| Titel: | Die Anwendung des überhitzten Dampfes im Dampfmaschinenbetriebe. | 
| Autor: | O. Herre | 
| Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 131 | 
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                        Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
                           								Dampfmaschinenbetriebe.
                        Von O. Herre, Ingenieur
                           								und Lehrer.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 113 d.
                           								Bd.)
                        Die Anwendung des überhitzten Dampfes im
                           								Dampfmaschinenbetriebe.
                        
                     
                        
                           2. Die
                                 									Heissdampfmaschinen.
                           Die empfindlichsten Teile der Dampfmaschine beim Betriebe mit Heissdampf sind die
                              									Steuerung, die Kolbenringe und die Stopfbüchsen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 131
                              Zwillingsheissdampfmaschine von der Maschinenfabrik Christoph in
                                 										Niesky.
                              
                           Nicht entlastete Schiebersteuerungen sind unbrauchbar, weil die unter hohem
                              									Flächendruck arbeitenden Gleitflächen nicht genügend in Oel gehalten werden könnten.
                              									Es kommen daher nur Ventile oder vollständig entlastete Kolbenschieber als
                              									Steuerungsorgane in Betracht. Schmidt hat bei seinen
                              									Heissdampfmaschinen sowohl Ventile, als auch besonders ausgebildete Kolbenschieber
                              									angewendet.
                           Die zweite Schwierigkeit, die Erhaltung sauberer Gleitflächen zwischen Cylinder und
                              									Kolben, hat Schmidt dadurch gehoben, dass er den Kolben
                              									über die Lage der Kolbenringe hinaus nach hinten verlängerte. Hierdurch werden
                              									die Kolbenringe der direkten Einwirkung des hocherhitzten Dampfes entzogen.
                           Schliesslich wandte Schmidt noch einfach wirkende
                              									Cylinder an, um Stopfbüchsen an der Kolbenstange überhaupt vermeiden zu können.
                           In den Fig. 90 bis 93 ist eine liegende zweicylindrigeund einfach
                              									wirkende Heissdampfmaschine mit Auspuff von 350 mm Cylinderbohrung, 560 mm Hub und
                              									150 Umdrehungen in der Minute nach der Ausführung der Maschinenfabrik von J. E. Christoph in Niesky dargestellt.
                           Der überhitzte Dampf strömt bei a (Fig. 91) in die Maschine
                              									ein, b ist ein Absperrventil, c ein Thermometer.
                           Die Dampf Verteilung erfolgt durch eine Kolbenschiebersteuerung nach dem D. R. P. Nr.
                              									76675. Fig. 93 zeigt die Steuerung im Querschnitt.
                              									Der rechte Schieber dient zum Einlass, der linke zum Auslass. Der Dampf strömt in
                              									den mittleren Kanal d und gelangt von hier durch die
                              									muschelförmige Einbuchtung des Einlassschiebers je nach der Stellung desselben
                              									entweder in den oberen Cylinderkanal e1 (Fig. 93), der zum
                              									rechten Cylinder I führt, oder in den unteren
                              									Cylinderkanal e2, der
                              									mit dem linken Dampfcylinder II in Verbindung steht.
                              									Bei der rückläufigen Bewegung der Dampfkolben wird dann der Dampf durch die
                              									Cylinderkanäle e1 bezw.
                              										e2 zum
                              									Auslassschieber f geführt, durch dessen Hohlraum er
                              									dann zum Auslassrohr g (Fig. 91) entweicht. Der
                              									Einlassschieber ist ebenfalls als Hohlcylinder ausgebildet und so eingebaut, dass
                              									der Abdampf denselben innen umspült und demnach kühlt. Dass letzteres wirklich
                              									eintritt, lässt sich aus dem Umstände erkennen, dass der Auspuffdampf gewöhnlich
                              									noch um 50° überhitzt ist, während er im Dampfcylinder infolge der Expansion in der
                              									Regel in den Sättigungszustand eintritt. Die Ueberhitzung kann daher nur durch
                              									Wärmeaufnahme beim Passieren des Einlassschiebers erfolgt sein.
                           Der Antrieb der Schieber erfolgt durch je einen im Abdampfraum liegenden Hebel,
                              									dessen Schwingungsachse durch eine Drehstopfbüchse nach aussen geführt ist, wo ein
                              									zweiter Hebel aufgekeilt ist, der von einem Exzenter in Schwingungen versetzt wird.
                              									Die Regulierung wird durch einen Achsenregulator bewirkt, der die Verstellung des
                              									Exzenters für den Einlassschieber veranlasst, während der Auslassschieber mit festen
                              									Perioden arbeitet.
                           Die beiden Dampfkolben, welche auf zwei um 180° versetzte Kurbeln wirken, sind in der
                              
                              									schon besprochenen Art ausgeführt. Aus den Fig. 91 und 92 ist die Verlängerung
                              
                              									der Kolben nach hinten ersichtlich. Die Kolbenringe arbeiten auf diese Weise in
                              									einer Zone, die von dem hochüberhitzten. Dampf nicht direkt getroffen wird, und die
                              									auch bei jeder Umdrehung eine Kühlung durch die Atmosphäre erfährt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 132
                              Fig. 93. Zwillingsheissdampfmaschine von der Maschinenfabrik Christoph in
                                 										Niesky.
                              
                           Stopfbüchsen sind ganz vermieden, mit Ausnahme der beiden Drehstopfbüchsen für die
                              									Steuerung, die aber nur kleine Bewegungen vermitteln und im Abdampf liegen.
                           Die besprochene Zwillingsmaschine leistet bei 150 Umdrehungen etwa 100 e und zwar bei einem Dampf verbrauch von etwa 7 kg
                              									pro i und Stunde, während sich der
                              									Kohlenverbrauch auf etwa 0,8 bis 1,1 kg stellt. Für eine Auspuffmaschine mit
                              									einmaliger Expansion darf dies als ein sehr günstiges Resultat bezeichnet
                              									werden.
                           In den Fig. 94 und 95 ist noch eine
                              									liegende Verbundheissdampfmaschine mit Kondensation der Firma J. K Christoph in Niesky wiedergegeben. Die beiden
                              									nebeneinander liegenden Cylinder wirken auf Kurbeln, die um 90° versetzt sind. Der
                              									Hochdruckcylinder ist hier ebenfalls einfach wirkend und wird durch Ventile
                              									gesteuert. Der Niederdruckcylinder dagegen ist doppelt wirkend und besitzt
                              									Schiebersteuerung mit Trick'schem Zwischenkanal.
                           Da die Niederdruckcylinder der Verbundmaschinen stets mit gesättigtem Dampf arbeiten,
                              									wenn nicht besondere Zwischenüberhitzung angewendet wird, so können sie auch doppelt
                              									wirkend ausgeführt werden und erfordern auch sonst keine besondere Behandlung.
                           Als Beispiele von Heissdampfmaschinen mit einem doppelt wirkenden Niederdruckcylinder
                              									seien hier erwähnt: Die 100pferdige Verbundmaschine von Felix Schöller jr. in Burg Gretesch bei OsnabrückZeitschr. d. Ver.
                                       												deutsch. Ingen., 1896 S. 1392 und 1393., welche
                              									zwei einfach wirkende Hochdruckcylinder besitzt, und die Verbundmaschine der
                              										Maschinenfabrik Gritzner, A.-G., in DurlachZeitschrift des Vereins
                                       												deutscher Ingenieure, 1897 S. 1437. mit einem einfach
                              									wirkenden Hochdruckcylinder.
                           Von wesentlich anderer Konstruktion ist die in den Fig. 96 bis 100 dargestellte
                              									Verbundheissdampfmaschine mit Kondensation der Ascher
                                 										siebener Maschinenbau-A.-G. vorm. W. Schmidt und Co.
                           Beide Cylinder sind einfach wirkend und arbeiten nach dem Tandem-System auf eine
                              									Kurbel. H ist der Hochdruckcylinder, N der Niederdruckcylinder. Der Aufnehmer (Receiver)
                              									wird durch den Rauminhalt der Ueberströmungskanäle und der vorderen Cylinderseite
                              										R gebildet und ist daher mit der Kolbenbewegung
                              									veränderlich. Die Dampfverteilung wird durch eine Ventilsteuerung bewirkt.
                           Auf Grund dieser eigentümlichen Bauart ergibt sich folgende Wirkungsweise des
                              									Dampfes, die sich sehr gut an den aufgenommenen Indikatordiagrammen einer solchen
                              									Maschine (Fig. 101 bis 104) verfolgen lässt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 132
                              Verbundheissdampfmaschine mit Kondensation von der Maschinenfabrik Christoph
                                 										in Niesky.
                              
                           Erster Hub. Der Heissdampf tritt durch das Absperrventil
                              										a und das Einlassventil b des Hochdruckcylinders (Fig. 96 bis 100) in den letzteren
                              									ein und treibt den Kolben vorwärts. Es findet Füllung und Expansion statt. Kurz vor
                              									dem Hubwechsel wird durch Oeffnung des Auslassventils c
                              									die Vorausströmung eingeleitet, so dass sich die Spannung im Hochdruckcylinder mit
                              									der Aufnehmerspannung ausgleichen kann. Die Spannungsänderung während dieses Hubes
                              									wird durch die obere Linie des Hochdruckdiagramms (Fig.
                                 										101) wiedergegeben.
                           
                           Zweiter Hub. Der Kolben bewegt sich zurück und
                              									drückt seinen Vorderdampf durch das Ventil c in den
                              									Aufnehmer R. Das Einlassventil d für den Niederdruckcylinder N, der durch
                              									den ringförmigen Raum zwischen grossen und kleinen Kolben gebildet wird, bleibt bei
                              									diesem Hube geschlossen. Da sich das Dampfvolumen während dieses Vorganges
                              									vergrössert, muss die Spannung abnehmen. Kurz vor dem Hubwechsel wird das
                              									Auslassventil c im Hochdruckcylinder geschlossen, um
                              									Kompressionsdampf für den letzteren zurückzubehalten. Das Hochdruckdiagramm Fig. 101 zeigt daher in der unteren Dampf kurve von
                              									rechts nach links die fallende Expansionslinie für die Ueberströmung des Dampfes in
                              									den Aufnehmer und zuletzt die steigende Kompressionslinie für die Kompression im
                              									Hochdruckcylinder. Das Aufnehmerdiagramm Fig. 102
                              									zeigt andererseits in der oberen Linie wiederum die dem Hochdruckdiagramm
                              									entsprechende gemeinsame Expansionskurve der Ueberströmung, nur in grösserem
                              									Kräftemassstabe, und dann am Hubende das kurze etwas schneller abfallende
                              									Kurvenstück, welches die etwas stärkere Expansion im Aufnehmer nach dem Abschluss
                              									des Hochdruckcylinders darstellt.
                           Dritter Hub. Bewegt sich jetzt der Kolben wieder nach
                              									der Kurbel hin, so wird das Einlassventil d des
                              									Niederdruckcylinders geöffnet und der Dampf strömt vom Aufnehmer U nach dem Niederdruckcylinder N. Da sich hierbei das Gesamtvolumen etwas verkleinert, so muss die
                              									Spannung, wenn auch nur wenig, steigen. Ist der Niederdruckcylinder auf einer
                              									bestimmten Hubstrecke gefüllt, so schliesst sich das Ventil d und der eine Teil des Dampfes muss im Aufnehmer komprimiert werden,
                              									während der andere Teil im Niederdruckcylinder expandiert. Vor Erreichung des
                              									Totpunktes wird einerseits der Aufnehmer durch das Ventil b mit dem Hochdruckcylinder verbunden, wo die Vorausströmung beginnt,
                              									während andererseits der Niederdruckcylinder zum rechtzeitigen Druckausgleich durch
                              									das Auslassventil e mit dem Kondensator in Verbindung
                              									tritt.
                           Das Aufnehmerdiagramm Fig. 102 und das
                              									Niederdruckdiagramm Fig. 103 geben die
                              									Spannungsänderungen wieder. Der erste Teil der unteren Linie in Fig. 102 und der entsprechende Teil der oberen
                              									Linie in Fig. 103 zeigen die ganz wenig ansteigende,
                              
                              									fast gerade verlaufende Kompressionslinie, welche die Füllungsperiode des
                              									Niederdruckcylinders darstellt. Die Kompression ist nur eine geringe, weil das
                              									gesamte Volumen des konstanten und veränderlichen Aufnehmers im Verhältnis zu der
                              									Volumenverminderung sehr gross ist. An diese Linien der gemeinsamen Dampfwirkung
                              									schliessen sich einerseits im Aufnehmerdiagramm die Kompressionslinie, andererseits
                              									im Niederdruckdiagramm die Expansionslinie an, worauf in beiden Diagrammen die
                              									kurzen Kurvenstücke für die Druckausgleichungen folgen.
                           Vierter Hub. Der zurückeilende Kolben drückt den Dampf
                              									aus dem Niederdruckcylinder in den Kondensator, bis sich das Ventil e für den Auslass schliesst und der zurückbehaltene
                              									Dampf entsprechend der unteren Linie in Fig. 103
                              									komprimiert werden muss.
                           Da das Aufnehmerdiagramm Fig. 102 eine positive Fläche
                              									liefert, so leistet der Aufnehmer eine bestimmte Arbeit. Die Maschine könnte daher
                              									auch als Dreicylindermaschine angesehen werden. Die Volumenverhältnisse der drei
                              									Cylinder ergeben sich aus den Längen der rankinisierten Diagramme Fig. 104. Der Aufnehmer, d.h. der variable Teil
                              									desselben, hat hiernach das grösste Volumen, ist aber in der Reihenfolge der drei
                              									Cylinder der zweite.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 133
                              Verbundheissdampfmaschine mit Kondensation von der Ascherslebener
                                 										Maschinenbau-A.-G. vorm. Schmidt und Co.
                              
                           Die vorstehend beschriebene eigentümliche Wirkungsweise des Aufnehmers bedingt trotz
                              									der einfach wirkenden Cylinder einen sehr gleichmässigen Gang der Maschine, da bei
                              									jedem Hube eine bestimmte Ueberdruckarbeit geleistet wird, so dass die Maschine in
                              									Wirklichkeit doppelt wirkend ist.
                           Ein weiterer Vorzug der in den Fig. 96 bis 100 dargestellten Maschine ist noch darin zu finden, dass einerseits der
                              									Niederdruckcylinder durch den Aufnehmerdampf geheizt wird, während dieser
                              									andererseits infolge des hohl ausgebildeten Tauchkolbens eine Kühlung der
                              									Kolbenringe des Hochdruckkolbens veranlasst. Die einzige vorhandene Stopfbüchse
                              									kommt nur mit dem Aufnehmerdampf in Berührung und kann infolgedessen zu Anständen
                              									nicht mehr Veranlassung bieten, als jede andere Stopfbüchse. Auch die Gefahr, dass
                              									Dampf durch die nicht ganz dicht schliessenden Kolbenringe des Hochdruckkolbens nach
                              									dem Niederdruckcylinder entweichen könnte, ist bei dieser Maschine nicht grösser als
                              									bei jeder anderen Zweicylindermaschine, weil die Druckdifferenz der beiden Cylinder niemals
                              									gleich dem ganzen Spannungsgefälle ist. Für den einen Hub herrscht die
                              									Druckdifferenz zwischen Kesseldampf und Aufnehmerdampf, für den anderen Hub
                              									diejenige zwischen Aufnehmerdampf und Kondensator.
                           Wohl die grösste gegenwärtig im Betrieb befindliche Heissdampfanlage ist nach dem
                              									vorstehend beschriebenen System ausgeführt; es ist dies die
                              									Zwillings-Verbund-Heissdampfmaschine des Eisenhüttenwerkes
                                 										Thale a. H.Seemann, Zeitschrift des Vereins deutscher
                                       												Ingenieure, 1897 S. 1435..
                           Die beiden liegenden Tandem-Maschinen von der in den Fig. 96 bis 100 dargestellten
                              									Konstruktion arbeiten mit Kondensation und wirken auf zwei um 90° versetzte Kurbeln.
                              									Von der gemeinsamen Hauptwelle wird der Effekt durch Seiltransmission an das
                              									Blechwalzwerk überführt. Die Hochdruckcylinder haben 460 mm Durchmesser, die
                              
                              									Niederdruckcylinder 950 mm; der gemeinsame Hub beträgt 1000 mm. Bei 12 kg
                              									Anfangsspannung und 80 Umdrehungen in der Minute leisten die Maschinen normal 500
                              									. Die Dampftemperatur beträgt durchschnittlich 340°.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 134
                              Fig. 101.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 134
                              Fig. 102.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 134
                              Fig. 103.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 312, S. 134
                              Fig. 104.
                              
                           Trotz der oft wechselnden Beanspruchung, die bis 750  ansteigt, haben sich
                              									die Maschinen in den abgelaufenen ersten beiden Betriebsjahren vollständig
                              									bewährt.
                           Die Kesselanlage besteht aus zwei liegenden Heissdampfkesseln, ähnlich dem in Fig. 87 dargestellten. Die Heizfläche des Flammrohres
                              
                              									(Wellrohr) beträgt 26 qm, diejenige des Mantels 23 qm. Der Ueberhitzer besitzt 37 qm
                              									Heizfläche und der Vorwärmer 45,5 qm. In der ersten Zeit des Betriebes
                              									versorgte nur einer der Kessel die beiden
                              									vollbelasteten Maschinen mit Dampf.
                           Nach eingehenden Messungen, die von Geheimrat Prof. Lewicki-Dresden vorgenommen wurden, betrug der Dampf verbrauch der Anlage
                              										nur 4 kg pro i
                              									und Stunde. Es dürfte dies der geringste Dampfverbrauch
                              									sein, den bisher eine Dampfmaschine aufweisen konnte.
                           Die Anwendung einfach wirkender Cylinder erschwert die Verbreitung der
                              									Heissdampfmaschinen für grosse Leistungen, da die Maschinen sehr umfangreich und
                              									teuer werden. Es sind daher Versuche ausgeführt worden, um festzustellen, ob auch
                              									doppelt wirkende Maschinen für die direkte Benutzung des Heissdampf es verwendet
                              									werden können.
                           W. Schmidt benutzt bei doppelt wirkenden Maschinen die
                              									sogen. Füllungsüberhitzung. Das Prinzip derselben
                              									besteht darin, dass die Ueberhitzungstemperatur mit der Füllung veränderlich ist,
                              									indem grösseren Füllungen kleinere Ueberhitzungstemperaturen entsprechen. Es hat
                              									sich nämlich gezeigt, dass bei sehr kleinen Füllungen bis 15 und 20 % die volle
                              									Ueberhitzung (350°) angewandt werden darf, wenn der Kolben entsprechend gebaut ist,
                              									d.h. wenn er nach beiden Seiten eine so bedeutende Verlängerung erhält, dass die
                              									Kolbenringe fast nur in der Sättigungszone bleiben. Die Sättigungszone ist um so
                              									grösser, je kleiner bei gegebener Anfangstemperatur die Füllung ist. Wird die
                              									Füllung vergrössert, so tritt der Sättigungszustand später ein. Soll nun die
                              									Forderung erfüllt werden, dass der Sättigungszustand bei allen Füllungen möglichst
                              									bei derselben Kolbenstellung eintritt, dann muss die Anfangstemperatur in einer ganz
                              									bestimmten Beziehung zur Grösse der Füllung stehen; jene muss abnehmen, wenn diese
                              									zunimmt. Die Aufgabe der Füllungsüberhitzung besteht demnach darin, den Grad der
                              									Ueberhitzung im Verhältnis zur Füllung so zu regeln, dass der Sättigungszustand
                              									nahezu in derselben Kolbenstellung erfolgt und die Kolbenringe infolgedessen fast
                              									nur in der Sättigungszone arbeiten.
                           Die Regelung der Ueberhitzungstemperatur kann nun in sehr verschiedener Weise
                              									erfolgen. Die Ueberhitzung am Kessel wird immer möglichst in gleicher Höhe von 350
                              									bis 380° gehalten.
                           Bei eincylindrigen Auspuffmaschinen ist es denn am einfachsten, die
                              									Eintrittstemperatur dadurch herabzusetzen, dass man dem überhitzten Dampf
                              									gesättigten zumischt. Zu diesem Zwecke ist eine direkte Zuleitung vom Kessel
                              									vorhanden, die durch ein vom Regulator beherrschtes Ventil abgeschlossen wird.
                              									Solange die Füllung weniger als 20 % beträgt, wird nur überhitzter Dampf verwendet.
                              									Steigt die Füllung, so beginnt der sich herabsenkende Regulator das Ventil der
                              									Nassdampfleitung zu öffnen, so dass um so mehr Kühldampf zum Heissdampf tritt, je
                              									grösser die Füllung wird. Bei tiefster Lage des Regulators wird dann zur einen
                              									Hälfte mit Heissdampf, zur anderen mit gesättigtem Dampfe gearbeitet.
                           Bei Verbundmaschinen verwendet man die überschüssige Wärme zur Ueberhitzung des
                              									Aufnehmerdampfes.
                           In die Hauptdampfleitung ist eine vom Regulator beeinflusste Drosselklappe
                              									eingeschaltet. Bei kleinen Füllungen ist dieselbe ganz geöffnet, so dass der Dampf
                              									unmittelbar in den Hochdruckcylinder einströmt, bei grösseren Füllungen schliesst
                              									sie sich und zwingt den Dampf, ein Abzweigerohr zu passieren, welches zu einem
                              									Heizrohrsystem führt, das in den Aufnehmer eingebaut ist. Je grösser somit die
                              									Füllung ist, um so mehr muss der Dampf dieses Rohrsystem passieren und seine
                              									Ueberhitzungswärme an den Aufnehmerdampf abgeben, bevor er in den Hochdruckcylinder
                              									eintreten kann. Diese Ausführungsart besitzt demnach noch den Vorteil einer
                              									Zwischenüberhitzung.
                           Wenn es gelingen sollte, mit Hilfe der Füllungsüberhitzung die bisher an einfach
                              									wirkenden Maschinen erzielten ökonomischen Vorteile auf die doppelt wirkenden
                              									Maschinen zu übertragen, so würde sich der Heissdampf auch sehr schnell in das
                              									Gebiet der Grossdampfmaschinen einführen.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)