| Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. | 
| Autor: | M. Richter | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 51 | 
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                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
                           								Gegenwart.
                        Von Ingenieur M. Richter,
                           								Bingen.
                        (Fortsetzung von S. 810 Bd. 318.)
                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        
                     
                        
                           
                              
                              B. Dreizylinder-Verbundlokomotiven.
                              
                           Wenn die unsymmetrische Verbundlokomotive in England keinen Eingang gefunden hat, so
                              									findet sich daselbst die symmetrische aller möglichen Systeme um so häufiger, und
                              									zwar neuerdings diejenige mit drei Zylindern, (Kl. IIa der Tabelle 1901, 316, 350), einem inneren Hochdruck- und zwei äusseren
                              									Niederdruckzylindern, welche in einer Reihe Hegend die vorderste Achse antreiben,
                              									soweit es sich um die 2/4 gek. Lokomotive handelt. (Ausserhalb Englands sind es ¾, ⅗ und 2/6 gek.
                              									Lokomotiven, welche neuerdings und in Zukunft diese Zylinderanordnung erhalten).
                           Der Vorteil der Dreizylindermaschine ist vor allem derjenige der Symmetrie; dann
                              									derjenige des bequemen Unterbringens aller drei Zylinder, gegenüber der
                              									Vierzylindermaschineendlich der Wegfall eines vollständigen Triebwerkes, daher
                              									seltenere Reparaturen und geringeres Dienstgewicht. Was ferner den Gang solcher
                              									Maschinen betrifft, so ist selbstredend die Kurbelstellung von grösstem Einfluss. Es
                              									soll hier zunächst nur von den ausgeführten Systemen geredet werden, nicht von
                              									Möglichkeiten oder Projekten, zumal wenn letztere nicht in den Rahmen der 2/4 gek.
                              									Lokomotive gehören.
                           Sind die drei Kurbeln um je 120° versetzt, so zeigt sich kein Zucken, weil die algebraische Summe der drei Kolbenwege aus der Totlage
                              
                              									bei jedem Drehwinkel der einen Kurbel annähernd Null ist, die hin- und hergehenden
                              									Massen der drei Triebwerke sich also ungefähr aufheben. Das innere „Schlingern“ ist aber etwa so gross wie bei
                              									Zwillingsmaschinen; das mittlere Werk hat dabei natürlich keinen Einfluss, während
                              									die beiden äusseren eben um 120° versetzt sind und
                              									daher eine abwechselnd links und rechts auftretende Massendruckresultante erzeugen
                              									müssen; infolge Verteilung der Triebkräfte auf 3 Triebwerke ist die Festigkeit und
                              									daher das Gewicht der hin- und hergehenden Massen zwar geringer, die Kolbenwege aber
                              									entsprechend dem Versetzungswinkel grösser; das Verhältnis dieser Wege im Zwillings-
                              									und „Drillings“-Kurbelwerk ist \sqrt{2} zu \sqrt{3}=0,815.
                           Auffallend ist aber, dass bei den hier zu betrachtenden englischen Ausführungen die
                              									Kurbeln nicht um je 120°, sondern so versetzt sind, dass die äusseren (Niederdruck-)
                              									Kurbeln wie gewöhnlich unter 90° stehen, während die innere (Hochdruck-) Kurbel in
                              									der Symmetrieachse derselben liegt, also unter 135° zu den beiden äusseren. Durch
                              									diese Anordnung wird nämlich der gewöhnliche Viertakt-Auspuff der Zwillingsmaschine
                              									erzielt, da der innere Zylinder hier nicht mitwirkt; die Auspuff-Phase ist also 90°,
                              									während sie bei 120° Versetzung abwechselnd 60° und 120° betragen würde; es wird
                              									also eine regelmässige Anfachung durch Dampfschläge in gleichen Zeitabständen
                              									erzielt wie bei der gewöhnlichen Maschine.
                           Für die Ruhe des Ganges ergibt sich aber dabei jedenfalls ein etwas schwächeres
                              									Schlingern als bei 120°, dafür ein um so stärkeres Zucken, da die Summe der beiden
                              									Störungen so ziemlich konstant sein muss. Immerhin ist diese Summe geringer als bei
                              									der Zwillingslokomotive.
                           Es gehört also diese moderne englische Konstruktion in die Bezeichnung „Triebwerk
                                 											Sauvage“ Kl. IIa der Tabelle, da dieselbe
                              									Anordnung wie bei der Urform und jedenfalls aus den gleichen Gründen gewählt
                              									ist.
                           Ein weiterer prinzipieller Vorteil der Dreizylindermaschine ist derjenige des
                              									gleichförmigeren Drehmoments an der Triebachse, was seine Bedeutung hat beim
                              									Anfahren, also da, wo gegenüber dem Elektromotor mit seinem durchaus konstanten
                              									Moment eine nachweisliche Schwäche der Dampflokomotive liegt. Aber diese Schwäche
                              									hat im Schnellbetrieb gar nichts zu sagen; was bedeutet ein Verlust von ein bis zwei
                              									Minuten durch schleichendes Anfahren bei einer Fahrdauer von ein bis zwei Stunden!
                              									Durch ein bischen Schnellfahren auf freier Strecke ist der an sich schon
                              									geringfügige Verlust wieder eingeholt, um so mehr, als mit solchen und noch
                              									grösseren Verlusten im Betriebe stets gerechnet werden muss. Etwas anderes ist es
                              									beim Vorort- oder gar Stadtverkehr, wo die Fahrdauer bis zum nächsten Haltepunkt
                              									ungefähr gleich einem solchen Anfahrverlust sein kann und wo der Verlust mit der
                              									Zahl der Haltepunkte zu vervielfachen ist.
                           In bezug auf die Wirkungsweise dieses Dreizylinder-Systems ist folgendes zu
                              									erwähnen:
                           Die Maschine kann als Zwilling-, „Halbverbund“- und Verbundmaschine arbeiten
                              										(Fig. 61, entnommen aus Engineering, 1903, S.
                              									170). Die drei Zylinder liegen sämtlich geneigt, der innere stärker als die
                              									äusseren. Die Schieber der beiden äusseren sind gewöhnliche Flachschieber und liegen
                              									senkrecht innen. Sie sind durch einen Hohlraum verbunden, in welchem sich genau
                              									unter dem mittleren Zylinder der Kolbenschieber (mit innerer Einströmung) desselben
                              									bewegt, dessen Neigung die entgegengesetzte des Zylinders ist. Alle drei Schieber
                              									werden durch je eine unabhängige Stephenson-Steuerung
                              									bewegt; die Umsteuerung kann für alle auf einmal oder auch für den Hochdruckschieber
                              									getrennt erfolgen.
                           Bei Zwillingswirkung, welche übrigens nie dauerndbenutzt werden soll, arbeiten
                              									die äusseren Zylinder allein unter Hochdruck, wobei allerdings dafür gesorgt ist
                              									(mit Hilfe eines Druckverminderungsventils), dass der Druck höchstens 12 Atm.
                              									beträgt (bei 14 Atm. Kesseldruck), während der mittlere Kolben ins Gleichgewicht
                              									gesetzt wird, indem ein besonderes Rückschlagventil Frischdampf auf beide Kolbenseiten schickt. Das letztere tritt auch
                              									beim Anfahren in Tätigkeit, sobald die Schieberstellung am Hochdruckzylinder
                              									zufällig eine solche ist, dass beide Kanäle dem Frischdampf verschlossen sind,
                              									ebenso auch, wenn infolge ungünstiger Schieberstellung der Rückdruck der grossen
                              									Zylinder durch die Ausströmung des kleineren hindurch für diesen einen Gegendruck
                              									bewirkt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 52
                              Fig. 61. Verbundlokomotive, System Smith-Worsdell.
                              
                           Die „Halbverbund“wirkung wird in der Weise eingestellt, dass die Stellung des
                              									Druckminderungsventils geändert wird in einer solchen Weise, dass der
                              
                              									Hochdruckzylinder Volldampf, die beiden Niederdruckzylinder aber Dampf von
                              									bestimmter gemässigter Spannung aus dem Kessel erhalten und dass nun nebenbei der
                              									Hochdruck in den Niederdruckraum auspufft. Diese Wirkung wird in Notfällen, z.B.
                              									beim Anziehen eines schweren Zuges, bei schlechtem Wetter, beim Befahren einer
                              									starken Steigung vorübergehend benutzt und genügt weitaus zur Beseitigung jeder
                              
                              									Schwierigkeit.
                           Die Verbundwirkung endlich wird durch völligen Abschluss des erwähnten Ventils
                              									erzielt, wodurch die Niederdruckzylinder gar keinen Frischdampf, sondern nur noch
                              									den Auspuff des nun unter Kesseldruck stehenden Hochdruckzylinders erhalten, etwa
                              									2,8 bis 4,2 Atm. DieEinstellung des Ventils erfolgt vom Führerstand aus einfach, sicher und sehr
                              									veränderlich wählbar. Diese Vorrichtung ist ihrem Erfinder W. Smith patentiert und als „Smith-Worsdellsche“ Verbundmaschine zu benennen.
                           Die erste damit ausgerüstete Lokomotive ist nämlich die No. 1619 der engl.
                              									Nordostbahn, eine im Jahre 1893 gebaute, 2/4 gek. Worsdellsche
                              									unsymmetrische Verbundlokomotive, welche sich nicht bewährte und im Jahre 1898 in
                              									den Bahnwerkstätten zu Qateshead nach dem beschriebenen System umgebaut wurde, womit
                              									der Hauptübelstand, nämlich das schlechte Anfahren, verschwand. Seitdem leistet die
                              									Lokomotive vorzügliches; Züge, welche vorher regelmässig Vorspann gebraucht hatten,
                              									führt sie allein. Züge von 270 bis 400 t h. T. führt sie mit Reisegeschwindigkeiten
                              									von 75 bis 85 km/Std. auf der Strecke York-Edinburgh.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 53
                              Fig. 62a.Midland-Bahn.
                              
                           Nicht zu vergessen ist aber, dass noch eine zweite Verbesserung an ihr vorgenommen
                              									wurde, ein dritter Umbau sozusagen. Die Feuerbüchse erhielt nämlich 3 Bündel Smith scher Wasserrohre ähnlich angeordnet wie die Drummondschen der Südostbahn (Fig. 55b, 1903, 318, 198); drei Gruppen in einem langen ∾ gestreckter
                              									Rohre zu je 7 sind über dem sehr langen Feuergewölbe quer durch die Feuerbüchse
                              									gezogen. Die Rohre und die Bündel sind viel enger als bei Drummond und tragen daher weniger zu einer Vergrösserung der direkten
                              									Heizfläche, als zu einem gehörigen Wasserumlauf bei.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 53
                              Fig. 62b.Midland-Bahn.
                              
                           Die guten Erfolge erregten Nachahmung. Es entstand 5. die Schnellzuglokomotive der Midlandbahn, gebaut 1902 in den Bahnwerkstätten
                              									zu Derby, nach den Plänen des Oberingenieurs Johnson,
                              									ist die modernste Ausführung der Normalform von Schnellzuglokomotiven auf dieser
                              									Bahn und die erste, an welcher das Smithsche System von
                              									vornherein zur Anwendung gelangt ist, nachdem es die Probe an der Versuchslokomotive
                              									der Nordostbahn bestanden hatte (Fig. 62a u. 62b).
                           Die Besonderheiten dieser Maschine sind:
                           Belpaire-Feuerbüchse mit langem Feuerschirm; geneigter
                              									Rost, dessen vorderer Teil kippbar ist; doppeltes Sicherheitsventil, das vordere der
                              									beiden der Mannschaft nicht zugänglich; Kessel zum Teil mit glatten Kupfer-, zum
                              									Teil mit Serve-Rohren ausgerüstet. Kamin mitWindkappe nach französischer Art
                              									zur Verstärkung des natürlichen Zuges. Tender auf zwei Drehgestellen, mit sehr
                              									grossem Fassungsraum: 20,4 cbm Wasser.
                           Die Leistungen der Lokomotive sind gut, gehen aber über die obere Grenze des sonst
                              									üblichen nicht hinaus; sie sind etwa auf einer Stufe mit denjenigen der preussischen
                              									Heissdampflokomotive; auffallend ist nicht nur die Uebereinstimmung der absoluten
                              									Werte, sondern auch der Verhältnisse, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:
                           
                              
                                 
                                 Dienstgewicht
                                 Heizfläche
                                 Leistung
                                 
                              
                                 Midland-Bahn 2/4 3 zyl. Verbund
                                 57 t
                                 135 qm
                                 930 PS
                                 
                              
                                 Preuss. St-Bahn 2/4 Heissdampf
                                 56 t
                                 (105 + 30) qm
                                  910 PS.
                                 
                              
                           Bemerkenswert ist immerhin, dass die Höchstleistung nicht bei der
                              									Höchstgeschwindigkeit, sondern bei etwa 60 km/Std. schon eintritt; bis dahin nimmt nämlich die
                              									Leistung rasch und gleichmässig zu, von da wieder langsam ab. Die Leistungen der
                              									drei Zylinder, merkwürdigerweise auch diejenige der beiden äussern Zylinder, sind
                              									oft sehr verschieden voneinander. Die Füllung der Niederdruckzylinder bleibt in der
                              									Regel 5 bis 7, gewöhnlich 6 v. H. unter derjenigen des Hochdruckzylinders; sie
                              									beträgt nämlich für erstere 54 bis 60, für letzteren 60 bis 66 v. H. des Hubes,
                              									welcher für alle drei Zylinder gleich ist; die Spannung im Verbinder beträgt 3,5 bis
                              									5,5, gewöhnlich 5 Atm.
                           Die Probefahrten fanden Ende 1902 in grosser Zahl auf der Strecke Leads–Carlisle
                              									statt, welche bei 181 km Länge die ungünstigsten Steigungsverhältnisse aufweist,
                              									indem sie von beiden Seiten her erst allmählich, dann immer stärker gegen die
                              									Station Dent ansteigt. Das Zugsgewicht betrug 175 bis 250 t hinter dem Tender; die
                              									Reisegeschwindigkeit 72 bis 85 km/Std., je nach Belastung und Zahl der Aufenthalte (1
                              									bis 5); die tatsächliche Fahrgeschwindigkeit auf wagrechter Strecke im Durchschnitt
                              									96 bis 105, auf der Steigung 1 : 100 65 bis 75, und auf dem Gefäll 115 bis 130,
                              									einmal sogar 24 km weit 140 km/Std. Der Kohlenverbrauch ist zu 1,1 km, der
                              									Wasserverbrauch zu 8,3 l für 1 PS/Std. für die schärfsten Fahrten (300 t
                              									Gesamtzugsgewicht mit 85 km/Std.) durchschnittlich ermittelt worden; es ist dies
                              									durchaus normal.
                           Man hat also hier eine gute Schnellzuglokomotive vor sich, welche alles leistet, was
                              									man von einer 2/4
                              									gek. Maschine überhaupt verlangen kann; sie zieht scharf an, läuft ruhig, ist
                              									sparsam im Verbrauch, und entwickelt durchschnittlich hohe, vorübergehend aber
                              									höchste Leistungen. Durch einen Dampftrockner könnte auch hier noch viel mehr
                              									ausgerichtet werden, und es liesse sich ein solcher ganz bequem noch unterbringen,
                              									ohne das Dienstgewicht der Lokomotive über 60 t zu erhöhen.
                           (Sehr Ausführliches, Leistungstabellen, Fahrberichte, Indikator und
                              									Tachometerdiagramme, sowie die Streckenprofile bringt „Engineering“ vom 6.
                              									Febr. 1902).
                           Aus Tab. 1 auf S. 54 sind die Abmessungen der besprochenen Verbundlokomotiven mit
                              									zwei und drei Zylindern zu ersehen.
                           So verschieden die Abmessungen an sich bei den einzelnen Beispielen sind, so
                              									auffallend ist die Uebereinstimmung der massgebenden Wertziffern. Besonders tritt
                              									dies hervor bei der „Ladeziffer“ (Verhältnis des Gewichts der Vorräte zum
                              									Dienstgewicht des Tenders) woraus auf die Schablone sich schliessen lässt, mit
                              
                              									welcher die Tender gebaut werden; die Fassung ist etwas grösser als das Leergewicht
                              									des Tenders; ferner zeigt auch die „Gewichtsziffer“ (Verhältnis des
                              									Adhäsionsgewichts zum Dienstgewicht) nur geringe Schwankungen; auf dem europäischen
                              									Festland werden demnach ⅗, in England ⅔ der Dienstlast den Triebachsen überwiesen.
                              									Ebenso übereinstimmend sind die Kolbenflächenverhältnisse mit 
                           Tabelle 1.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 54
                              Zweizylinder-Verbund;
                                 										Dreizylinder-Verbund; Preussische Staatsbahn; Zwilling; Bayrische Staatsbahn;
                                 										Jura-Simplon; Oesterreich-Staatsbahn; Schweizer Nordostbahn; Kansei-Bahn, Japan;
                                 										Schmalspur; Englische Nordostbahn; Midland-Bahn;Fig.; Cylinderdurchmesser;
                                 										Kolbenflächenverhältnis; Kolbenhub s;
                                 										Triebraddurchmesser D; Kesseldruck p; Heizfläche H;
                                 										innen; aussen; Rostfläche R; Adhäsionsgewicht Qa; Dienstgewicht; ohne Tender; mit Tender;
                                 										Vorräte; Kohlen; Wasser; Tourenzahl; Leistung; Adhäsionszugkraft;
                                 										Maschinenzugkraft; Kraftziffer; Gewichtsziffer; Ladeziffer; Kraftwerte; Geschw.
                                 										Werte
                              
                           Ausnahme der Lokomotive der Midlandbahn, welche das beste Verhältnis aufweist.
                              									Bezüglich der „Kraftziffer“ (Verhältnis der Maschinenzugkraft zur Adhäsion)
                              									lassen sich die angezogenen Beispiele der Reihe nach absteigend von der Kansei-Bahn
                              									zur preussischen Staatsbahn ordnen; bei ersterer ist das Adhäsionsgewicht voll, bei
                              									letzterer zu ⅔ nur ausgenutzt. Auch hinsichtlich des „Kraftwertes“ zeigt die
                              									Lokomotive der Kansei-Bahn die höchste, die der preussischen Staatsbahn die
                              									geringste Ausnutzung des Dienstgewichts. Umgekehrt dagegen verhält es sich mit dem
                              										„Geschwindigkeitswert“, worin die amerikanische und die englischen
                              									Maschinen zurückbleiben; im Verhältnis zur Leistung sind dieselben also etwas zu
                              									schwer.
                           Die Berechnung der Zugkräfte ist dieselbe wie bei den früheren Zusammenstellungen;
                              									für die Leistungen jedoch ist nicht mehr die Formel \frac{N}{H}=a\,\sqrt{n} benutzt worden,
                              									sondern mit Rücksicht auf die neueren Versuchsergebnisse bei den gegenwärtigen
                              									besten deutschen Bauarten (preussische und bayrische Staatsbahn) musste die höhere
                              									Leistung bei geringen, die nicht mehr so hohe Leistung bei hohen Tourenzahlen und
                              									die rasche Abnahme des Faktors a mit wachsender
                              									Tourenzahl, d.h. das rasche Zustreben des Wertes \frac{N}{H} zu einem noch unter der
                              									Grenze der Betriebsgeschwindigkeit liegenden, also sehr endlichen Höchstwert sich in
                              									der Leistungsformel ausdrücken lassen, welche dementsprechend die Form erhielt
                           
                              
                              \frac{N}{H}=0,1\,\left(a-\frac{n}{100}\right)\,\sqrt{n}\ .\ .\ .\ .^{\mbox{ PS}}/_{\mbox{qm}}
                              
                           Dabei ist 1) a = 6,5 für
                              									Zwillings-Nassdampf
                                         2) a = 7,0 für
                              									Zwillings-Heissdampf und Verbund mit 2 bis 3 Zylindern,
                                         3) a = 7,5 für
                              									Vierzylinder-Verbundmaschinen
                           zu setzen. Durch Differenzieren ergibt sich höchst einfach die
                              									spezifische Höchstleistung \frac{N}{H} für n = 33,3 a d.h. für 1) n= 217, 2)
                              										n = 233, 3) n =
                              									250.
                           Es entspricht dies denjenigen Geschwindigkeiten (je nach Triebraddurchmesser etwa 70
                              									bis 95 km/Std.)
                              									bei welchen erfahrungsmässig die höchste Dauerleistung einzutreten pflegt und zwar
                              									sind die Höchstwerte
                           für 1)\ \frac{N}{H}=6,3
                           für 2)\ \frac{N}{H}=7,2
                           für 3)\ \frac{N}{H}=7,9.
                           Die graphische Darstellung obiger Gleichung ist in Fig.
                                 										63, S. 55 gegeben und zum Vergleich auch das Ergebnis der Baldwinschen Versuche mit der Lokomotive des
                              										„Atlantic Fliegers“ aufgenommen. Für kürzere Zeit kann freilich noch eine
                              									erhebliche Steigerung (bis zu 30 v. H.) eintreten infolge von stärkerer
                              									Blasrohrwirkung, ob nun diese durch Blasrohrverengung oder durch grössere Füllungsgrade erzielt wird.
                              									Unter gleichen Umständen muss also bei höheren Tourenzahlen als den angegebenen
                              									wieder ein langsames Sinken der Leistung eintreten, wenn nicht die
                              									Verstärkungsmittel angewendet werden. Nur besonders vorzügliche Konstruktionen, wozu
                              									diejenigen mit grosser Rostfläche zu zählen sind, wie z.B. die Lokomotive des
                              									Atlantic Fliegers, zeigen keine Erlahmung, sondern im Gegenteil noch weitere, der
                              										Tourenzahl proportionale Steigerung der
                              									Kesselleistung, was sich durch passende Wahl von a
                              									bequem einführen lässt.
                           Die Leistungen und Leistungswerte aus den früheren Tabellen müssen daher umgerechnet
                              									schon des Vergleichs wegen hier noch einmal in Tabelle 2 zusammengestellt
                              									werden.
                           Diese Werte von N und \frac{N}{Q} sind gegen die früheren
                              									bedeutend wahrscheinlicher; im allgemeinen sind sie stark verkleinert, da der
                              									alleinige Einfluss der Tourenzahl beseitigt ist, einzelne sind auch gestiegen, und
                              									zwar haben die Lokomotiven mit grossen Triebrädern grössere Vorteilegewonnen,
                              									indem ihre geringere Tourenzahl sich meistens in der Nähe der zur kritischen
                              									Geschwindigkeit gehörigen befindet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 55
                              Fig. 63. Umdrehungszahlen in der Minute.
                              
                           Wesentlich bessere absolute und spezifische Werte zeigen aber die Verbundlokomotiven
                              									mit vier Cylindern, welche nun zu besprechen sind.
                           Tabelle 2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 55
                              Bahn;ohne Tender; mit Tender;
                                 										Englische Ostbahn; Englische Westbahn; Engl. Nordbagn; ohne Drehgestell;
                                 										Paris-Orleans; Belg. Staatsbahn; London Nordwestbahn (3 zyl.-Verbund);
                                 										Pfalzbahn; Chicago Burlington Quincy; mit Drehgestell; Chicago-Alton; Big Four;
                                 										Delaware L. u. Western; Bad. Staatsbahn; Französ. Staatsbahn; Preuss. Staatsbahn
                                 										(Heissdampf); Engl. Westbahn; Caledon. Bahn; Engl. Ostbahn;
                                 
                                 										London-Südwestbahn
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)