegerischen Völkern weggeschwemmt wurde, fing die
                                 										Kriegstechnik an Aufsehen zu erregen: der Techniker des Mittelalters, der
                                 										Schmied, zugleich mit dem Arzte und dem Geistlichen blieben allein die Vertreter
                                 										des Wissens und des Könnens. Mit dem Wiederaufwachen der Vernunft im 15.
                                 										Jahrhundert stieg die Technik in die höheren Schichten der Gesellschaft empor.
                                 											Leonardo da Vinci, Michel Angelo, Benvenuto
                                    											Cellini u.a. waren in dem gleichen Masse Künstler wie Techniker.
                                 											Stevinus, Galilei, Otto Gericke u.a. waren
                                 										ebensoviel Gelehrte als Techniker. Maler und Forscher mussten sich selbst die
                                 										sachlichen Hilfsmittel ihrer Thätigkeit bereiten, die ihnen heutzutage
                                 										industrielle Techniker fertigstellen. Es gab indes keinen Beruf, den man
                                 										Techniker nannte. Ein solcher entstand erst im Anfang des 19. Jahrhunderts.
                                 										Damit er aber in der Gesellschaft als ein den anderen ebenbürtiger Stand
                                 										auftreten durfte, mussten folgende Vorbedingungen erst erfüllt werden: die
                                 										Begründung der technischen Wissenschaft, der Technologie (durch Beckmann 1777) und die Begründung der technischen
                                 										Schule (zu Paris 1794).
                              Auf den neuen Beruf wurde das alte Wort „Techniker“ bezogen, welches
                                 										ursprünglich, wie gesagt, etwas anderes bezeichnete. Daneben bürgerte sich aber
                                 										auch das Wort „Ingenieur“ ein, mit dem man bereits 200 Jahre hindurch in
                                 										Frankreich und England einige hervorragende Techniker benannte, ohne aus dem
                                 										Worte einen Gattungsnamen bilden zu wollen. Das Wort „Ingenieur“ stammt
                                 										vom lateinischen „ingenium“, dessen Sinn im italienischen
                                 											„ingegno“ noch lebt und überhaupt eine glückliche und praktische
                                 										Idee, aber auch die Befähigung zu einer solchen bedeutet. In ähnlichem Sinne
                                 										werden auch im Französischen und im Englischen „ingenieux“,
                                 											„engineous“ gebraucht, wobei das letzte Beiwort wieder mit dem
                                 										Hauptwort „Maschine“, „engine“ eng verwandt erscheint.
                              So entstand die moderne Technik und der heutige Techniker. So manche Steine
                                 										liegen demselben noch im Wege: einerseits erweckt sein Emporsteigen eine gewisse
                                 										Eifersucht bei den anderen Klassen, andererseits sind aber auch die Techniker
                                 										selber (wie früher betont) nicht genügend vorbereitet, um den neuen Ansprüchen
                                 										gebührend Rechnung zu tragen. Die technische Hochschule berücksichtigt nur in
                                 										geringem Masse die allgemeine Kultur des Geistes. Der Wirkungskreis des
                                 										Ingenieurs erweitert sich aber unaufhaltsam und ist schon längst aus der Fabrik
                                 										in die die Gesellschaft bildenden Machtkreise hinausgetreten. Der Techniker
                                 										aber, der Staatsmann wird, braucht darum nicht seine Weltanschauung zu
                                 										verändern.
                              Werfen wir nun die Frage auf:
                              
                           
                              Was ist die technische Weltanschauung?
                              Das klassische Altertum suchte in allem Harmonie und Schönheit: im Weltall, in
                                 										der Gesellschaft, in der Wissenschaft, in der Kunst, in der Religion, in der
                                 										Erziehung. Die äusserliche Erscheinung, die Symmetrie des Ganzen und der Teile,
                                 										das war der Massstab, nach welchem die Alten alles abschätzten, sogar ihre
                                 										Götter. Darum darf man sagen: die Wellanschauung des
                                    											klassischen Altertums war eine künstlerische.
                              Im rauhen, kriegerischen Mittelalter ging die
                                 										oberflächlich begründete Harmonie zu Grunde. Alle Ruhe und Zuversicht schwanden
                                 										unter der stetigen Kriegsgefahr. Der denkende Mensch fühlte sich unendlich
                                 										schwach. Eine religiös-mystische Weltanschauung
                                 										gewann die Oberhand. Die Triebkräfte der Naturerscheinungen, ja sogar der
                                 										menschliche Wille, wurden ausserhalb der Welt versetzt, in unerreichbare und
                                 										unbegreifliche Regionen. Indessen forderte das irdische Dasein, so vorübergehend es auch
                                 										dogmatisiert wurde, das Mögliche zu thun, um es zu sichern. Aber in welcher
                                 										Weise die leitenden Kräfte erforschen? In welcher Weise auf sie einwirken, um
                                 										gewollte Ereignisse hervorzubringen? Natürlich schienen alle Wege hierzu ebenso
                                 										unbegreiflich wie jene Kräfte. Auf diesem Boden konnte keine andere Moral als
                                 										die asketische, keine Wissenschaft als die Magie, keine Technik als die Zauberei
                                 										entspriessen.
                              Endlich dämmert der Tag wieder auf. Nach und nach enthüllt die Natur dem
                                 										forschenden Geiste ihre Rätsel. Es bricht die Ueberzeugung sich Bahn, dass die
                                 										Triebfedern der Natur nicht ausserhalb, sondern in der Natur selber zu suchen
                                 										und dass sie dem Verstande zugänglich sind. Und während 4 Jahrhunderten feiert
                                 										die menschliche Vernunft einen Sieg nach dem anderen. Die Weltanschauung der neueren Zeit darf darum eine wissenschaftliche
                                 										genannt werden.
                              Das fortschreitende Leben liess es indes nicht zu, bei einer platonischen
                                 										Erkenntnis stehen zu bleiben: die Versuchung lag zu nahe, die gewonnenen
                                 										Kenntnisse praktisch zu verwerten. So wurde die schwarze Magie zur weissen und
                                 										die Zauberei zur Technik. Die Naturwissenschaft erhielt im 17. und besonders im
                                 										18. Jahrhundert einen mächtigen Aufschwung, und im 19.
                                    											Jahrhundert entsteht eine neue Weltanschauung, die technische, der das
                                 										20. Jahrhundert sicherlich in vollem Masse Zoll zahlen wird.
                              Worin besteht nun die technische Weltanschauung?
                                 										Worin ihr Unterschied von der wissenschaftlichen?
                              Das Augenmerk des Gelehrten ist gerichtet auf die Frage: Was geschieht? dasjenige des Technikers auf jene: Was soll geschehen? Das Bestehende erkannt, bleibt
                                 										der Gelehrte stehen. Der Techniker dagegen fängt hier an und greift in die Natur
                                 										hinein, seinen Willen in die Naturkräfte hineintragend. Die technische
                                 
                                 										Anschauung lehrt, dass der Mensch im stande ist, vermittelst natürlicher, ihm zu
                                 										Gebote stehender Mittel die Natur, d. i. Raum und Zeit, Kraft und Stoff, zu
                                 										bezwingen und seinen Plänen dienstbar zu machen. Kurzum, die technische
                                 
                                 										Weltanschauung löst sich in der Formel auf: Der Mensch
                                    											ist seines Glückes Schmied.
                              Nun tauchen aber wichtige ethische Fragen auf, die nicht unberührt bleiben
                                 										dürfen. Die erste Frage ist: Vielleicht will die technische Anschauung die
                                 										wissenschaftliche verdrängen? den Kultus der reinen Wissenschaft vernichten?
                                 										Keineswegs! Gerade die Technik beweist unwiderleglich, dass die abstraktesten
                                 										und scheinbar unfruchtbarsten Lehren der Wissenschaft zu den reellsten Gütern
                                 										führen. Genannt sei nur die Elektrotechnik.
                              Eine zweite Frage drängt sich auf: Vielleicht predigt die technische
                                 										Weltanschauung einen groben Materialismus? vielleicht will sie jeden Glauben
                                 										ausrotten? Keineswegs! Die Technik ist am meisten frei von Vorurteilen. Die
                                 										spekulative Wissenschaft, dies muss zugestanden werden, führte manchmal zu einem
                                 										wenig erfreulichen Materialismus. Indes konnte auch der wissenschaftliche
                                 										Materialismus keine besondere Verbreitung finden, weil er mit der Verneinung
                                 										manches Faktischen notwendig verknüpft ist. Dem gegenüber hat die Technik nichts
                                 										anderes in Sicht als das Faktische.
                              Noch eine Frage möge hier aufgeworfen sein: Vielleicht will die Technik die Kunst
                                 										ersetzen? an die Stelle des Kunstwerkes die Maschine als das Sinnbild der
                                 										Schönheit auf den Thron setzen? Keineswegs! Erstens bleibt die Technik ihrer
                                 										Ziele sich stets bewusst, und diese sind auf den Nutzen gerichtet. Zweitens
                                 										vermag wieder kein Künstler seine eigenen, auf die Schönheit gerichteten Ziele
                                 										zu erreichen, ohne zu der Technik Zuflucht zu nehmen. Drittens sind die
                                 										ästhetischen Wirkungen der technischen Leistungen, die Popper so trefflich hervorgehoben, durchaus verschieden von jenen der
                                 										Kunstschöpfungen. Sie sind nicht berufen, diese zu ersetzen, sondern diesen zur
                                 										Seite zu treten.
                              Noch eine Frage: Vielleicht will die technische Weltanschauung an die Stelle des
                                 										gesellschaftlichen Prinzips die Fahne des Egoismus erheben? Keineswegs! Die
                                 										Technik dient den gesellschaftlichen Interessen in gleichem Grade wie den
                                 										privaten. Eine der Uraufgaben der Technik war zu jeder Zeit, den Austausch der
                                 										körperlichen und der geistigen Arbeit zu fördern, fremde Länder zugänglich
                                 										zu machen und das Bewusstsein zu kräftigen, dass nur gemeinschaftliche Arbeit
                                 										das individuelle Wohlsein begründet. Bringt der Gelehrte seine Gedanken einsam
                                 										zum Ausdruck, verkörpert der Künstler seine Ideen vermöge seiner persönlichen
                                 										Kraft, so sind die Ideen des Technikers immer von solcher Art, dass zu deren
                                 										Verwirklichung ganze Industriezweige und Armeen von Arbeitern notwendig
                                 										sind.
                              Wir wollen nun etwas noch Wichtigeres hervorheben. Indem die moderne
                                 										Kriegstechnik ins Ungeheuerliche emporwächst, führt sie zum Frieden. In der
                                 										That: zu welchem Ende bieten die grossen Mächte alles auf, ihre Kriegsmittel
                                 										unaufhörlich zu steigern? Sämtliche Politiker beantworten diese Frage dahin,
                                 										dass damit der Friede gesichert bleibe. Die Kriegstechnik bietet uns das einzige
                                 										Beispiel dar, wo betriebsfähige Neuerungen immer hergestellt werden, damit sie
                                 										womöglich nie in Betrieb geraten. Si vis pacem, para bellum. Aber die blosse
                                 										Möglichkeit eines Krieges ruft allein schon den heftigsten Wunsch wach, die
                                 										Kriege abzuschaffen. Es darf wohl ausgesprochen werden, dass die Technik
                                 										diejenige Macht ist, die nicht nur die persönliche Existenz bekräftigt, sondern
                                 										auch einen Zwang ausübt darauf, dass wir unseren Mitmenschen nachgeben, und
                                 										somit die Harmonie in der Gesellschaft, im Staate und in der Menschheit
                                 										allgemein auf dem unerschütterlichen Boden der Notwendigkeit begründet. So ist
                                 										die Technik vielleicht die grösste jener Kräfte, die der Menschheit
                                 										gemeinschaftliches Streben nach ihren höchsten Zielen erleichtern und
                                 										fördern.
                              
                           
                              Prinzipien der Technik.
                              Die Technik als Kunst ist eine schaffende Thätigkeit. Nun hört man sagen: „Das
                                    											Erfinden spottet aller Gesetzmässigkeit“
                                 										(E. Hartig). Doch hoffe ich bald darzulegen, dass
                                 										gerade das Gegenteil richtig ist, dass namentlich im Erfinden ein unwandelbares
                                 										Gesetz sich kundgibt. Auf diese Frage kommen wir nächstens zurück, wenn wir die
                                 										Entstehung der technischen Neubildungen erforschen. Jetzt fassen wir aber den
                                 										gegebenen Bestand der technischen Arbeitsmittel ins Auge.
                              So bunt das technische Feld auch erscheint, so unendlich mannigfaltig ihre
                                 										Kunstgriffe auch sind, nichtsdestoweniger lässt sich all ihr Thun und Treiben
                                 										nach zwölf Prinzipien ordnen. Die früheren Versuche, derartige Prinzipien
                                 										aufzustellen, kennen wir schon. Unter Hinweis auf dieselben wollen wir nun die
                                 										Prinzipien der Technik besprechen. Diese sind: 1. Aufnahme und Beseitigung, 2.
                                 										Aufspeicherung, 3. Uebertragung, 4. Umänderung, 5. Abfallverwertung, 6.
                                 										Wirkungserhöhung, 7. Auslösung, 8. Automatismus, 9. Präzision, 10. stetige
                                 										Wirkung, 11. Vervielfältigung, 12. Spezialisation und Universalismus. Nach
                                 										diesen Prinzipien ordnen sich die Ziele und die Mittel der Technik zugleich. Wir
                                 										dürfen wohl annehmen, dass sie den Technikern, wenigstens empirisch, nicht fremd
                                 										erscheinen; darum dürften nur wenige Erläuterungen genügen.
                              Das Doppelprinzip der Aufnahme und der Beseitigung. Damit ein jeder technische Prozess
                                 										beginne, müssen gewisse Stoffe und Kräfte an Ort und Stelle vorrätig sein,
                                 										andere wieder beseitigt. Alles, was aufsuchen, greifen, fassen, fangen oder auch
                                 										verhindern, vermeiden, fernhalten, schützen u. dgl. heisst, gehört hierher.
                                 										Ganze Industriezweige sind auf diesem Prinzipe aufgebaut: die Landwirtschaft mit
                                 										Forstwesen und Viehzucht, der Bergbau mit der Metallurgie, kurzum die Erzeugung
                                 										der Rohstoffe. Auf die Kraft angewandt, rechnen wir hierher die Wind- und
                                 										Wasserräder. Es steht auch nichts im Wege, als Verwirklichung dieses Prinzips
                                 										auch denjenigen Teil einer jeden Maschine anzuschauen, der die treibende Kraft
                                 										aufnimmt; auch solche Vorrichtungen, wie Schraubstöcke, Zwingen, Fassungen,
                                 										Gestelle, Wände u. dgl.
                              Das Prinzip der Aufspeicherung. Zu diesem rechnen
                                 										wir alles, was aufbewahren, sammeln, akkumulieren heisst. Wir können das Prinzip
                                 										als Beherrschung der Quantität deuten. Was wir in der Natur zerstreut finden,
                                 										was sie uns unregelmässig und zu wenig jedesmal darbietet, können wir aufstapeln
                                 										und verwerten, wann und wie es uns beliebt. Als Sinnbild dieses Prinzips sehen
                                 										wir jeden Kraftsammler an, ob künstlich, ob natürlich (z.B. Brennstoff), aber auch jeden
                                 										Speicher, Behälter u. dgl.
                              Das Prinzip der Uebertragung. Nur das wenigste von
                                 										dem, was uns die Natur darbietet, können wir an Ort und Stelle verwerten; in der
                                 										Regel aber muss eine Ortsveränderung stattfinden. Auf diesem Prinzip beruht die
                                 										Beherrschung des Raumes. Der Transport auf Land und Wasser, die Post, der
                                 										Telegraph, das Telephon u.a.m. sind die Gestaltungen dieses Prinzips. Im kleinen
                                 										äussert es sich im Heben und Senken, Verschieben und Wenden u.s.w. Jede Gas-
                                 										oder Wasserleitung gehört hierher. In der praktischen Darlegung dieses Prinzips
                                 										wird es öfters mit der Verteilung verbunden.
                              Das Prinzip der Umänderung. Nur das wenigste liefert
                                 										uns die Natur auch wieder in jenem Zustande, welcher unseren Bedürfnissen
                                 										entspricht. In der Hegel muss entweder die Form und die Grösse oder der
                                 										physikalische Zustand, die Struktur, die chemische Zusammensetzung u.s.w.
                                 										verändert werden. Dieses Prinzip gewährt uns die Beherrschung der Qualität. Auf
                                 										die Kraft wurde es erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts erweitert. Auf ihm
                                 										beruht die bearbeitende Industrie in ihren zahllossen Zweigen.
                              Das Prinzip der Abfallverwertung. Von jedem Stoff,
                                 										von jeder Kraft geht im technischen Prozess etwas verloren. Ein Teil wird durch
                                 										Widerstände aufgerieben, ein anderer gerät in einen Zustand, der der
                                 										Verwertbarkeit entbehrt. Das dem Prinzip zu Grunde liegende Bestreben hat schon
                                 										umfangreiche Industriezweige ins Leben gerufen (z.B. die Anilinfabrikation). Die
                                 										Abfälle sind teils reine Verluste, teils bringen sie noch Schaden hervor. Das
                                 										Prinzip wird von manchen als Verwandlung von Nachteil in Vorteil gedeutet.
                              Das Prinzip der Wirkungserhöhung. Jeder technische
                                 										Prozess besitzt einen bestimmten Wirkungsgrad, der immer ein echter Bruch ist.
                                 										Quantitativ betrachtet ist jeder technische Prozess mit einem Verluste
                                 										verknüpft. Da aber der Kernpunkt in der Qualität (auch Verwertbarkeit) liegt, so
                                 										erzielt man dennoch einen Vorteil. Nur bleibt in jedem Einzelfalle das
                                 										Grundbestreben, den Verlust thunlichst zu verringern. Das Grundprinzip der
                                 										Wirtschaft überhaupt ist die Formel: „Do ut des“. Und dieses
                                 										wirtschaftliche Prinzip durchdringt die ganze Technik.
                              Das Prinzip der Auslösung. Ein unbegrenzt grosser
                                 										Vorrat an Energie in latentem Zustande kann vermittelst einer geringen
                                 										Kraftwirkung ausgelöst werden. Der Schneller eines Gewehrschlosses, das
                                 										elektrische und das mechanische Relais, das Dampfventil u. dgl. sind die
                                 
                                 										allgemein bekannten Sinnbilder dieses Prinzips, welches die Macht des schwachen
                                 										Menschen über die kräftige Natur begründet.
                              Das Prinzip des Automatismus. Unsere sämtlichen
                                 										Kraftmaschinen sind so eingerichtet, dass sie sich selbst regulieren. Sehr viele
                                 										maschinelle Einrichtungen bedienen sich selbstthätig. Es sind bereits Uhren
                                 										gemacht worden, deren Triebfeder durch die Schwankungen des Luftdrucks
                                 										nachgezogen wird. Ueberhaupt macht sich in der Technik überall das Bestreben
                                 										geltend, den Anteil des Menschen an der Arbeit möglichst zu vermindern.
                              Das Prinzip der Präzision. Hierher zählen wir alles,
                                 										was exakt, akkurat, genau und sicher heisst, somit auch Herrmann's Sicherung des Erfolges und Reuleaux' Kettenschliessung. Im praktischen Maschinenbau wurde das
                                 										Prinzip hauptsächlich durch die Bemühungen des englischen Ingenieurs Josef Withworth (gest. 1887) allgemein eingeführt.
                                 										Nur die volle Beherrschung dieses Prinzips ermöglicht die Massenproduktion von
                                 										Nähmaschinen, Feuerwaffen, Fahrrädern u. dgl., wo die verschiedenen Teile, jeder
                                 										für sich hergestellt, aufs genaueste aneinander passen müssen.
                              Das Prinzip der stetigen Wirkung, Unterbrechungen
                                 										sind immer störend. Besonders da, wo Heizung vorkommt, werden oft
                                 										kontinuierliche Prozesse an die Stelle periodischer eingeführt. Die einfache
                                 										Drehbewegung und das Rad versinnlichen dieses Prinzip. Es tritt somit auch da
                                 										auf, wo z.B. die Fräse anstatt des Hobels zur Anwendung kommt. Das Rad ist aber
                                 										jenes Attribut der Maschine, welches sie von dem Organismus unterscheidet.
                                 										Periodizität ist das Prinzip des Organischen, Stetigkeit dasjenige des
                                 										Maschinellen.
                              Das Prinzip der Vervielfältigung. Die schöne Kunst
                                 										bringt das Unikum hervor. Das Nachbilden ist Sache der Technik. Die Verbindung
                                 										beider macht das Kunstgewerbe. Massenproduktion ist überhaupt nur als
                                 										Vervielfältigung denkbar. Es genügt, hier nur die Schnellpresse, die Kopierbank
                                 										und die Stanze zu nennen. Das Prinzip führt ebenfalls zur Verminderung des
                                 										Anteils des Menschen am Prozess. Es besitzt mehrere Grade: der erste Grad ist
                                 										die Matrize, der zweite die Patrize u.s.w.
                              Das Doppelprinzip der Spezialisation und des Universalismus. Seit Adam
                                    											Smith ist das Prinzip der Spezialisation allgemein anerkannt. Indessen
                                 										darf man nicht ohne weiteres sagen: die Spezialisation bezeichnet einen
                                 										technischen Fortschritt, der Universalismus dagegen einen Rückfall. In sehr
                                 										vielen Fällen sind z.B. Universalmaschinen besser am Platz als Spezialmaschinen.
                                 										Es ist auch nicht einzusehen, weshalb man nicht einen technischen Fortschritt in
                                 										solchen Einrichtungen sehen sollte, die mit geringen Arbeitsmitteln verschiedene
                                 										Arbeit verrichten.
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)