| Titel: | Die Nernst-Lampe der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 312, Jahrgang 1899, S. 198 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die Nernst-Lampe der Allgemeinen
                           								Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin.
                        Die Nernst-Lampe der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft,
                           								Berlin.
                        
                     
                        
                           
                              
                              Im Mai 1899 hielt Prof. Dr. Walther Nernst aus
                                 									Göttingen im Sitzungssaale der Allgemeinen
                                       										Elektrizitätsgesellschaft in Berlin vor einem geladenen Publikum einen mit
                                 									Demonstrationen verbundenen Vortrag über die von ihm erfundene neue Glühlampe.
                              
                           Generaldirektor Rathenau begrüsste zunächst die
                              									Anwesenden und führte folgendes aus:
                           
                              „Sicherlich erinnern sich einzelne von Ihnen, meine Herren, der elektrischen
                                 										Ausstellung in Paris vor 17 Jahren und der ersten Vorführung der
                                 										Glühlichtbeleuchtung. Mehrere geräumige Säle waren mit den Erfindungen und
                                 										Konstruktionen Edison's angefüllt; den Kernpunkt
                                 										dieser Darbietungen, vielleicht der gesamten Ausstellung, bildete das neue
                                 										Beleuchtungssystem.
                              
                           
                              Seit Jahrzehnten hatte man sich daran gewöhnt, die einzige Möglichkeit
                                 										zentralisierter Beleuchtung im Gaslicht zu sehen, und die Gasanstalten
                                 										hatten, im beruhigten Vertrauen auf ihre Monopole, sich im wesentlichen damit
                                 										beschäftigt, durch Verbilligung ihrer Gasbereitung die Einnahmen zu
                                 										steigern.
                              
                           
                              Hier in Paris zeigte sich nun ein Beleuchtungssystem, der Eigenart einer neuen, im
                                 										grossen Massstabe nie benutzten Naturkraft angepasst und durchgearbeitet bis auf
                                 										die letzten Einzelheiten, das in jedem Sinne von allem abwich, was man bisher in
                                 										Gaszentralen zu sehen gewohnt war.
                              
                           
                              Hier handelte es sich nicht mehr um eine Lampe, sondern um ein System. Dampfdynamos von bisher unbekannter
                                 										Konstruktion und Leistungsfähigkeit, ein durchgearbeitetes Leitungsnetz, das an
                                 										jeder Stelle den Strom mit vorausberechneter Spannung zu entnehmen gestattete,
                                 										komplette Hausinstallationen mit geeigneten Leitungen und Isolationen:
                                 										Reguliervorrichtungen und Sicherungen, nicht anders, als sie noch heutigen Tages
                                 										verwendet werden – kurz, der ganze Apparat der modernen elektrischen
                                 										Beleuchtungstechnik, wohl zwar verbesserungsfähig, doch immerhin in allen
                                 										Grundzügen fertiggestellt, lag hier als Werk eines einzelnen Mannes vor den
                                 										Augen der Welt. Auch die Lampe selbst hatte bereits mit dem Kohlenbügel, der
                                 										Glasbirne und der Metallfassung ihre endgültige Gestalt angenommen. Entsprechend
                                 											Edison's damaligem Patentanspruch: „Eine
                                    											elektrische Lampe, die durch Weissglühen Licht gibt und in der Hauptsache
                                    											aus Kohlenfaser von grossem Widerstände besteht, welche, wie beschrieben
                                    											hergestellt und mit den metallischen Drähten verbunden ist,“ werden noch
                                 										heute Millionen von Glühlampen jährlich in allen Kulturländern hergestellt. Dass
                                 										der Erfinder den verdienten Lohn seiner Arbeit nicht gefunden hat, sei nebenher
                                 										erwähnt: nur in wenigen Ländern vermochte die Patentgesetzgebung sein Eigentum
                                 										gegen die Unzahl der auftauchenden Nachahmungen zu schützen.
                              
                           
                              Für den Elektriker ergab sich nun die Aufgabe, Zentralen zu bauen und die
                                 										Ausnutzbarkeit derselben nach Möglichkeit zu steigern. Um letzteres zu
                                 										erreichen, sind zwei Wege vorhanden: man schafft entweder Lampen mit möglichst
                                 										geringem Stromverbrauch oder solche, die es gestatten, mit möglichst hoher
                                 										Spannung zu arbeiten. Im ersten Falle reicht die ganze Zentrale für eine
                                 										grössere Zahl von Lampen aus, im zweiten Falle wird das Leitungsnetz in seiner
                                 										Aufnahmefähigkeit verstärkt.
                              
                           
                              In beiden Richtungen ist seit den achtziger Jahren gearbeitet worden, und nicht
                                 										ohne Erfolg. Der Stromverbrauch der Lampen hat sich erheblich vermindern lassen,
                                 										und es ist gelungen, bis mehr als zum Doppelten der früher üblichen Spannung zu
                                 										gelangen. Damit scheint aber die Ausbildungsfähigkeit der Kohlenglühlampe
                                 										erschöpft zu sein, und es bedurfte eines neuen Prinzips, um einen Schritt vorwärts zu kommen.
                              
                           
                              Ich überlasse es Berufeneren, Ihnen, meine Herren, darüber zu berichten, wie es
                                 										möglich wurde, als Glühkörper Stoffe zu verwenden, die man bisher als
                                 
                                 										Nichtleiter der Elektrizität betrachtete, und so eine Lampe herzustellen, die an
                                 										Oekonomie die bisherigen weit übertrifft und Spannungen zu verwenden gestattet,
                                 
                                 										denen die Kohlenglühlampe nicht würde widerstehen können. Mein Bericht hatte nur
                                 										den Zweck, zu erläutern, dass das Wesen der neuen Beleuchtung nicht allein in
                                 										der Ersparnis von ein paar Zentnern Kohlen liegt, sondern dass es sich um
                                 										weitergehende Aufgaben handelt: die Ausnutzung der
                                    											Leitungsnetze und Zentralen und die Schaffung eines billigen Lichtes für den
                                    											bürgerlichen Hausbedarf. So wenig wie irgend eine der neueren
                                 										Beleuchtungsarten irgend eine der alten verdrängt hat, glaube ich, dass die
                                 										Nernst-Lampe sich an die Stelle des Glühlichts oder des Bogenlichtes setzen
                                 										wird. Ihr Platz wird in der Mitte zwischen beiden sein, und sie wird sich zum
                                 										Kohlenglühlicht etwa so verhalten wie die Auer-Lampe zum alten Gaslicht.
                              
                           
                              Wiederum stehen wir, meine Herren, wie damals in Paris, an der Wiege einer neuen
                                 										Beleuchtungsart. Zwar handelt es sich hier nicht um neue Naturkräfte und
                                 										ungeahnte Wirkungen, sondern um die rationelle und wirtschaftliche Verwendung
                                 										der Elektrizität zur Beleuchtung. Sollten aber die Hoffnungen weiterer Kreise
                                 										sich in der That verwirklichen – und nach den bisherigen Ergebnissen liegt kein
                                 										Grund vor, daran zu zweifeln –. so wird das elektrische Licht mit Erfindung der
                                 										elektrolytischen Leuchtkörper nicht länger als Vorrecht der Begüterten seinen
                                 										Triumphzug auf Paläste und vornehme Häuser beschränken; die neue Lampe wird
                                 										alsdann vielmehr in die Hütten und Werkstätten Minderbemittelter eindringen und
                                 										den Wettbewerb mit untergeordneten Beleuchtungsmitteln auch in ökonomischer
                                 										Hinsicht erfolgreich bestehen.“
                              
                           Hierauf nahm das Wort Prof. Dr. Walther Nernst aus
                              									Göttingen:
                           
                              „Hochverehrte Anwesende! Wenn ich an die Worte des Herrn Generaldirektors gleich
                                 										anknüpfen darf, so möchte ich meiner Freude über das gute Omen Ausdruck geben,
                                 										dass meine Lampe unter den Auspizien des verehrten Vorredners der
                                 										Oeffentlichkeit übergeben werden soll. Dieselbe Energie und Thatkraft, mit
                                 										welcher die Direktion der Allgemeinen
                                    											Elektrizitätsgesellschaft, in erster Linie ihr Generaldirektor, der Edison'schen Lampe sieb angenommen hat – besitzt
                                 										diese Gesellschaft doch heute die grösste Glühlampenfabrik der Welt! – hat uns
                                 										nunmehr in den Stand gesetzt, Sie zur Vorführung der neuen Lampen
                                 										einzuladen. Und heute möchte ich daher zuerst die Gelegenheit ergreifen, um
                                 										meiner Dankbarkeit dafür Ausdruck zu geben, dass der Herr Generaldirektor Rathenau und der Leiter der Glühlampenfabrik, Herr
                                 											Bussmann, durch die grossen Schwierigkeiten,
                                 										auf die wir bei der praktischen Ausgestaltung der neuen Lampen stiessen, niemals
                                 										sich entmutigen, vielmehr zu immer grösseren Anstrengungen sich anspornen
                                 										liessen. –
                              
                           
                              Im Jahre 1877 liess sich Jablochkoff eine elektrische
                                 										Lampe patentieren, bei der Plättchen aus Kaolin und ähnlichen Substanzen durch
                                 										die Funken einer Induktionsrolle erhitzt und hierauf durch den Strom der Rolle
                                 										im Glühen erhalten wurden. Teils wegen ihres schlechten Nutzeffekts, vor allem
                                 										aber wohl wegen der mannigfachen Gefahren und Missstände, die Spannungen von
                                 										vielen tausend Volt mit sich bringen, ist diese Lampe nie in Gebrauch gekommen
                                 										und deshalb fast völlig vergessen. Um so mehr scheint es mir eine Pflicht der
                                 										Pietät, wenn ich zunächst Ihnen den Jablochkoff-Versuch vorführe.
                              
                           
                              Ohne von dem erwähnten Patent Kenntnis zu haben, wurde ich durch rein theoretische
                                 										Erwägungen zu dem Schlusse geführt, dass mit Kohle oder anderen metallischen
                                 
                                 										Leitern als Glühkörper elektrische Glühlampen von gutem Nutzeffekt nicht
                                 										herzustellen sind, dass sie aber mit Leitern zweiter Klasse (elektrolytischen
                                 										Leitern) prinzipiell möglich sein müssen. Es ist ja bekannt, dass jede
                                 										Lichtquelle neben Lichtstrahlen auch Wärmestrahlen aussendet, welche letzteren
                                 										jedoch zum eigentlichen Zweck der Lampe nicht nur nichts beitragen, sondern
                                 										obendrein nutzlos Energie verzehren (beim gewöhnlichen Glühlichte ca. 97 %, beim
                                 										Bogenlichte ca. 90 % der hineingesteckten Energie); je höher man die Temperatur
                                 										der lichtspendenden Substanz steigern kann, um so günstiger wird das Verhältnis
                                 										von Licht zur Wärme, und der bessere Lichteffekt einer Bogenlampe beruht
                                 										lediglich darauf, dass man ihre Kohlenstifte durch den Lichtbogen auf weit
                                 										höhere Temperaturen bringt, als es der Faden einer Glühlampe auf die Dauer
                                 										verträgt. Da man nun aber aus praktischen Rücksichten die Temperaturen der
                                 										bisherigen elektrischen Lampen kaum wird erheblich steigern können, so ist auch
                                 										auf eine erhebliche Vermehrung des Lichteffekts wenig Aussicht
                                 									vorhanden.
                              
                           
                              Sehr viel weiter würde man natürlich kommen, wenn man als Glühkörper Substanzen
                                 										verwenden könnte, die wenig Wärmestrahlen emittieren, bei denen also die
                                 										hineingesteckte elektrische Energie möglichst vollständig als Licht erscheint.
                                 										Dass unter den metallisch leitenden Materialien, gleichgültig, ob es sich um
                                 										reine metallische Substanzen oder um Gemische von metallisch leitenden
                                 										Substanzen mit seltenen Erden o. dgl. handelt, solche Substanzen nicht zu finden
                                 										sein werden, scheint mir aus folgender Ueberlegung mit Sicherheit hervorzugehen.
                                 										Alle undurchsichtigen Stoffe müssen nach einem von Kirchhoff entdeckten und völlig sicheren Naturgesetze viel mehr
                                 										Wärmestrahlen als Lichtstrahlen aussenden, indem sie das sogen. normale Spektrum
                                 										eines schwarzen Körpers liefern; nach der ebenso vortrefflich begründeten
                                 										elektromagnetischen Lichttheorie müssen andererseits die metallisch leitenden
                                 										Stoffe undurchsichtig sein. Daraus folgt also, dass sehr ökonomische Lampen
                                 										(aussei- wenn man mit den Temperaturen der Bogenlampen oder womöglich noch
                                 										höheren operieren kann) mit metallischen Leitern nicht herzustellen
                                 									sind.
                              
                           
                              Eine gewisse Analogie zu unserem Problem bietet die Erzeugung des Lichts in den
                                 										Gasflammen; solange Kohlenteilchen, wie früher, ausschliesslich die Träger der
                                 										Lichtemission waren, hatte man stets durch strahlende Wärme empfindliche
                                 										Verluste, und ihr Ersatz durch Substanzen, die kein normales Spektrum liefern,
                                 										insbesondere durch den Auer'schen Strumpf, war
                                 										daher ein enormer Fortschritt. Dabei möchte ich vor einem weitverbreiteten
                                 										Missverständnis warnen; man braucht dem Auer'schen
                                 										Strumpf zwar weniger Energie hinzuzuführen als Kohlenteilchen, um eine gewisse
                                 										Lichtmenge zu erhalten, bei gegebener Temperatur aber strahlen umgekehrt
                                 										Kohlenteilchen mehr Licht aus als das Auer'sche
                                 										Gewebe, weil ja das Maximum der Emission, und zwar sowohl für Licht als für
                                 										Wärme, der Kirchhoff'sche schwarze Körper liefert.
                                 										Nur weil das Verhältnis von Licht zur Wärme beim Auer'schen Strumpf sehr viel günstiger ist als beim glühenden
                                 										Kohlenstoff, vermag der erstere viel leichter die hohe Temperatur der Flamme
                                 										anzunehmen, und deshalb ist der Auer-Brenner der gewöhnlichen Gasflamme so
                                 										bedeutend überlegen. Auf die, wie ich glaube, überzeugenden Experimente, die ich
                                 										zur Prüfung dieser Anschauung gemacht habe, kann ich hier nicht eingehen; nur
                                 										möchte ich noch bemerken, dass das Auer-Problem mir die Anregung zu den
                                 										Versuchen bot, die schliesslich zur Herstellung der neuen elektrischen Glühlampe
                                 										führten.
                              
                           
                              Es genügt nun zwar, das Auer'sche Gewebe in die
                                 										Gasflamme zu bringen, um es auf hohe Temperatur und damit zum hellen Leuchten zu
                                 										bringen; für uns aber bleibt die Frage bestehen, wie die elektrische Erhitzung von Magnesia und ähnlichen Oxyden möglich ist.
                                 										Von Funkenbildung abgesehen, vermag selbst hochgespannte Elektrizität solche
                                 										Substanzen wegen ihrer hohen Isolierfähigkeit nicht zu durchdringen und zu
                                 										erwärmen; „die Benutzung der Funken von grosser Spannung, um Streifen von
                                    											feuerfesten Körpern zur Weissglühhitze zu bringen“, wie der
                                 										Patentanspruch von Jablochkoff lautete, ist für die
                                 										Praxis, wie schon erwähnt, fast aussichtslos. Bekannt ist zwar, dass im
                                 										geschmolzenen Zustande Oxyde und andere Elektrolyte sehr gut leiten, aber es ist
                                 										ebenfalls aussichtslos, mit geschmolzenen Glühkörpern zu operieren. Die von van t'Hoff vor einigen Jahren entwickelte
                                 										Auffassung der festen Lösungen liess aber wenigstens die
                                    											Existenz fester Elektrolyte von praktisch genügender Leitfähigkeit
                                 										ahnen, und durch Vorversuche konstatierte ich alsbald, dass Gemische von Oxyden,
                                 										z.B. von Magnesia und Porzellan, bei hohen Temperaturen überraschend gute Leiter
                                 										werden.
                              
                           
                              Ein weiteres Bedenken liefert der Umstand, dass Elektrolyte durch den galvanischen
                                 										Strom chemisch zersetzt werden, und die Befürchtung lag nahe, dass derselbe
                                 										Strom, der den Elektrolyt in heller Weissglut erhält, alsbald ihn gleichzeitig
                                 										durch seine chemische Einwirkung zerstört. Bei Anwendung von Wechselströmen fand
                                 										ich die Elektrolyse zu geringfügig, um Störungen zu veranlassen, wie dies auch
                                 										von vornherein zu erwarten war. Schliesslich aber glückte es auch, die sehr viel
                                 										stärkere elektrolysierende Wirkung des Gleichstromes praktisch unschädlich zu
                                 										machen.
                              
                           
                              Damit aber sind wir immer noch nicht im stande, eine Lampe mit im kalten Zustande
                                 										isolierenden Glühkörpern zu bauen, denn auch nach Stromschluss bleibt der
                                 										Glühkörper als Isolator völlig kalt. Erwärmt man aber gleichzeitig den
                                 										Glühkörper, so wird er ein wenig leitend, ein schwacher Strom durchfliesst ihn,
                                 										bringt ihn nunmehr auf immer höhere Temperatur, unser Glühkörper wird zu einem
                                 										ausgezeichneten Leiter und bleibt es, solange der Strom geschlossen ist. Zur
                                 										Anregung des Glühkörpers ist also eine Vorwärmung erforderlich, und wir
                                 										konstruieren so durch Kombination eines elektrolytischen Glühkörpers mit einer
                                 										stets paraten äusseren Wärmequelle eine gebrauchsfertige Lampe. Die völlige
                                 										Unverbrennlichkeit der Oxyde macht das schützende Vakuum der gewöhnlichen
                                 										Glühlampe entbehrlich.
                              
                           
                              Am einfachsten macht sich die Vorwärmung des Glühkörpers mit einem Streichholze.
                                 										Man erhält so eine zwar billige, aber nicht sehr bequeme Lampe. Ein zweiter Weg
                                 
                                 										besteht in der Kombination des Glühkörpers mit einem elektrischen Heizkörper,
                                 										der auf geeignete Weise durch den Strom, welcher den Glühkörper durchfliesst,
                                 										ausgeschaltet wird; wir haben so die Automatlampe, die freilich ihr Licht erst
                                 										10 bis 20 Sekunden nach Stromschluss zu spenden vermag. Ich habe sowohl mit
                                 										feststehenden wie mit beweglichen Heizkörpern Lampen konstruiert.
                              
                           
                              Vielleicht könnte man meinen, dass nach den mitgeteilten Betrachtungen und auf
                                 										Grund der vorgeführten Versuche alle Bedenken beseitigt seien und dass man
                                 										nunmehr rüstig an die Fabrikation der Lampen gehen könne; ich selber muss
                                 										gestehen, dass ich vor etwa einem Jahre ebenfalls dieser Meinung war. Ich wusste
                                 										damals noch nicht, welche Hindernisse zu überwinden sind, ehe ein im
                                 										Laboratorium leidlich funktionierender Apparat der allgemeinen Benutzung
                                 										übergeben werden kann; und auch dann, wenn es gelungen ist, die weite Kluft
                                 										zwischen Erfindungsgedanken und seiner wirklichen Ausführung oder, wie man sich
                                 										in der Regel ausdrückt, zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken, hat man doch
                                 
                                 										noch einen weiten, dornenvollen Weg von der Laboratoriumspraxis bis zur Praxis
                                 										des täglichen Lebens zurückzulegen.
                              
                           Herr Bussmann wird die Freundlichkeit haben, seine
                                 										Erfahrungen über die praktische Ausgestaltung der neuen Lampen uns persönlich
                                 										mitzuteilen“.
                           Hiernach ergriff das Wort Bussmann, Oberingenieur der
                              									Glühlampenfabrik der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft
                                 										Berlin, der in Gemeinschaft mit Dr. Ochs und
                              									Dr. Salomon die Aufgabe gelöst hatte, die Erfindung von
                              									Prof. Nernst dem praktischen Gebrauch dienstbar zu
                              									machen. Bussmann führte folgendes aus:
                           
                              „Gegenüber der Kohle, die, wie schon erwähnt, in allen übrigen Lichtquellen
                                 										(Bogenlicht, Gaslicht, elektrisches Glühlicht) den leuchtenden Körper bildet,
                                 										haben die feuerfesten Körper der Nernst-Lampe den Vorteil, dass sie vom
                                 										Sauerstoff der Atmosphäre nicht angegriffen werden. Ein solcher Leuchtkörper
                                 										braucht also nicht in einem luftleeren Raum eingeschlossen zu werden; die vielen
                                 										Fehlerquellen, die das Evakuieren der gewöhnlichen Glühlampen verursacht,
                                 										bestehen daher für die neue Lampe nicht. Das Licht, das diese Körper
                                 										ausstrahlen, ist der Farbe nach dem Tageslicht sehr ähnlich. Es hat zwar nicht
                                 										die warmen gelben Farbentöne des Glühlichts, ist dafür aber ebenso frei von dem
                                 										Violett der Bogenlampe wie von dem Grün der Auer-Lampe.
                              
                           
                              Dem Kohlenbügel der Glühlampe gegenüber haben die neuen Leuchtkörper dagegen den
                                 										schon erwähnten Nachteil, dass sie bei gewöhnlicher Temperatur nicht leiten und
                                 										dass eine Erwärmung bis auf etwa 700° C. notwendig ist, um sie genügend leitend
                                 										zu machen.
                              
                           
                              In der Praxis geschieht die Erwärmung des Nernst'schen Leuchtkörpers in einfachster Weise mit einem brennenden
                                 										Streichholz; ist er zum Schutz gegen Bruch mit einer Glasglocke umgeben, so wird
                                 										er durch eine an der untersten Stelle der Glocke angebrachte Oeffnung mit einem
                                 										Spirituszünder erhitzt. Solche Lampen lassen sich leicht in der üblichen
                                 										Glühlampenform herstellen. Sie sind billig und gestatten überdies, den
                                 										Leuchtkörper, wenn er versagt, einfach gegen einen neuen auszuwechseln, Sockel
                                 										und Glocke aber wieder zu benutzen. Können die Lampen nicht so bequem angebracht
                                 										werden, dass das Anzünden von aussen möglich ist, oder erscheint das Anregen mit
                                 										einer Flamme zu umständlich, so kommen Lampen mit selbstthätiger Zündung in
                                 										Betracht. Die selbstthätige Anregung des Stiftes geschieht dadurch, dass der
                                 										elektrische Strom einen feinen Platindraht, der, auf ein Porzellanröhrchen
                                 										gewickelt, dicht bei dem Leuchtkörper angebracht ist, ins Glühen bringt und
                                 										dadurch den Leuchtkörper erhitzt, bis er leitet. Mit dem Leuchtkörper ist ein
                                 										Elektromagnet in Serie geschaltet, der, sobald er durch den Strom des
                                 										Leuchtkörpers magnetisiert wird, durch Anziehen seines Ankers den Stromkreis des
                                 										Heizkörpers öffnet. Der ganze Mechanismus ist so einfach, dass er im
                                 										Lampensockel selbst untergebracht werden konnte und dass ein Versagen
                                 										unwahrscheinlich ist. Selbstverständlich ist der Anschaffungspreis einer Lampe
                                 										mit Selbstzündung ungleich höher als der einer Lampe ohne Selbstzündung. Die
                                 										Mehrkosten werden durch den selbstthätigen elektromagnetischen Ausschalter und
                                 										durch den Heizkörper verursacht. Für jenen ist die gleiche Gebrauchsdauer
                                 										anzunehmen wie für eine Lampenfassung, Abnutzung findet nicht statt. Für den
                                 										Heizkörper hingegen kann man eine gleiche Gebrauchsdauer nicht garantieren; aber
                                 										er hat, auch nachdem er unbrauchbar geworden ist, noch etwa ⅔ seines
                                 										ursprünglichen Wertes. Uebrigens wird der Platindraht voraussichtlich bald durch
                                 										ein billigeres Material ersetzt werden können, das denselben Dienst leistet. Im
                                 										übrigen sind die Herstellungskosten der Ersatzteile, nämlich des Heiz- und des
                                 										Leuchtkörpers, gering, so dass der Ersatz der Lampenbrennstunde für den
                                 
                                 										Konsumenten voraussichtlich nicht höher sein wird, als es der Glühlampenersatz
                                 										in der gleichen Zeit wäre.
                              
                           
                              Die Lebensdauer der Leuchtkörper hängt von der Stromzufuhr ab, wenn auch nicht im
                                 										gleichen Masse wie bei den Glühlampen. Wenn die Spannungsschwankungen das
                                 										normale Mass nicht überschreiten, kann schon jetzt auf eine Lebensdauer von 300
                                 										Stunden gerechnet werden. Begrenzt wird die Lebensdauer des Glühkörpers in der
                                 										Regel durch eine allmählich eintretende molekulare Veränderung seines Stoffes.
                                 
                                 										Damit ist stets eine Verminderung der mechanischen Festigkeit und häufig auch
                                 										eine Widerstandserhöhung verbunden, die ein Herabsinken der Leuchtkraft zur
                                 										Folge hat. Es ist dann wahrscheinlich, dass eine äusserliche Erschütterung oder
                                 										die bei dem Anzünden und Auslöschen auftretenden inneren Reibungen sehr wohl im
                                 										stande sind, den mechanischen Zusammenhang in solchem Falle ganz zu
                                 									lösen.
                              
                           
                              Der Energieverbrauch für die Nernst-Lampe ist zur Zeit auf 1½ bis 1¾ Watt per
                                 										Kerze festgesetzt worden. Die Nernst-Lampe wird zunächst für 25 Kerzen, 50
                                 										Kerzen und 100 Kerzen für Spannungen von 110 und 220 Volt hergestellt werden. Es
                                 										sind aber auch Versuche im Gange, Lampen von solcher Grösse herzustellen, dass
                                 										sie nicht nur die Wechselstrombogenlampen, sondern auch die kleineren Typen der
                                 										Gleichstrombogenlampen, Jandus-Lampen etc., mit Erfolg ersetzen können. Als
                                 										Sockel können bei Lampen mit selbstthätiger Zündung wegen der Schwierigkeit, den
                                 										Ausschalter einzupassen, einstweilen nur Gewinde- (Edison-) und Bajonett-
                                 										(Swan-) Sockel verwendet werden, für die Lampen ohne selbstthätigen Ausschalter
                                 										(Anzünderlampen) werden aber voraussichtlich die meisten der marktgängigen
                                 										Sockel bis auf weiteres beibehalten werden können.
                              
                           
                              Die Fabrikation im kleinen Massstabe ist bereits begonnen worden. Ein neues
                                 										Fabrikgebäude, das im Laufe des Sommers in Betrieb genommen werden kann, wird
                                 										die Fabrikation im grossen aufnehmen.
                              
                           
                              Um jedem Missverständnisse vorzubeugen, betonen wir ausdrücklich, dass wir neben
                                 
                                 										der Fabrikation der Nernst-Lampe die Glühlampenfabrikation in vollem Umfange
                                 										weiterführen. Wir glauben keineswegs, dass die Nernst-Lampe die Glühlampe in
                                 										absehbarer Zeit verdrängen wird, wenn sie auch auf die weitere Steigerung des
                                 										Verbrauchs an Glühlampen wie an Bogenlampen nicht ganz ohne Einfluss bleiben
                                 										wird. Die entschiedenste Wendung in der Gestaltung unseres Beleuchtungswesens
                                 										wird sie aber voraussichtlich dadurch herbeiführen, dass sie das durch die
                                 										Auer-Lampen verloren gegangene Gebiet wieder zurückerobern wird. Nicht allein
                                 										wird durch sie das elektrische Licht für die allgemeine Strassenbeleuchtung
                                 										geeignet gemacht werden, sondern es wird mit ihrer Hilfe endlich auch, wie
                                 										bereits Herr Generaldirektor Rathenau eingangs
                                 										genauer ausführte, die elektrische Beleuchtung aufhören, eine Luxusbeleuchtung
                                 										zu sein, vielmehr auch allen denen zugänglich werden, die bisher der hohen
                                 										Kosten wegen darauf verzichten mussten.“