| Titel: | Das Bauwesen und die Feuerungsanlagen auf der Deutschen Städte-Ausstellung in Dresden. | 
| Autor: | Gustav Rauter | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 73 | 
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                        Das Bauwesen und die Feuerungsanlagen auf der
                           								Deutschen Städte-Ausstellung in Dresden.
                        Von Dr. Gustav Rauter.
                        (Fortsetzung von S. 61 d. Bd.)
                        Das Bauwesen und die Feuerungsanlagen auf der Deutschen
                           								Städte-Ausstellung zu Dresden.
                        
                     
                        
                           In engem Zusammenhange mit der Frage der Wasserversorgung steht diejenige der
                              									Beseitigung der Abwässer, auf welchem Gebiete gleichfalls auf der Ausstellung viel
                              									geboten wurde. So hatte H. Liebold in
                              										Dresden-A. seine Fäkalienkläranlage nach Patent 103823
                              									und 117597, System Lehmann und Neumeyer, ausgestellt. Dies System beruht auf einer mechanischen Trennung
                              									der verschiedenen Bestandteile der Abwässer, verbunden mit der Wirkung der
                              									Selbstreinigung oder der sogenannten biologischen Reinigung. Hiernach werden für
                              									eine Kläreinrichtung, die die Fäkalien einer Wohnungsanlage aufzunehmen hat, zwei
                              									oder mehrere Kessel verwendet. Der erstere, kleinere stellt den sogenannten
                              									Vorklärer dar, während der zweite oder dritte, seiner Tätigkeit entsprechend,
                              									Hauptklärer genannt wird. Die Klärung geht folgendermassen vor sich: Das von den
                              									Klosetts kommende Rohr taucht in den Vorklärer bis kurz über den Boden ein, durch
                              									welche Anordnung die spezifisch schwersten Stoffeam Boden liegen bleiben. Im
                              									übrigen Vorklärerinhalt vollzieht sich ständig eine Scheidung der Sink- und
                              									Schwebestoffe; erstere sinken zu Boden und letztere bilden an der Oberfläche des
                              									Kessels eine weiche Masse. Gleichzeitig mit dieser mechanischen Sedimentation
                              									beginnt die Tätigkeit aerober und anaerober Kleinlebewesen. Diese spalten die in den
                              									Abgängen enthaltenen komplexen organischen Verbindungen, bis ihnen der Stickstoff
                              									vollständig entzogen ist. Hier hört aber auch die Lebenstätigkeit der aeroben
                              									Mikroorganismen auf, während die anaeroben Mikroorganismen ohne ihn bestehen können.
                              									Zwischen den obersten und untersten Schichten des Klärinhaltes wird sich dann eine
                              									schwach trübe Flüssigkeit bilden, die mehr oder weniger noch von organischen Teilen
                              									durchsetzt ist.
                           Durch ein heberartiges Rohr, das bis ungefähr in die Mitte des Vorklärers eintaucht,
                              									wird diese Flüssigkeit nun in den Hauptklärer übergeführt und zwar wieder so, dass das
                              									Eintauchrohr kurz über dem Boden mündet, während das Ausgangsrohr bis zur Mitte des
                              									Klärinhaltes reicht. Im Hauptklärer vollzieht sich derselbe Prozess wie im
                              									Vorklärer; Sink- und Schwebestoffe werden geschieden, und die aeroben
                              									Mikroorganismen sorgen für den weiteren Zerfall durch faulige oder Sumpfgasgährung.
                              									Durch die Spaltung des Fäces werden Gase frei, die die Klärer nicht absorbieren.
                              									Ueber dem Klärinhalt befindet sich nun ein leerer Raum, in welchem sich diese Gase,
                              									Schwefelwasserstoff und Ammoniak, sammeln können, und von wo sie mittels eines
                              									sogenannten Vergasers (!) abgeführt werden. Letzterer ist ein kleiner gusseiserner
                              									Kessel, der zu zwei Drittel seines Inhaltes mit Glyzerin gefüllt ist. Das Gasrohr
                              									von den beiden Klärkesseln taucht ein Stück in das Glyzerin ein, und die Gase treten
                              									durch diese Füllung in den oberen Raum des Kessels und können von hier aus in ein
                              									übergehendes Rohr oder ins Freie geführt werden, Explosionen und Vergiftungen durch
                              									diese Gase sind daher vollständig ausgeschlossen; die Gasentwicklung beträgt im
                              									Monat höchstens 20 Liter. Die Kontrolle der Kessel zur Entfernung der angesetzten
                              									Masse erfolgt durchschnittlich alle 2 bis 3 Jahre.
                           Ein Gutachten des Hygienischen Instituts der Universität zu München äussert sich nach
                              									Untersuchung von Abwässerproben, die einer derartigen Anlage entnommen waren, wie
                              									folgt: Auf Grund dieser Befunde stehe ich (Prof. Büchner) nicht an, zu erklären, dass Abwässer von der Beschaffenheit der
                              									vorstehend bezeichneten und untersuchten Proben, welche offenbar einen
                              									Zersetzungsprozess durchgemacht haben, unbedenklich in Seen, Flüsse, stehende
                              									Wässer, Bäche usw. eingeleitet werden können, vorausgesetzt, dass deren Wassermenge
                              									nicht allzu gering ist, und dass ferner nicht besondere Verhältnisse gegeben sind,
                              									welche im besonderen Falle die Einleitung verbieten oder bedenklich erscheinen
                              									lassen. In der Regel aber wird man von Abwässern einen höheren Grad von Reinheit,
                              									als er in den vorliegenden Proben gegeben ist, nicht verlangen können. Ferner auch
                              									zeigten die untersuchten Abwässer eine solche Beschaffenheit, dass sie dem weiteren
                              									Prozess der oxydativen Selbstreinigung keinerlei Schwierigkeiten entgegensetzten und
                              									daher unbedenklich auch auf Rieselfelder geleitet werden können.
                           Ein Gutachten der städtischen Lebensmittel-Untersuchungsanstalt zu Konstanz gibt
                              									ferner eine Analyse von Abwässern, die nach diesem System gereinigt worden waren,
                              									und die einem städtischen Schulhaus in Zürich entstammten. Diese Analyse ergab
                              									folgende Zahlen:
                           
                              
                                 Chlor
                                 Spuren
                                 
                              
                                 Ammoniak
                                 2,50
                                 mg/l
                                 
                              
                                 Salpetrige Säure
                                 keine
                                   „
                                 
                              
                                 Salpetersäure
                                 keine
                                   „
                                 
                              
                                 Sauerstoffverbrauch
                                 9,20
                                   „
                                 
                              
                                 Trockenrückstand
                                 195,00
                                   „
                                 
                              
                                 Glührückstand
                                 115,00
                                   „
                                 
                              
                                 Glühverlust
                                 80,00
                                   „
                                 
                              
                                 Keimzahl
                                 I. 279,000 im ccm
                                 
                              
                                 Keimzahl
                                 II. 270,000     „
                                 
                              
                           Nach Ansicht der genannten Untersuchungsanstalt liefert demnach das System Lehmann und Neumeyer ohne Desinfektion und Anwendung
                              									künstlicher Klärmittel nach jeder Richtung hin weit günstigere Ergebnisse, als
                              									andere damit in Vergleich gestellte Systeme.
                           Auch die Allgemeine Städtereinigungs-Gesellschaft in Wiesbaden führt ihre biologischen
                              									Abwässerreinigungsanlagen vor. Hierbei wird das Schmutzwasser durch einen
                              									Verteilungsschacht zunächst in einen sogenannten Fällraum eingeleitet, von wo es
                              									dann in einen Ausgleichbehälter gelangt und darauf nach den Oxydationsfiltern
                              									abgelassen wird. Schliesslich kommt es noch auf einNachfilter, von dem es klar
                              									und geruchlos heraustritt, ohne dass es weiter in Fäulnis übergehen kann.
                           Die Firma Gebr. Körting in Körtingsdorf bei Hannover
                              									führte ihr sogenanntes Saugsielverfahren vor, das sich schon seit längerer Zeit auf
                              									ihren grossen Werken in Hannover in praktischem Betriebe befindet, auf denen über
                              									2000 Personen verkehren. Dies Verfahren hat den Zweck, die Fäkalstoffe und
                              									Hausgebrauchswässer von grösseren Ansiedlungen an eine Zentralstelle zusammen zu
                              									fördern, von der aus sie bequem beseitigt werden können. Es arbeitet unter
                              									Zuhilfenahme von Luftleere und ist einfach, geruchlos und sicher in seiner Wirkung.
                              									Der Hauptteil der Anlage ist ein Fallrohrkasten nach Patent 137276, deren an jeder
                              									Abortanlage einer angeordnet ist, und der mit einer Vakuumleitung derart in
                              									Verbindung steht, dass die in ihn hineingelangenden Fäkalien abgesaugt werden, ohne
                              									dass Luft nachdringen kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 73
                              Fig. 20. Fallrohrkasten ohne Ventil von Gebr. Körting.
                              
                           Der Fallrohrkasten wird in zwei Ausführungsformen nach Fig.
                                 										20 oder nach Fig. 21 angeordnet.
                           Beide Ausführungsformen besitzen einen doppelten Wasserverschluss. Durch die Oeffnung
                              										E treten die Fäkalien und Hauswässer ein und füllen
                              									zunächst den Raum S und K,
                              									hernach, bei G ein Sieb durchstreichend, auch den
                              									grösseren Raum H und das Rohr K1. Durch angebrachte Luftventile V, V1 ist
                              									dafür gesorgt, dass die Füllung der einzelnen Räume glatt von statten geht. Im
                              									Fallrohrkasten, nach Fig. 21, ist der Raum H durch einen Schwimmer verschliessbar.
                           Die Arbeitsweise ist folgende: Im Rohre A, das die
                              									Fallrohrkästen mit der Sammelstelle verbindet, wird Luftleere hergestellt, worauf
                              									sofort der Inhalt der Kästen, der Saugwirkung folgend, in das Rohr A steigt und nach der tiefer gelegenen Sammelstelle
                              									abfliesst. Dabei haben sich die Luftventile V, V1 geschlossen. Der entweichende Inhalt des Kastens
                              									wird durch Luft ersetzt, die durch das Fallrohr E aus
                              									der Abortanlage nachströmt. Die Luft bewirkt, wenn sie um die Kante M herumströmt, ein lebhaftes Wirbeln des Kasteninhaltes
                              									und damit ein Zerreiben der dickeren Fäkalstoffe, Papierreste und dergl., so dass
                              									die Masse bis auf etwa böswillig oder leichtfertig den Fäkalstoffen zugesetzte Teile
                              									das Sieb G durchdringen und mit vollständiger
                              									Sicherheit vor Verstopfungen die Rohrleitung durchströmen kann.
                           Die Kästen nach Fig. 20 werden gebraucht, wenn man nur wenige
                              									Kästen mit einer Anlage vereinigt, die nach Fig. 21
                              									sind für umfangreichere Anlagen bestimmt. Der Schwimmer (Fig. 21) verhindert nach Entleeren des Kastens das Nachdringen der Luft
                              									in die Absaugeleitung, so dass sich die einzelnen angeschlossenen Kästen, je nach
                              									ihrer Höhenlage, selbsttätig hintereinander entleeren. Die Geschwindigkeit, mit der
                              									unter Luftleere die Förderung zur Sammelstelle vor sich geht, ist sehr gross. Die
                              									Rohrweite ist so gewählt, dass die Masse sich sozusagen pfropfenähnlich nach der
                              									Sammelstelle bewegt; es entsteht in den Röhren keine sogenannte Sielhaut, so dass
                              									nicht einmal erforderlich ist, die Rohre mit Wasserspülung zu reinigen; ja es ist
                              									nicht einmal nötig, wenn auch mitunter empfehlenswert, dass die Aborte und Becken
                              									Wasserspülung erhalten. Das Verfahren bildet also eine vollkommene
                              									Trennkanalisation.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 74
                              Fig. 21. Fallrohrkasten mit Ventil von Gebr. Körting.
                              
                           An einem bequem gelegenen Platze wird die hierzu gehörige Sammelstelle für die
                              									Abfallstoffe angelegt. Sie besteht aus einem luftdicht hergestellten,
                              									schmiedeeisernen Behälter, der mit den Fallrohrkästen durch Rohrleitungen verbunden
                              									ist. Wird nun in jenem Luftleere erzeugt und die Rohrleitung nach den Fallrohrkästen
                              									geöffnet, so strömen die Fäkalmassen dem Behälter zu.
                           Die Stadt Halle a. d. Saale reinigt die Abwässer eines
                              									ihrer sechs Kanalsysteme, die nachher in die Saale einfliessen sollen, durch Zusatz
                              									eines Fällungsmittels, wodurch ein Niederschlag entsteht, der schwerer ist als die
                              									vorhandenen Stoffe und diese mit niederreisst. Die Abwässer gelangen zunächst in
                              									einen Vorbrunnen, der die spezifisch schweren Teile, wie Sand oder dergl., schon im
                              									voraus beseitigt, und dann in einen Messapparat, mit dem ihre Menge genau
                              									festgestellt werden soll, um die nötige Menge von Chemikalien richtig bemessen zu
                              									können. In einem 7½ m tiefen, sich nach unten verengernden Klärbrunnen setzen sich
                              									hierauf die durch die Fällmittel erzeugten Niederschläge ab. Die Kanalwässer sind
                              									dann genügend gereinigt, während der Schlamm mittels einer Filterpresse
                              									einigermassen getrocknet wird und danach der Landwirtschaft übergeben werden
                              									kann.
                           In der Stadt Kiel befolgt man das System, die Fäkalien in Eimern zu sammeln, die etwa
                              									zweimal wöchentlich gewechselt werden. Die Eimer werden entleert, gereinigtund
                              									desinfiziert, worauf sie, mit etwas Torfmull beschickt, wieder in den Betrieb
                              									zurückgelangen. Ihr Inhalt wird angesäuert, mit Dampf erwärmt und eingedickt, und
                              									hierauf getrocknet. Die so erzeugte Poudrette wird an einen Grossabnehmer verkauft.
                              									Die Rentabilität der Anlage wird als günstig angegeben, namentlich auch mit
                              									Rücksicht auf den Umstand, dass die Anlage vorerst nur zur Hälfte ausgenutzt ist und
                              									bei voller Ausnutzung ohne wesentliche Erhöhung der Betriebskosten bedeutend mehr zu
                              									leisten imstande sein wird.
                           Interessant war die Ausstellung einer Klärschlamm-Vergasungsanlage nach dem System
                              									der Gasmotorenfabrik Deutz. Nach diesem System werden
                              									die zu reinigenden Kanalwässer zunächst nach Rothe und
                              										Degener mit einem dünnen Brei von fein gemahlener
                              									Braunkohle versetzt, worauf eine zur raschen Fällung der noch suspendierten
                              									Humusstoffe genügende Menge an gelösten Salzen zugegeben wird. Der so erhaltene
                              									Schlamm wird nun vergast und dient zur Ingangsetzung eines GasmotorsSiehe D. p. J. 1903, 318,
                                       												708.. Eine Wasser- und Abwässerreinigungs- und
                              									Erhärtungsanlage nach Schlichter führt die
                              									Zementwarenfabrik Dyckerhoff & Widmann in Biebrich
                              									a. Rhein vor. Näheres darüber ist bereits in D. p. J., 1903, 318, 142, mitgeteilt worden.
                           Unter den zur Schau gebrachten Baustoffen nahm den weitesten Raum unstreitig der
                              									Beton in seinen verschiedensten Verwendungsarten ein. Hier ist in erster Linie der
                              									geschmackvolle Pavillon der Firma Rudolf Wolle in
                              									Leipzig zu erwähnen. Dieser Pavillon (Fig. 22) ist
                              
                              									in seinem wesentlichen Teile in Hennebique-Konstruktion
                              									ausgeführt. Er enthält einen Ausstellungsraum mit einer 7 m frei gespannten, geraden
                              									Decke. Ueber diesem Raume befindet sich eine von 6 Säulen getragene Plattform mit
                              									einem rings herumlaufenden, weit ausladendem Umgange, der namentlich dadurch den
                              									Eindruck grosser Kühnheit hervorruft, dass sich auf einer seiner äusseren Ecken eine
                              									Belastung aus Eisenbarren im Gewichte von 2000 kg aufgebracht befindet. An der einen
                              									Seite des Baues führt eine freitragende, dreiarmige Treppe, ebenfalls in Hennebique-Bauweise konstruiert, auf diese Plattform
                              									hinauf.
                           Ein amtliches Zeugnis des Dresdener Tiefbauamtes enthält folgende Angaben: „Der
                                 										Balkon hat 1,65 m Ausladung, seine Platte wird an jedem Ende von 2 Konsolen in
                                 										je 3 m Abstand gestützt und kragt im mittleren Teile auf 7 m Länge um die volle
                                 										Breite frei aus. Die Belastung erfolgte auf der Südseite durch Aufbringen von
                                 										Sandsäcken bis zu 500 kg auf den qm bei gleichmässiger Verteilung. Die
                                 										Durchbiegung des Balkons unter dieser Last betrug an den Enden der 4 Konsolen je
                                 										0,1 mm und in der Mitte des freitragenden Mittelteiles 2,3 mm. Bei der
                                 										Wiederbeseitigung der Last gingen die Konsolen in ihre frühere Höhenlage zurück,
                                 										dagegen behielt die Mitte des Balkons eine Durchbiegung von 0,8 mm. Die
                                 										freitragende Treppe ist aus drei Armen gebildet, 1,5 m breit und schliesst zwei
                                 										Podeste von je 2 qm Fläche ein. Die Horizontalprojektion der Treppe beträgt
                                 										einschliesslich der Podeste 15 qm. Der untere Arm und Podest sind einseitig am
                                 										Gebäude eingespannt, dagegen tragen sich die beiden oberen Arme mit
                                 										zwischenliegendem Podest völlig frei. Die Durchbiegungen waren bei einer
                                 										Belastung von 500 kg/qm Grundfläche am unteren Podest fast gleich Null, am oberen
                                 										wurden sie zu 0,5 und 1 mm gemessen. Bleibende Durchbiegungen nach der
                                 										Wiederbeseitigung der Last waren nicht zu bemerken.“
                           Vor diesem Pavillon befand sich eine Brücke in Möllerscher Bauweise. Hierbei besteht der Druckgurt aus einer Betonplatte, die
                              									nach den Auflagern zu voutenartig verstärkt ist. Der Möllersche Gurtträger ist seinem Wesen nach ein freiaufliegender armierter
                              									Balken, der nur lotrechten Druck, also keinen Seitenschub auf die Widerlager ausübt.
                              									Letztere brauchen deshalb nur sehr geringe Stärke zu erhalten, was gegenüber
                              									Wölbbrücken mit ihren starken Widerlagern, namentlich bei schlechtem Untergrund
                              									einen wesentlichen Vorzug bedeutet. Im allgemeinen genügen bei der Möllerschen Brücke die etwa vorhandenen Ufermauern
                              									vollständig als Widerlager. Die Konstruktion kann mit festem oder beweglichem
                              									Auflager hergestellt werden. An Konstruktionshöhe genügt im äussersten Fall 1/20 der
                              									Spannweite. Ausser für Strassen- und Eisenbahnbrücken eignet sich die Bauweise
                              									besonders auch für weitgespannte, schwerbelastete Decken. Die ausgestellte Brücke
                              									ist, da Fahrverkehr im vorliegenden Falle nicht in Frage kommt, für Menschengedränge
                              									mit 400 kg/qm
                              									berechnet. Die Druckbeanspruchung im Beton beträgt 20 kg/qcm. Die Zugbeanspruchung im Eisengurt
                              									1000 kg/qcm. Die
                              									Niete werden auf Abscherung mit 600 kg/qcm beansprucht. Die Brücke wurde am 23. April 1903
                              									betoniert und am 19. Mai 1903, also 26 Tage nach Fertigstellung, einer amtlichen
                              									Probebelastung unterzogen, deren Ergebnis aus dem nachfolgenden Zeugnis des
                              									städtischen Tiefbauamtes zu Dresden ersichtlich ist:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 75
                              Fig. 22. Ausstellungs-Pavillon von Wolle.
                              
                           
                              „Die von der Firma Rud. Wolle, Leipzig, in der
                                 										Deutschen Städteausstellung an der Probestrasse zwischen den
                                 										Strassenquerschnitten von Breslau und Dresden erbaute Brücke, System Möller, für Fussverkehr, wurde heute einer
                                 										Probebelastung unterzogen. Sie hat 14 m Spannweite und 1,8 m Breite und wurde
                                 										auf ihrer ganzen Grundfläche nahezu gleichmässig mit Sandsäcken belastet, deren
                                 										Gesamtgewicht rund 12600 kg, also 500 kg auf je 1 qm Grundfläche betrug. Darüber
                                 										hinaus wurde in der Mitte der Brücke noch eine weitere Last von 50 kg
                                 										aufgebracht und ausserdem durch die während der Probe erfolgenden Niederschläge
                                 										das Gewicht der Säcke noch vergrössert. Die Durchbiegung der Brücke unter dieser
                                 										Last wurde in der Mitte der beiden Traggurte mittels zehnfacher Hebelübersetzung
                                 										gemessen und bei dem östlichen Gurt zu 1,15 mm, bei dem westlichen zu 1,2 mm
                                 										ermittelt. Bei der Wiederbeseitigung der Last ging die Brückenmitte fast ganz
                                 										wieder in ihre ursprünglicheHöhenlage zurück, denn es verblieben als
                                 										bleibende Durchbiegung nur 0,10 bezw. 0,15 mm.“
                              
                           Ferner führt die Firma noch vor Wolles Konsoldecke, Dies
                              									ist eine Eisenbetondecke, die zwischen Trägern oder frei über Mauern hinweg mit
                              									voutenförmigem Anschluss an die Träger oder Mauern hergestellt wird. Sie hatte in
                              									dem ausgestellten Modell 4 m Spannweite, wird aber bis zu 10 m ausgeführt. In ihrer
                              									Konstruktion unterscheidet sie sich wesentlich von der Koenenschen Voutenplatte, indem bei ihr nicht eine in der Mitte
                              									durchhängende Eiseneinlage benutzt ist, sondern zwei übereinanderliegende,
                              									wagerechte und durch Bänder verbundene Eiseneinlagen vorhanden sind.
                           Auch die Bauweise nach Rabitz hat hier eine Vertretung
                              									gefunden, indem der über dem beschriebenen Ausstellungspavillon sich erhebende
                              									dekorative Aufbau in dieser hergestellt ist.
                           Innerhalb dieses Aufbaues befand sich das Modell eines Wölbedaches in Monierbauweise
                              
                              										(Fig. 24). Das vorliegende Modell hat 5 m
                              									Spannweite und 5 cm Scheitelstärke. Derartige Dächer werden von der Firma bis 25 m
                              									Spannweite ausgeführt und erhalten eine Pfeilhöhe von 1/8 bis 1/6. Das Dach wird
                              									nach Fertigstellung der Zementierung noch mit Asphalt- oder Dachpixpappe überzogen
                              									oder auch nur mit einem Dachpixanstrich versehen. Wo Dünste oder Dämpfe in Frage
                              									kommen, wie bei Färbereien und dergleichen, wird zur Verhütung des Abtropfens eine
                              									Isolierung aus Korkplatten, Strohlehm oder Gipsdielen mit doppelter Pappeindeckung
                              									aufgebracht. Natürlich muss ausserdem durch Ventilation für Abzug der Dünste gesorgt
                              									werden. Aussparungen jeder Grösse für Lüftungsaufsätze, Oberlichte usw. lassen sich
                              									ohne Schwierigkeit im Gewölbe vornehmen.
                           Die gleichfalls ausgestellte Konstruktion, die unter dem Namen Victoria-Decke
                              									ausgeführt wird und eine scheitrechte Ziegeldecke mit Eiseneinlage darstellt, ist
                              									bereits bei anderer Gelegenheit besprochen worden. (D. p. J. 1902, 317, 193).
                           Ferner waren hier noch Zement-Macadam-Platten vorgeführt, die den Vorzug vor
                              									Zementmaccadam besitzen, dass sie bei fabrikmässiger Herstellung weit sorgfältiger
                              									ausgeführt werden können, als dieser. Die Platten kommen also in vollständig
                              									erhärtetem Zustande an die Baustrecke und werden hier auf gut drainierter
                              									Betonunterlage oder mit Klarschlag abgeglichener, festgewalzter Packlagerbettung in
                              									einer dünnen Schicht feinen Sandes verlegt. Die Stossfugen werden durch elastischen
                              
                              									Asphaltkitt aneinandergeklebt und dicht mit solchem ausgefüllt. Die Strasse ist dann
                              									sofort befahrbar, zeigt gleichmässige doch nicht gefährlich glatte Oberfläche und
                              									gewährleistet gleichmässige Abnutzung. Die Sandunterbettung wirkt als elastisches
                              									Polster und schalldämpfend. Bei etwaigen Strassenaufbrüchen lassen sich die Platten
                              
                              									ohne Betriebsstörung herausnehmen. Auch für die Ausbesserung von in einer Fläche
                              									hergestellten Zementmaccadam-Strassen lassen sich die Platten mit Vorteil
                              									verwenden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 76
                              Fig. 23. Ausstellungs-Pavillon von Wolle.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 76
                              Fig. 24. Wellblechdach in Monierbauweise von Wolle.
                              
                           Aus dem gleichen Material sind Wolles Fusswegplatten
                              
                              									hergestellt, die an der Oberfläche mit sich kreuzenden Rillen versehen sind.
                           Schliesslich wollen wir noch die von der gleichen Firma ansgestellten
                              									Zement-Kabelröhren (Fig. 25) erwähnen, insbesondere
                              									auch die nach patentiertem System ausgeführten Kabelpanzer. Letztere werden in der
                              									Weise hergestellt, dass plastischer Zementbeton in sackartige Gewebestoffe, z.B.
                              									leichte Jutesäcke, eingefüllt und die gefüllten Säcke der Länge nach über dem
                              									verlegten Kabel ausgelegt und breitgeschlagen werden. Vorher wird ein Streifen
                              									Asphaltpappe über das Kabel gelegt zu dem Zwecke, nachteilige Berührungen des
                              									Betonpolstersmit dem Kabel zu verhindern. Pappe und Säcke sind an den
                              									Stosstellen derartig übereinandergedeckt, dass nicht nur ein durchaus sicherer
                              									Fugenverschluss erzielt wird, sondern auch die Möglichkeit gegeben ist, die
                              									Kabelpanzerung nach ihrer Erhärtung stückweise als halbe Röhren abzuheben. Die
                              									Kabelpanzerung schmiegt sich plastisch allen Krümmungen des Kabels an. Das Verfüllen
                              									der Gräben kann sofort nach der Verlegung der Betonsäcke erfolgen. Die Erhärtung des
                              									Betons geht im feuchten Erdboden in bester Weise von statten.
                           Die Vereinigte Maschinenfabrik in Augsburg, Werk Gustavsburg bei Mainz, führte eine belastete
                              									Bimsbetondecke von 6 m Spannweite vor (Fig. 26a),
                              									deren Konstruktion ein Mittelding zwischen der Koenenschen Voutenplatte und einem Möllerschen
                              									Träger bildet, indem die zwischen I-Träger in der Mitte durchhängenden Eiseneinlagen
                              									aus Bandeisen mit aufgenieteten L-förmigen Winkeleisen bestehen (Fig. 26b). Eine derartige Decke ist z.B. über dem
                              									Personenbahnhof Dresden-Neustadt mit einer Grundfläche von mehr als 10000 qm
                              									ausgeführt worden. Das Gewicht der Bimsbetondecke von 60 mm Stärke beträgt 80 kg/qm. Auch zu
                              									Zwischendecken ist diese Konstruktion viel verwendet worden und hat nach Angaben der Firma bei
                              									Belastungsversuchen grosse Beanspruchungen gut ausgehalten.
                           Die Firma Johann Odorico in Dresden-N. wendet
                              									gleichfalls, wie Rudolf Wolle, das System Hennebique für ihre Konstruktionen an. Sie hatte
                              									Abbildungen verschiedener danach gebauter Brücken- und Deckenkonstruktionen und das
                              									Modell eines grösseren, in Stampfbeton ausgeführten Hochwasserbehälters für die
                              									Stadt Mainz vorgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 77
                              Fig. 25. Zement-Kabelpanzerung nach Wolle.
                              
                           Dyckerhoff & Widmann in Biebrich, stellten ausser
                              									ihren bereits erwähnten Erzeugnissen noch Kunststeine, sowie zahlreiche Modelle und
                              									Abbildungen von ihnen ausgeführter Betonbauten aus.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 77
                              Fig. 26a.Bimsbetondecke der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg.
                                 										Stützweite 4 Meter. Belastung 8000 kg/qm. Deckenstärke 140 mm.
                              
                           Auch Windschild & Langelott in Cossebaude bei
                              									Dresden gaben Modelle von ausgeführten Arbeiten, wie von Brücken in Stampfbeton,
                              									sowie auch in Bruchsteinmauerwerk, ferner von Wasserbehältern und zahlreichen
                              									sonstigen Arbeiten in Stampfbeton.
                           Heinrich Schneider in Dresden-Striesen stellte ein von
                              									ihm erfundenes Bausystem Schneider in einem danach
                              									erbauten Häuschen aus. Bei dieser Bauweise wird die tragende Baukonstruktion in
                              									Fachwerk ausgeführt, aber nicht ausgemauert, sondern beiderseitig mit einer
                              									besonderen Masse verkleidet. Hierzu werden nicht einzelne Bautafeln verwendet,
                              									sondern das Ganze, ebenso wie auch die Verkleidung der Decken, wird auf dem Bau
                              									selbst hergestellt, indem eine Mischung aus Mörtel, Flugasche und Gips auf ein
                              									ausgespanntes, verzinktes Drahtgewebe aufgetragen wird. Statt der Gipsmischung wird
                              									in solchenFällen, wo besonders auf Feuchtigkeit Rücksicht genommen werden muss,
                              									eine Aschenbetonmischung verwendet. Durch diese Konstruktion der Umfassungswände
                              									entstehen in derem Innern isolierende Hohlräume, in denen sich eine ruhende
                              									Luftschicht befindet, die das Gebäude gegen die äusseren Wärmeschwankungen gut
                              									schützen. Die Bauweise ist in Dresden polizeilich genehmigt und nicht nur von
                              									Privaten, sondern auch von der Technischen Hochschule bei den gegenwärtig dort
                              									aufgeführten Erweiterungsbauten verwendet.
                           Karl Voltz, in Strassburg i. E., gibt einige Proben
                              									seines sogenannten Bausystems „Voltz“, das eine leichte Betonkonstruktion
                              									ohne Eiseneinlage darstellt, über die indessen nähere Angaben nicht zu erhalten
                              									waren.
                           Heinrich Knab, Steinfels bei Parksteinhütten i. Bayern,
                              									zeigt einen hübschen Aufbau, der mit einem von ihm erfundenen, farbigen Putzmaterial
                              									überzogen ist, das er „Lithin“ nennt. Ueber dessen Zusammensetzung war nichts
                              									zu erfahren, als dass es ein hydraulisches Kalksilikat und ein von schädlichen
                              									Salzen freier, farbiger Trockenmörtel sei. Der Mörtel soll sehr haltbar sein und
                              									namentlich zur Verwendung in solchen Fällen dienen, wo man die Farben von
                              									natürlichen Steinen in Putz nachahmen will.
                           Die Firma Christoph & Unmack zu Niesky führt ihre
                              										Döckerschen Baracken vor, die in ihrer Anwendung
                              									lange nicht mehr auf das Gebiet der sogenannten transportablen Lazarettbaracken
                              									beschränkt sind, sondern sich nach und nach auch als Schulbauten, zur Unterbringung
                              									von Arbeitern, für Versammlungsräume, Landhäuser usw. an zahlreichen Orten
                              									eingebürgert haben. Auch die Deutsche
                                 										Barackenbau-Gesellschaft zu Berlin stellt von ihr gebaute, transportable
                              									Häuser aus. Im übrigen haben wir über die Erzeugnisse dieser beiden Firmen bereits
                              									bei früheren Gelegenheiten berichtet (D. p. J. 1902, 317,
                              
                              									223 u. 658).
                           Korksteinfabrikate zu Isolierzwecken, sowohl für Ummantelung von Dampfleitungen, wie
                              									auch zur Herstellung von Wänden zum Schütze gegen Hitze und Kälte, stellten Grünzweg & Hartmann in Ludwigshafen, sowie die Deutsch-Oesterreichischen Kork- und Isolierwerke zu
                              									Dresden aus. Ueber die Erzeugnisse dieser Firmen wird in Kürze gelegentlich eines
                              									Aufsatzes über feuersichere Bauweisen noch besonders berichtet werden, weshalb hier
                              									nicht weiter darauf eingegangen werden soll.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 77
                              Fig. 26b.Bimsbetondecke der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg.
                              
                           Die Majolikafabrik von Gebrüder Meinhold zu Schweinsburg
                              									an der Pleisse, stellt Wandplatten in schöner blauer Farbe für Aussendekoration aus,
                              									mit denen einzelne Flächen an einem, im übrigen in Zement ausgeführten Pavillon
                              									verkleidet sind. Diese Fliesen sind um so besser in ihrer Farbenwirkung, als sie
                              									nicht vollkommen gleichmässig abgetönt sind. Vielmehr ist bei ihrer Herstellung die
                              									Technik der verlaufenden Glasuren in Anwendung gebracht, so dass die erzielte
                              									Färbung von jeder Eintönigkeit frei bleibt. Es ist bekanntlich ein Hauptübelstand
                              									unserer Verblendsteinziegel, dass die sie herstellenden Werke immer noch auf dem
                              									ganz ungerechtfertigten Standpunkte stehen, dass die an einen Bau anzuliefernden
                              									Ziegel alle ganz
                              									genau gleichfarbig und gleich stark im Ton gehalten sein müssen, so dass die damit
                              									hergestellten Flächen erschreckend eintönig werden. Meistens begeht man hierbei noch
                              									den zweiten Fehler, die Fugen zwischen den einzelnen Steinen möglichst eng zu
                              									halten. Von diesem Bestreben nach Gleichtönigkeit hat sich die genannte Firma
                              									glücklicherweise von vornherein fern gehalten. Hoffentlich wird aber auch in nicht
                              									zu kurzer Zeit die Verblendziegelfabrikation selber gleichfalls von
                              									diesemStreben zurückgekommen zu sein, das gerade sie selbst am
                              									allerempfindlichsten schädigt. Denn während bei ungleichmässig gefärbten
                              									Mauerflächen nicht nur die Wirkung auf das Auge bedeutend erfreulicher ist, als wenn
                              									sie ganz glatt wären, so schafft das Streben nach Gleichmässigkeit auch eine grosse
                              									Menge von Ausschussware, während andernfalls alle irgendwie in der Farbe abweichend
                              									ausgefallenen Stücke ohne weiteres verwendet werden können.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)